Ihr Kinderlein kommet ...

  • … ach hätte Gracchus doch nur dabei sein können! … Wobei? … Bei der Geburt seiner Kinder natürlich! …


    Ihm würden wahrscheinlich noch heute die Ohren klingen von dem Geschrei seiner Gemahlin, die - unter kaum vorstellbaren Schmerzen und gleichzeitig voll überschwänglicher Freude - ihm nicht EIN Kind, …nein … nicht EINEN, sondern sage und schreibe ZWEI gesunde und putzmuntere Nachkommen zum Geschenk gemacht hatte.


    Ein Junge und ein Mädchen!


    Unglaublich! Und wahrlich ein Wunder, nach all der Zeit des vergeblichen Hoffens und noch ein größeres Wunder unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Prisca diese Geburt tatsächlich überlebt hatte. Zwei Kinder!!!! … Gewachsen in ihrem Bauch und gezeugt von ein- und demselben Mann! Zugegeben, die Geburt war alles andere als einfach verlaufen. Nah an der Grenze zum Elysium entlang, aber doch einen Schritt zu weit entfernt als, dass Prisca am Ende das Zeitliche dabei gesegnet hätte.


    Allerdings hatte die Geburt durchaus ihre Spuren an der Aurelia hinterlassen, sodass an eine Rückkehr nach Rom noch nicht zu denken war.


    Lediglich ein Brief fand kurz nach dem Ereignis der Geburt seinen Weg nach Rom, um dem Vater die frohe Botschaft wenigstens zeitnah zu verkünden … Wie er die folgende frohe Kunde wohl aufnehmen würde? …:




    Ad
    Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia
    Roma


    Werter Flavius,


    mein Name ist Tisander von Korinth. Ich bin der Leibarzt deiner Frau und in dieser Funktion schreibe ich dir nun jene Zeilen, um dich von dem freudigen Ereignis in Kenntnis zusetzen, dass deine Gemahlin dir am heutigen Tage zwei gesunde Nachkommen zum Geschenk gemacht hat (vorausgesetzt natürlich, dass du die Vaterschaft für den Buben und das Mädchen anerkennen wirst).


    Nichtsdestotrotz möchte ich dich darüber informieren, dass die beiden Kinder (und ebenso deine Frau) sich derzeit bester Gesundheit erfreuen. An eine Rückkehr nach Rom ist dennoch so schnell noch nicht zu denken, angesichts der Strapazen, welche der Geburtsvorgang an Mutter und Kindern hinterlassen hat.


    Sorge dich jedoch nicht. So die Götter es wollen, werden die Deinen in absehbarer Zukunft so schnell (noch) nicht das Elysium betreten, sodass einer Familienzusammenführung grundsätzlich nichts im Wege stehen mag.


    Lasse diese (hoffentlich frohe) Nachricht also in aller Ruhe auf dich wirken, ehe du über das weitere Vorgehen entscheiden wirst.


    In diesem Sinne übersende ich dir meine ehrfurchtsvollen Grüße sowie meine Glückwünsche für die potenzielle Vaterschaft.


    Tisander v. K.

  • Flavius Gracchus war dieser Tage, respektive seit er aus den Montes Lucretili alleine war zurückgekehrt, gänzlich neben sich. In jeder noch so kleinen Handlung wurde ihm beständig gewahr, wie sehr er sich stets auf Sciurus hatte verlassen können, welcher oft noch vor ihm selbst hatte gewusst, was er als nächstes hatte tun wollen. Kein Sklave war ihm nun gut genug, ein jeder nur ungenügend, so dass es im flavischen Haushalt lauter war als gewöhnlich und eine Spannung vorherrschte, welcher die übrigen Bewohner suchten auszuweichen. Hinzu kam, dass Ali, der maior domus, rasch die frei gewordene Position des Sklaventreibers übernahm, und die Verfehlungen, welche der Hausherr den unfähigen Sklaven beständig verargte, in dessen bisweilen von Furor durchzogenen Sinne maßregelte. Gracchus selbst schwankte beständig zwischen Gram über den Verlust, Rage über den Verrat, Schuld ob seiner Tat, Jähzorn über die Dreistigkeit, Zweifel ob der Beweggründe. Das Dräuen des Fluches aus vergangenen Tagen hatte sich wieder über ihn gelegt, in jedem Schatten konnte er seinen Leibsklaven entdecken, vermisste und verfemte ihn zugleich, schrak aus argen Träumen empor und weinte sich zurück in den Schlaf, da kein Sciurus kam, ihn zu trösten. Nach einer solch grausamen Nacht hatte er bereits den Tonsor geohrfeigt und dem Frühstückssklaven eine Schüssel hinterhergeworfen, dass der junge Phoebus vollkommen eingeschüchtert war, als er Gracchus den Brief des Tisander überbrachte und vorlesen musste.
    "Zwei Kinder!"
    lachte der Flavier indes nur erleichtert und sprang auf.
    "Ich werde sofort zu meiner Gemahlin reisen! Lasse alles vorbereiten!"

