Hortus | Non est ad astra mollis e terris via

  • Den ganzen Tag über hatte ich über meinen nächtlichen Zusammenstoß mit Iduna, der rothaarigen germanischen Sklavin nachdenken müssen. Es war eine surreale Begegnung gewesen, das stand fest. Ich hatte ein schweres Päckchen mit mir herumgetragen, weil ich sie auf Geheiß der Claudia hatte schänden sollen. Ich hatte auf Vergebung gehofft und nach allem, was letzte Nach passiert war, hatte sie mir Absolution erteilt. Abe vielleicht war es aber auch nur ein sehr real wirkender Traum gewesen, weil ich mich so sehr danach gesehnt hatte.


    Dass es kein Traum gewesen war, wusste ich spätestens dann, als mir Iduna über den Weg gelaufen war. Wie immer war da zunächst ihr Argwohn mir gegenüber. Kein Wunder, noch immer war da ihre Angst. Aber ich hatte ihr keinen Anlass dazu gegeben, Angst vor mir zu haben. Doch neben der Angst war da noch etwas anderes. So eine Art Neugier, die sie trieb. Die sie sogar kurz lächeln ließ, als sie mir begegnet war. So kam es mir zumindest vor. Vielleicht bildete ich mir das alles ja auch nur ein.


    Als der Tag dann zu Ende ging und es Zeit war, schlafen zu gehen, zog ich lieber wieder die Kühle der Nacht vor. Diesmal nahm ich mir den Ratschlag der Claudia zu Herzen und suchte mir einen Platz etwas weiter hinten im Garten. Nicht dass ich ihr am Ende wieder begegnete.
    Schließlich fand ich einen netten Platz zwischen einigen Bäumen. Ich setzte mich auf eine steinerne Bank und sah zu gen Himmel zu den Sternen hinauf.

  • Während Iduna ihren Verpflichtungen nachging und dabei versuchte der Claudia aus dem Weg zu gehen, glitten ihre Gedanken dann doch immer wieder in Angus‘ Richtung und seinen Worten. Hatte er seine Worte tatsächlich ernst gemeint? Seine Entschuldigung klang zumindest danach und da Iduna niemals nachtragend sein konnte, hatte sie seine Entschuldigung angenommen.
    Wie würde es allerdings sein, sollte die Claudia den Leibwächter ihres Ehemannes erneut zu einer solch drakonischen Bestrafung heranziehen? Würde sich Angus dann zur Wehr setzen? Könnte er sich gegen die flavische Herrschaft auflehnen und wie würde das Ergebnis ausfallen? Diese Gedanken begleiteten den Rotschopf durch den Tag und als sie Angus dann tatsächlich in einem der Flure über den Weg lief, huschte ein hauchzartes Lächeln über ihre Lippen. Eine Reaktion die sich die junge Cheruskerin selbst nicht erklären konnte und so verscheuchte sie dieses merkwürdige Gefühl oder versuchte es zumindest.
    Denn als sich der Tag dem Ende entgegen neigte und Iduna auf ihrer Liegestatt auf dem Rücken lag, wälzte sie sich unruhig von einer Seite auf die andere. Schließlich hielt sie es im stickigen Inneren der Schlafkammer nicht mehr aus. Trat auf die Türe zu, öffnete diese äußerst vorsichtig und zwängte sich durch den schmalen Spalt hindurch. Mit nackten Füßen huschte der Rotschopf durch die Gänge und erreichte schließlich den Hortus der flavischen Villa. Die Sterne standen in dieser Nacht hoch am Himmel und Iduna neigte ihren Kopf in den Nacken, als sie mit leiser Stimme die germanischen Sternbilder aufzuzählen begann. Angus Anwesenheit bemerkte Iduna nicht.

  • Die gleichen Sterne leuchteten nun auch am Himmel über Luguvalion. Das war ein schöner Gedanke, fand ich. Allerdings wartete dort nichts und niemand mehr auf mich. Doch die Sehnsucht nach frischer Luft, den fetten grünen Wiesen, den dunkel anmutende Seen und farnbedeckten Hügel war immer noch groß. Ich vermisste den Geruch des Torffeuers und das braune Wasser der Flüsse. Es hatte eine braune Farbe, da es durchs Moor geflossen war. Ja, das war meine Heimat gewesen!
    Plötzlich aber hörte ich etwas und ich ließ meinen Blick wieder sinken. War da jemand? Es hatte sich nur wie ein unscheinbares Knacken angehört, als ob sich jemand anschlich oder barfuß unterwegs war. Verdammt noch eins, hatte man nicht einmal hier seine Ruhe? War es wieder die Claudia, die mitten in der Nacht durch den Garten stolpern musste?
    „Ist da wer?“, rief ich und erhob mich von der steinernen Bank.

  • Es war beinahe windstill als Iduna ihre nackten Füße in den Hortus der flavischen Villa setzte. Und erst jetzt gestattete sie sich langsam ein- und wieder auszuatmen. Die kühle Nachtluft belebte ihren vom Schlaf umwölkten Geist und ließ sie ihren Blick gen des Himmels wenden. Leise begann der Rotschopf die germanischen Sternbilder aufzuzählen, die sie erkennen konnte. Und mit einem mal war sie wieder vorhanden. Die stille Sehnsucht an ihre cheruskische Heimat.
    Unbemerkt presste Iduna ihre schmalen Finger, die sie zu Fäusten geballt hatte, gegen ihre Oberschenkel und biss sich auf die Unterlippe. Denn ein schluchzen wollte sich mit aller Macht seinen Weg in die Freiheit bahnen. Mit gespitzten Ohren hielt der Rotschopf auch schon ihren Atem an. Hatte sie da nicht gerade Angus‘ Stimme vernommen oder spielten ihre wirren Sinne einen Streich? ”Angus?” Wagte Iduna dann doch den ersten Versuch und blinzelte in die Dunkelheit hinein.

