Taverne "Zum blinden Esel" gegenüber der neuen Urbanerstation

  • Es hatten sich bereits erste Reaktionen auf das aktuelle Bauprojekt in der Subura des Praefectus Urbi Herius Claudius Menecrates eingestellt, eine davon war unter anderem, dass nicht lange nach der Weihung der neuen Station der Urbaner direkt gegenüber von ihr eine kleine Taverne aufgemacht hatte. Findige Leute hätten darauf spekuliert, dass diese vom Betreiber deshalb eröffnet worden war, um das willige Geld von müden Soldaten in Feierabendlaune einzusacken, die bestimmt gerne dieses neue Angebot nutzen würden, wo sie doch praktisch keinen Steinwurf von der Station entfernt war. Bestimmt war auch dies der Fall, doch es verhielt sich doch etwas anders, wenn man wusste wem die Taverne gehörte und vor allem wer diese Person war; Nero Helvetius Archias.
    Seines Zeichens einer der großen Unterweltbosse der Subura, der stets unter seinem Decknamen "Corvus", bzw. "die Krähe" zu operieren pflegte. Archias hatte dieses nette kleine Lokal als seine zivile Tarnung und als Horchposten eröffnet, um direkt an der Quelle allen Übels, der von nun an hier stationierten Urbaner, zu sitzen und sie in ihrem Suff so gut es ging unauffällig auszuhorchen und Informationen über die Station direkt aus erster Hand zu erhalten. Längere Zeit, über Jahre, war es still gewesen um das kriminelle Imperium der Krähe, doch in letzter Zeit hatte es von neuem begonnen.


    Die Taverne besaß nicht gerade ein Luxusinterieur, alles war schlicht und rustikal, doch für die Belange der hiesigen Gegend Roms durchaus als solide zu bezeichnen. Es war warm, es zog nicht und es war größenteils sauber. Vermutlich eines der besseren Lokale in der Gegend. So verwunderte es nicht, dass auch die hiesige Zivilbevölkerung schnell das neue Etablissement angenommen hatte. Gerade jetzt ging wieder die Tür auf und im Scheine gleißenden Sonnenlichts betrat ein magerer, ärmlich gekleideter Mann die Schenke. Archias stand gerade hinterm Tresen und wischte Tonbecher. "Ah, Planta mein Freund! Wie schön dich zu sehen! Wieder das übliche?" rief er einem seiner ersten Stammkunden zu, als der Mann zu ihm trat und sich ächzend auf einen Stuhl setzte.


    | Sextus Gabinius Planta


    "Ja bitte, eine große kühle Cervisia mit viel Schaum." Archias nickte und legte seinen fertig gewischten Becher beiseite, um Plantas Getränk zu holen. Währenddessen sah dieser sich im Raum um. "Na viele Gäste hast du heute aber nicht. Doch andererseits, wen wundert das schon angesichts der jüngsten Ereignisse." Archias war gerade dabei die Schaumkrone von Plantas' Cervisia zu vollenden, als er ihn fragte: "Was meinst du damit?"
    Bevor er antwortete, sah er sich kurz nochmal um, ob sie belauscht werden würden, ehe er sich etwas vorbeugte und mit gesenkter Stimme sprach: "Es sind wieder Krähenschädel und auf Wände geschmierte rote Schwingen aufgetaucht!" Archias hob eine Braue. Jetzt wurde es interessant, doch natürlich stellte er sich absichtlich unwissend. "So? Und was hat das zu bedeuten?" Plantas' Augen weiteten sich vor Entsetzen, dass Archias augenscheinlich nicht wusste, was dies verhieß. "Aber weißt du das denn nicht? Rote Schwingen an den Wänden und nackte, weiße Schädel von Krähen an einem Tatort, das sind beides Erkennungszeichen der Krähe! Sie ist wieder in Rom!"
    "Alle Achtung! Ich habe nicht allzuviel darüber gehört, doch das ist doch einer dieser große Nummern in der Subura von früher, oder?"
    Planta nickte heftig mit dem Kopf, während ihm Archias seine fertige Cervisia überreichte.
    "Ja, genau der! Es hat wieder begonnen, genauso wie früher. Freunde von mir mit einem eigenen Laden hatten mir berichtet, dass Männer bei ihnen aufgetaucht waren und regelmäßige Zahlungen verlangt hätten, angeblich dafür, dass sie ihre Geschäfte beschützen vor Einbrechern und anderem Gesindel. Leute sind verschwunden, oder wurden tot in der Gosse aufgefunden, entweder mit einem Krähenschädel auf der Brust, oder die Leiche lag unter roten Schwingen."
    "Bei den Göttern! Und macht schon jemand etwas dagegen?" fragte Archias unschuldig und nahm das Reinigen seiner Trinkgefäße wieder auf.
    Planta ließ ein freudloses Hüsteln hören. "Von wegen, wir sind hier in der Subura, Mann! Hier hält man für gewöhnlich dicht und regelt seine Angelegenheiten selbst, wenn man nicht des Nachts die Kehle aufgeschlitzt haben will bei all den Räuberbanden hier."
    Er nahm einen großen Schluck von der Cervisia. "Ich gebe zu, ich habe selbst ein, oder zwei Mal für die Krähe gearbeitet. Früher, weißt du?"
    "Wirklich? Also gehörst du zu seiner Bande?"
    Wieder Plantas typisches Hüsteln, "Ach was, nein bei allen Göttern! Ich bin nur ein einfacher Mann mit bescheidenen Bedürfnissen, der seine Familie durchbringen will."
    Jetzt lag es an Archias so zu tun, als ob er sich nach Lauschern umsah, ehe er fragte: "Warum hast du ihm dann geholfen? Und waren es schlimme Dinge?"
    Planta schloss kurz die Augen, während er den Kopf schüttelte. "Nein, nein. Kleinigkeiten eben. Mal eine Botschaft hier überbringen, mal dort eine Person beschatten, mit der er was vorhatte...nichts aufregendes. Die Männer der Krähe waren dafür immer sehr gut zu mir und für geleistete Arbeit gab es immer Brot für mich und die meinen. Auch einmal den einen oder anderen Sesterz. Das ist schon mal mehr, als sich unsereiner von den ehrenwerten Herren Senatoren und dem anderen reichen Gesocks erwarten kann, oben auf ihren sieben Hügeln!" meinte er mit verhärtetem Gesichtsausdruck mit darauf folgendem tiefen Zug aus der Cervisia. Dann stellte er wieder den Humpen ab und wischte sich über den Mund. "Ich jedenfalls fürchte mich nicht vor der Krähe. Er ist ein Freund für jeden, der gewillt ist für ihn zu arbeiten. Jeden Tag rechne ich damit, dass ich wieder von ihm kontaktiert werde, weißt du? Dann heißt das wieder Brot für meine Familie!"
    Eine durchaus interessante Information für Archias, also wäre Sextus Gabinius Planta auf jeden Fall jemand, auf den er zurückgreifen konnte, wenn er einmal wieder einen Niemand von der Straße für eine Aktion brauchte. Der Helvetier machte sich dafür eine geistige Notiz. Bevor er seine neue Taverne eröffnet hatte, hatte er Planta nicht gekannt. Offenbar war er früher von einem seiner Männer, vermutlich Babilus, angeheuert worden. Ein weiterer Vorteil, den er mit seiner hübschen neuen Tarnung als braver Tavernenwirt genoss; Archias hatte die Chance direkter mit jenen Leuten interagieren zu können, die für ihn arbeiteten, ihn aber nicht kannten. Dass dabei einer seiner eigenen Schergen einmal gegen ihn die Hand erheben könnte, im Glauben Archias sei wirklich nur ein kleiner Wirt und nicht sein Boss, da machte er sich keine Sorgen. Egal wo er sich aufhielt, es waren immer und überall entweder Bursa oder Nasica, Archias' menschliche "Bluthunde" unerkannt in seiner Nähe, um für den Schutz ihres Herrn zu sorgen. Auch jetzt saß Bursa in der Nähe der beiden, einen großen Becher Wein vor sich, eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und mehrere Wurfdolche im Gürtel unter seinen Gewändern verborgen.
    "Ist das nicht ein wenig unvorsichtig von dir, das alles einfach so hier herumzuposaunen?" fragte Archias Planta.
    Doch der winkte ab. "Wer soll es hier schon hören? Etwa die Urbaner? Pah! Denen bin ich sowas von egal, ich und meine ganze Nachbarschaft! Keine Sorge, ich habe aufgepasst und dir vertraue ich, mein treuer Freund und Cervisienspender", sprach er und prostete Archias zu, ehe er wieder einen großen Schluck nahm und den Becher damit leerte.
    Archias zeigte ein schmallippiges Lächeln. Wenn Planta nur wüsste...