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  • Einige Tage später kehrte Gracchus wieder zurück nach Rom, konnte er doch nicht vertreten, dem Senat und dem Collegium, welche wieder regelmäßig tagten, viel länger fern zu bleiben. Prisca war erfreut gewesen, ihn zu sehen, ebenso wie er sie, gleichsam war er mehr noch beglückt, dass sie nach der aufreibenden Zeit der Gravidität und Niederkunft wohlauf und glücklich war. Die beiden winzigen Menschen zauberten ihr ein Lächeln aufs Gesicht, welches sie schöner strahlen ließ als alle Nymphen der Welt. Am zweiten Tage seines Besuches nahm Gracchus nach altem Ritus die beiden Kinder vom Boden, und damit in die Familie, sowie Gesellschaft auf und als seine Nachkommen an: Flavia Prisca, welche wenige Augenblicke vor ihrem Bruder das Licht der Welt hatte erblickt, und Quintus Flavius Gracchus. Darüberhinaus war der Vater ein wenig enttäuscht, dass die Kinder während seiner Anwesenheit vorwiegend schliefen, doch der Medicus Tisander versicherte, dass dies gänzlich normal sei. Gracchus suchte sich an die Tage nach den Geburten seiner übrigen Kinder zu entsinnen, doch tatsächlich musste er sich eingestehen, dass er wenig nur noch davon wusste, außer, dass sie weder zu einem Gespräch, noch einem Spiel bereit und er darob für sie schlichtweg nicht allzu empfänglich gewesen war. Da auch Prisca ob der Anstrengung gleich zwei Kinder zur Welt zu bringen ebenfalls noch ein wenig mehr Ruhe bedurfte, verließ er seine kleine Familie am dritten Tage bereits wieder, um in Rom seinen Pflichten nachzukommen. Seine Laune hatte ob des freudigen Ereignisses sich merklich gebessert, gleichwohl die Stadt nur allzu bald ihm wieder die Unzulänglichkeiten der Sklavenschaft vorhielt.

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  • Es war ein sehr emotionaler und tränenreicher Moment gewesen, als Quintus Flavius Gracchus et Flavia Prisca ihre Namen erhielten und sie von ihrem Vater in die Familie aufgenommen wurden. Ein Moment in dem Prisca vor Freude am liebsten nicht nur ihren Mann und ihre beiden Kinder, sondern die ganze Welt umarmt hätte. Ebenso flossen die Tränen bei ihr in Strömen, als Gracchus bereits kurz darauf zurück nach Rom musste. Und jedes Mal, wenn Prisca ihre Kinder anblickte, schimmerten ihre Augen sofort verräterisch und kullerte spontan die eine oder andere Träne ihre Wangen hinab. So viel geweint hatte Prisca ihr ganzes Leben zuvor nicht, doch waren es Tränen der Freude was wiederum zum Ausdruck brachte, wie glücklich sie war. Denn mit der Geburt ihrer Kinder war ihr sehnlichster- und letzter Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Nun hatte sie wirklich alles erreicht, was von einer braven römischen Bürgerin erwartet wurde und Prisca konnte es kaum erwarten, bis sie mit stolz erhobenem Haupt zwischen all den anderen Matronen Rom´s wandeln konnte. So langsam wurde es ihr nämlich auf dem Landgut langweilig, so ganz ohne Anschluss, obgleich sie natürlich die meiste Zeit mit ihren Kindern verbrachte.


