Verkaufstüchtige Zwillinge

  • << Zum duften Viri - Schweinerei mal zwei


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    Castor & Pollux


    "Mist", murrte Castor. "Der schnöselige Grieche ist wieder weg." Verärgert schüttelte er die rosa Phiole mit dem Blumenstrauß der Düfte vor seiner Nase. Die süße Duftkomposition roch man sogar durch die Flasche.


    Pollux sah von seinem Sommerabend auf, der in einer orangegoldenen Phiole schwamm. "Weg? Ist er das nicht?" Er zeigte mit der Duftprobe in die Menge, wo er meinte, den Griechen gesehen zu haben.


    "Nein, ich glaub nicht", murrte Castor. "Wir hätten Charilaus mitnehmen sollen."


    "Was willst du auf Arbeit mit Charilaus?", fragte Pollux verwundert.


    Castor zuckte mit den Schultern. "Er hätte uns was Interessantes erzählen können."


    "Reden", ächzte Pollux. "Hast du grad echt reden gesagt?!"


    "Nein, ich sagte erzählen! Wobei Titus auch ginge, wenn er den Mund nicht nur immer so voll nehmen würde. Pst, ich glaub da kommt jetzt wirklich der Grieche!"


    "Hoffentlich ist der nicht aus Sparta", murrte Pollux. "Einer reicht von der Sorte. Und den Verdienst hiervon teilen wir nicht mit Kyri."


    "Nein, das ist unser alleine! Der hat hiermit nichts zu tun. Und jetzt Mündchen zu, ich glaub er kommt her. Lass uns was wetten."


    "Was wetten wir?"


    "Dass der nicht aus Sparta kommt."


    "Ich sag der kommt aus Sparta, bei unserem Pech! Was ist der Wetteinsatz?"


    Castor ließ die fein geschminkten Brauen hüpfen. "Das weißt du doch. HE, GRIECHE", brüllte er. Zeitgleich stellten sich beide Zwillinge in hübscher Pose hin und lächelten zuckersüß, ein Bein vornehm auf die Zehen gestellt, während sie ihre Phiolen zwischen den Fingern grazil präsentierten.

  • Trajansmärkte, zweites Geschoss>>>



    Tiberios erblickte die beiden jungen Verkäufer, die sich wie ein Ei dem anderen glichen, ungefähr in seinem Alter waren und adrett aussahen – ihre luftige Kleidung hielt er der Wärme in den Traiansmärkten geschuldet – und da sie ihn freundlich anlächelten, erwiderte er ihr Lächeln, denn Zwillinge galten in Roma als außerordentlich glücksverheißend.

    Als einer von ihnen „He, Grieche!“, rief, musste der furische Sklave fast auflachen; so direkt hatte ihn selten jemand angesprochen.


    „Salve, Romani“, erwiderte er mit einer angedeuteten Verbeugung:
    „Dies hier ist doch das Geschäft von dominus Viridomarus, nicht wahr?“

  • Viridomarus war sich absolut sicher eine hervorragende Wahl mit den Zwillingen getroffen zu haben. Die beiden Burschen waren gutaussehend und aufgeweckt. Was konnte man mehr von einem Werber verlangen? Scheinbar hatten sie schon den ersten Kunden erspäht, denn die zarte Stimme eines der Zwillinge hallte durch den ganzen Markt und rief "He Grieche!".


    Viri grinste etwas gequält, zog dann die Mundwinkel jedoch schnell wieder nach oben. Solange sie auf diese Art die Kundschaft warben und diese bei ihm die Münzen ließen, war alles in Ordnung. Frechheit siegt, hieß es doch und frech waren diese beiden Schlitzohren allemale.


    Viri rieb sich schon einmal die Hände und richtete seine Haarpracht, denn er rechnete jeden Moment mit dem griechischen Kunden. Die beiden waren nicht nur ein Naturphänomen, sie waren auch ein Naturtalent.

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    Castor & Pollux


    "Oh ja, holder Knabe aus Sparta", schnurrte Pollux. "Der dufte Viri hat zu den Göttern gebetet, und sie haben ihm Castor und Pollux hinabgesandt. Unzählige Opfer waren dafür notwendig, bis wir uns dazu bequemten, von den Sternen hinabzusteigen, ein Menschenleben lang werden wir hier weilen, dann kehren wir zurück in die Gefilde der Unsterblichen. Und du hast das Privileg, uns zu begegnen."


