• Runa hatte Pferde besorgt, auch wenn sie wusste, das Licinus nur ungern reitet, heute musste er damit leben. Der Wald war immer noch vom Schnee bedeckt. Und sie würden zu Fuß nur mühsam vorankommen. So hatte sich die Duccia für die Pferde entschieden. Sie führte die kleine Gruppe an eine Ort, wo sich Hügel über ein gewundenes Tal erheben. Wo ein dichter Wald mit Fichten beide Hänge bedeckt. Im engen Zwischenraum, war der Weg gerade bereit genug für ein Pferd, so dass sie hintereinander reiten mussten. Der Weg führte durch moderige Äcker, vorbei an einem See, der nur mit einer leichten Eisdecke bedeckt war. Hier und da konnte man stellen erkennen, wo das Eis so dünn war, dass das Wasser an die Oberfläche trat.
    Siehe da, rechts aus dem Wald sprangen zwei Rehböcke heraus, überquerte geschwind den schmalen Pfad und verschwanden unter dem lauten Knacken der mit den Hufen getreten Äste auf der anderen Seite wieder im Wald.
    Der Weg schlängelte sich immer weiter durch den Wald, bis Runa ihr Pferd nach rechts lenkte und sich vor der Gruppe ein Lichtung auftat. Das Zentrum war ein großer alter Eichenbaum. Unter seiner großen Krone zu Füßen seines Stammes konnte man einen großen Findling erkennen. Runa ritt gerade darauf zu. Kurz vor dem riesigen Baum hielt sie ihr Pferd an und stieg ab.
    Sie sah zur der ihr folgende Gruppe. „Hier wollte ich mit euch..“ sie sah zu Licinus und seiner kleinen Tochter. „... her. Mit euch hier noch ein mal zusammensitzen und euch für eure reise noch einmal alles gute und den Segen der Götter wünschen.“

  • Der Ort heir war geheimnisvoll und -- so sah man daran, dass sich Esquilina besonders eng an Licinus hielt -- ein wenig beängstigend.


    "Das ist eine der heiligen Stellen deines Volkes, nicht wahr?"
    fragte Licinus und bemühte sich dabei möglichst vorurteilsfrei zu klingen. Tatsächlich bemerkte er nicht mal, dass er Runa in diesem Fall zu ihrem germanischen Erbe zählte.
    In diesem Moment stand die Frau, die sich mit solch traumwandlerischer Sicherheit zwischen den Welten bewegte klar auf einer Seite.


    Einer Seite die für ihn vor wenigen Jahren noch eine feindliche gewesen wäre, die es mittlerweile aber nicht mehr war, wie er zu seinem eigenen Erstaunen feststellte. Es war nur noch eine andere. Eine zu der er nie vollen Eintritt erlangt hatte, die ihn aber nicht mehr ängstigte wie es zuvorder Fall gewesen war. Sie war eben eine der vielen Facetten, die das Leben in dieser Provinz so einzigartig machten.

  • Runa lächelte und nickte. „Ja.“ Sagte sie und half Esquilina vom Pferd. „Du musst keine Angst haben. Dieser Ort hier ist voller Frieden.“ sagte sie beruhigend zu dem kleinen Mädchen und wandte sich dann an dessen Vater. „Ich will euch nicht ohne den Segen der Götter gehen lassen.“ Sagte sie und drehte sich zu dem großen Stein. Sie säuberte ihn von den Resten des Schnees und kleineren Ästen. Dann breitete sie eine Decke auf diesem aus. Eine kleine Opferschale fand ihren Weg auf den Stein. Runa hatte nicht viel Mühe mit ein bisschen Geschick und kleinen Ästen ein Feuer in dieser zu entzünde. Etwas von dieser Glut nahm sie und zündete am nah an dem Stein gelegenen Feuerplatz ein großes wärmendes Feuer an. Hier nahm sie etwas Öl zu Hilfe, damit das etwas feuchte Holz schneller Feuer fing. Es dauerte auch nicht lange, bis man die Wirkung des Lagerfeuers spüren konnte. Neben dem Feuer lag ein großer Baumstamm so als wäre er eine Bank. Und tatsächlich war dies seine Bestimmung. Runa zog eine Decke von ihrem Pferd und breitete diese auf dem Stamm aus.
    „Nehmt doch bitte Platz.“ Sagte sie lächeln zur kleine Reisegesellschaft.
    Runa nahm ein Trinkhorn in die Hand und füllte es. Sie hob es hoch und sprach.