    Zwei Kinder konnten allerdings auch ganz schön anstrengend sein, zum Beispiel wenn sie gleichzeitig nach der Mutterbrust schrien und das alle paar Stunden. Oder wenn Klein Gracchus und Klein Prisca spontan und ohne Vorwarnung ihren Mageninhalt über ihre Mutter entleerten, … Ja, das war jedes Mal eine ganz besondere "Freude" für Prisca, wenn sie das feuchtwarme Sputum ihrer Kinder auf der Haut spürte und sie sofort hysterisch wurde vor Angst, es könnte den Kleinen nicht gut gehen.


    Ein Segen wiederum war, dass Prisca sich nicht um die Entsorgung der vollen Windeln kümmern musste. Das war selbstredend Aufgabe der Sklaven, wobei man dem sich dabei ausbreitenden Geruch kaum entziehen konnte, außer man verließ während des Wechselvorgangs das Haus. Am Ende überstrahlte die Liebe zu ihren Kindern natürlich sämtliche unschönen Eindrücke und niemals hätte Prisca die Erfahrungen mehr missen mögen. Die Hauptsache war, dass es ihren beiden Lieblingen gut ging und sie gesund waren (und blieben). In dieser Beziehung gab es auch keinen Grund zur Sorge und dennoch musste Tisander von Korinth dies, der besorgten Aurelia, tagtäglich auf Neue bestätigen.


    Gleich nach der Sorge um ihre Kinder folgte die Sorge um ihre Figur und auch da konnte Prisca sich im Grunde nicht beklagen. Busen, Bauch und Po waren immer noch verhältnismäßig straff, das ständige Einölen der Haut hatte unschöne Schwangerschaftsstreifen auf ein erträgliches Minimum reduziert und dank ihrer eiserner Disziplin (in Bezug auf Ernährung und Sport) konnte sie sich bald schon wieder mit ihrem Spiegelbild anfreunden.


    Einer Rückkehr nach Rom stand somit nichts mehr im Wege und so kam es, dass die Aurelia mit ihren Kindern und ihrem Tross eines schönen Tages wieder den Stammsitz ihrer Familie erreichten. In dem ganzen Trubel hatte Prisca völlig vergessen ihre Rückkehr anzukündigen, wobei ihre Ankunft sicherlich nicht unbemerkt geblieben sein dürfte, nachdem Klein Prisca mit lautem Geplärr durch das atrium getragen worden war.


    Was ist mit ihr? Sie wird sich doch hoffentlich nicht verkühlt haben? Oder ist es nur ein Wind der sie plagt? Die besorgte Mutter ließ ihre beiden Augenschätze sofort in das tablinum bringen, wo sie auf weichen Kissen und Decken gebettet wurden. Und damit die Kleinen nicht froren, gab Prisca den Sklaven noch den Befehl das hypokaustum zu befeuern. Anschließend legte sich Prisca zu ihren beiden schlafenden Kindern, betrachtete diese verliebt und schlief alsbald selbst ein, so erschöpft wie sie von der Reise war (aber auch halb "betäubt" von der sich stetig ausbreitenden Wärme im ganzen Haus). ...

  • Spürbar wurden die Tage dunkler und kürzer, bisweilen streifte ein schneidender Wind von Nord-Westen her durch die Täler und Gassen der Stadt, und einzig die den Menschen inhärente Vorfreude auf die Saturnalienfeierlichkeiten schien der Tristesse der Natur entgegen zu stehen. Tristesse - dies war unbezweifelt auch der passende Ausdruck, die heutige Sitzung des Senates zu beschreiben, Ennui sonstig allfällig noch, wie auch Belanglosigkeit - eine Sitzung wie dutzende, hunderte, allfällig gar tausende bereits so oder ähnlich in der Curia seit Gründung der Stadt waren abgehalten worden. Gracchus indes beklagte sich nicht - die alltägliche Routine bevorzugte er wahrhaft vor Germanen, welche ihr eigenes Konsulat verlängerten, Präfekten, welche die Kaiserwürde an sich rissen oder Kaiser, welche den Krieg ausriefen. Die Gleichförmigkeit der Senatssitzungen war ein Indikator dafür, dass Rom sich wohl befand. Als er sein Zuhause erreichte, war dieses bereits wohlig temperiert - ein Umstand, welchen er anfänglich einem vorausschauenden Sklaven zuschrieb. Erst im Atrium wurde er über das Eintreffen seiner Familie unterrichtet, dass er sich sogleich in das Tablinum begab. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen im Anblick der friedlich schlummernden Kinder und ihrer Mutter. Leise und behutsam setzte er sich auf den Rand der Kline zu Prisca und betrachtete sie. Sie war noch immer wunderschön, ein zarter roséfarbener Schimmer lag auf ihren Wangen und ihr Antlitz spiegelte friedliche Glückseligkeit. Er mochte sie nicht begehren können, doch ihre Erscheinung war unbezweifelt adorabel.