  • Meine Unzufriedenheit wuchs von Tag zu Tag. Genährt wurde sie durch die Vorwürfe, die ich mir selbst machte. Warum nur waren wir nicht geflohen, als wir noch die Möglichkeit hatten – Iduna und ich! Inzwischen war eine Flucht unmöglich geworden, denn jeden Tag konnte es soweit sein, dass unser Kind zur Welt kam. Unser Kind. Was würde es in dieser Welt erwarten? Der Spross einer Sklavin und eines Sklaven war ein Leben als Sklave vorherbestimmt. Der Gedanke daran verursachte mir heftige Magenschmerzen. Doch am meisten grämte es mich, gänzlich hilflos dagegen zu sein. Nichts, rein gar nichts konnte ich tun! Ich hatte nicht genug Geld zusammengespart, um Iduna und das Kind freikaufen zu können. Wenn es unserem Dominus gefiel, konnte er unser Kind einfach weiterverkaufen und weder Iduna noch ich konnten etwas dagegen tun. Ich hatte es einfach satt, dieses Leben! Dennoch war es das Pflichtgefühl, Iduna und dem Kind gegenüber, mich nicht vollkommen gehen zu lassen.


    Ich versah meinen Dienst. Doch wenn ich damit fertig war oder mich die Lust dazu verlassen hatte, kehrte ich nicht etwa in die Casa zurück. Es gab bessere Plätze als die Casa, um seinen Frust hinunterzuschlucken. Die Subura war ein solcher Ort. Es gab dort haufenweise billiger Lupanare oder Spelunken, die ich mir leisten konnte. Hin und wieder zog es mich zur Taberna meines alten Freundes und Landsmannes Cian. Er hatte mit seiner Familie hier mitten in Rom ein kleines Stück Heimat erschaffen. Im ‚Crann na Beatha‘ – dem Lebensbaum, braute er sein eigenes Cervisia. Nirgendwo sonst gab es etwas Besseres als dort!


    Heute war so ein Tag, an dem es mich wieder zur Taberna meines Freundes trieb. Der Gedanke daran, ihn wieder zu treffen und sein köstliches Gebräu kosten zu können, ließ meine Stimmung wieder etwas aufhellen. Je näher ich mich der kleinen Seitengasse näherte, in der sich der ‚Lebensbaum‘ befand, wurden meine Schritte beschwingter. Als ich jedoch in besagte Gasse einbog, merkte ich sofort, dass etwas anders war als sonst. Das Schild über dem Eingang zur Taberna war verschwunden und im Inneren erinnerte nichts mehr daran, dass es hier einmal ein Stückchen Albion gegeben hatte. Verstört trat ich wieder hinaus auf die Straße und sah mich um. Was war nur passiert? Wo waren Cian und die seinen nur abgeblieben?


    „Hier gibt´s nichts mehr!“ hörte ich plötzlich eine alte Frau sagen, die mich beobachtet hatte, als ich aus der verlassenen Taberna hinausgetreten war. „Was ist passiert und wo ist die Familie hin, die diese Taberna bewirtschaftet hat?“ wollte ich von ihr wissen. „Keine Ahnung! Ein paar Urbaner waren vor zwei oder drei Wochen hier gewesen und haben den Wirt mitgenommen. Einen Tag später hat sich seine Familie aus dem Staub gemacht. Die haben alles mitgenommen!“ Die Antwort der Alten hatte mich sehr beunruhigt. Was hatten die Urbaner von Cian nur gewollt? Hatte er sich auf krumme Geschäfte eingelassen oder hatte ihn jemand in Schwierigkeiten gebracht?


    Widerwillig setzte ich meinen Weg fort und grübelte darüber nach, was meinem Freund zugestoßen war. Der Gedanke, nie wieder sein köstliches Cervisia trinken zu können, stimmte mich traurig und wütend zugleich. In dieser von allen Göttern verlassenen Stadt gab es doch nirgends einen Platz, wo es ein einigermaßen annehmbares Cervisia gab!


    Irgendwann kam ich schließlich an der neu erbauten Station der Urbaner vorbei. Direkt gegenüber befand sich eine Taberna, die mir bisher noch nie aufgefallen war. ‚Zum blinden Esel‘ hieß sie offenbar. Kurzerhand entschloss ich mich, dort hineinzugehen. Vielleicht saßen da drinnen ein paar Urbaner, von denen ich vielleicht ein paar Neuigkeiten herauskitzeln konnte, was mit Cian geschehen war.
    „Salve!“, rief ich dem Wirt zu, nachdem ich das Lokal betreten hatte. Ich sah mich um. Noch saßen keine Urbaner an den Tischen. Wahrscheinlich war es noch etwa zu früh. Also suchte ich mir einen Platz, von wo aus ich den Schankraum gut überblicken konnte. Die Einrichtung sah etwas heruntergekommen aus. Aber das störte mich nicht sonderlich.