  • Ich hatte mich nicht geirrt. Da war jemand und die Stimme, die kurze Zeit später erklang, kam mir sehr bekannt vor. Ein wenig Unbehagen schwang mit, als ich realisierte, dass es Idunas Stimme war. Trotz unserer Begegnung in der letzten Nacht, stand da immer noch diese Unsicherheit zwischen uns, zum einen ihre Angst vor mir und zum anderen meine Verantwortung, die ich glaubte, für sie haben zu müssen.

    Vorsichtig bewegte ich mich von der Steinbank fort und näherte ich mich ihr. Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Das Licht der Gestirne reichte aus, um ihr Antlitz zu erkennen.
    Da stand sie wieder, wie in der Nacht zuvor und blinzelte. „Iduna?“, stellte ich fragend fest. „Was machst du hier draußen und um diese Zeit?“ Das Gleiche hätte sie auch mich fragen können. Nur wenige in der Sklavenunterkunft wussten davon, dass ich des Nachts gerne hier draußen war und die Stille der kühlen Nacht schätzte. Womöglich war sie auch eine Getriebene, so wie ich, die in der Nacht keinen Schlaf fand, weil etwas sie umtreiben ließ? Waren es noch immer die furchtbaren Momente ihrer Bestrafung oder gab es da noch mehr? Auch sie hatte ein Leben, bevor man sie hierher gebracht hatte.

  • Wie ein gestaltloser Schemen wirkte Iduna in diesem Moment, als sie lediglich vom Sternenlicht beschienen, inmitten des Hortus verharrte. Schließlich hatte sie ihren Kopf lauschend auf die Seite geneigt. Würde sie eine Antwort auf ihre fragenden Worte erhalten? Was war, wenn es doch nicht Angus war, der sich zu nachtschlafender Zeit im Hortus aufhielt? Ein eisiger Schauer war es, der sich als Gänsehaut auf ihren Oberarmen abzeichnete.


    Wenn sich dort im Dunkel einer der anderen Haussklaven verbarg, um sie im nächsten Moment ins dunkle Gestrüpp zu zerren, dann würde sie schreien. Nein, das würde sie nicht. Wie ein verschrecktes Mäuschen würde sie zu Stein erstarren, unfähig sich zu rühren. Nervös huschte ihre Zungenspitze über ihre trockenen Lippen, während ihr laut pochendes Herz in den Ohren widerhallte.


    Und dann konnte sie seinem Schatten erkennen der sich ihr näherte. Erschrocken presste sie ihre Finger gegen die Lippen. Bis sie bemerkte das es tatsächlich Angus war. Und etwas ähnliches wie Erleichterung durchströmte ihren Körper. ”A.. Angus. Ich ko.. konnte nicht mehr schlafen.” Gab der Rotschopf mit leiser Stimme zur Sntwort. ”Mich quälen meine Träume immer stärker. Ich vermisse meine Heimat. Meine Eltern und..” Und dann strömten tatsächlich Tränen über Idunas Wangen. Tränen die sie resolut beiseite wischte und tapfer zu dem Älteren empor lächelte. ”Bitte entschuldige. Ich wollte nicht.. also nicht vor dir....” Denn manchmal konnte man Iduna im Schlaf leise schluchzen hören.

  • Es war, als hörte ich aus ihren Worten eine Erleichterung heraus. Ein Zeichen dafür, dass sie in mir nicht mehr das furchteinflößende Monster sah, für das sie mich bis gestern noch gehalten hatte. Ob man das bereits als einen Fortschritt werten konnte?
    Als ich noch einige Schritte auf sie zuging, konnte ich ihr Gesicht im Mondschein wahrnehmen. Weinte sie etwa? Träume hatten sie gequält und ein Anflug von Heimweh war es, der sie hier herausgetrieben hatte. Offenbar hatten wir da auch etwas gemeinsam. „Schon gut, Kleines!“, versuchte ich sie zu beruhigen. Vorsichtig legte ich meinen Arm um ihre Schulter. Ich wollte sie ja nicht gleich wieder verschrecken. „Deine Eltern, leben sie noch?“ Ich musste gestehen, dass ich rein gar nichts von wusste und unter welchen Voraussetzungen sie in ihre jetzige Lage gekommen war. „Möchtest du mir etwas über sie erzählen. Manchmal hilft es, wenn man darüber spricht.“ So zumindest ging es mir manchmal, wenn die Trauer nach dem Verlorenen zu stark wurde. „Komm, lass uns da vorne auf die Steinbank setzen!“ Ich schob sie in meinem Arm zu dem Platz, von dem aus ich gekommen war. Auf der steinernen Bank hatten wie beide genug Platz.

  • Die Rothaarige rührte sich noch immer nicht. Im Gegenteil. Ihre nackten Fußsohlen pressten sich regelrecht gegen die Steine, auf denen sie stand. Denn noch immer umfing sie Stille, sodass sich Iduna innerlich fragte, ob es das richtige war. Vielleicht spielten ihre Sinne auch einfach verrückt und gaukelten ihr Bilder vor, die nicht existierten?
    Bei diesem Gedanken schüttelte die Rothaarige kaum merklich ihren Kopf und biss sich dennoch unbewusst auf die Unterlippe. Dann jedoch schälte sich Angus‘ Schemen aus dem Schatten und ließ Idunas‘ Herz unwillkürlich hastiger in ihrer Brust pochen.
    Als seine beruhigende Stimme an das Ohr der Rothaarigen drang, hob sie ihren Kopf langsam an und erwiederte schließlich seinen Blick. ”Tu.. tut mir Leid A.. Angus.” Mit tränenverweinten Augen blickte Iduna zu dem Älteren empor und ließ es zu, dass er seinen Arm um ihre Schulter legte.
    Ohne jegliche Gegenwehr ließ sie sich mitziehen und setzte sich vorsichtig neben Angus auf die steinerne Bank. ”M.. meine Eltern.. leben nicht mehr. Es.. es waren römische So.. Soldaten die mein Heimatdorf angegriffen hatten.” Bei diesen Worten begann Idunas Unterlippe stärker zu zittern. So dass sie ihre Finger gegen ihre Lippen pressen musste. ”Ich habe meine Eltern geliebt. Mein Va.. Vater war eine Art Heilkundiger.” Erzählte die Rothaarige mit leiser, weinerlicher Stimme.

