Ein Gast aus Germanien

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    Carbo kam mit Ygrid recht bald beim nahen Forum und der dort befindlichen Taberna Silva Nigra an. Aus den Fenstern drang helles Licht und fröhliches Stimmengewirr drang aus dem Inneren. Ein buntes Treiben mochte da vor sich gehen so wie jeden Abend. An Ygrid gewandt sagte er wieder auf Norisch: "Erschrecke nicht, dort drinnen wird es voll sein. Viele Leute. Aber wenn wir schnell und zügig durchgehen hast du es bald hinter dir gebracht und kannst dich ausruhen. Danach entfernen wir deine Ketten." Das brachte ihn auf die Idee, dass er ihr das ja auch noch erklären musste. "Achja, wegen deiner Ketten. Ich werde erzählen, dass du meine neue Sklavin bist, dann wird keiner etwas sagen, aber du bist natürlich ein freier Mensch! Es ist nur eine Tarngeschichte" Carbo stieß die Tür auf und betrat die Taberna.


    Einige Stammgäste, die jeden Abend in der Taberna saßen, grüßten Carbo gut gelaunt und auch der Wirt sah erfreut zu ihm auf. Immerhin verdiente er gutes Geld mit der Miete des Jungen. Nachdem er die sich die ganze Zeit mit Ygrid auf Norisch unterhalten hatte, plauderte er jetzt zu den Tabernagästen auf Latein: "Salvete Freunde! Seht nur, was ich heute erworben habe! War ein richtiges Schnäppchen!" Und deutete mit gespieltem Stolz auf Ygrid, während er ungestoppt mit ihr langsam in Richtung der Tür weiterging, die zu den Gästezimmern führte.

  • Ihr Retter hatte sie an einen sehr belebten Ort gebracht. Es musste eine Art Schänke sein, die offensichtlich gut besucht war. Das Lachen und Kreischen der Gäste war sogar gut auf der Straße zu hören. Wie es schien, war das hier seine Unterkunft. Es wurde ihr schon ein wenig mulmig, wenn sie daran dachte, dass sie nun dieses Haus betreten sollte. Was, wenn sie jemand erkannte? Doch ihr Begleiter versuchte sie zu beruhigen und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit konnte sie wieder lächeln. Nickend stimmte sie ihm zu und wollte die Schwelle der Taberna überqueren. Doch halt! Was hatte er soeben gesagt? Sie sollte seine Sklavin sein? „Nein! Nicht Sklavin!“ Doch dann verstand sie, was er meinte. Sie sollte nur so tun, als wäre sie seine Sklavin. Wieder stellte sich die Frage, ob sie ihm wirklich trauen konnte. Doch wohl oder über musste sie ihm jetzt einfach vertrauen.


    Sie folgte ihm ins Innere. Ihre Augen weiteten sich, als sie plötzlich all diese Leute sah, die scheinbar ihre Augen nur auf sie gerichtet hatten. Ygrid verspürte Angst. Sie versuchte, schneller zu laufen, immer ihrem Retter nach. Der wiederum sprach zu den Leuten an denen er vorüber ging und deutete dann auf sie. Ygrid wirkte jetzt noch eingeschüchterter als zuvor. Einige der Gäste riefen ihm etwas zu und lachten abfällig. Dies war ein wahrer Spießrutenlauf! Endlich erreichten sie eine Tür, durch die sie nun hoffentlich schritten…

  • Carbo lachte noch einmal zu den anderen und rief: "So, sehen wir mal was sie so in der Kiste drauf hat! Na dann, Gute Nacht zusammen!", danach stieß die Tür auf und führte Ygrid hindurch. "Das wäre geschafft." sagte er und sie kamen vom hellen und lauten Schankraum in einen eher spärlich erleuchteten, stillen Korriddor dahinter, der zu den hier liegenden Gastzimmern und denen im ersten Stock führte. Das schlimmste war geschafft. Carbo konnte wirklich von Glück reden, dass die Römer eine Sklavengesellschaft waren. So konnte man Menschen in Ketten mitten durch die dichtesten Menschenmassen führen und niemand sah einen schief an, wenn sie dachten es handle sich bloß um einen Sklaven. Carbo führte Ygrid die Stufen hoch und dann noch einen Korridor entlang, bis sie endlich vor der Tür standen, die zu seinem Zimmer führte. Carbo schloss auf und ging hinein. Dann drehte er sich zu Ygrid um und sprach verlegen: "Das wäre mein Zimmer. Hier kannst du dich ausruhen." sagte Carbo und wies auf das Bett. Er selbst würde sich ein paar Decken besorgen und neben Ygrid am Boden schlafen. Jetzt galt es die Germanin von ihren Ketten zu befreien. Suchend blickte er sich um. Irgendwo musste hier ein Stück Draht liegen, dass er vor einer Weile einmal ins Zimmer gebracht hatte. Damit wollte er ihre Ketten aufschließen. Während er sich im Raum umsah fragte er Ygrid: "Bist du hungrig, Ygrid? Willst du dich waschen?"