  • Die Geschäfte von Archias hatten sich seit seinem ersten kleinen Treffen mit Silius mehr als positiv entwickelt. Es hatte noch zwei weitere Treffen gebraucht und verstärkter brieflicher Austausch, doch schlussendlich war man zu einer Einigung gelangt.
    Sobald das Bündnis der Krähe mit Silius gültig war, waren Archias‘ Schergen mit doppelter Härte gegen Egilius vorgegangen. Nicht viel später und ein dümmlich grinsender Babilus hatte seinem Chef das abgeschlagene Haupt des Egilius präsentiert. Egilius war tot, lang lebe Archias!
    Das alte Revier des gefallenen Unterweltbosses war vollständig in den Besitz der Krähe übergegangen und dessen „Befriedung“ (das Vollenden der letzten noch ausstehenden Schutzgelderpressungsbesuche bei den im Revier liegenden Kaufmännern) abgeschlossen.
    Nero Helvetius Archias aka Corvus aka die Krähe hatte zur alten Stärke zurückgefunden.


    Das verwunderte also nicht weiters, wenn er in seinem Lokal, dem „blinden Esel“, in den Tagen darauf mit besonders zufriedenem Gesichtsausdruck die Krüge und Becher wischte und nebenher die nichts ahnende urbanische Kundschaft von gegenüber aushorchte. Aber auch die zivile Kundschaft hatte viel zu erzählen. Planta kam wie üblich fast jeden Tag zu ihm. Doch nicht nur Stammkunden fanden ihren Weg herein, auch immer wieder neue Gesichter, so wie heute. Da gerade fast keine Gäste anwesend waren, war Archias am Notieren einiger Dinge gewesen, die er später noch besorgen gehen müsste für die Taverne, als ein großer fremder Mann mit blondem Haar und blauen Augen den blinden Esel betrat und grüßte. Ganz den guten Wirt mimend legte Archias sofort alles aus den Händen und schritt zu seinem neuen Kunden. „Salve und Willkommen im blinden Esel. Was darf es sein der Herr? Eine Kleinigkeit zu Essen? Wein? Cervisia? Wir haben alles da.

  • Ich hatte nicht lange warten müssen, bis der geschäftstüchtige Wirt zu mir an den Tisch getreten kam. Seine Begrüßung war freundlich und zuvorkommend, so wie man es eben von einem Wirt erwartete, der darauf hoffte, dass man bestimmt wieder kam. Er fragte mich nach meinen Wünschen und tatsächlich knurrte mir plötzlich in dem Moment der Magen. Dann fiel mir ein, dass ich eigentlich seit heute Morgen gar nichts mehr gegessen hatte. Ich überschlug schnell in Gedanken, was ich mir finanziell denn so leisten konnte uns spielte mit dem Gedanken, dass es heute wieder mal Fleisch sein durfte. Dabei fiel mir der leckere Lammeintopf ein, den ich bei Cian häufig gegessen hatte und der mich oft so sehnsüchtig an zu Hause erinnert hatte. Und dazu jetzt ein süffiges Cervisia! Das würde die ganze Sache noch abrunden! Allerdings bezweifelte ich stark, dass das angebotene Cervisia hier in irgendeiner Weise an Cians Selbstgebrautes auch nur ansatzweise herankam. Aber ich ließ mich gerne überraschen.


    „Hast du Eintopf da? Vielleicht Lammeintopf? Ein Cervisia dazu wäre nicht schlecht.“ Gespickt vielleicht mit noch ein paar Informationen zu den Urbanern, die hier hoffentlich auch verkehrten.
    „Sag, bist du neu hier? Dein Laden ist mir bisher nie aufgefallen. Hast sicher viel Kundschaft, seitdem es die neue Station da drüben gibt?“ Ein bisschen mit dem Wirt plaudern, konnte sicher nicht schaden. Dabei konnte man vielleicht an das eine oder andere interessante Fitzelchen an Informationen gelangen. Und falls doch nicht, dann überbrückte es wenigstens die Wartezeit.

  • Lammeintopf sollte es also sein und dazu noch eine Cervisia. Na dann. Doch Archias war sich im Moment gar nicht sicher, ob hinten noch Lamm vorrätig war. Besser gleich mal nachschauen. Natürlich vor dem Gast vorerst nichts anmerken lassen, sondern erst Alarm schlagen, wenn es wirklich keines mehr gab. Zuvor hieß es einzig und allein: „Bitte sehr, Bitte gern!“.
    Achja, die Sorgen eines gewöhnlichen Tavernenwirts... manchmal ertappte sich Archias dabei, wie er über seine Gedanken um die Speisen und Getränke seiner Kundschaft und der Organisation des Warennachschubs für kurze Momente sein Zweitleben als Krähe vergaß.


    Nachdem die Bestellung aufgenommen war sagte er: „Einmal Lammeintopf und eine kalte Cervisia, kommt sofort der Herr!“ Hoffentlich gab es noch Lammeintopf. Natürlich wollten auch die Fragen des Gastes beantwortet werden: „Ich selbst bin nicht neu, beileibe nicht.“ lachte er. „Ich lebe schon mein ganzes Leben hier in der Subura, doch die Gastwirtschaft ist neu, ja.
    Archias ging zur Schank und dann kurz hinten ins Lager. Ach, da war ja noch ein Lammeintopf! Sehr gut! Er nahm ihn mit nach vorne und stellte ihn aufs Feuer, während er die Cervisia zu zapfen begann und daneben weiter mit dem Kunden plauderte: „Ich gebe zu, dass die Anwesenheit der Urbaner eine große Beflügelung meines Geschäfts darstellt und gut die Hälfte aller meiner Kunden sind auch Urbaner.
    Als die Schaumkrone fertig war, brachte sie Archias zum Tisch. „So, einmal eine Cervisia! Das Lamm braucht noch ein paar Momente, damit es auch ja schön heiß ist.

  • Trotz der heruntergekommenen Einrichtung war der Wirt sehr freundlich und umgänglich. ‚Mein Herr‘ hatte schon Ewigkeiten keiner mehr zu mir gesagt. Die unsichtbaren Ketten der Sklaverei, sie waren für einen Moment lang nicht mehr vorhanden. Er schaffte es, dass ich begann mich wohlzufühlen. Für die kurze Zeit meines Besuches hier konnte ich mich als Mensch fühlen und nicht als Sache. Die Subura konnte zwar noch so heruntergekommen sein, doch die Menschen, die hier wohnten, hatten sicher ihr Herz am rechten Fleck. Genauso wie der Wirt, der von hier stammte, so wie er sagte. Sein Laden war allerdings neu, so wie ich es vermutet hatte.