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  • So leise und behutsam Gracchus auch war, seine Ankunft blieb Prisca´s Unterbewusstsein nicht lange verborgen und so schlug die Aurelia alsbald blinzelnd ihre Augen auf. "Willkommen zu Hause, Liebster", begrüßte Prisca ihren Gemahl mit meinem herzlichen Lächeln und einer zärtlichen Berührung seines Armes. Ihr Blick fiel dann auf ihre beiden Kinder, die immer noch friedlich nebeneinander schlummerten. Nur Quintus rührte sich kurz, um zu gähnen und seine kleinen Ärmchen zu strecken, wobei er sein Schwesterchen leicht an der Wange touchierte, was diese aber im Schlaf nicht weiter zur Kenntnis nahm.

    "Ach, ich könnte den ganzen Tag lang unseren Kindern zusehen", seufzte Prisca leise, ehe sie Gracchus wieder in die Augen sah. Ihr Blick war verliebt und strahlte eine innere Ruhe und Zufriedenheit aus, wie Prisca sie lange nicht gekannt hatte: "Wie war Dein Tag? War es wieder eine anstrengende Senatssitzung?", erkundigte sich Prisca sogleich mit echtem Interesse, denn sie wollte am Leben ihres Mannes durchaus teilhaben und ihn - so weit und so gut wie möglich - unterstützen.

  • Ein Schmunzeln legte sich über Gracchus' Antlitz, das bis in seine Augen zog.
    "Willkommen zuhause - sollten dies nicht meine Worte sein, teuerste Gemahlin?"
    Sanft strich er über ihre Wange, beugte sich hinab, ihr einen Kuss darauf zu hauchen und in ihr Ohr zu flüstern:
    "Willkommen zuhause, holde Mutter zweier wunderbarer Kinder."
    Er richtete sich wieder empor.
    "Ich freue mich sehr, dass du wieder hier bist."
    Über die Jahre hinweg hatten die Zeiten Gracchus wenig tangiert, in welchen der Rest der Familie sich in der Provinz umtrieb, war sein Leben doch stets geschäftig und ausgefüllt von seinen Pflichten. Doch obgleich er gerade in den zurückliegenden Wochen einige Zeit auch außer Haus in der Villa Eutopia hatte verbracht, so war ihm sein eigenes Heim beinahe verwaist erschienen, denn selbst Sciurus, der stets die letzte Bastion wider das Alleinsein gewesen war, hatte sich abgewandt und den Flavier ohne einen Vertrauten zurückgelassen. Prisca indes gehörte längst zu jenen Menschen, mit denen Gracchus Freud und Leid zu teilen vermochte, deren Sichtweise und Rat er schätzte, nicht zuletzt da sie vermochte - und es mochte - Gespräche jenseits belangloser Banalitäten zu führen.
    "Dass ihr zuhause seid"
    , korrigierte er sich und ließ seinen Blick ebenfalls zu den Kindern hin schweifen. Sie schliefen - wie so oft.
    "Die Senatssitzung war recht dröge"
    , eröffnete er Prisca sodann, wusste er doch, dass sie nicht am schönen Schein interessiert war, sondern an den Tatsachen.
    "Rubrius Melinus stellte den Beri'ht der Provincia Gallia Lugdunensis vor - in der augenscheinlich die Wirtschaft floriert, die Kosten sich selbst tragen und die Bürger zufrieden sind. Einzig ein kleines Dorf im Nord-Westen weigert sich be..harrlich, Abgaben an Rom zu entrichten, doch dies ist nichts, was den Senat kümmern muss - so zumindest die Botschaft des Legatus Augusti pro Praetore Atrius."
    Ein kleines Seufzen echappierte seine Kehle.
    "Deplorablerweise ist Rubrius ein Mann, der die Anzahl seiner Worte diametral zu seiner eigenen Be..deutsamkeit einsetzt, und da er in diesem Jahr seinen Platz als Curator räumen musste, zog sein Bericht sich bis in weit belanglose Marginalien und füllte beinahe die gesamte Sitzungszeit aus."
    Ein schelmisches Lächeln kräuselte seine Lippen als er Priscas Blick suchte.
    "Möchtest du erfahren, wie weit der Bau der Abwasserkanäle in Dariorigum vorangeschritten ist? Oder möchtest du mir lieber beri'hten, wie eure Fahrt war und wie es dir und den Kindern geht?"