  • Die Germanin atmete erleichtert auf, als sie den lauten Schankraum hinter sich gelassen hatte. Die Stufen der Treppen bereiteten ihr einige Schwierigkeiten. Jede Stufe stellte eine Herausforderung dar, denn ihre zerschundenen Knie schmerzten unaufhörlich. Aber das alles nahm sie in Kauf, wenn sie am Ende doch endlich in Sicherheit war.
    Ihr Begleiter stieß endlich eine Tür auf und vor ihr breitete sich ein möbliertes Zimmer aus. Er wies sofort auf das Bett, welches in einer Ecke des Raumes stand. Vorsichtig setzte sie ihren Fuß über die Schwelle und sah sich um. Auch ihr Begleiter schien nach etwas auf der Suche zu sein.
    „Ja, ich bin hungrig und ich würde mich auch gerne waschen.“ Seit Monaten hatte sie keine richtige Gelegenheit mehr, sich ausgiebig zu waschen. Sie schämte sich für den Gestank, der von ihr ausging. Ihre Wunden mussten auch noch versorgt werden. Außerdem wollte sie endlich die Überreste ihrer Kleidung loswerden, die nur noch Fetzen waren.

  • Carbo hob einen kleinen Stapel Schriftrollen hoch, die er seit seinem Aufenthalt hier erworben hatte und da! Da lag ja wonach er gesucht hatte! Er nahm das Stück Draht und zeigte es Ygrid. "Sieh her! Damit löse ich deine Ketten!" sagte er und versuchte sein Glück sogleich. Ein paar Mal herumstochern im Schloss....ein paar Mal mehr, da Carbo nicht mehr ganz so geübt darin war......noch einige Male mehr, da das Schloss ein wenig rostig geworden war im feuchten Carcer....uuuund.....KLICK!


    Die Eisenfesseln sprangen auf und Ygrids Beine waren frei! Dann das gleiche noch an den Armen und dann endlich, nach einer wahren Ewigkeit (Carbo war wirklich nicht der geborene Schlossknacker) war die Germanin von ihren Fesseln vollkommen befreit. Carbo räumte die Schlösser samt Dietrich in einen Beutel und legte ihn in eine Ecke. Er würde sie morgen wegbringen. Dann besorgte er der Germanin eine Schale heißen Wassers und einen Laib Brot mit einem faustgroßen Stück Käse, Wurst und einem Krug Bier, was er alles Ygrid hinstellte. "Das muss für heute reichen. Morgen muss ich am Vormittag in die Basilica, da dort das Ergebnis einer Wahl verkündet wird, an der ich teilnehme. Danach bin ich wieder hier bei dir. Soll ich dann hinausgehen, wenn du dich wäscht?" fragte er höflich.

  • Bangend beobachtete sie ihn, wie er sich mit einem simplen Stück Draht an das Schloss ihrer Fußkette machte. Als es sich dann endlich öffnete und ihr Fußgelenk wieder frei gab. Dort wo das Eisen gesessen hatte, war ihre Haut aufgeschürft. Doch das kümmerte sie im Augenblick nicht im Geringsten. Sie war wieder frei!


    Ja, heute war tatsächlich ihr Glückstag! Ihr Retter brachte ihr schließlich noch eine reichliche Wahl an Köstlichkeiten, die sie seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen, geschweige denn gegessen hatte. Auch eine Schale mit Wasser brachte er, damit sie sich von all dem Schmutz befreien konnte.
    Das Essen roch verführerisch gut, doch sie entschied sich dafür, sich zunächst zu waschen. Ihr Retter sprach scheinbar unentwegt weiter, von Dingen, sie sie nicht verstand, doch im Augenblick war ihr das egal. Lediglich seine Frage ließ sie aufblicken. Nicht dass sie prüde gewesen wäre, sich jedoch vor einem Fremden Mann auszuziehen, der sie zwar gerettet hatte, den sie aber gerade mal eine Stunde kannte, fand sie nun doch unpassend. Oder aber war er darauf aus, sie nackt zu sehen, sozusagen als „Bezahlung“? Das widerstrebte ihr zwar, allerdings fand sie, sie sei nicht in der Position, auch noch Forderungen zu stellen. „Wie du willst,“ erklärte sie zögerlich und begann langsam die Fetzen über ihre Schultern zu streifen.