    "Um Donars Macht ich bitte,
    Donars Macht nach alter Sitte
    Weihe diesen Ort dem heil'gen Kult,
    Den Asen und Alben, die uns huld,
    den Wanen und weisen Zwergen
    in Alfheims Auen und Midgards Bergen,
    auch Ask und Emblas Söhnen,
    den Starken, und Töchtern, den Schönen.
    Möge Donars Schutz hier walten
    Bis das heil'ge Blot gehalten!"


    Nach diesen Worten stellte sie das gefüllte Horn neben die klein Feuerschale ab, und zog nun einen schon toten Hasen aus dem großen Ledersack, der an ihrem Pferd befestigt war. Sie verzichtete heute bewusst auf das Lebendofper, die wollte Esquilina nicht verschrecken.


    Den Rabengott ruf´ ich und alle Berater,
    Odin und alle Asen und Vanen:
    Gewährt uns Weisheit und heilsames Wirken,
    Rede und Rat und richtige Runen,
    Heil allen, die hier sind, und Heil ihren Sippen."


    Nun wurde auch das tote Tier auf den Stein abgelegt.


    Nun gab sie jedem ein Hor gefüllt mit Met, außer Esquilina, sie bekam lediglich ein Getränkt, das mit Honig gemsicht war.
    „Die Götter sind eingeladen sich uns anzuschließen und mit uns hier zu verweilen. So last uns nun auf sie unser Horn erheben, auf das sie uns ihren Schutz, ihre Weisheit und ihre Hilfe auf all unsere Wegen geben.“ Sagte Runa und hob ihrerseits nun ihr Horn nach oben.


    "Wir trinke auf euch, all ihr Hohen, in Asgard, in Wanenheim, in den heiligen Bergen und in den Grabhügeln! Möge euer Segen Midgard erfüllen, und mögen eure Namen auf immer erinnert sein: Wodan und Frigg, Donar und Sif, Freyr und Freya, Tyr und Eir, Njörd und Nerthus, Balder und Nanna, Ull und Skadi, Heimdall, Forseti, Fulla - und auch Loki, der für sein Lachen gepriesen sein soll, solange seine Lippen der Lüge verschlossen bleiben. All ihr Alben, Idisen und Landgeister, gebt Heil und Hilfe, ihr Segensreichen! Schaut wohlwollend auf uns und erleuchtet den Weg, auf dem wir wandern, denn es ist der Weg unserer Ahnen."


    Ein kleiner Schluck landete auf den Boden, dann prostete Runa allen zu und trank den Met aus dem Horn.
    Nun ging sie zu Esquilina, sie legte ihr einen kleinen aus dem Holz einer alten Eibe gefertigten Hammer des Donar in die Hand. „Möge er dich beschützen, wo immer auch dein Weg dich hinführt.“ Sie nahm Esquilina die nun das Zeichen des Donar hielten in ihren Hände und sprach leise. "Donnergott, höre, was hier ich erbitte: Weihe mit Macht gemäß uralter Sitte. Heil soll hinfort das Leben von Esquilina durchweben. Gabe um Gabe, so soll es geschehen, ehe die Götter und Menschen vergehen." Runa beugte sich nach vor und hauchte Esquilina eine Kuss auf die Stirn. „Die Götter mögen immer ihre schützenden Hände über dich halten.“
    Nun wand sie sich Licinus zu. „Du hast bereits von Idun einen mächtig Schutz erhalten. Ich könnte dir nichts geben was stärker ist als das was sie dir gab.“ Sagte Runa lächelnd. „Ich möchte dir dennoch den Segen der Götter mit auf deinen Weg geben.
    Möge Thor vor Dir herschreiten,
    So daß Du in seinem Windschatten gehst.
    Möge Frigga Dich geleiten,
    So daß Du Gastfreundschaft findest.
    Möge Njörd mit Dir sein,
    So daß Du den Herausforderungen der Reise gelassen begegnest.
    Die Gemeinschaft der Götter begleite Dich auf allen Wegen.“

    Runa hob erneut ihr Horn. „Ich trinke auf die Götter, auf euch und auf eure Zukunft.“

  • Alpina und Ursi begleiteten Runa und den Praefectus auf dem Waldausflug. Wie immer kannte Runa einen besonderen Platz. Die Magie des Ortes war beeindruckend. Sie bewunderte ihre Freundin für deren Gabe zwischen den Welten zu wandern und in direkten Kontakt mit den Göttern treten zu können. Atemlos hörte sie zu wie Runa die Götter ihrer Vorfahren anrief und hoffte, dass der waschechte Römer Licinus damit umgehen konnte in ein germanisches Ritual involviert zu werden.

