Atrium | Verus kehrt heim

  • Das typische Geräusch genagelter Caligae kannte Corvina nur zu gut. Der Lärm dazu brachte sie dazu ihr cubiculum, was sie gerade erst betreten hatte, wieder zu verlassen. Wer erlaubte sich hier solch ein Theater zu veranstalten? Ein Blick ins Atrium, wieder diese schwarzen Unholde. „ Aus dem Weg!!“ Herrschte Corvina einen an, der ihr im Weg stand. Sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. Stieß ihn beiseite. Wenn Corvina in Fahrt kam dann teilte sie aus. „ Was ist hier los Verus?!?! Warum hat uns keiner Bescheid gegeben, dass du heute zurück kommst!?! Schick diese …“ Sie deutete auf die Prätorianer die herum standen. „…. vor die Tür oder willst du mit ihrem Aufmarsch andeuten, wir hätten es auf dein Leben abgesehen !?!? Hier wohnen Tiberii und keine Landstreicher !?!?“ Was man von ihm manchmal denken konnte. „ Das hier ist nicht deine castra und kein Spielplatz für deine Wachhunde.“ Corvina holte tief Luft. „ Besser ich grüße den der sich hier gerade darstellt. Salve Trecenarius, was wünscht du? Gibt es einen Grund für diesen überdimensionierten Auftritt? Bringst du mir Nachricht von meinem Bruder Verus? Geht es ihm besser? Ah, er gedenkt heute nach Hause zu kommen. Sehr schön ich werde alles nötige veranlassen.“ Corvina verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit versteinerter Mine an. „Sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“

  • Ein einziges Versprechen, welches unwahr war, galt stets für diesen Mann, der seinem Vater nacheiferte. Ein Gebot der Stärke. Doch wollte Verus nie, wie sein Vater sein. Niemals wollte er dessen Brutalität vererben und weitergeben. Und doch musste er erkennen, dass ihn sein Vater mehr geprägt hatte, als ihm lieb war. Die Legionen hatten nur ihr Übriges getan, um dieses Versprechen von Stärke wahr zu machen. Traurig über seine Wut und seinen Jähzorn schleppte er sich mit der Vitis in seinen Händen ins Atrium. Er wusste, was er war und sein musste aber ihm gefiel diese Rolle nicht. Ein Monster fürchtete sich vor sich selbst und vor diesem Versprechen. Seine Schwester eilte heran, durchbrach den Schutzkreis, und näherte sich dem gebrochenen und seelisch verkrüppelten Mann, dessen Lebenswelt alleine das Militär und der Krieg war. "Meine Männer bleiben," warnte Verus leise und blickte seine Schwester nicht einmal an. Stärke verlangte auch eine grausame Handhabung eigener Emotionen. Einst hatte ihn sein eigener Vater mit der Vitis zusammengeschlagen, wenn er weinte. Tränen zogen noch mehr Schläge nach sich. "Sie dienen unserem Schutz. Meinem Schutz," fügte er zusammen und blickte Corvina dann mit traurig-kalten Augen an. Endlich erkannte Corvina den wahren Zustand in dieser Welt. Verus war kein Bruder und kein Mensch, sondern nur der trecenarius. Eine Kriegsbestie, gehalten von schweren Ketten des Kaisers, auf dessen Befehl er meuchelte und kämpfte. Schlussendlich war diese Wahrnehmung zumindest ehrlich. "Du hast nie gefragt, was ich im Krieg gesehen habe. Du hast nie gefragt, was ich tue," meinte Verus beiläufig und spielte damit auf die Belanglosigkeit dieser Familie an, die sich mehr Status und eigenes Fortkommen sorgte, als um Menschlichkeit. "Dein schönes Gesicht ist Stein," sagte der Mann, der den Rebstock wieder an seinem militärischen Gürtel verstaute. "Vieles ist in dieser Familie Stein," erklärte sich Verus und seine Gedanken, die noch immer getrieben durch einstige Erfahrungen in einem wütenden Rausch tanzten. "War hier jemals Liebe? Etwas Leben?" Der trecenarius trat zu den aufgereihten Büsten seiner Verwandten und blieb vor der von Tiberius Durus stehen, um seine Hand auf dessen Kopf zu legen. "Ein vermutlicher Kaisermörder," sagte er und ging zur nächsten Büste. "Ein Kriegstreiber und Mörder von Tausenden," bemerkte er mit einer Geste auf Tiberius Vitamalacus, dessen Büste auch hier stand. "Liebe war uns immer fremd," sagte der Mann nüchtern und wandte sich wieder zu seiner Schwester. "Verstehst du Liebe?" Mit geweiteten Augen, die Verrat in diesem Hause sahen, trat er weiter mit einem stampfenden Schritt auf Corvina zu. "Ich weiß, was hier vor sich geht. Ich weiß, was ihr von mir denkt," ballte er seine Worte zusammen und fauchte sie böse in die Richtung seiner Schwester, bevor sich Tränen über seine eigenen Wangen quälten. "Nicht eine Umarmung, nicht eine Geste der Liebe..." sprach mit geschlossenen Zähnen, fast fordernd leise und zischend. "Ich bin der trecenarius," verweinte er und warf die Büste vom kriegstreibenden und Militärnarren Vitamalacus mit einer hektischen Bewegung um. Sie zerschellte am Boden und die kleinen Plättchen flogen über den Fußboden. Ironischerweise war er selbst Vitamalacus sehr ähnlich. Und vielleicht verachtete er deswegen diesen Narren besonders, weil er die gleichen Fehler machte. Diese Geste verschaffte ihm wieder Luft zum Atmen. "Du hast nie gefragt...," jappste der Mann, der nichts mehr wollte, als ein echtes Zuhause.