  • Während der Zeit in der Carbo seine höfliche Frage um Ygrids Privatssphäre gestellt hatte und der danach, in der die Germanin ihrerseits überlegt hatte, war Carbo in Gedanken schon wieder viel weiter. Er dachte daran, dass er morgen mit ihr in die Thermen gehen wolle, damit sie sich wirklich und wahrhaftig erfrischen konnte, mit dem ganzen Körper eingetaucht in heißes Wasser. Nicht bloß mit so einer kleinen Schüssel zum Waschen. Schon ein witziger Gedanke. Bestimmt hatte die Gute noch nie etwas ähnliches erlebt, wie ein heißes Bad in einer Therme. Wo auch bei ihr zuhause im Wald?
    Doch halt...gemeinsam, das ging ja gar nicht. Immerhin gab es getrennte Badebereiche wie ihm gerade einfiel. Hmm, gut dann würde er sie eben bis zum Eingang begleiten, für sie den Sesterz als Einzritt bezahlen und dann in der Eingangshalle auf sie warten. Konnte ja nicht so lange dauern. Und noch etwas, sie mussten dringend etwas für ihre zwischenmenschliche Kommunikation machen. Dieses Sprechen in zwei Sprachen und das anschließende ewige hin- und herraten was der andere mit dem letzten Satz gemeint haben mochte, so konnte das nicht weitergehen. Ygrid musste Latein lernen. Das war die beste Lösung. Ob Fabulo ihm dabei etwas helfen konnte? Hmm, vielleicht. Am besten er würde gleich morgen.....WAS BEI ALLEN GÖTTERN??!!


    All diese Gedankengänge waren sekundenschnell durch Carbo geschossen, bis Ygrid ihr "Wie du willst" murmelte und begann sich auszuziehen. Carbo war daraufhin zu langsam mit dem hinausgehen bzw. überhaupt mit dem Begreifen der Antwort der Germanin. Seine Augen wurden groß und der Junge erstarrte zur Salzsäule. All die vielen flirrenden Gedankenstrudel waren mit einem Mal restlos aus seinem Kopf gewischt und nur noch gähnende Leere herrschte in seinem Oberstübchen.


    Carbo hatte noch nie eine Frau nackt gesehen.
    "Oh...ich, ähmm...." stammelte er wie blöde, während er mit einem Mal nicht mehr wusste, was er soeben noch vorgehabt hatte, ehe Ygrid begann sich frei zu machen und er einfach nicht den Blick von ihr abwenden konnte. Doch tief in Carbos Inneren regte sich Neues. Bis dato ganz fremde Emotionen und Instinkte erwachten in dem Kelten. Dann endlich, nachdem er eine gefühlte Ewigkeit dagestanden und Ygrid angestarrt hatte besann er sich, sah gezwungen zu Boden und stürmte aus dem Zimmer.


    Vor diesem setzte er sich auf den Korridorboden und legte seinen Kopf in die Hände. Carbo du Narr! Reiß dich zusammen! schalt er sich, während dieses völlig neue Gefühl der Erregung durch seinen Körper pulsierte.

  • Sie beachtete ihn nicht weiter und begann sich etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen und schloss dabei die Augen. Mit ihren Händen versuchte sie wenigstens den gröbsten Dreck wegzuwischen.
    Als sie die Augen wieder öffnete, riskierte sie einen Blick zu ihrem Retter. Er stand immer noch da und machte große Augen, als habe er noch nie eine nackte Frau gesehen. Wie hieß er eigentlich? Bevor sie ihn fragen konnte, stürzte er plötzlich zur Tür hinaus. Sie schüttelte nur den Kopf und wusch sich weiter.


    Ygrid war mit einem älteren Bruder aufgewachsen und natürlich hatte sie ihn auch irgendwann einmal nackt gesehen, genauso wie er sie auch irgendwann einmal nackt gesehen hatte. Das war für sie alles normal gewesen. Arwid war der erste Mann gewesen, für den sie etwas empfunden hatte. Unglücklicherweise, war dies nicht auf Gegenseitigkeit gestoßen. Womöglich lag es daran, weil sie zu hässlich war. Sie hatte sich nie etwas aus schönen Kleidern gemacht, sondern hatte sich lieber wie ein Mann gekleidet, um mit ihrem Bruder auf die Jagd gehen zu können. Eigentlich hatte sie es immer als lästig empfunden, ein Mädchen zu sein.