    Castor schob derweil dem jungen Mann einen Arm über die Schultern, um ihm mit der anderen Hand die Duftprobe unter die Nase zu halten. Er ließ sie sanft kreisen, so dass der süße Hauch sich entfalten konnte. "Das magst du, das ist der Blumenstrauß der Düfte. Er würde dir gut zu Gesicht stehen und die Zartheit deiner knabenhaften Züge betonen. Damit wirkst du noch jünger und schöner."


    Dass Jugend und Schönheit quasi Synonyme waren und Alter und Hässlichkeit untrennbar korrelierten, hatten die Zwillinge im Lupanar gelernt, wie so einige andere Weisheiten.

  • Der eine Zwilling, der Tiberios ansprach, wählte eine durchaus poetische Sprache, wenn er auch leider keiner der Unsterblichen war; sonst hätte er gewusst, dass der Alexandriner nicht aus Sparta stammte.


    Dennoch lächelte Tiberios freundlich über die Anrede und sagte:"Holder Knabe aus Alexandria, bitte, wenn es genehm ist“.
    Er war stolz auf seine Herkunft aus Alexandreia ad Aegyptum und wollte auch gar nicht woanders her sein; Sparta sollte im Reich der vergangenen Mythen bleiben, wo es seiner Ansicht nach hingehörte.


    Nun legte der zweite Zwilling – sie hießen Castor und Pollux, doch wer war welcher? - seinen Arm um Tiberios` Schultern.
    Das Parfüm, welches er anbot, roch nach Tiberios' Eindruck wirklich wie ein ganzer Blumenstrauß pudrig und süsslich.
    Der furische Sklave schüttelte sich leicht, er bevorzugte Düfte wie Talinum mit Zitronengrasnote; und außerdem wollte er gar nicht jünger, sondern lieber etwas reifer wirken.


    „Vielen Dank für das freundliche Angebot, mein Herr, aber ich glaube, der Blumenstrauß der Düfte ist nicht wirklich das, was ich leiden mag.“, sprach er etwas irritiert über den Arm um seine Schultern, aber immer noch sehr liebenswürdig.

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    Castor & Pollux


    Castor warf seinem Bruder einen triumphierenden Blick zu. Er hatte die Wette gewonnen. Pollux erwiderte den Blick, jedoch nur kurz, denn nun schob er von der anderen Seite ebenso seinen Arm über den Knaben aus Alexandria, so dass die Zwillinge ihn in ihrer Mitte klemmen hatten.


    "Aber der Sommerabend gefällt dir", sagte Pollux nicht mehr ganz so freundlich, entkorkte die Phiole mit den Zähnen und hielt sie ihm unter die Nase. Ein schwerer Honigduft mit säuerlicher Fruchtnote waberte um das Riechorgan des Kunden. Die Hände der Zwillinge umfassten langsam seine Kleidung.

  • Tiberios kam aus einem kulturellen Umfeld, in dem sich viel öfters als in Roma auch Männer untereinander berührten, und die Zwillinge rochen angenehm und sauber, aber solch körperliche Nähe wie gerade war eindeutig freundschaftlichen Beziehungen vorbehalten, weshalb es dem jungen Griechen nun über wurde.


    Noch legte er jedoch keine Schärfe in seine Stimme, als er sagte:
    „Nein, der Sommerabend ist mir auch zu schwer und zu süß, aber vielen Dank für eure Mühe, domini Castor und Pollux.
    Ich glaube, ich setze meinen Weg jetzt alleine fort – wenn ihr mich bitte loslasst. Vale bene“

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    Castor & Pollux


    Doch die Zwillinge ließen ihn nicht los. Ihre niedlich geschminkten Gesichter waren noch immer freundlich, als Pollux den Sommerabend wieder verkorkte und in seinen Geldbeutel stopfte, den er unter dem Röckchen trug, so wie auch Castor einhändig seine Probe auf diese Weise verwahrte. Pollux versuchte danach blitzschnell, den Griechen der Länge nach von vorn zu umarmen, so innig, dass dieser keinen Raum hätte, ihn zu schlagen oder zu treten.


    "So ein unartiger Junge", säuselte er, "weiß nicht, was gut für ihn ist. Du brauchst doch die beiden Düfte, Knabe aus Alexandria. Sie machen dich jung und schön. Wir helfen dir, sie zu kaufen."