  • „ Wenn sie bleiben, dann werde ich gehen.“ Crovina hatte nicht vor in einem Haus zu Leben, in dem sie ständig unter Beobachtung stand. „ Zu unserem Schutz ?!? Ha.“ Corvina lachte auf. „ Zu deinem Schutz. In unserem, ach ich vergaß in der privaten Castra des Trecenarius.“ Wenn er wüsste was sie während des Sklavenaufstandes hier zusehen bekommen hatte. „ Hätte es was geändert? Hast du je gefragt? Du hast dein Leben gelebt. Wir unseres.“ Während er nicht im Haus war, war hier Leben, gab es Streit und Liebe zwischen den Geschwistern. Liebe Nero und ihr fremd? Er wusste überhaupt nichts. Liebe verstehen? Die musste man nicht verstehen, man musste sie Leben.
    „ Du verlangst eine Umarmung? Eine Geste der Liebe? Du platzt hier mit zig Prätorianern rein, benimmst dich wie ein Fremder und verlangst eine Geste der Liebe???“ Ihre Mimik und Haltung änderte sich nicht. „ Ja…, Trecenarius. Nicht Bruder du triffst den Nagel auf den Kopf.“ Sie zuckte nur unwesentlich als der Kopf auf dem Boden aufschlug und zersprang. „ Meinem Bruder hätte ich liebend gern ein paar Fragen gestellt. Leider wurde er von diesem Trecenarius weggesperrt.“ Sie löste ihre verschränkten Arme. „ Ich lasse packen. In dieser castra bleibe ich keine Minute länger.“ Sie drehte Verus den Rücken zu und ging zu ihrem cubiculum.

  • Nein, sie war besessen von sicht selbst und ihrem Weltbild. Sie verstand Verus und seinen Zorn nicht, der gespeist aus einer tiefen Trauer, nicht schrumpfen konnte. Corvina hatte ein zu großes Selbstbild, eine begrenzte Wahrnehmung aus sich selbst heraus, die sich allein auf Wünsche und eigene Annahmen beschränkte. Es fiel ihr wohl schwer, sich auf Verus einzulassen und ihn verstehen zu wollen. Es ging in dieser Familie jedoch niemals um Verständnis, sondern schlicht um Macht. Wer hatte das Meinungsmonopol? Ein Kampf keimte innerhalb dieser Familie, getragen durch Unwollen und Unwissen der Beteiligten. Verus konnte nicht mehr lächeln, nicht mehr lachen, wenn die Welt so widersprüchlich war. Dennoch wollte er irre gackern, sich widerständig zeigen, gegen all diese Ignoranz, die seine Familie ihm gegenüber zeigte.


    "Die Prätorianer sind meine Familie," geiferte er ihr hinterher und die Wachen im Atrium blickten der Tiberiua abfällig hinterher. Scheinbar hatten sie ihre Loyalität klar bekundet und - sofern es notwendig war - würden sie auch die Familie ihres trecenarius auf Befehl beseitigen. Gnade kannten sie nicht. "Du willst nicht verstehen, sondern willst nur deine Wünsche umsetzen! Deine verlogenen Wünsche!" - schrie Verus und lehnte sich an eine der Säulen, bevor er an dieser herabruschte und sich auf dem Boden zusammenkauerte. Wieder dieser Schmerz. Der unsägliche kalte Schmerz, der durch die Seele fuhr. Er verlor wieder etwas unter dieser Stärke, die längst zu einem ständigen Kampf verkommen war. Verus war ein starker Soldat aber ein schwacher Mensch. Die Schrecken seines Leben wollten nicht weichen.


    Nicht einmal hier. "Ich wünschte...," flüsterte er, als er auf die Scherben der Büste blickte. Der Todeswunsch gegenüber seiner Familie wuchs. Sie waren eine Belastung. Eine echte Belastung. Und gleichsam mit diesem Gedanken wuchs die Selbstverachtung. Er hasste sich selbst für diesen Gedanken, seine Familie töten zu können und es sogar in Erwägung zu ziehen. Der Krieg und die Legionen hatten ihm zu dem gemacht, was er heute war. Er war sein Vater. All die Gewalt und der geltende Machtanspruch. Der trecenarius war ein Monster und dessen Maske passte Verus selbst sehr gut. Inzwischen konnte Verus nicht einmal mehr trennen, wann der trecenarius begann und Verus aufhörte. Die Linien verschwammen. Verachtung war ein starkes Gift. Verus verabscheute so vieles in dieser Welt und doch folgte er brav seinen Routen und Wegen, die unwegsam in diesen Konflikt führten. Verus war unfähig zur Flucht. Niemand fragte ihn wirklich. Niemand hatte Interesse an seiner Person, sondern nur Interesse an der Erfüllung seiner Pflichten. Auch seine Familie stellte Anforderungen, wie einst sein Vater. Immer wieder. Dienstbarkeit war seine Lebenspflicht. Und genau dieser Pflicht war er so überdrüssig. Mühsam raffte sich der tapfere Soldat auf, während seine verweinten Augen zu seinen Soldaten wanderten.


    "Wir sind der Krieg und ihr seid meine Brüder," sagte Verus und umarmte die Wachen - nach Sitte - eine nach der anderen. "Bis in den Tod," antworteten die Prätorianer lautstark, bevor sich Verus in Richtung seines cubiculums verabschiedete. Bereit für eine einsame Nacht mit viel Wein und Mohnsaft. Er brauchte diesen privaten Schluck Vergessen jetzt, um überhaupt Schlafen zu können. Ansonsten kämen die Stimmen des Krieges und die Erinnerung hoch, die so furchtbar und terror-behaftet waren, dass sie ein gelebter Albtraum waren. Verus würde sich soweit betäuben, dass er für wenige Stunden komatös schlafen würde.

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