    Nachdem sie sich gewaschen hatte, suchte sie nach etwas, was sie sich überziehen konnte. Die dreckigen Fetzen wollte sie keineswegs wieder überstreifen. Auch das Tuch, mit dem sie sich abgetrocknet hatte, war feucht und daher unbrauchbar, um sich damit zu umhüllen. Schließlich ging sie, so wie sie war, zur Tür, öffnete sie und streckte den Kopf hinaus. Dort fand sie ihren Gastgeber am Boden kauernd, seinen Kopf in seinen Händen vergragen „Ähm, ist irgendwas? Geht es dir nicht gut? Hey, hast du was zum Anziehen für mich?“

  • Carbo saß völlig auf sich konzentriert da und versuchte sich wieder in den Griff zu bekommen, als er da die Tür zu seinem Zimmer aufgehen hörte und gleich darauf Ygrid heraustreten, die ihn ansprach. Carbo sah hoch und wieder verspürte er einen geistigen Schlag auf den Hinterkopf. Einen sehr angenehmen wie er sich im tiefsten Winkel seines Geistes eingestehen musste, denn Ygrid stand nackt vor ihm. Schnell sah Carbo zu Boden, während sich an seinem Unterleib seine momentane Verfassung unübersehbar abzeichnete. Mit der Hand zu verbergen suchend was zu verbergen war und mit der anderen sich an der Wand abstützend beeilte er sich aufzustehen und Ygrid zu antworten: "Es geht mir gut, keine Sorge. Ich...es ist nur...äh, ich habe noch nie eine Frau nackt gesehen. Du bist sehr schön, so schön." entfuhr es ihm, noch ehe er sich auf die Zunge beissen konnte. Carbo, was bei allen Göttern machst du da gerade?! fragte er sich aufgeregt selbst. Er schüttelte einmal den Kopf, so wie wenn ein nasser Hund sein Fell trocknen wollte. Reiß dich zusammen! Was soll sie nur von dir denken!


    Als er so wieder ein Fünkchen mehr Klarheit besaß fiel ihm wieder ihre letzte Frage ein, mit der er seine eigene peinliche Lage beenden konnte. "Kleidung, ja. Etwas zu anziehen, ja! Komm mit!" sagte er und versuchte an Ygrid vorbei wieder ins Zimmer zu kommen, stets darauf bedacht stur den Boden anzustarren und partout den kleinen Carbo mit einer Hand verdeckend, der freudig in die Welt hinausgrüßte.

  • „Ach echt?!“, platze es ganz verblüfft aus Ygrid heraus. Ihr Blick ruhte noch einen Moment auf ihm. Ganz schön seltsam, dieser Vogel, dachte sie sich. Nicht nur, dass er bisher noch nie eine nackte Frau gesehen hatte, nein, er hatte sie als sehr schön bezeichnet. Wie es aussah, war er sogar ganz hin und weg von ihr. Das verwirrte die junge Germanin sehr, denn so etwas hatte ihr noch niemand gesagt. Ihr Bruder hatte ihr manchmal ein Kompliment gemacht, wenn sie besonders geschickt bei der Jagd gewesen war. Sie war eben seine kleine Schwester gewesen und ihr Aussehen war für ihn nebensächlich gewesen. Nicht einmal Arwid hatte ihr etwas Vergleichbares gesagt. Aber wie sie nun wusste, hatte er auch nichts für sie empfunden.
    Ygrid wusste nicht, ob sie sich nun bedanken sollte oder besser schwieg. „Hast du keine Schwester?“, fragte sie, um ihre Verlegenheit zu überspielen und sich aus der Situation zu retten.


    Sie versuchte sich mit dem feuchten Handtuch zu bedecken, als er dann aufstand und das Zimmer betrat, um ihr etwas zum Anziehen zu geben. Ihm war es offensichtlich auch sehr peinlich, denn er wagte es nicht, sie auch nur einen Moment lang anzusehen. Stattdessen starrte er den Boden an und verbarg er seinerseits etwas mit seiner Hand. Offenbar eine Reaktion, die ihre Nacktheit bei ihm erzeugt hatte. „Ähm,…“ Nein, sie schwieg besser, bevor es noch peinlicher wurde! Sie folgte ihm einfach. „Wie heißt du eigentlich?“