  • „Dir braucht nichts leid zu tun, Kleines!“, tröstete ich sie und gab ihr die nötige Geborgenheit, die sie gerade brauchte. Auch dann noch hielt ich sie mit meinem Arm umschlungen, als wir beide schon auf der Steinbank Platz genommen hatten. Ich lauschte ihrer Gesichte, die so voller Dramatik war. Es schien, als wollten ihr die Erinnerungen an diese schrecklichen Stunden den Rest geben. Sanft begann ich ihr über den Rücken zu streichen. Ich hoffte, dies könne ihr ein wenig Trost verschaffen. „Natürlich hast du deine Eltern geliebt, Kleines. Ganz gleich, wo sie jetzt sind, in der Anderswelt oder sonst wo, werden sie das niemals vergessen! Bis zu dem Tag, an dem ihr wieder vereint sein werdet.“ Irgendwie war es schon beruhigend, zu wissen, dass der Tod nicht das Ende war. Dabei fiel mir ein, dass ich keinen Schimmer davon hatte, ob die Germanen überhaupt an einen Ort wie die Anderswelt glaubten.
    „Dein Vater war ein Heilkundiger? Dann war er sicher sehr angesehen bei deinen Leuten, nicht wahr?“ Ich fragte mich, ob auch Iduna etwas von den Künsten eines Heilers verstand. Andererseits war sie vielleicht dazu noch zu jung gewesen, als man sie versklavte.


    „Ach übrigens, wie versprochen habe ich heute mit unserem Dominus gesprochen. Er war sehr gütig. Von nun an musst du dir keine Sorgen mehr machen, Kleines. Er hat mir erlaubt, mich um dich zu kümmern.“ Vielleicht gab ihr diese Neuigkeit noch etwas mehr Sicherheit und Zuversicht. Allerdings verschwieg ich ihr besser, dass ich von nun an für alles, was sie tat, geradestand. Und auch die Tatsache, dass ich nun ihr Gefährte war, ließ ich zunächst einmal außer Acht. Mir war bewusst, dass Liebe ein zartes Pflänzchen war, das man beharrlich pflegen musste, damit es wachsen konnte.

  • Es waren Tränen die Idunas Gesichtsfeld drastisch einschränkten. So dass es ihr vorkam, als würde sie durch eine Nebelwand blicken. Selbst seine Worte drangen mit einem rauschen an ihr Gehör. Blinzelnd versuchte sie eben jene Tränen zu vertreiben. Doch diese hatten sich an ihren Wimpern festgesetzt. ”N.. Nicht Leid tun?” Murmelte Iduna mit tränenerstickter Stimme. Wobei sie ihre Finger miteinander verschränkte und diese gesittet in ihrem Schoß behielt. Dabei rieselte es ihr eisig den Rücken hinunter, als ihr bewusst wurde, dass sie von nun an, ihre Unschuld nicht mehr bewahren müsste. Diese war dahin. Unwiderbringlich verloren. Und das nur weil sie diesen einen Fehler begangen hatte. Vielleicht hatte die Domina doch Recht und Iduna hatte ihrem Dominus unbemerkt Signale gesendet. Bei diesem Gedanken schluckte der Rotschopf vernehmlich und verharrte völlig ruhig auf der Bank sitzend. Angus dürfte ihre angespannte Körperhaltung bemerken, als er seinen Arm um ihre Schultern legte.


    Dann begann er ihr über den Rücken zu streicheln und Iduna hatte das Gefühl als würde sie abrupt in die Vergangenheit zurückversetzt. Auch ihre Mutter.. Stiefmutter hatte sie mit sanften Berührungen zu trösten versucht. ”Eines Tages werde ich meine Eltern in Walhalla wieder sehen. Dann werden wir gemeinsam an Odins Tafel sitzen und glücklich sein.” Etwas Verbitterung hatte sich in die Worte der Rothaarigen geschlichen, als sie unbewusst ihren Kopf gegen Angus Schulter lehnte. Tatsächlich schien sich die junge Germanin etwas zu beruhigen, auch wenn noch immer Tränen an ihren Wimpern glitzerten. ”Nein. Wir waren einfache Bewohner unseres Dorfes.” Erklärte die Rothaarige und spürte erneut einen Stich der Sehnsucht, wann immer sie an ihre Eltern dachte.”Si.. sind in deinem Dorf die Heilkundigen angesehene Bewohner?” Fragend hatte sie ihren Kopf gehoben und blickte ihn direkt an. ”Mein Vater wo.. wollte mich in den Künsten eines Heilers ausb.. bilden. Aber dann kamen die Römer....” Leise gesprochen, bis ihre Stimme schließlich erstarb.


    Dann sprach Angus von Scato.. ihrem Dominus und ließ Iduna augenblicklich aufmerksamer werden. ”D.. Du hast mit unserem Dominus ge.. gesprochen? A.. Aber Angus, ich mö.. möchte nicht das du wegen mir Ärger be.. bekommst.” Platzte es stammelnd über ihre Lippen, wobei sie mit großen Augen zu Angus blickte. Abrupt hatte sie sich erhoben und stand nun mit bebendem Körper vor der steinernen Bank, auf der er noch immer saß. Hart schluckte die Rothaarige und blickte mit einem traurigen Schimmer in ihren Augen in seine Richtung. ”Was hat unser Dominus als Gegenleistung verlangt. Er würde so etwas nie aus reiner Nächstenliebe machen.” Oh nein. Definitiv nicht. Denn mittlerweile kannte Iduna den Römer.. oder glaubte es zumindest.