    Während er sich um mein Cervisia kümmerte, begann er ein wenig zu erzählen. Tatsächlich, viele seiner Kunden waren Urbaner. Wenn ich also noch ein Weilchen hier blieb und sich vielleicht noch ein paar von ihnen hierher verirrten, bekam ich womöglich doch noch meine Informationen. Zuerst aber widmete ich mich meinem frisch gezapften Gerstensaft, der mit seiner Schaumkrone wirklich sehr verführerisch aussah – ganz anders als Cians Gebräu.
    „Oh, das sieht ja gut aus!“ Der Wirt stellte das Getränk vor mir ab und meine Gesichtsmuskeln verzogen sich zu einem Lächeln – das Erste an diesem Tag! Ich nahm sofort einen großen Schluck. „Ahh, ist das gut!“, machte ich. Der Schaum des Bieres klebte über meiner Oberlippe und ich wischte es mit meinem Handrücken ab. Wenn der Lammeintopf jetzt genauso gut schmeckte, konnte ich, was das Leibliche betraf, zufrieden sein.


    „Wenn du hier schon immer wohnst, kennst du vielleicht auch Cian. Er und seine Familie sind vor einigen Jahren von Britannien nach Rom übergesiedelt. Er hat hier, nur ein paar Straßen weiter auch eine Taberna. Eigentlich sollte ich sagen hatte, denn seit neustem ist sein Laden dicht. Das ist wirklich ein Jammer!“ Vielleicht hatte der Wirt ja auch etwas gehört. Zumindest aber konnte es der Beginn einer (vielleicht netten?) Unterhaltung sein, bis mein Lammeintopf fertig war. Bis dahin genoss ich mein Getränk, das ich tatsächlich nach wenigen Zügen schon geleert hatte. Das war gegen den Durst, jetzt noch eins für den Genuss. „Dein Cervisia ist wirklich verdammt gut! Kann ich noch eins haben?“

  • Archias lächelte über das überschwängliche Lob seines Gastes. Die Cervisia schmeckte ihm also schon mal. Auch das Lamm würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es begann bereits seinen Duft im Gastraum zu verströmen. Ein wenig noch, dann wäre es essfertig.


    Dann geschah etwas, was für fast jeden Wirt wohl die normalste Sache der Welt war; der Gast wollte Auskunft (Schrägstrich „Tratsch“) über andere Leute erfahren. Beim Klang des Namens jedoch durchzuckte Archias ein Erinnerungsblitz. Ein Lagebericht seines Räuberhauptmanns Babilus. Cian...war das nicht dieser britische Wirt vom „Crann na Beatha“ gewesen, dessen Taverne ein Hauptschauplatz von Egilius‘ Machenschaften gewesen war? Babilus hatte so etwas von sich gegeben, als er von einer Aktion berichtet hatte in der in Archias‘ Auftrag mehrere kleine Nester, Spelunken und Rückzugsorte von Egilius ausgehoben worden waren, in dem Bestreben, dem Unterweltboss sein Revier zum Ruhme der Krähe nach und nach zu entreißen. Dabei musste wohl auch dieser Laden daran geglaubt haben.
    Nach einer nachdenklichen Minute antwortete er: „Cian, hm ja ich kannte einen Cian. Ich hörte die Urbaner haben ihn mitgenommen. Er soll sich mit den Mächten des organisierten Verbrechens eingelassen haben und ist dabei zwischen deren Mühlsteine geraten. Nicht schön.“ Archias seufzte theatralisch. „Aber ja, die Unterwelt ist hier in der Subura allgegenwärtig. Hier gilt deren Gesetz und nicht dieser inhaltsleere Firlefanz von denen da oben auf ihren sieben Hügeln. Da kannst du jeden Ladenbesitzer hier fragen.


    Archias rührte im Eintopf herum, um seine Konsistenz zu prüfen, als Angus nach einer zweiten Cervisia verlangte. „Aber gerne doch, der Herr! Eine zweite Cervisia, kommt sofort! Der Lammeintopf ist auch gleich soweit, nur noch ein bisschen über dem Feuer köcheln lassen und noch eine Prise meiner Spezial-Kräutermischung und dann heißt‘s „Guten Apetitt!““ Nachdem der Lammeintopf zur Genüge bewegt worden war, machte sich Archias daran das zweite Gesöff zu zapfen.

  • Der Duft des Essens lag nun scheinbar allgegenwärtig in der Luft und ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Jetzt meldete sich der Hunger erst recht. Doch es würde nicht mehr lange dauern, bis ich ihn stillen konnte.


    Ganz so wie ich es gehofft hatte, konnte der Wirt ein wenig über Cians Verbleib Auskunft geben. Wenn tatsachlich die Urbaner im Spiel gewesen waren, war das mit Sicherheit in der Nachbarschaft nicht unbemerkt geblieben. Zumal die Menschen der Subura ganz anders tickten als die ‚noblen Herrn‘ in den ‚besseren‘ Stadtteilen. Was allerdings der Wirt zu berichten hatte, passte so gar nicht in mein Bild, welches ich von Cian hatte. Natürlich hatte er gelegentlich gewisse Waren geschmuggelt, war vielleicht auch manchmal an leicht krummen Geschäften beteiligt oder hielt sich nicht immer haargenau an die Gesetze. Aber darin unterschied er sich kaum von den übrigen Bewohnern in dieser Stadt. Er war es ja auch, der mir angeboten hatte, Iduna und mich bei unserer Flucht zu unterstützen. Leider war nichts daraus geworden, weil sich sozusagen über Nacht unser Leben komplett verändert hatte. Cian hatte indessen offensichtlich ein wenig über die Stränge geschlagen und war dadurch ins Visier der Urbaner geraten.
    „Er hat sich mit dem organisierten Verbrechen eingelassen?“, rief ich verblüfft. Allerdings war es sicher keine hohe Kunst, hier in der Subura in die Fänge solcher Leute zu geraten. Das bestätigte ja auch der Wirt. Fragte sich nur, was nun aus Cian und den seinen werden würde. „Und was ist mit seiner Familie geschehen? Hast du etwas gehört? Wurden die auch mitgenommen?“ Hoffentlich nicht! Aber wenn doch, was hätte ich dagegen tun können?


    Ein bitteres Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, als der Wirt „die da oben auf den sieben Hügeln“ erwähnte. Wie Recht er doch damit hatte. Diese blasierten und degenerierten Schwachköpfe! Wenn ich dabei nur an die Flavier dachte, wurde mir bereits speiübel! „Wie Recht du doch hast! Diese Leute haben keine Ahnung vorm wirklichen Leben. Ich habe lange genug unter ihnen gelebt!“ An dieser Stelle hätte ich so manche derbe Geschichte zum Besten geben können. Aber ich wollte mir ja nicht selbst den Appetit verderben. Doch das Cervisia war süffig und die Stimmung war gut. Wer vermochte zu wissen, wie sich mein Besuch in der Taberna noch entwickeln sollte?