  • Carbo hochte auf, als sie ihn nach seinem Namen fragte. Ach, stimmte ja! Die Gute hatte ja immer noch keinen blassen Schimmer, wie er eigentlich hieß, da er seinen Namen zuvor beim Soldaten bewusst unter den Tisch fallen hatte lassen. So wollte er sich beeilen diesen Fehler schnell zu korrigieren: "Corius Narbo...Carbo! Norius Carbo bin ich und nein, ich bin Einzelkind." stammelte er, während er zielgerichtet auf eine Truhe in einer Ecke zueilte. Bei ihr angekommen kniete er sich nieder und öffnete sie, während er fragte: "Wie steht es mit dir, Ygrid? Hast du Geschwister? Einen Bruder, oder eine Schwester?" und in ihr herumzukramen begann.


    Nicht lange und er hatte eine noch ziehmlich neue, fein zusammengefaltete Männertunika hervorgeholt. Doch nicht nur diese, sondern auch zwei sehr untypische Kleidungsstücke für einen Römer und zwar ein einfaches Leinenwams und ein Paar Hosen. So konnte Ygrid wählen was ihr lieber war. Das, oder die Tunika. Er legte beide Optionen fein säuberlich aufs Bett und streckte die Hand danach aus, wie als wenn er ihr die Kleiderstöße präsentieren wollte (was er im Grunde ja auch tat): " Hier, bitte. Kleidung für dich. Tut mir leid, ich habe nichts für Frauen." entschuldigte er sich. Hernach sah er auf und blickte ihr direkt in die Augen, das hieß er versuchte sich streng dazu zu zwingen ihr auch wirklich nur in die Augen (und nicht sonstwohin) zu blicken und ein scheues Lächeln entkam ihm.

  • „Norius Carbo“, wiederholte sie den für sie seltsam anmutenden Namen. Aber nicht nur der Name war seltsam, auch die Tatsache, er sei ein Einzelkind. Normal war das nicht. Wahrscheinlich war seiner Familie irgendetwas Schlimmes zugestoßen. Jeder, der eine Familie gründete, tat gut daran, viele Nachkommen zu zeugen. Viele Kinder zu haben war nicht nur ein Statussymbol, sondern auch eine gute Altersabsicherung, schließlich starben auch viele der Kinder, bevor sie überhaupt erwachsen waren. „Ah, das tut mir aber leid!“, meinte sie mitleidvoll. Dabei war ihr ja selbst etwas Schlimmes widerfahren. „Ja, ich hatte eine Schwester, aber die ist schon als Kind gestorben. Einen Bruder hatte ich auch. Aber er ist auch tot.“ Eine Träne rollte plötzlich über ihre Wange, als der Chattin bewusst wurde, wie lange sie nicht mehr über Einar gesprochen hatte. Manchmal träumte sie nachts von ihm. Von ihrem letzten gemeinsamen Tag und von den besseren Tagen zu Hause in ihrem Dorf, jenseits des Limes.


    Carbo kniete sich vor eine Truhe und holte einige Kleidungsstücke hervor. Natürlich waren es Kleidungsstücke für einen Mann. Hätte Carbo ihr auch Frauenkleider anbieten können, hätte sie dies sicher sehr befremdlich gefunden. Als Ygrid die Hosen sah, war bereits ihre Wahl getroffen. Sie hatte nichts für römische Kleidung übrig. Also nahm sie sich die Hose und das passende Oberteil. „Ist nicht schlimm, diese komischen Römerklamotten sind eh nicht mein Fall!“, entgegnete sie mit einem Lächeln. Dabei sah er ihr so eindringlich in die Augen, dass es ihr fast unangenehm war. „Ähm, ist was?“, fragte sie verlegen.

  • Als Ygrid von ihren toten Geschwistern erzählte, murmelte er ein kurzes "Das tut mir sehr leid", während er Ygrid immer noch so gut er konnte nuuuur in die Augen zu sehen versuchte. Es gelang nicht immer, aber meistens. Irgendwie verlor sich Carbo in ihnen. Daneben dachte er aber trotzdem auch, dass Ygrid ein sehr schlimmes Schicksal ereilt hatte. Die Schwester tot, der Bruder tot, vielleicht auch die Eltern, ja überhaupt die ganze Familie. Ein Jammer, wenn Carbo es jedoch auch aus eigener Erfahrung nachfühlen konnte. Doch Ygrid hatte das Los vermutlich doch schwerer getroffen als ihn, da seine Eltern ja bereits kurz nach seiner Geburt gestorben waren und er sie so nie hatte kennenlernen können. Dies war bestimmt ein gewaltiger Umstand, der seine Waisensituation von der Ygrids unterschied, da diese ja im Gegensatz zu Carbo eine Beziehung zu ihrer Familie hatte aufbauen können.