  • Sie war ganz verkrampft, als sie neben mir auf der Bank saß und immer noch wimmerte und schluchzte. Ihre Hände waren es auch. Wie zum Schutz hatte sie sie über ihren Schoß verschränkt. Glaubte sie etwa immer noch, ich wollte über sie herfallen. Was sollte ich denn noch tun, um ihr zu beweisen, dass ich mich geändert hatte? „Nein, Kleines. Sei ganz entspannt. Niemand tut dir etwas. Dafür werde ich von jetzt an sorgen.“Sie wusste es noch nicht, doch sie gehörte nun mir. Sie war mein Kleinod, auf dass ich von nun an Acht geben musste.


    Iduna erzählte weiter. Ja, eines Tages war sie wieder ihrer Familie vereint. Mir schien, als sei sie darüber verbittert. „Du musst keine Angst vor dem Tod haben, mein Herz“, wisperte ich ihr leise zu, als sie sich an meine Schulter anlehnte. Noch immer kullerte ihr einige Tränen über ihre Wangen. Sanft küsste ich sie auf die Stirn und lächelte ihr zuversichtlich zu. Sie sah so schön aus, so zart und zerbrechlich. So unschuldig. Ihre Worte nahm ich nur noch selektiv wahr, weil ihr Anblick mich so verzauberte. „Einst gab es weise Männer, die umherwanderten und die auch um die Heilkünste Bescheid wussten. Doch lange vor meiner Geburt töteten die Römer fast alle von ihnen. Einige wenige leben aber noch im Verborgenen. Sie tragen das Wissen unseres Volkes weiter. Wenn sie auch noch sterben, dann ist unser Wissen verloren.“ Diese Geschichte hatte mir immer mein Vater erzählt, als ich noch ein kleiner Junge war. Damals hatte ich nicht verstanden, wieso unser Wissen verloren gehen könnte. Doch nun wusste ich es. Die Römer rissen uns unser Herz heraus, indem wir nach und nach so wurden, wie sie. Ich selbst war da keine Ausnahme.


    Als ich Scato erwähnt hatte, veränderte sich wieder ihre Haltung. Sie wirkte wieder angespannt, dabei gab es dafür gar keinen Grund. „Aber natürlich habe ich mit ihm gesprochen. Das habe ich dir doch versprochen! Und wieso sollte ich wegen dir Ärger bekommen, mein Herz?“ Dann, ganz plötzlich erhob sie sich und stellte sich vor mich auf. So viel Traurigkeit stand in ihren Augen. Auch ich erhob mich nun und strich ihr sanft über die Wangen. „Glaub mir, mein Herz, er hat nichts von mir verlangt.“, log ich und versuchte zu lächeln. Doch seine Androhungen, die er gemacht hatte und die ich nicht vergessen konnte, verrieten mich.

  • Wie ein verschrecktes Kanninchen kauerte sie auf der steinernen Bank und spürte Angus‘ Anwesenheit dennoch überdeutlich. Ihre Hände hielt sie unbemerkt schützend über ihren Schoß. Obwohl er ihr doch versprochen hatte, dass er sie nicht berührte, so hatte sie noch deutlich sein vor Lust verzerrtes Gesicht vor Augen. Und alleine diese Mimik jagte ihr immer noch eisige Schauer über den Rücken.


    Meistens verdrängte sie diese Gefühlsregung einfach. Doch dann gab es Tage, so wie heute, da konnte sie ihre Mauern nicht länger stabil und empor gerichtet belassen. Dann bröckelte ihr Schutzwall und die Tränen kullerten. Mit leisem schluchzen drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und lauschte seinen Worten. ”Du.. du wirst mich jetzt be.. beschützen? U... und was sagt unser Dominus und die.. die Claudia?” Hart trommelte ihr in diesem moment ihr Herz in der Brust. Hatten die Beiden den Wunsch des Sklaven einfach so hingenommen? Nein, so recht konnte es der Rotschopf nicht glauben. Und dieser Zweifel zeigte sich als steile Falte zwischen ihren Augenbrauen.


    ”Ich habe auch keine Angst vor dem Tod. Denn ich weiß das ich dann wieder mit meiner Familie vereint sein werde. Und das ist ein schöner Gedanke.” Dabei versuchte sie sich doch tatsächlich an einem etwas verwackelten Lächeln. Ein Lächeln welches von Angus erwiedert wurde. Abermals berührten seine Lippen ihre Stirn und Iduna spürte ihr Blut in Windeseile durch ihre Venen jagen. Ein wahrlich merkwürdiges Grfühl beschlich sie. Ein Gefühl welches sich gar nicht so schlecht anfühlte. Zumindest wenn sie länger darüber nachdachte.


    ”Wenn die Römer nur nicht so grausam wären. Dann hätten wir viel voneinander lernen können. Doch so...,” Ein tonloses Seufzen entfloh Idunas Lippen, als sie ihr Köpfchen auf die Seite neigte und zu Angus empor blickte. War er mit ihr einer Meinung? Oder hatte er seine eigenen Vorstellungen? ”Haben die Weisen deines Volkes ihr Wissen nicht an ihre Nachfolger weitergegeben?” Nein. Das konnte die junge Cheruskerin nicht so recht verstehen. Wieso denn nicht? War den Weisen seines Volkes nicht bewusst, dass das Wissen mit ihrem Tod für immer verschwunden wäre?