  • "Ich hab keine Angst!" was die trotzige Reaktion eines Mädchens hätte sein können, die es einfach nicht zugeben wollte, war schlicht die Wahrheit. Sie vertraute Runa und Pina und außerdem war ihr Papa da. Wenn Papa da war, musste sie nie Angst haben.


    Während Runa das Feuer in Gang brachte -- er würde sich später schelten ihr nicht geholfen zu haben -- sah Licinus sich mit vorsichtiger Neugierde um. Die germanischen Wälder waren ihm an Anfang ausgenommen bedrohlich erschienen. Lebensfeindlich gar. Später war dieses Gefühl zu einem nur noch unangenehmen zusammengesunken. Aber dieser Moment des Abschieds war wohl das erste Mal, dass er in einem germanischen Wald so etwas wie Ruhe empfand.


    Als Runa den Hasen auf den Opferstein legte griff Licinus, Esquilina bei der Seite, unwillkürlich an seinen Hals. Nicht an den Kragen, wie man meinen könnte, er umschloss das Amulett, dass ihm die Seherin geschenkt hatte, mit seiner Faust.


    Mit Neugierde mehr noch als mit Scheu -- bei seiner Tochter mochte die Verteilung anders sein -- lauschte er den Worten Runas. Die Verehrung der germanischen Götter unterschied sich deutlich von der der römischen. Und doch existierten beide. Licinus war kein Theologe. Er wusste nicht, ob jene Recht hatten, die sagte, dass alle Götter die gleichen waren und sich nur die Verehrungsformen unterschieden. Oder doch jene, die glaubten, dass es tatsächlich verschiedene Götter waren. Aber wie er hier stand konnte er sich eines nicht vorstellen, nämlich, dass die Pantheen im Kriege miteinander lagen, solange es die Menschen nicht taten. Er spürte auf unbestimmte Weise, dass kein germanischer Gott ihn hier als Eindringling, kein römischer als Verräter empfinden würde.


    Er trank als Runa das Zeichen dazu gab gleichfalls von dem Met, der doch so gewöhnlich schmeckte, zu süß wie er immer fand, und doch war es ein anderes Trinken als sonst.
    Stolz sah er auf Esquilina hinab, als sie von Runa das Amulett erhielt und den Kuss auf die Stirn. "Danke?" hauchte das Kind, unsicher ob es sprechen durfte aber unfähig stillzuhalten in seiner Faszination.
    Ein Teil, der kindliche, den Licinus so gut verbarg, wenn er nicht mit Kindern spielte, fühlte sich ertappt, als Runa auf das Amulett zu sprechen kam, dass er dort mit seiner Hand umklammerte. Langsam löste er sie und ließ den Anhänger sehen.
    Dank war in seinen Augen zu lesen, als er Runa anblickte.


    Licinus fühlte sich bemühsigt den Trinkspruch zu erwidern. "Ich trinke auf euer Wohl, das wohl der besten Freundinnen, die sich ein Mann wünschen kann. Möget ihr hier glücklich und in Frieden leben können."

  • Runa sah lächelnd zu Licinus und seiner kleinen Tochter. Sie hatte die beiden wirklich in ihr Herz geschlossen. Dann sah sie zu ihrer guten Freundin Alpina. "Nun sind wir bald allein hier. Mein Mann weilt ja auch schon lange auf dem Landgut." Sagte Runa fast schon etwas melancholisch. Aber sie wollte nicht trübsinnig sein heute. "Ich trinke auf euer Wohl. Auf dass unsere Freundschaft auch die Entfernung übersteht." Sagte und trank einen kräftigen Schluck.
    Ja sie würden hier noch eine ganze Weile sitzen über alles Mögliche reden. Esquilina würde man all ihre Fragen beantworten. Erst kurz bevor die Sonne sich anschicken würde den Tag bald zu beenden würde die kleine Gesellschaft den Heimweg antreten.

  • "Das wird sie bestimmt!" es war Licinus wunsch und Hoffnung zugleich die er ausdrückte, bevor sie an einem langen Tag und mit vielen und wenigen Worten die Bande nochmal stärkten, die sie verbanden.

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