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  • Mit einem wohlig klingenden Seufzer nahm Prisca den Kuss und die Willkommensgrüße ihres Mannes entgegen. Willkommen zuhause …, ja so fühlte es sich an. Ein sehr schönes Gefühl auch zu wissen, dass sie und die Kinder ihrem Mann sehr viel bedeuteten und diese Freude strahlte förmlich in Prisca´s Augen, mit denen sie ihren Gatten verliebt ansah. Gracchus hatte sich sehr verändert und spontan musste sie daran denken, wie kühl unnahbar und steif der Flavier beim ersten Treffen auf sie gewirkt hatte. Wann war das doch gleich? War das nicht, als mich mein Onkel mit Caius verheiraten wollte? Gefühlt lag dieser Tag eine Ewigkeit zurück und damals hätte Prisca wohl nicht im Traum daran gedacht, dass sie eines Tages einmal an Gracchus´ Seite sein würde.


    Sein Heiratsantrag war jedenfalls völlig überraschend für Prisca gekommen, doch heute freute sie sich umso mehr darüber. Mochte er zu dem Zeitpunkt noch aus anderen Überlegungen heraus die Ehe mit gesucht haben, so glaubte Prisca doch zu spüren, dass der unerwartete Kindersegen ihn sehr glücklich machte. So glücklich wie mich … Und dieses Glück würde hoffentlich noch lange dauern, auf das sie noch viele Tage wie diesen erleben durften … wenn Gracchus heim kam und wieder einmal von den drögen Senatssitzungen erzählte, so wie gerade.


    Du meine Güte. Bei solchen Themen würde ich glatt einschlafen, dachte Prisca amüsiert während sie den Worten ihres Gatten lauschte und gleichzeitig war sie aber froh, dass es "nur" solche langweiligen Alltagsthemen waren und keine Hiobsbotschaften über Kriege oder Krankheiten.


    "Oh, du Armer. Das hört sich wirklich nach einer sehr, seeeehr drögen Sitzung an.", stellte Prisca mit ehrlich bedauernder Miene fest. Sollte sie sich und ihrem Mann tatsächlich den Fortschrittsbericht der Abwasserkanäle antun, oder ihm lieber erzählen wie langweilig die Fahrt hierher gewesen ist? Monotones Geschaukel im Reisewagen, belgeitet vom steten Geklapper der Pferdehufe. … Wenn einem davon nicht irgendwann schlecht wurde, dann schläferte es einen in jedem Fall nach kurzer Zeit ein.


    Die Entscheidung nahm ihr zum Glück Quintus ab, der in diesem Augenblick zu blinzeln begann und einige Unmutslaute von sich gab: "Hmm, ich schätze mal Quintus will keine der beiden Geschichten hören", zwinkerte Prisca kichernd ihrem Mann zu und sogleich nahm sie Quintus in den Arm, um ihn kurz sanft zu wiegen, ehe sie ihn mit folgenden Worten ihrem Mann hin hielt: "Hier … Dein Sohn möchte seinem Vater gerne guten Tag sagen …" Und wie auf ein Stichwort hin, gluckste Quintus fröhlich los und fuchtelte dabei mit den Ärmchen wild in der Luft herum … Klein Prisca hingegen rührte sich (noch) nicht, sondern schnarchte - nach wie vor - leise und friedlich vor sich hin.