    Und erneut drehte sich das Gespräch um ihren gemeinsamen Dominus. Dabei hatte sich die junge Germanin empört von der Bank erhoben und fokussierte Angus. ”Weil du.. du dich wegen mir in Gefahr begibst. Wenn die Domina darüber Bescheid bekommt....” Nervös huschte ihre Zungenspitze über ihre Unterlippe und ihre Finger verkrallten sich erneut in ihrer Tunika. Als er ihr sanft über die Wange streichelte, hob sie langsam ihren Kopf und lockerte ihre verkrampften Finger. Vorsichtig streckte sie ihre Finger nach ihm aus und bettete ihre Finger auf seine Brust. ”Ich dachte wir vertrauen uns. Was hat unser Dominus von dir verlangt?” Beharrlich verlangte sie nach einer Antwort. Einer ehrlichen Antwort.

  • Warum nur versiegten ihre Tränen nicht? Gab ich ihr denn nicht genug Geborgenheit? Fürchtete sie sich noch immer? Etwa vor mir? Oder war es eher die Sorge um mich? „Ich sagte ihm, ich fühle mich für dich verantwortlich und er hat zugestimmt, mein Herz. So einfach ist das.“ Sicher war es das Beste, wenn ich es ihr schonend beibrachte, dass sie nun mein war. Idealerweise wäre es natürlich gewesen, wenn ich sie dazu brachte, dass sie es auch wollte. Aber mir war schon bewusst, dass es ein langer Weg bis hinauf zu den Sternen war.
    Zunächst war es sinnvoll, wenn sie sich wieder entspannen konnte. Sie konzentrierte sich wieder auf unser Gespräch. „Das ist gut so, Kleines! Zu wissen, dass der Tod keinen Schrecken hat, macht uns stark!“ Ich drückte sie sanft an mich und sog den Duft ihres Haars ein. In diesem Moment war ich mir gewiss, dass ich in Händen hielt, wonach ich mich all die Jahre verzehrt hatte. Ich dankte den Göttern, die sie uns zusammengeführt hatten.
    „Die Römer sind gierig, mein Herz. Sie saugen das Beste aus den Völkern, die sie besiegt haben, heraus und der Lohn dafür ist ihre sogenannte Romanisierung.“ Sie sah zu mir auf. Ein Anlass für mich, ihre Tränen fortzuwischen. Sie musste nicht länger weinen, denn ich war ja bei ihr. Derweil fragte sie weiter und ich antwortete ihr. „Ja, das tun sie. Von Generation zu Generation. Aber die Ausbildung eines Schülers dauert mindestens 25 Jahre. Da sie ständig damit rechnen müssen, verfolgt zu werden, gibt es nicht mehr sehr viele von ihnen.“ Einst hatte jeder Stamm seine Druiden. Sie waren die Bewahrer des Wissens und die Verbindung zu unseren Göttern. Aber das lag schon lange zurück.


    Als wir uns dann gegenüberstanden und ihre Besorgnis trotz meiner Beschwichtigungen sich immer wieder entflammen wollte, hätte ich sie am liebsten innig geküsst. Doch sie hatte inzwischen gelernt, wie sie mich in die Knie zwingen konnte. Sie sprach von Vertrauen und forderte es jetzt von mir ein. Ich konnte nicht anders. „Er billigt es, dass du und ich… also, dass ich… über dich wache. Bei jeder Verfehlung, die du begehst, wird er auch mich zur Verantwortung ziehen. Doch dafür dürfen wir zusammen sein, du und ich!“ Wieder versuchte ich ihr zuzulächeln. „Würdest du das denn wollen? Also, ich meine, dass du mit mir zusammen bist.“ Nun war ich derjenige, dessen Puls zu rasen begann. Vielleicht verabscheute sie mich ja. Doch ich hielt es für richtig, dass auch sie darüber entscheiden sollte.

  • Innerlich schalt sie sich eine Närrin. Wieso weinte sie denn noch immer? Lag es daran weil sie sich Sorgen um Angus machte? Jener junge Mann der sie auf Geheiß der Domina ihrer Unschuld beraubt hatte. Ja! Und dann war es erneut seine Stimme der Iduna wie verzaubert lauschte. ”Und unser Dominus hat deinem Wunsch einfach so entsprochen Angus?” Angstvoll schlug ihr Herz sogleich einige Takte rascher in ihrer Brust. War ihr Dominus tatsächlich mit einem weichen Herz gesegnet weiches und von Güte beseelt? Es war schwer vorstellbar und dieser Gedanke spiegelte sich auch auf Idunas Gesichtszügen. Sie würde ihm einfach glauben müssen. Er würde sie doch nicht anlügen und die Unwahrheit erzählen, nur um sie zu schonen. Oder etwa doch?


    Dann jedoch war es erneut seine Stimme, die Iduna aus ihren Grübeleien riss und ihre Aufmerksamkeit auf das Gespräch richtete. ”Der Tod ist unvermeidbar mit unserem Schicksal verknüpft.” Erwiederte die Rothaarige beinahe altklug auf Angus Worte, wobei sie dem Älteren einen vorsichtigen Block aus dem Augenwinkel entgegen warf. Seiner Berührung, als er sie in seine Arme zog, widersetzte sie sich nicht. Und auch ihr schluchzen war für den Moment verstummt. Schweigend lehnte sie ihren Kopf grgen seine Brust und ertappte sich dabei, wie sie unbemerkt an ihm zu schnuppern begann. ”Aber.. wenn wir uns gegen die Römer auflehnen... werden wir nieder gestreckt. Ein ewiger Kreislauf, bei dem immer die römischen Soldaten gewinnen werden.” Dabei krallte sie ihre Finger in seine Tunika und blickte mit einem traurigen Schimmer in ihren Augen zu dem Älteren empor. ”Ein jeder Aufstand wurde von den Römern vernichtet. Sie sind zu stark und mächtig.” Ein trauriges Lächeln huschte bei diesen Worten über ihre Lippen. ”Glaubst du das es in der flavischen Bibliothek Bücher über das alte Wissen der Heilkundigen gibt?” Dann jedoch wurde Iduna bewusdt das sie nicht wusste ob Angus lesen und schreiben konnte. Der Rotschopf dagegen wurde in diesen Dingen von einem griechischen Hauslehrer der Flavier unterrichtet. Wie es Aristocles wohl ergehen mochte?