  • Noch einmal rühren, ein wenig würzen und fertig. Der Meister befand sein Werk für vollendet. Archias nahm den Lammeintopf und trug ihn zusammen mit der Cervisia zu Angus‘ Tisch. „Hier bitte sehr der Herr! Mit den besten Empfehlungen des Hauses!
    Vielleicht mochte es etwas seltsam erscheinen in der Subura so einen höflichen und aufmerksamen Wirt wie Archias vorzufinden, doch vielleicht ließen sich seine guten Manieren und Umgangsformen -trotz seiner Machtgier und Skrupellosigkeit- noch als den letzten verbliebenen Rest seiner wohlhabenden helvetischen Herkunft erklären, trotz, dass er mit der Familie schon vor über einem halben Jahrhundert in seinen Jugendjahren gebrochen gehabt hatte und dort ihn niemand mehr auch nur im entferntesten kannte. So also war nicht das gesamte Familienerbe in ihm gestorben bei seinem Gang in die Subura, um sich als jugendlicher Schläger einer Räuberbande anzuschließen.


    Als Archias Angus den Teller auf den Tisch stellte, fragte dieser ihn entsetzt noch einmal wegen des britischen Wirts. Da sein Gast nun versorgt war und es im Moment sonst nichts zu tun gab, setzte sich Archias zu dem Mann, um ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten. Kurz legte er die Stirn in Falten. „Hm, tut mir leid, von der Familie weiß ich nichts. Was Cian selbst angeht, so habe ich gehört, dass er heimlich für den ehemaligen Boss der Gegend gearbeitet hat. Immer wieder mal eine Kleinigkeit, oder hat sein Geschäft für den Vollzug von krummen Geschäften zur Verfügung gestellt. Doch es gab kürzlich einen Umsturz in der Unterwelt. Cians Boss ist von einem anderen gestürzt worden, der früher einzig und alleine als die Krähe bekannt war. Er hat jetzt das Sagen in der Gegend. Dass mit dem Machtwechsel auch viele der kleinen Handlanger bestenfalls verhaftet und im schlimmsten Fall tot sind, erklärt sich ja von selbst.“ Dass Archias selbst die Krähe war, brauchte der Gast ja nicht zu wissen. Doch das war ja das Schöne an seiner Tarnung als harmloser Tavernenwirt. Er konnte durch Erzählungen munter an seiner eigenen Legende stricken und so seinen Ruf und seine Macht ausweiten, ohne, dass jemand außerhalb seines engsten Kreises die Krähe mit ihm, Archias, in Verbindung brachte. So war er über alles doppelt informiert (einerseits über die Berichte seiner Handlanger und andererseits durch Erzählungen von Gästen) und konnte auch selbst Gerüchte streuen und Desinformation säen, wenn es ihm gütlich war.


    Angus‘ Erwähnung, er hätte ebenfalls mal auf den Hügeln gelebt war sehr interessant. „Hattest du denn ein Haus, oder ein Geschäft dort?“ fragte er. Kundschaft außerhalb der Subura verirrte sich eher selten in seine Spelunke, die Soldaten der Urbaner einmal ausgenommen.

  • Oh, da kam endlich der langersehnte Lammeintopf, dessen Duft mir schon die ganze Zeit den Mund wässrig gemacht hatte. Passend dazu brachte der Wirt mir auch die zweite Cervisia, die ich bestellt hatte. „Vielen Dank!“, entgegnete ich freundlich dem Wirt, als er den Teller und den Becher vor mir abstellte. Das Essen sah wirklich köstlich aus. Ich nahm den Löffel, rührte den Eintopf ein wenig um, damit er etwas abkühlen konnte, bevor ich den ersten Löffel zum Mund führte.
    Dann endlich war es so weit. Ich kostete den Eintopf, auch wenn er noch etwas heiß war. Sein Duft hatte nicht zu viel versprochen. Die Geschmacksknospen in meinem Mund vollführten ein wahres Feuerwerk der Genüsse. Selten hatte ich etwas so Gutes gegessen. Der Eintopf konnte sich auf jeden Fall mit dem von dem armen Cian messen. Er schmeckte fast so, wie zu Hause.
    „Der Eintopf ist hervorragend! Besser hätte ihn meine Frau nicht kochen können!“, meinte ich lobend, nachdem ich den ersten Bissen mit einen Schluck Cervisia hinuntergespült hatte. Doch sofort kehrte wieder die Ernsthaftigkeit ein, als der Wirt fortfuhr, mir etwas über Cians Schicksal und dem Verbleib seiner Familie erzählte. Dass was er nun über dessen Machenschaften erzählte, klang für mich ziemlich plausibel. Irgendwie musste man sich ja in dieser Stadt durchschlagen, wenn man eine Familie zu ernähren hatte, auch wenn seine Taberna ganz gut lief. Aber hier in der Subura galten eben andere Regeln, wie vielleicht anderswo.


    „Die Krähe,“ widerholte ich nachdenklich die Worte des Wirtes und nahm dann einen weiteren Bissen von meinem Eintopf. Seitdem Iduna in mein Leben getreten war, hatte ich immer wieder darüber nachgedacht, was ich tun könnte, um uns beide aus unserer nicht hinnehmbaren Situation zu befreien, sei es durch Flucht oder indem ich genug Geld zusammen bekam, um mich und meine Liebste freizukaufen. Wenn ich darauf hoffte, genug Peculium zusammenzusparen, dann würden wir beide wohl alt und grau sein, bis ich uns freikaufen konnte. Damit konnte und wollte ich mich nicht zufrieden geben. Spätestens in ein oder zwei Jahren wollte ich endlich wieder frei sein.


    Die Frage des Wirtes riss mich aus meinen Gedanken. Natürlich hatte ich ihn durch meine Bemerkung neugierig gemacht. „Nein, ich hatte weder ein Haus noch ein Geschäft dort. Trotzdem lebte ich in einer vornehmen Villa auf der nördlichen Kuppe des Quirinals – als Sklave! Als mein Dominus starb, lange soll er im Tartaros schmoren, hat er mich dummerweise nicht in seinem Testament berücksichtigt, worauf man mich wie einen räudigen Hund aus der Villa warf und wie Vieh auf dem Sklavenmarkt verkaufte.“ All die Jahre, die ich bei den Flaviern verbracht hatte, all die Demütigungen, die ich dort hatte hinnehmen müssen, hatten nichts an meiner Lage geändert. Im Gegenteil! Ich war von meiner Freilassung so unermesslich weit fort, wie man es sich nur vorstellen konnte. Ebenso Iduna. Da sie schon bald unser Kind zur Welt bringen würde, war sie eine lohnenswerte Geldanlage, die durchaus in der Lage war, noch viele weitere Sklaven zu produzieren.