    Von hinten fuhren derweil Castors Finger in zärtlicher Manier über den schlanken Körper ihres Opfers, doch was für Außenstehende so aussah wie ein Stelldichein zu dritt, war in Wahrheit Diebstahl, als Castor nach dem Geldbeutel suchte und dabei keine Körperstelle ausließ, die er erreichen konnte, während sein Bruder versuchte, den Griechen zu fixieren. All die Zeit über schauten die Zwillinge entzückend und kicherten, so als würden sie hier nur mit dem Griechen herumalbern.

  • Die Zwillinge waren trotz ihres jünglinghaften Erscheinungsbildes stark wie Männer und zudem zu zweit.
    Der Alexandriner ärgerte sich sehr. Vor der Subura hatte ihn jedermann gewarnt, doch hier in den feinen Traiansmärkten und vor dem luxuriösen Geschäft des Viridomarus wurde er von offensichtlich Kriminellen bedrängt.
    Gerade, weil es so voll war, würde seine Stimme im Stimmengewirr untergehen, selbst wenn er um Hilfe rief.
    Tiberios hoffte, weglaufen und wieder in der Menge untertauchen zu können.
    Allerdings hätte er dann seine chlamys zurücklassen müssen, sie hatte genau den Wert der Summe, die er in bar bei sich trug: 50 Sesterze, und die Bronzespange kostete noch mehr, der Verlust von beidem tat ihm jetzt schon Leid..
    Da er sich nach vorne nicht bewegen konnte – der eine Zwilling hielt ihn mit beiden Armen umklammert, warf er den Kopf nach hinten, um mit seinem Hinterkopf das Kinn des zweiten jungen Mannes, dessen Hände ihn in eindeutiger oder auch zweideutiger Absicht abtasteten, zu treffen:
    „Ihr seid keine Dioskuren vom Himmel, ihr seid hekatoncheires* aus der Unterwelt...“ , stieß Tiberios nun wütend hervor:
    „Nehmt eure Finger weg!“
    Er wand den Kopf und versuchte den Zwilling, der ihn vorne umarmte, in die bloße Achsel zu beißen, obwohl er den Gedanken, seine Zähne in fremdes Fleisch zu schlagen, äußerst widerwärtig fand.




    Sim-Off:

    *hunderthändige Riesen

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    Castor & Pollux


    Es gab ein hartes Geräusch, als der unwillige Kunde seinen Kopf nach hinten warf und mit Castors Schädel kollidierte. Pollux sah besorgt auf, ob seinem Brüderchen die Nase blutete oder gar ein Zahn nun lose saß. Tatsächlich blutete Castors Unterlippe! Rot sickerte der Lebenssaft seines Bruders heraus und vermischte sich mit dem Lippenstift, gemahnend an die Sterblichkeit des selbsternannten Göttersohns. Pollux wurde übel vor Sorge. War ein Zwilling krank oder verletzt, war das für den anderen eine Katastrophe, denn sie hatten nur sich. Den Moment, in dem die Aufmerksamkeit von Pollux ganz seinem geliebten Bruder galt, dem Grausames angetan wurde, nutzte der scheußliche Grieche zwischen ihnen aus. Seine Zähne gruben sich in das weiche Fleisch von Pollux´ sorgfältig enthaarter Achsel. Einen Moment lang stand Pollux wie erstarrt, seine Augen wurden riesengroß. Dann gellte ein heller Schrei durch die Hallen der Trajansmärkte und echote von allen Wänden wieder.


    "Er hat mich gebissen", schrie Pollux wie am Spieß, weil der Grieche in seinem Achselfleisch hing. "CASTOR!"


    Castor geriet in Panik, weil sein Bruder dermaßen schrie. "Wo ist das verdammte Geld", kreischte er kaum leiser.


    "Nimm das Messer", brüllte Pollux. "Schneid ihm die Kehle durch!"


    Spätestens hier merkte man, dass die beiden routinierte Mörder waren, die sonst in der Subura raubten, wo solche Schreie kaum einen Unterschied dazu machten, wenn jemand lautlos starb. Hier in den Trajansmärkten mochte das anders sein. Hektisch begann Castor an den Kleidern des bösen Griechen zu reißen, um sie kurzerhand von dessen Leib zu fetzen, damit er endlich den verdammte Geldbeutel fand. Geld war Leben, sie brauchten das Geld! Und dann nichts wie weg hier!

  • Als Tiberios hörte, dass es ihm ans Leben gehen sollte, ließ er die Chlamys Chlamys sein, die Sesterze Sesterze und seinen Chiton Chiton.