    Diesen Gedanken verscheuchte sie auch schon, als sie Angus empört anstarrte und sich mit bebendem Oberkörper erhoben hatte. Und dann brach er endlich sein Schweigen. Doch das was dann an Idunas Gehör drang, ließ sie leicht schwindeln, so dass sie haltesuchend hre schmale Hand in seine Richtung ausstreckte. ”Du.. du bist für mich verantworlich? Und.. und unser Dominus wird dich bestrafen, wenn ich... ich...” Abrupt verstummte sie und biss sich dabei auf die Unterlippe. ”Ich werde artig an deiner Seite sein Angus. Ich möchte nicht das du wegen mir bestraft wirst.” Bei diesen Worten ergriff sie seine Hände, drückte diese an ihre Brust und blickte mit einem sanften leuchten in ihren Augen zu Angus empor.

  • „Ja!“, antwortete ich, als ob es das selbstverständlichste auf der Welt sei und lächelte dabei. Aber Iduna schien mir das nicht abnehmen zu wollen. Nun ja, sie war ja nicht erst seit gestern hier und sie wusste auch, wie Scato tickte. Der Flavier war ein Fuchs, der nichts umsonst tat oder hergab. Immer war irgendwo ein Haken versteckt.
    Zum Glück hatte sie endlich aufgehört zu heulen. Sie war eben nicht nur zart und zerbrechlich, sondern auch schrecklich sensibel. Aber war es ihr zu verdenken? Sie war doch noch so jung! Blutjung, so wie Aislin damals, als sie die Meine wurde. Aislin! Für einen Moment glaubte ich, sie läge in meinen Armen, mein ein und alles!
    „Ja, das ist er,“ antwortete ich ihr gedankenverloren, während ich immer noch meine tote Frau in meinen Armen wähnte. Trotz ihrer Jugend traten weise Worte aus ihrem Mund. Einen Moment später, als ich ins hier und jetzt zurückkehrte, wurde mir bewusst, dass alles nur ein Traum war. Nicht Aislin, sondern Iduna war es, die in meinem Arm lag.
    Sie begann an mir herumzuschnuppern, wie ein kleines Kaninchen, das etwas Zutrauen gefasst hatte. Ich sah zu ihr hinab und streichelte ihr über ihr rotes Haar, während sie sich weiter ihre Gedanken über die Ungerechtigkeit der Römer und die Konsequenzen nichtdurchdachter Aufstände machte. „Sie sind nur zu stark, weil wir zu ohnmächtig sind! Die germanischen Stämme wie auch die britannischen sind, oder sollte ich besser sagen, waren immer uneins. Wenn wir uns gegen Rom zusammengeschlossen hätten, dann hätten sie niemals in unserem Land Fuß fassen können.“ Ja, doch das war Schnee von vorgestern!
    Wieder strich ich ihr über die Wange, weil sie so traurig schaute. „Ich war noch nie in der flavischen Bibliothek, Kleines,“ musste ich ihr gestehen, obwohl ich des Lesens mächtig war. „Aber du kannst vielleicht einmal nachschauen, aber lass dich nicht von Magos, dem alten griesgrämigen Bibliothekar erwischen!“ meinte ich scherzhaft, wobei ich mir gar nicht so sicher war, ob Magos überhaupt noch lebte. Jedoch verschwand mein Grinsen gleich wieder.
    „Ja, so ist es!“, antwortete ich ihr wahrheitsgemäß. „Mit eiserner Faust wird er durchgreifen, wenn es zu Problemen kommt.“Noch eimal wiederholte ich seine Drohung. Ich wusste was das bedeutete. Die Flavier waren in dieser Beziehung sehr kreativ. „Doch ich weiß, dass du artig sein wirst, mein Herz. Aber möchtest du auch wirklich mein sein? Möchtest du ...mein Weib sein?“ Mir war bewusst, dass eine Heirat für Sklaven tabu war. Doch allen Verboten zum Trotz konnten wir uns gegenseitig ein Versprechen geben und uns ewige Treue schwören, bis in den Tod. Ich hätte es ihr nicht verübelt, wenn sie nun nein sagte. Schließlich kam das alles etwas plötzlich.

  • Die Antwort des Älteren auf ihre fragenden Worte ließ Idunas steile Falte zwischen ihren Augenbrauen tiefer eingraben. Mit einem einfachen -Ja- wollte Angus sie abspeisen? Hm. Vielleicht sollte sie weiter nachbohren, und Angus die richtige Antwort irgendwie entlocken. Mit diesem Gedanken begann sich die Rothaarige schließlich intensiver beschäftigen. Sogar ihre Tränen versiegten, als sie mit noch immer glänzenden Augen zu Angus empor blickte.


    Von den Gedanken des älteren Sklaven ahnte die junge Cheruskerin nichts. Denn ihre eigenen Gedanken galoppierten wie eine aufgeschreckte Pferdeherde durch ihren Kopf und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Auch wenn sie sich etwas aufgerichtet hatte und ihr Köpfchen etwas in seine Richtung gereckt hatte, so sprangen ihre Gedanken mal hierhin und dann mal dorthin. Unfassbar für Iduna. Erst als sie seine sanfte Berührung spürte, wie seine Finger durch ihre roten Locken glitten war es ihr, als würden sich ihre Gedanken etwas beruhigen.