    „Diese Krähe, weißt du, wo er zu finden ist? Meinst du, er könne einen wie mich gebrauchen?“, frage ich den Wirt, nachdem ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte.

  • Über das Lob seines Eintopfs nickte Archias. Er hatte schon öfters Lob für ihn gehört, das Rezept stammte von einem ermordeten Küchensklaven während eines Überfalls auf offener Landstraße. Ein reicher Römer hatte von Rom nach Ravenna umziehen wollen, leider war sein Tross nicht weit gekommen. „Vielen Dank, das Rezept stammt von meiner verstorbenen Frau. Eine viel begnadete Köchin.


    Mit zufriedenem Ausdruck beobachtete Archias, wie sich Angus über den Eintopf hermachte. Dabei kam ihm eine neue Mordmethode in den Sinn. Er musste sich unbedingt über spät wirkende Gifte informieren.
    Dann könnte er das Essen von Mordkandidaten, egal wie mächtig, die sich zufällig in seine Taverne verirren sollten, vergiften und später, wenn sie dann nachhause wanken würden, würden sie tot in der Gosse oder in den eigenen vier Räumen zusammenbrechen und niemand wüsste woher die Nebel der Unterwelt über ihn gekommen waren. Eine wirklich famose Idee.
    Doch genauso aufsehenserregend waren die weiteren Neuigkeiten Angus‘. Ein verbitterter Sklave also, sehr interessant.
    Ich höre viel Frust aus deiner Stimme heraus Angus, aber hab keine Angst. Hier in der Subura gibt es keine Herren für dich, sondern nur Freunde.“ Wer brauchte auch schon Herren, wenn es dafür Bandenbosse gab. „Für welche Familie arbeitest du denn jetzt?“ Vielleicht kannte er die besagte Gens ja, entweder dem Namen nach, oder aus Opferberichten seiner Hauptmänner.


    Doch wäre Angus‘ persönlicher Status nicht schon das beste gewesen, so überraschte er ihn ein weiteres Mal mit seiner Frage, wo denn die Krähe zu finden wäre. Der Kerl wollte sich ihr offensichtlich anschließen. Was es nicht alles gab. Archias lächelte. „Ich fürchte so läuft das nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass es im höchsten Maße illegal ist sich einer kriminellen Organisation anzuschließen, so kann man nicht einfach loslaufen und sich an einer bestimmten Stelle bewerben. Die Banden wählen ihre Mitglieder gewöhnlich selbst aus, ich kann dir also leider nicht weiterhelfen.
    Trotz Archias‘ offensichtlich abschlägiger Antwort sah er kurz zu Nasica dem Bluthund hinüber, der wie üblich zum Schutz seines Herrn als harmloser Gast getarnt im Raum saß. Ein kurzes Zeichen durch Rucken der Pupillen in Angus‘ Richtung, ein Nicken Nasicas und schon war alles wieder vorbei. Denn Angus schien durchaus passend zu sein. Jung, kräftig und extrem verbittert und natürlich mit Zugang zu den Reichen und Schönen Roms. Er würde später auf seinem Nachhauseweg „Besuch“ von Babilus dem Räuberhauptmann bekommen.

  • Schließlich kratzte ich mit meinem Löffel den allerletzten Rest des Lammeintopfes zusammen und ließ diesen dann in meinem Mund verschwinden. Ein Schluck Cervisia krönte das Ganze und sorgte dafür, dass ich zufrieden rülpsen konnte. Ahh, das war wirklich gut gewesen! „Ein Hoch auf die Frauen!“, rief ich bevor ich noch einmal einen Schluck nahm. Ob Iduna auch so gut kochen konnte? Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, dass sie bisher kein einziges Mal für mich gekocht hatte. Doch ich war ganz davon überzeugt, dass sie unser Kind gut versorgen konnte, sobald es endlich geboren war.


    Der Wirt hatte sich nicht geirrt, meine Enttäuschung über alles, was nach Scatos Tod geschehen war, konnte ich einfach nicht verbergen. Ich hatte einfach zu lange gewartet. Ich hatte mich zu lange meinen Selbstzweifeln hingegeben und hatte dadurch den richtigen Zeitpunkt für eine Flucht mit Iduna verpasst. Aber hier in der Subura konnte er sich für eine begrenzte Zeit frei fühlen, denn wie der Wirt richtig bemerkte, in der Subura gab es keine Herren.
    „Germanicus Cerretanus hat mich gekauft.“ Den Namen meines neuen Dominus hatte ich mit reinster Abscheus ausgesprochen, ganz so, als handle es sich dabei um eine unangenehme Krankheit. Der Gedanke, dass dieser Mistkerl demnächst schon der Besitzer unseres Kindes sein sollte, bereitete mir Übelkeit. Liebend gerne wollte ich dem Kerl in der Nacht die Kehle durchschneiden. Jedoch war mir bewusst, welche Konsequenzen diese Tat für Iduna und alle anderen Sklaven des Haushalts haben würden. Nur dieses Wissen hinderte mich daran, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wenn der Germanicer jedoch das Opfer einer Räuberbande werden würde, sah die Sache schon anders aus.


    Die fixe Idee, sich einer solchen Bande anzuschließen wurde jedoch vom Wirt sofort wieder gedämpft. Zunächst wollte ich ihm widersprechen, als er meinte, es sei gegen das Gesetz, sich einer solchen Bande anzuschließen. Stattdessen grinste ich nur. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem mir alles Legale an meinem Allerwertesten vorbei ging.
    „Na schön, dann muss ich wohl wieder“ ,meinte ich nachdem ich den letzten Rest meiner Cervisia in einem Schluck genommen hatte und von meinem Platz aufgestanden war. „Was schulde ich dir für das Essen und die beiden Cervisiae?“ Ich kramte bereits meinen Geldbeutel hervor, um für Speis und Trank zu zahlen.

  • Germanicus Cerretanus, mhm...“ nachdenklich zog Archias die Stirn kraus. „Nein, der Name sagt mir nichts.“ Von den Germanicern hatte er auch so schon lange nichts mehr gehört.
    Aber anscheinend war der Besitzer von Angus nicht gerade ein angenehmer Zeitgenosse, angesichts der ganzen Abscheu, die in den Zügen des Sklaven gelegen hatten bei der Aussprache des Namens. Das war wohl eine weitere Frage an die Herren Philosophen, von welcher Sorte Unfreier es in Rom mehr gab. Jene, die ihren Herrn liebten, oder solche, die den Dominus bis aufs Blut hassten. Er musste das unbedingt Faustus Laberius Atimetus den Sklavenhändler fragen, wenn er ihn das nächste Mal sah, gewiss würde er mehr darüber wissen.