    Offenbar hatte er sich in all den Gedanken und in ihrem Augenlicht derart verloren, dass Ygrid stutzig wurde nach dem Ankleiden. Einmal hatte sie kurz etwas wegen der Kleidung gesagt, wo auch das germanische Wort für "Römer" vorgekommen war, doch hatte Carbo nicht alles in diesem Satz verstanden und er war geistig auch schon zu weit weg gewesen.
    Jedenfalls sprach sie ihn jetzt auf seine Abwesenheit an, was Carbo prompt in die Gegenwart zurückbrachte. "Entschuldige bitte, ich war in Gedanken." (und bei deinen Brüsten, fügte er in Gedanken hinzu, doch war er natürlich nicht so blöd das auch noch laut auszusprechen) "Ich dachte selbst gerade an meine Eltern. Meine Vorfahren waren große Häuptlinge in Noricum, aber jetzt sind alle tot. Ich bin alleine. Aber egal. Du bist bestimmt müde und morgen haben wir einiges zu tun. Wenn du schlafen willst, leg dich in mein Bett, ich schlafe auf dem Boden." sagte er, da Carbo selbst schon einen leichten Zug von Müdigkeit in sich spürte.

  • Sie nickte ihm dankend zu und senkte dann kurz ihren Blick. Das schlimmste war ja, sie hatte Einar nicht einmal richtig beisetzen können. Seine Gebeine lagen wahrscheinlich immer noch irgendwo in diesem verdammten Auenwald und verrotteten dort.
    Aber was war mit Carbos Familie passiert? Und wieso lebte er nicht mehr bei seinen Leuten? Sie musste wieder an Arwid denken, der ihr erzählt hatte, was die Römer mit ihm und seiner Familie gemacht hatten. War Carbo etwas Ähnliches zugestoßen?


    Er schaute sie immer noch so intensiv an, als wolle er sie ergründen. Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, begann er von seiner Familie zu sprechen und berichtete ihr, dass niemand mehr übrig war außer ihm selbst. Ygrid konnte ihm nachfühlen, wie schwer es war, niemanden mehr zu haben und in der Fremde leben zu müssen.
    „Waren das die Römer?“, fragte Ygrid nach einer Weile mit trockener Kehle, denn seiner Familie musste sicher ein Unglück getroffen haben. Und dass er nun hier lebte, kam sicher auch nicht von ungefähr, denn sie konnte es sich nicht vorstellen, dass jemand freiwillig unter Römern lebte.


    Im nächsten Moment tat es ihr wieder leid, dieses Thema angeschnitten zu haben. Vielleicht riss sie damit nur unverheilte Wunden von neuem auf. Vielleicht war es jetzt einfach besser, alles auf sich beruhen zu lassen und jetzt schlafen zu gehen. Doch vorher musste sie unbedingt noch einen Happen essen!

  • Nachdem Carbo ein Gähnen unterdrückt hatte lächelte er bedrückt und antwortete ihr: "Nein, keine Römer. Es war eine Sache unter Norikern und es geschah kurz nach meiner Geburt. Ich habe meine Familie nie kennengelernt." die nächsten Gedankengänge, die ihm während des Sprechens kamen (und teils auch Fortführungen von jenen von ganz vorher waren) brachten ihn auf eine Idee, wie er es Ygrid vielleicht schmackhafter machen konnte Latein zu lernen. "Ich will dir gerne meine Geschichte erzählen und die meiner Familie, Ygrid, aber das geht nicht mit unserer jetzigen Kommunikation in zwei Sprachen. Zu kompliziert, weißt du? Es ist leichter, wenn wir eine Sprache sprechen, am besten Latein. Norisch ist hier nutzlos und Germanisch auch, wenn nicht sogar gefährlich, wenn es falsche Ohren hören. Latein ist aber gut. So können wir leichter sprechen und du verstehst auch die anderen Leute auf dieser Seite des Rhenus. Ich weiß du sprichst kein Latein, aber ich will dein Lehrer sein, ja?" schlug er ihr vor. Wieder gähnte er. Ygrid war anscheinend noch viel wacher, als er selbst, obwohl sie alleine heute schon viel mehr durchgemacht haben musste, als er.