    ”Also glaubst du das unsere Vorväter bereits den Grundstein der Romanisierung unserer Stämme gelegt hatten?” Ein nackdenklicher Klang begleitete ihre Worte, wobei sie Angus fragend anblickte. Dann jedoch war sie es die das Gespräch in andere Gewässer lenkte und auch schon eine Antwort auf ihre leisen Worte erhielt. ”D u warst noch nie in der flavischen Bibliothek? I.. ich auch noch nie, muss ich zugeben. Aber ich würde sehr gerne einmal die wunderschönen Bücher genauer betrachten.” Sprudelte es mit einem hellen leuchten in ihren Augen über ihre Lippen.


    Der ältere Sklave war es, der das Gespräch auf ihren Dominus lenkte und Iduna spürte wie sich ihr Herz verkrampfte. Nein. Sie wollte nicht das Angus noch einmal wegen ihr Schwierigkeiten bekommen sollte. Und dennoch wusste sie dieses merkwürdige Gefühl nicht einzuordnen, welches auf einmal von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte. Ihr Herz pochte unnatürlich laut in ihrer Brust und ihre Handinnenflächen waren schweißfeucht. ”Ich werde artig bleiben. Ich möchte doch nicht das du wegen mir in Schwierigkeiten gerätst.” Dabei blickte sie dem Älteren direkt entgegen. Bevor sie abrupt nach Luft schnappte und mit geröteten Wangen ihren Blick zu Boden senkte. Hatte Angus diese Worte tatsächlich laut ausgesprochen? ”Du möchtest mich als deine Gefährtin? Wirklich? Oh Angus...” Hauchte Iduna mit leiser Stimme und tränenfeuchten Augen. Doch diesmal waren es Tränen der Freude die in ihren Seelenspiegeln schillerten.

  • Ich dankte den Göttern, dass ein einfaches Ja genügt hatte, um Idunas Beharrlichkeit zu besiegen und auch dass der schier unendliche Quell ihrer Tränen endlich versiegt war. Sie sah mich mit ihren glänzenden Augen an und ich lächelte ihr zu. „Alles gut, mein Herz, alles gut!“, wisperte ich ihr zu, um sie zu beruhigen. Auch wenn ihre Augen vom vielen Weinen geschwollen wirkten, so hatte sie doch keinesfalls ihren Liebreiz verloren. Ihre roten Haare taten ihr Übriges, um ihr restlos verfallen zu sein. Jeder der sie verschmähte, musste ein Narr sein! Ihr graziler Körper, die feinen Züge ihres Antlitzes und der Duft, der von ihr ausging, war ein süßes Gift, das ich bereitwillig in mir aufsog und dass meine Sinne benebelte. Das Wissen, dass sie mein war, machte mich in diesem Moment zum glücklichsten Mann auf Erden. Ob sie ähnlich empfand? Wenn ja, dann äußerte sich dies in ihrem Drang, sich mitzuteilen und sich über Dinge, die eh niemand mehr ändern konnte, ihr kleines Köpfchen zu zerbrechen.„Schhhh, Kleines! Spürst du es auch, diese vollkommene Ruhe? Nur du und ich und die Sterne, mein Herz!“, wisperte ich ihr zu und sah hinauf zu den Gestirnen. Dass Wissen, dass sie nun auch am Himmel über meiner Heimat standen, machte mich glücklich. Wenigstens diese Verbindung war mir geblieben. Und diese konnte mir auch keiner nehmen, nicht einmal Scato!


    Mir lag es fern, ihr die Drohungen, die Scato mir gegenüber ausgesprochen hatte, noch einmal zu wiederholen. Doch Iduna hatte mir keine Wahl gelassen. Nun musste auch sie in der ständigen Angst leben, nur nicht etwas Falsches zu tun oder zu sagen, um damit nicht den Zorn des Römers auf sich zu ziehen. Beste Voraussetzungen also, damit genau das Gegenteil davon geschah. Und wenn, dann war ich bereit, jede Strafe auf mich zu nehmen, sei sie auch noch so schmerzhaft!
    „Ich weiß, Kleines!“ Ihr besorgter Blick traf mich. Ich spürte die Angst in ihr, die sie wieder übermannen wollte, doch vielleicht vermochten meine Worte ihre Angst wieder zu vertreiben. Jedoch erhielt ich statt einer Antwort nur weitere Fragen und auch ihre Tränen wollten wieder hervorbrechen. Bei Lugh, was hatte ich getan? Mir war es bewusst, dass die Wunden, die ich ihr zugefügt hatte, noch recht frisch waren. Warum hätte sie also freiwillig meine Gefährtin werden sollen? War ich nun der Narr, der sich von seinen Gefühlen hatte leiten lassen und sich nun komplett zum Affen machte? Ich schluckte, weil ich nicht wusste, wie ich in dieser Situation reagieren sollte. „Ja das möchte ich! Aber du…“ Ich brachte es nicht übers Herz, den Satz zu vollenden. „Wenn du es nicht willst, dann kann ich es verstehen! Und ich versichere dir, ich werde dir deshalb auch kein Haar krümmen!“ , versicherte ich ihr dann. Der Klang meiner Stimme hatte sich verändert. Er war schal geworden, aufgrund meiner Enttäuschung.

  • Sein Lächeln schien auch den letzten Rest an Zweifel aus Idunas Herz zu tilgen. Oder war es seinen Worten geschuldet, dass die Tränenflut der Rothaarigen versiegte und sie mit einem verwackelten Lächeln zu dem Älteren empor blickte? Und dann waren es Worte. Ein schier unendlich scheinender Strom an Worten die über Idunas Lippen perlten und an Angus Gehör drangen. Ein deutliches Zeichen dass die Rothaarige unsicher war und sich hinter diesen Worten zu verstecken versuchte.