    Sobald der harte Griff des Diebes, den er gebissen hatte, ein wenig nachließ, zerrte der Alexandriner mit einer Handbewegung den Geldbeutel vom Gürtel und warf ihn den Zwillingen auf die Füße, schlüpfte aus seinem Obergewand, riss sich gewaltsam los und rannte nur mit seiner perizoma, dem griechischen Lendenschurz bekleidet, in blinder Panik fort; stieß gegen unwirsche Kunde, die teilweise sogar versuchten seinen Lauf zu stoppen "Unverschämter Kerl, wirst du wohl....", dann tauchte eine Treppe vor ihm auf, die sowie nach unten in das erste als auch nach oben in das dritte Obergeschoss führte, und Tiberios wählte die Richtung, in der ihm weniger Menschen entgegen kamen und rannte hoch.


    Das dritte Geschoss war eine Terasse, von der man auf das zweite herabblicken konnte,und als Tiberios hinuntersah, merkte er, dass er sich viel höher befand als die umliegenden Gebäude. Sonst wäre er in seiner Angst auf das Nachbardach gesprungen; in Alexandria war er einmal über die Dächer ein jüdisches Mädchen mit strengem Vater besuchen gegangen, aber hier war das unmöglich, ohne sich den Hals zu brechen.


    Tiberios zitterte nun am ganzen Körper. Er war sich sicher, dass die beiden entsetzlichen hekatoncheires
    immer noch hinter ihm her waren. Und was sollte er tun, wenn er auf dem Rückweg wieder an ihnen vorbei musste?


    Noch waren die Märkte belebt, aber bei Einbruch der Dunkelheit würden sie geschlossen werden. Custodes mit Knüppeln würden zusehen, dass auch wirklich jeder das riesige Gebäude verließ, doch selbst wenn es Tiberios gelingen sollte, sich in ihrem Schutz zu bewegen, was war draußen auf dem Forum und was auf dem Weg?
    Die vielen Menschen waren keinerlei Hilfe; die kümmerten sich um ihren eigenen Kram, und wer keine Leibwächter oder Freunde dabei hatte, dem konnte es schlecht ergehen.


    Ein zweites Mal würde er diesen mörderischem Dioskuren wohl nicht entkommen, wenn sie es drauf anlegten, obwohl sie ja schon alles von ihm hatten, was er besaß: Geld und Kleidung.


    Tyche!“, flüsterte er; im Gegensatz zur römischen glücksbringenden Fortuna verkörperte die griechische Göttin Tyche das unberechenbare Schicksal:
    „Ich habe dir geopfert, nun steh mir bitte noch einmal bei!"


    Er blieb schweratmend stehen, lehnte seine Stirn an eine kühle Marmorwand und betete lautlos.

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    Castor & Pollux


    Die Zwillinge waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um an eine Verfolgung zu denken. Sie sahen darin auch keinen Grund - sie hatten ja, was sie wollten, nämlich das Geld. Schockiert schaute sich Castor die gebissene Achsel von Pollux an, auf der sich ein Bluterguss abzeichnete, während Pollux vor Mitleid schier zerfließend die aufgeplatzte Unterlippe seines Bruders betastete. Den Geldbeutel hatte Castor all die Zeit über fest im Griff. Als sie sich davon überzeugt hatten, dass der andere Zwilling jeweils nicht sonderlich schwer verletzt war, falteten sie aus dem Chiton ein kleines Päckchen, das sie vor dem Geschäft platzierten. Darauf legten sie die Fibel und die beiden Fläschlein mit Parfum. Händchenhaltend und nun wieder sehr niedlich anzuschauen, wenngleich noch immer angespannt, spazierten sie hinein zu Viridomarus, um ihm zu berichten, dass sie innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Parfumproben verkauft hatten.


    "Viri", flötete Castor, dem das Blut von der Unterlippe übers Kinn tropfte. "Wir sind wieder da!" Er hob den Geldbeutel und schüttelte ihn vergnügt. "Du darfst uns die nächsten Proben geben!"


    "Wir sind gut, oder?", hakte Pollux nach, der die Hand seines Bruders etwas zu fest umklammerte.

  • Als die Zwillinge den Laden betraten, wurden sie von Viridomarus von Kopf bis Fuß begutachtet. Sorge sprach aus seinem Blick, bis der das Geld im Geldbeutel klimpern hörte. Er lief raschen Schrittes auf die beiden zu und musterte die Verletzung von Castor.