    Langsam wurde es für seinen Gast Zeit weiterzuziehen. Für den Bluthund seinerseits das Zeichen unauffällig aufzustehen und die Schenke zu verlassen, um Archias‘ jüngsten (stummen) Auftrag in die Tat umzusetzen.
    Als Angus wissen wollte, was er Archias schuldig war, winkte er ab. „Ach, du gefällst mir, deshalb sagen wir vier Sesterze für den Eintopf und die Gesöffe gehen aufs Haus, einverstanden?
    Er würde ja dieses Mahl sowieso bald wieder einarbeiten, wenn das Angus jetzt auch noch nicht wissen mochte. Außerdem hatten Sklaven ja generell eher weniger Geld.


  • Quintus Fabius Tucca


    Quintus hatte es zum ersten Mal in diese Spielunke verschlagen.
    Kammeranden die in der neuen Station Dienst taten, hatten ihm davon erzählt. So schlenderte er zur neunten Stunde in die Taverne die eigentlich eher ein Popina war den es gab augenscheinlich auch etwas zu Essen und nicht nur Getränke. Es war ja nicht so das er heute noch Nachtschicht schieben musste darum konnte er heute hier mal den blinden Esel testen. In seiner Tunika und seinen Sandalen trat er in die Taverne ein und sah sich erst mal um und setzte sich schließlich auf eine der Bänke. "He-da Wirt ich hab durst."



  • Ja, es war nur eine fixe Idee gewesen. Ein Gedankenspiel, welches niemals Realität werden würde. Ich war dazu verurteilt, bis an meinen letzten Tag als Sklave zu leben, genauso wie Iduna und unser Kind. Ich war dazu verdammt, zusehen zu müssen, wie man es uns eines Tage entreißen würde, um es als Sklaven zu verkaufen. Und selbst Iduna konnte man mir einfach entreißen. Genauso sah meine Zukunft aus. Also wäre es eigentlich sinnvoller gewesen, alles in Bewegung zu setzen, um sich mit dem Germanicer gut zu stellen, damit ich und somit auch die meinen nicht in Ungnade fielen. Wäre da nur nicht mein unbändiger Stolz gewesen, den selbst die langen Jahre der Sklaverei hatten nicht brechen können. Der Stolz eines Sklaven - wie lächerlich! Im Grunde machte ich mir nur etwas vor und wollte einfach nicht die Fakten anerkennen. Die Zeit des Kriegers Angus war längst vorbei. Übriggeblieben war der Sklave Angus, der das nur nicht akzeptieren wollte.
    Der Wirt war so freundlich gewesen, mir lediglich nur vier Sesterzen für das Essen abzunehmen. Das Bier schenkte er mir. Wahrscheinlich hatte ich ihn mit meinem Gerede gut unterhalten und ihm die Zeit vertrieben, weshalb er mir einen Teil meiner Schuld erließ.


    „Das ist sehr großzügig von dir! Vielen Dank!“ antwortete ich brav und lächelte, wenn auch etwas verbittert. Ich nickte ihm noch einmal zu. Dann ging ich meiner Wege. Ich hatte schließlich noch einiges zu tun.


    --->


  • Die Arbeit in seiner Taverne bereitete Archias unerwartete Freude, wie er inzwischen zugeben musste, das hatte er ehrlich nicht erwartet. War das alles anfangs als bloßer Horchposten geplant gewesen, so war es für ihn inzwischen auch ein willkommener Ausgleich zu seinen übrigen kriminellen Geschäften. Hier konnte er unbefangen einer legalen Arbeit in geselliger Runde nachgehen und vor den Urbanern musste er auch nicht zittern, im Gegenteil, sie waren seine besten Kunden!


    So auch heute wieder einmal, wo schon so einige dieser Exemplare hier bei ihm ihren Durst nach Alkohol stillten. Gerade war Archias dabei gewesen einen Tisch einer besonders lustigen Soldatentruppe abzuräumen, die gerade erst gegangen war, als auch schon der nächste Urbaner das Lokal betrat. Archias kannte ihn noch nicht, sein Gesicht war neu für ihn. Durst hatte der Herr, na dann wollte man doch zusehen, dass dieses Bedürfnis baldmöglichst gestillt werden würde!
    Dienstbeflissen kam Archias zu ihm heran, um seine Bestellung aufzunehmen. "Salve, Soldat und Herzlich Willkommen im Blinden Esel! Mit was kann ich dienen? Wein? Mulsum? Oder eine kalte Cervisia mit viel Schaum? Alles da! Alles trinkbar!"
    Wäre dem nicht so, wären ja schließlich nicht regelmäßig die ganzen Urbaner zu Gast in seinem Lokal.

  • Nach der Lupercalia DCCCLXX A.U.C.



    Tiberios trat mit Eireann in eine Taverne ein, die um vieles sauberer und vertrauenserweckender wirkte als die schmierige Spelunke. Sie war schon voller fröhlicher Menschen - darunter viele Urbaner - , die die Lupercalia feierten, aber die beiden jungen Sklaven waren schmal und wendig und quetschten sich überall durch, so dass sie noch zwei Plätze auf einer Bank ergatterten.


    Tiberios griff nach seinem Geldbeutel am Gürtel, um dem Wirt oder dem Schankmädchen das Geld vorzulegen,
    aber der Beutel, der am Morgen noch verheißungsvoll geklimpert hatte, war leergeräumt.


    Ein Schnitt wie mit einem Messer veriet – da waren Diebe am Werk gewesen. Während der Lupercalia. Es gab Menschen, die hatten vor nichts Respekt . Möge der Gott Faunus sie strafen ….. oha, das Glück der Segnung fing ja gut an.


    Im gleichen Moment tippte jemand Tiberios auf die Schulter und eine leise Stimme fragte an seinem Ohr :"Hat man dich etwa bestohlen ? Taschendiebe sind wirklich eine Plage."


    Der Sklave des Furius Philus brauchte sich nicht umdrehen. Die Stimme erkannte er sofort.
    Hairan oder wie er sich jetzt nannte : Anis von Alexandria.



    garantiert war keiner davon sein richtiger Name .
    Der Mann machte nur Ärger, und der junge Sklave wollte nichts mit ihm zu tun haben. Nun war er also im Blinden Esel – vermutlich leichtgläubige Kunden für sein Wahrsagergeschäft suchend.
    „ Alles in Ordnung.“ , sagte Tiberios .