    Der Ältere jedoch schien ihre zerbrechliche Fassade durchdringen zu können und richtete Idunas Aufmerksamkeit auf die Sterne am Himmel. Mit einem leisen Lächeln auf ihren Lippen hob Iduna ihren Kopf an und fokussierte die Sterne, die als einzige Zeugen ihres Treffens dienten. “Die Sterne sind unsere einzigen Zeugen.“ Flüsterte die zierliche Cheruskerin, als sie sich vorsichtig in Angus‘ Arme schmiegte. Er sollte sie einfach nur festhalten und ihr dadurch das Gefühl geben, dass er für sie da war. Dass niemand ihnen böses konnte.


    Und dann wiederholte Angus die Drohung ihres Dominus und ließ Iduna innerlich erschrocken zusammenzucken. Nein! Das konnte nicht wahr sein. Und dennoch wusste die zierliche Rothaarige, dass Scato seine Worte niemals unbedacht aussprach. Mit bebender Unterlippe und einem erschrockenen Glanz in ihren Augen blickte Iduna zu Angus und versuchte zugleich ihr hastig pochendes Herz zu beruhigen. Sie würde Angus unter keinen Umständen in Gefahr bringen, nur weil sie sich ungebührlich benahm. “Angus.. ich.. ich.. deine Worte ehren mich und ich.. wäre sehr gerne deine.. deine Gefährtin.“ Whisperte die Cheruskerin mit leiser Stimme und blickte Angus mit einem sanften strahlen in ihren bläulichen Seelenspiegeln entgegen.


    “Meine Seele, mein Körper, meine Liebe für dich.“ Whisperte Iduna an den Älteren gewandt und verringerte unbemerkt den Abstand zwischen ihren beiden Körpern. Vorsichtig hatte sie nach seinen Händen gegriffen und diese gegen ihre Brust, gegen ihr trommelndes Herz gedrückt.

  • Iduna hatte es genau erfasst. Nur die Sterne waren unsere einzigen Zeugen. Wie mir schien, gefiel es ihr, in meiner Nähe zu sein, denn ihre Zurückhaltung schmolz wie der Schnee an einem sonnigen Frühlingstag. Ja, die Sterne waren meine Zeugen, seit langem fühlte ich mich nicht mehr so gut, wie in diesem Augenblick. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für mich, damit ich endlich die Geister der Vergangenheit vertreiben konnte. Iduna konnte ein Neuanfang sein. So redete ich es mir ein, so wünschte ich es mir von Herzen.
    Selbst Scatos Drohungen verblassten langsam in ihrer Gegenwart. Für sie würde ich alles erdulden, denn schließlich war ich es ihr schuldig! Doch sie versprach mir, sich und so auch mich nicht mehr in Gefahr bringen zu wollen. Gleichzeitig sprach sie endlich das aus, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte. Ja, so wollte mein sein! Wahrscheinlich war ich gar nicht bewusst, wie glücklich sie mich damit machte. „Das willst du wirklich? Oh, mein Herz! Das bedeutet mir sehr viel!“ antwortete ich lächelnd und drückte sie fest an mich. Sie war bereit, sich mir gänzlich hinzugeben, trotz allem was geschehen war. Diesmal hielt ich mich nicht länger zurück, sondern küsste ich sie leidenschaftlich. „Mein Körper, mein Herz und meine Liebe gehören dir,“ wisperte ich ihr im Gegenzug zu. „Dieser Hände werden dich vor allen Bedrohungen beschützen! Das verspreche ich!“

  • Abwechselnd wanderte Idunas Blick zwischen Angus‘ Gesicht und den Sternen am Firmament hin- und her. Lautstark dröhnte ihr das Herz in der Brust, als ihr Blick sich dann doch auf sein Gesicht niederlegte. Irgendwie hatte er es geschafft ihr Herz zu berühren und das obwohl er ihr dieses unaussprechliche Leid zugefügt hatte. Diesen Gedanken verscheuchte die Rothaarige jedoch im nächsten Moment und atmete langsam ein- und wieder aus. Wieso war sie nur auf einmal so nervös? Lag es daran, dass er ihr so nahe war? Dabei hatte sie doch seine Hände genommen und gegen ihr trommelndes Herz gedrückt.


    Ein sanftes Lächeln war es welches sich auf Idunas Lippen legte. Ein Lächeln, dass sie einzig und alleine dem jungen Mann ihr gegenüber schenkte. Seine Nähe schien einen positiven Einfluß auf die Rothaarige zu haben. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass Scato dem Wunsch des Kelten zugestimmt hatte.


    Dann war es erneut Angus‘ Stimme die erklang und sich wie Samt in Idunas‘ Gehörgänge schmiegte. “Ja Angus. Das möchte ich. Ich möchte dein sein. Für immer.“ Whisperte sie mit leiser Stimme. Verstummte dann jedoch im nächsten Augenblick, als sie seine Lippen auf den ihrigen fühlen konnte. Dabei entwich ihrer Kehle ein leises, erschrockenes Geräusch. Ein Geräusch, welches sie sogleich im Keim erstickte, in dem sie ihre Finger gegen ihre Lippen presste und mit großen Augen zu Angus empor blickte. Hoffentlich fasste der Ältere dieses leise Geräusch nicht als Ablehnung auf. “Ich werde darauf achten, dass du wegen mir keine Strafen auf dich nehmen musst. Das.. das möchte ich nicht Angus.“ Flüsterte die Rothaarige und neigte ihren Kopf kaum merklich auf die Seite. Auch wenn sie wusste, dass die Claudia sie nicht mochte und offensichtlich alles daran setzte, um sie als Scatos Leibsklavin zu vertreiben.


    Abermals verringerte sie den Abstand zu Angus und bettete ihren Kopf gegen seine Brust. “Kannst du mich bitte einfach nur festhalten?“ Whisperte die junge Germanin und schmiegte sich gegen Angus‘ Körper, wobei sie ihre schmalen Finger gegen seinen Oberkörper drängte.

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