  • Ygrid sah ihren Gastgeber mitleidig an. „Wie schrecklich!“ antwortete sie. Keine Familie zu haben war schon hart! Allerdings merkte sie auch, dass er müde war. Zumindest schien er im Augenblick keine weiteren Fragenmehr beantworten zu wollen. Bestimmt würde es am nächsten Tag dazu noch eine Gelegenheit geben.


    Sie wandte sich von Carbo ab, damit sie sich endlich anziehen konnte. Danach machte sie sich über das Brot, den Käse und die Wurst her, die ihr Carbo gebracht hatte. Endlich wieder etwas Anständiges zu essen! Wie sie das vermisst hatte.
    Während sie einen weiteren Happen in ihren Mund schob, sprach Carbo weiter. Wenn sie ihn richtig verstanden hatte, sollte sie Latein, die Sprache der verhassten Römer lernen. Zwar klang es ganz einleuchtend, was er sagte, doch die Vorstellung alleine, schien ihr den Appetit zu verderben. „Iff soll Lafein lernen?“, rief sie skeptisch mit vollem Mund, und spülte alles mit dem Bier hinunter. Natürlich wusste sie, dass dies am besten war, wenn sie länger hier blieb, denn wie hätte sie denn alleine nach Hause zurückkehren können, nach allem, was passiert war. Außerdem hatte Arwid ja auch diese Sprache gesprochen. Ein Umstand, der ihm sehr weitergeholfen hatte „Meinst du, du kriegst das hin? Ich meine, wenn du mein Lehrer sein willst.“ Ygrid konnte sehr eigensinnig und stur sein, wenn ihr etwas nicht passte. Carbo würde starke Nerven für sie brauchen!

  • Carbo zuckte mit den Schultern. "Wir werden sehen, ich glaube ja. Du wirst sehen so wird vieles leichter. Wir können morgen gleich anfangen, wenn du willst. Ich muss morgen am Vormittag auf den Marktplatz, um das Ergebnis einer Wahl mitzuverfolgen an der ich teilgenommen habe, wenn alles klappt, gewinne ich die Wahl morgen, dann bin ich neuer Sprecher meines Stadtbezirks! Wenn du willst bringe ich dich morgen in der Zwischenzeit zu den Thermen, dann kannst du dich in heißem Wasser baden, während ich auf das Wahlergebnis warte." schlug er ihr vor. Er hatte absichtlich keine lateinischen Begriffe wie "Forum" oder "Magister Vici", sondern durchgehend deren norische Gegenstücke verwendet, um Ygrid den Zugang zu dieser, ihm überaus wichtigen Sache zu erleichtern, denn wer wusste schon, ob sie überhaupt wusste, was ein Forum, oder eben ein Magister Vici war! Aber die Wahl selbst würde sie gewiss verstehen, wo doch auch die Germanen einen ausgeprägten Hang zum Wählen hatten in ihrem Thing.


    Sim-Off:

    Da ja immer noch der gleiche Abend ist, an dem in Carbos erstem Post beschrieben wurde, dass er den Wahlvorgang verfolgt hat, bevor er Ygrid traf, gehe ich davon aus, dass dieses Gespräch einen Tag (bzw. Nacht) vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses stattfindet, falls das für dich in Ordnung ist. :)

  • Am nächsten Morgen war Carbo den ganzen Vormittag über weg. Erst kurz vor Mittag platzte er freudenstrahlend zu Ygrid ins Zimmer und verkündete stolz: "Ich habe die Wahl gewonnen! Ich bin neuer Sprecher meines Stadtbezirks!" ganz rot im Gesicht vor Stolz. Carbo hatte an diesem Morgen den Amtseid in der Basilika abgelegt. Anschließend hatte er sich in einer Traube aus Gratulanten wiedergefunden, darunter auch so hohe Tiere wie Duccius Marsus. Doch nicht nur das hatte er heute zuwege gebracht, denn direkt nach seiner Amtseinsetzung hatte sich Carbo auf die Suche nach einer neuen Bleibe für sich (und Ygrid) gemacht. Höchste Zeit, dass sich der neue Magister Vici des Vicus Apollinensis eine eigene Wohnadresse verschaffte, er würde sich ja zum Gespött machen, würde er weiterhin in einem einzigen schäbigen Taberna-Zimmer wohnen bleiben. Es durfte nichts allzu teures sein, nur eine annehmbare Kleinigkeit zur Miete, denn ein eigenes Haus war zurzeit beileibe nicht in seinem Budget, wo er doch seine verfügbaren Finanzmittel schon an allen Ecken und Enden für seine politischen Vorhaben angelegt hatte. Nach einigem Suchen war er auch fündig und sich mit der Vermieterin einig geworden über seinen Einzug. "Ich habe noch eine Neuigkeit für dich. Wir ziehen um. Ich habe eine kleine Wohnung in einem Mietshaus gemietet als neuem Wohnort. Wir ziehen morgen früh um."