    Nubius trat heran und reichte seinem Herrn stumm einige weiche Tücher, mit denen der das Blut von der aufgeplatzten Lippe des Zwillings tupfen konnte. Viridomarus tat genau das, holt eine Tinktur aus einem kleinen Schränkchen und tauchte das nächste Tuch darin ein. Erneut tupfte er Castors Lippe ab, die schlagartig in Flammen zu stehen schien. Nach dem ersten Moment des Schreckens, spürte der Zwilling wie die Blutung langsam aber sicher nachließ. Viri drückte ihm das Tuch in die Hand und deutete auf seine Lippe.


    "Schön draufdrücken, damit Deine Lippe ordentlich verheilt", wies er Castor an und wandte sich an Pollux.


    "Die Proben sind eigentlich zum testen, damit die Kundschaft meinen Laden aufsuchen um hier noch etwas mehr als nur ein Parfüm zu erstehen. Aber sei es drum, ein Geschäft ist ein Geschäft und es war Euer erster Tag. Nur bei den Verletzungen frage ich mich gerade, wie sehen Eure Kunden aus?", hakte Viridomarus nach und nahm Castor den Geldbeutel aus der Hand.


    "Nun raus mit der Sprache, was ist geschehen? Wir wollen keinen Ärger mit den Urbanern, weil Ihr jemanden gewaltsam parfümiert habt", sagte der Thraker streng, musste dann aber selbst über die Vorstellung lachen, ehe er wieder ein ernstes Gesicht zog. Selbst die Mundwinkel von Nubius zuckten verdächtig.

  • Noch im Gebet kam Tiberios der Einfall, dominus Viridomarus einen Hilferuf zu schicken.


    Wenn es der Wahrheit entsprach, dass die Zwillinge für ihn arbeiteten, müsste er ihm als Einziger helfen können. Die Kleidung des jungen Griechen, seine fünfzig Sesterzen, alles war ja weg.
    Er hatte auch weder Griffel noch Wachstafel noch Papyrus. Mit seinem eigenen Blut auf einen Fetzen seines Lendenschurzes zu schreiben empfand er jedoch als zu dramatisch.


    Tiberios brauchte also einen unauffälligen Boten, der den Besitzer des Duften Viri Bescheid geben konnte. In der Subura fand man für ein paar Asse Straßenkinder für solche Aufgaben, in diesen vornehmen Verkaufshallen jedoch schienen alle Kinder entweder von Ammen und Sklaven begleitet oder selbst minderjährige Sklaven zu sein.
    Aber da, ein kleines Zopfmädchen, vielleicht neun Jahre alt, stand an einer Säule und schwenkte ihre Puppe in die Luft.
    „Salve, kleine domina, sprach Tiberios sie an.
    Das kleine Mädchen musterte ihn und kräuselte die Nase.
    „Meine Mutter hat mir verboten, mit Fremden zu sprechen.“, stieß es hervor, und Tiberios erwiderte:
    „Da hat dir deine Mutter einen weisen Rat gegeben.“


    Da war sie dann auch schon, die Mutter. Sie hatte gerade mit einer Freundin geplaudert, die sie zufällig hier auf der Terasse getroffen hatte, nun kam sie heran und fragte äußerst aufgebracht:
    „Was willst du von meiner Tochter, Sklave?“
    Dann ließ sie eine Schimpftirade darüber los, dass ein freies römisches Kind noch nicht einmal im Herzen Romas vor unerfreulichen Menschen sicher sei und zeterte so laut, dass Tiberios sich vielmals entschuldigte und mit erhobenen Händen langsam rückwärts ging.


    Dabei stieß er einen Jungen an, der ähnlich wie er selbst nur mit einem subligaculum bekleidet war; er trug allerdings über der Schulter lässig einen Lappen und hielt einen Besen in der Hand. Seine Ausstattung ließ Tiberios darauf schließen, dass er der markteigenen Putzkolonne angehörte, die hier in den Traiansmärkten für Sauberkeit sorgte. Sklaven, die schmutzige Arbeit verrichteten, waren meistens leichtbekleidet; es war einfacher, seinen Leib als eine Tunika zu waschen.