    Nichts war in Ordnung. Er war unglücklich . Er hatte Eireann einladen , mit ihr plaudern und den Nachmittag angenehm ausklingen lassen wollen.
    Nun musste er sie fragen, ob sie Geld dabei hatte und ihm auslegen konnte. Wie peinlich!
    Da kollerte schon ein Sesterz aus Hairans Hand über den Tisch :
    „Du und dein kleines Schätzchen seid eingeladen, scriba !“, sagte er : „Auch wenn du das Geld schneller ausgibst, als du es verdienst. Aber einen alten Freund aus Alexandria lasse ich nicht in Stich.“
    Wir sind keine Freunde , sagte Tiberios, doch Hairan hatte sich neben ihn gesetzt und schaute Eireann intensiv an :
    Sei gegrüßt, meine Venus“, sagte er : „Mein Name ist Anis aus Alexandria. Und wer bist du ?“
    Wenn du wirklich ein Wahrsager wärst, wüßtest du es.“, murmelte Tiberios
    „Pst !“, zischte Hairan : „Ich spreche mit deiner Freundin .“

  • Für einen kurzen Augenblick hatte Eireann den Eindruck sie würde Tiberios Hand zerquetschen. Denn um den Blondschopf im Getümmel nicht zu verlieren hatte sie sich regelrecht an ihn geklammert. Als die Beiden die vollgestopften Straßen und Gässchen hinter sich gelassen hatten, löste Eireann ihre Finger aus Tiberios Hand und warf ihm einen entschuldigenden Blick entgegen. Und dennoch hielt sie sich dicht an den furischen Sklsven und betrat hinter ihm die Taverne. Diese Taverne sah tatsächlich viel sauberer aus, als die schmierige Spelunke am Tiberufer. Geschwind folgte Eireann dem furischen Sklaven zwischen den Bänken hindurch. Zum Glück hatte Tiberios eine noch freie Bank ausfindig machen können. Und auf eben jener hölzernen Bank ließ sich Eireann nieder.


    Von Tiberios gestohlenem Goldbeutel ahnte die Dunkelhaarige nichts. Mit großen Augen blickte sich die Dunkelhaarige in der Taverne um. Schließlich war sie hier bisher noch nie gewesen. Und demzufolge war es besonders aufregend für die iulische Sklavin. Den fremden Mann hatte die Dunkelhaarige dann doch entdeckt und musterte ihn mit einem höchst aufmerksamen Glanz in ihren Augen. Als sus dessen Hand ein Sesterz über den Tisch kullerte, fokussierte Eireann die Münze. Bevor sie ihren Blick zwischen dem unbekannten Mann und Tiberios hin- und hergleiten ließ. “Wer ist das?“ Murmelte die Dunkelhaarige nahe am Ohr des Scriba. Bevor sie ihren Blick für einen Moment tatsächlich äußerst intensiv auf dem Unbekannten ruhen ließ.


    Als sich der Unbekannte ungefragt setzte und sie auch noch ansprach, wuchs Eireanns Misstrauen deutlich. “Mein Name ist Eireann.“ Antwortete die Silurerin mit höflicher Stimme. Obwohl das Misstrauen deutlich in ihrem Gesicht zu erkennen war.

  • Zitat

    Original von Eireann


    Als sich der Unbekannte ungefragt setzte und sie auch noch ansprach, wuchs Eireanns Misstrauen deutlich. “Mein Name ist Eireann.“ Antwortete die Silurerin mit höflicher Stimme. Obwohl das Misstrauen deutlich in ihrem Gesicht zu erkennen war.


    Hairan ließ nun seinen ganzen Charme spielen :
    " Eireann ", sagte er langsam : "Ein ungewöhnlicher, aber schöner Name.
    Ich habe es doch gleich in deinen klaren Augen gesehen, du warst ein wildes, freies Falkenweibchen, und die Römer haben dich in einen Käfig aus Eisen gesperrt.


    Bei im Hause geborenen Sklaven , einem oikogenés wie dein Begleiter einer ist ...da heißt es immer nur, dominus hier und dominus dort, die kennen nichts anderes.


    Bei mir aber wärst du eine Königin, mein Falke, ich würde dich mit in die Steppe nehmen, wir würden auf den edelsten Pferden reiten und wenn du müde bist, schlafen wir unter dem silbernen Mond oder in einem Zelt aus reiner Seide.


    Wo ist deine ursprüngliche Heimat und wer hält dich o mein Falke gefangen ?“


    Tiberios' Gesicht verfinsterte sich. Er hoffte sehr , dass Eireann auf die Komplimente des Mannes
    nichts geben würde.
    Und überhaupt, er sollte damit aufhören, Eireann mit irgendwelchen Vögeln zu vergleichen!
    Wie sollte er denn die junge Sklavin in die Steppe mitnehmen ? Entführen ? Das war Diebstahl, und die Julier würden sich das nie gefallen lassen.



    Aber Eireann hatte noch gar nicht mitbekommen, dass er - Tiberios beklaut worden war. Er musste es ihr gestehen.
    " Mir hat jemand in dem Getümmel vorhin den Beutel geleert. ", sagte er betrübt zu Eireann : " Leider wird nun nichts aus meiner Einladung. Hast du ein paar Asse dabei, die du auslegen könntest? Du bekommst sie so schnell wie möglich zurück


    Tiberios hatte im Gegensatz zu vielen Sklaven ein wenig eigenes Geld. Ein Schreiber hatte immer Gelegenheit , etwas nebenher zu verdienen , in dem er für Menschen, die des Schreibens nicht mächtig waren, Schriftliches verfasste. Von seinen Mitsklaven nahm er kein Geld, aber einer hatte sich in ein griechisches Mädchen verliebt und wollte wöchentlich ganze Liebesverse gedichtet bekommen - so würde Tiberios bald wieder ein paar Asse erhalten.


    Da mischte sich dieser Hairan, der sich nun Anis nannte, schon wieder ein :
    " Dein Sklavenfreund hier hat sich bedauernswetterweise bestehlen lassen. Aber das macht nichts - ich halte euch frei . Bestell was du nur möchtest !"


    Er ließ einen gierigen Blick über den Körper der jungen Gallierin wandern :
    "Und erzähl mir von dir , meine Königin . "


    Tiberios berührte in diesem Moment mit seinem Fuß Eireanns Fuß unter dem Tisch.


    Er glaubte zu wissen , dass dieser Hairan/Anis in irgendwelchen dunklen Geschäften unterwegs war , und natürlich würde man da eine gute Freundin warnen, sich nicht aushorchen zu lassen.


    Aber wenn er ganz ehrlich zu sich war, dass war gar nicht das Problem.


    Hairan/Anis war jung, gutaussehend, warf mit Geld um sich und schien sich sehr für Eireann zu interessieren.


    Tiberios kochte vor Eifersucht - und zwar als Mann.

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