  • Ygrid war am Abend viel zu müde gewesen, um darüber nachzudenken, was Carbo da von dieser Wahl zum Sprecher seines Bezirks faselte. Auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansah, war wohl doch eine Art Krieger oder zumindest ein angesehenes Mitglied dieser Stadt, wenn er sich zur Wahl stellte und damit rechnen konnte, gewählt zu werden. In ihrer Heimat durften nur freie Männer und Krieger im Thing sprechen.
    Das Einzige, was der Germanin Kopfzerbrechen bereitete war Carbos Erwähnung der Thermen. Sie hatte schon Gerüchte davon gehört, von den römischen Bädern. Unter anderem, dass sie die römische Lebensweise schlechthin darstellten. Ygrid war weit davon entfernt, eine Römerin zu werden oder sich auch nur die römische Lebensweise anzueignen. Viel lieber wollte sie sich unten am Fluss waschen, statt in diese Thermen zu gehen. Aber die Müdigkeit hatte sie nun endgültig erfasst und zog sie mit sich hinfort. Sie musste das Thema „Waschen“ auf morgen vertagen. Ihre Augen fielen ihr zu. Es dauerte keine zehn Minuten, bis sie in einen tiefen friedlichen Schlaf fiel. So lange war es her, seitdem sie sich völlig unbesorgt schlafen konnte. Sie fühlte sich sicher und geborgen. Letztendlich war Carbos Bett tausendmal bequemer als das Lager aus stinkendem vergammeltem Stroh im Carcer.


    Der nächste Morgen begann und Ygrid schlief noch immer. Sie hatte nicht mitbekommen, als Carbo das Zimmer verlassen hatte und sie schlief immer noch als er wieder zurückkam und wie ein Wasserfall zu plappern anfing. Schließlich begann sie sich zu recken und zu strecken, öffnete langsam die Augen und begann herzhaft zu gähnen. „Ach schön… freut mich… für dich,“ meinte sie noch halb schlaftrunken. Doch dann wurde sie munter und setzte sich ruckartig auf, als Carbos letzter Satz endlich bei ihr angekommen war. „Wir ziehen um? Wohin denn?“

  • Carbo glühte immer noch förmlich vor Stolz, da ER jetzt neuer Magister Vici seines Stadtbezirks war. Dass das Ygrid jedoch mehr oder weniger egal war bekam er nicht einmal mit in seinem Freudentaumel. Viel zu sehr war er damit beschäftigt in Gedanken all seine zukünftigen Vorhaben durchzugehen und auseinander zu sortieren. Was sollte er wann machen? Welcher Starttermin wäre für was am besten? Was sollte Priorität haben? Was konnte hintangestellt werden? Fragen über Fragen.
    Er wollte seinen Sponsor auf jeden Fall nicht enttäuschen und noch wichtiger; auch sich selbst nicht. Carbo wollte sein Amt von Anfang an richtig anpacken. Irgendwie würde das alles bestimmt schon gehen. Wahrscheinlich würde er wohl mit einem kleinen Inspektionsrundgang durch den Vicus beginnen, um einmal alle Larenschreine in Augenschein zu nehmen. Anschließend würde er sich um die Organisation des ersten Theaterstücks kümmern. Das war ein Plan. Jetzt zu seinen privaten Planungen. Er musste umziehen und hatte dafür schon eine passende Mietswohnung gefunden. Ok. Er hatte dies Ygrid mitgeteilt und sie war im Bilde. Ok. Der Umzug selbst würde gerade Mal eine halbe Stunde dauern bei dem wenigen was er besaß und dem Nichts, das Ygrid ihr Eigen nannte. Ebenfalls ok. Blieb dann also nur noch sein Versprechen an sie, ihr Latein beizubringen und sie zu den Thermen zu führen. Eigentlich hatte er sie ja dorthin heute schon bringen wollen, während er am Forum gewesen war, doch war es sich hint' und vorne einfach nicht mehr ausgegangen. Und zudem Ygrid...moment einmal, hatte sie nicht soeben etwas gefragt?
    Carbo schreckte aus seinen Gedanken hoch. "Hä? Was?"


    Sim-Off:

    Der Kerl hat gerade mal vier Sätze gesprochen...und das ist bei dir "plappern wie ein Wasserfall"?! :P :D

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