  • "Ähm..."
    , brachte der überrumpelte Vater hervor und nahm das Kind etwas ungelenk entgegen.
    "Guten ... Tag, Quintus."
    Unsicher hielt er den Jungen, was diesem natürlich nicht entging und Unmut evozierte, welchen er in einem weinerlichen Quäken kundtat. Erschrocken reichte Gracchus seinen Sohn zurück an Prisca, die ihn einzig durch ihre Berührung und eine wiegende Bewegung zu beruhigen wusste. Es war Gracchus stets wie ein großes Geheimnis erschienen - diese Verbindung zwischen Mutter und Kind - nicht nur beim Menschen, sondern überall in der Natur. Er zuckte entschuldigend mit den Schultern.
    "Sobald er spre'hen kann werde ich ihm die Odyssee und die Äneide beibringen. Zuvor bin ich augenscheinlich nicht von allzu großem Nutzen."
    Er hatte nie nachvollziehen können, was insbesondere Frauen an kleinen Kindern fanden. Zweifelsohne, sie waren niedlich anzuschauen sofern sie schliefen oder lachten, seine eigenen weckten durchaus in ihm ein Gefühl des Stolzes, sowie das Bedürfnis sie gegen alle Widrigkeiten zu schützen, doch ein Entzücken ob ihrer bloßen Anwesenheit war ihm schwerlich zu entlocken.
    "Allerdings habe ich bereits zwei junge Löwen in Auftrag gegeben, um das flavische Rudel zu kom..plettieren. Ein wenig junges Blut kann diesem fürwahr auch nicht schaden, die Tiere setzen allmählich Speck an. Ich hatte gehofft Minimus würde alsbald eine nächste Amtszeit forcieren und könnte eine Tierhatz bieten oder zumindest die Löwung einiger Verbre'her..."
    Seine Enttäuschung darüber, dass Minor noch immer nicht nach Rom zurückgekehrt war, war durchaus in der Couleur seiner Stimme zu vernehmen.
    "Nun ja, allfällig im nächsten Jahr."
    Er legte Prisca seine Hand auf den Arm und lächelte.
    "Doch sage mir, teuerste Gemahlin, nach was steht dir der Sinn zurück in Rom?"
    Vor allem zurück in Rom ohne die beschwerliche Last einer Gravidität, welche trotz aller Euphorie Prisca letztlich doch abgehalten hatte, an Roms pulsierendem Leben teilzuhaben.

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  • Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    "Doch sage mir, teuerste Gemahlin, nach was steht dir der Sinn zurück in Rom?"


    Tage, Wochen, gar Monate mochten vergangen sein, seit ihr liebster Gemahl diese Frage gestellt hatte: … Wonach steht mir der Sinn? … und noch immer hallte diese durch Prisca´s Kopf, brannte sich regelrecht in ihren Geist und bestimmte seitdem fast jede Minute ihres Seins. Wonach stand ihr der Sinn? Hatte sie nicht längst alles gesehen, ausprobiert und erreicht? Selbst ihr sehnlichster Wunsch war letztendlich in Erfüllung gegangen und lag nun in Form von zwei gesunden Kindern vor ihr: Gesund und wohlgenährt, friedlich schlummernd und unlängst der Brust entwöhnt, wodurch gefühlt für Prisca die letzte - ihr obliegende - Aufgabe erfüllt war und sich damit die "Sinnfrage" stellte: Wonach steht mir der Sinn? … "


    Die Antwort war einfach und gleichsam sinnlos, da das Streben nach einem erfüllten Leben stets nur Ernüchterung bringen konnte angesichts der Unfähigkeit jemals mit dem bereits Erreichten zufrieden zu sein.


    Längst reichte der Anblick ihrer beiden geliebten Kinder nicht mehr aus, um in Prisca jenes Glücksgefühl der absoluten Zufriedenheit hervorzurufen. Das konnte doch längst nicht ALLES sein, worauf sie ihr ganzes Leben lang gehofft hatte - oder doch? Noch war ihr Leben doch längst nicht zu Ende, zumindest so lange nicht, wie die Dicke ihrer Schminke nicht sämtlichen Tränen trotzen würde, die Prisca still und heimlich vergoss. Noch war die Zeit nicht gekommen um mit dem Erreichten zufrieden zu sein und demzufolge galt es weiter nach dem zu suchen, wonach der Sinn ihr stand …

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