    „Kommst du gleich mit runter?“, fragte der junge Mann: „Hier oben sind wir fertig.“



    Tiberios rang die Hände: „Mein Freund!“, begann er: „Könntest du für mich eine Botschaft an dominus Viridomarus überbringen? Er wird dich gewiss belohnen.“


    Der Junge starrte ihn an: „ Der dufte Viri im zweiten? Das ist ein mordsfeines Geschäft, da können wir nicht einfach rein.“


    Mords- fein, das trifft es, dachte Tiberios, und bat:
    Ich brauche dringend jemanden, der eine Botschaft überbringt, denn ich bin wie die Argonauten zwischen den Symplegaden in Not. Bitte, sag dominus Viridomarus, der Ianitor der Casa Leonis...“ Tiberios wusste, dass sich Freie bei Sklaven eher an deren Funktion als ihren Namen erinnerten:
    „..befindet sich im dritten Obergeschoss, und er soll Nubius schicken, ihn zu abzuholen. Ganz gewiss gibt dir der Dominus ein paar Münzen.


    Der junge Mann sah Tiberios zweifelnd an: „Ich bin eher sicher, er zieht mir ein paar über. Warum gehst du nicht selber runter?“
    Tiberios seufzte: „Man hat mich beraubt und wollte mich in den Hades senden.“, sagte er vorsichtig.
    Der junge Mann riss die Augen auf: „Spannend!“, rief er aus:
    „ Die Simplengarden sollen dich nicht kriegen! Warte hier, ich machs.“


    „Oh danke!“, rief Tiberios aus: „Dich schickt Fortuna!“
    „Nee, die Marktverwaltung.“, antwortete der junge Sklave:
    „ Aber was du erzählst, klingt großartig! Mir passiert sowas nie! Wurdest du als Kind ausgesetzt oder geraubt und bist in Sklaverei geraten? Ist der edle Dominus Viridoramus etwa dein Vater, und unter Tränen werdet ihr euch in die Arme fallen?“


    Was war das? Ein Putzsklave, dessen Geist ganz von Gespenstergeschichten, halbverstandener Mythologie und Liebeschnulzen, die auf der Straße und im servitricuum erzählt wurden, erfüllt war?


    Tiberios war es gleich, erleichtert sagte er:
    „Ja, ja, alles das, doch geh bitte rasch!“ und der junge Mann verschwand tatsächlich.


    Der freundliche Sklave der Traiansmärkte nahm die Treppe nach unten in den zweiten Stock und begab sich in Tiberios‘ Auftrag zu Viridomarus.


    Den zusammengefalteten Chiton, die Chlamys und die Sachen hob er als ordentliche Reinigungskraft vom Boden auf, die Sachen waren noch fast neu, nur etwas zerrissen,und er würde sie später bei der Verwaltung abgeben.


    Er war zu gut erzogen, um irgendjemanden anzusprechen, und wartete und wartete, um Leonis, denn so dachte er, hieß der gejagte verlorene Sohn, beizustehen. Schon sah er sich, Leonis seiner wahren Bestimmung zuzuführen! Vielleicht würden Vater und Sohn ihn dann kaufen und aus Dankbarkeit freilassen. Der junge Sklave gab sich angenehmen Tagträumen hin. Dabei sah er unentwegt Dominus Viridomarus mit tränenfeuchten Augen ob der Tragik und der baldigen glücklichen Wende in dessen Leben an.

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    Castor & Pollux


    "Ich mach das!" Pollux nahm Castor das Tuch weg. Ganz vorsichtig drückte er damit dessen aufgeplatzte Lippe.


    Was eine Probe war, davon hatten die Zwillinge keine Ahnung. Sie verstanden nicht, wie das Geschäft von Viridomarus funktionierte. Für sie galt nur das Gesetz der Straße und sie hatten alles richtig gemacht.


    "Der Grieche wollte nicht bezahlen", erklärte Pollux. "Und er hat uns beschimpft. Darum haben wir dafür gesorgt, dass er zahlen muss. Ihn müssten die Urbaner festnehmen, das ist versuchter Diebstahl und Beleidigung!"


    "Und Körperverletzung", nuschelte Castor, der artig seinem Bruder den Mund zum Tupfen hinhielt.

  • "Langsam, eine Probe muss man nicht bezahlen. Eine Probe entstammt dem Wort probieren. Gefällt einem dass, was man probiert hat und möchte es kaufen, dann erst wird der Preis beim Kauf der Ware fällig. Vorab nicht, auf kostenpflichtige Proben muss man die Kundschaft hinweisen.


    Wie habt Ihr denn dafür gesorgt, das der Grieche bezahlen muss? Kam es so zu den Beleidigungen? Und wenn Ihr schon so ausseht, wie bei Bacchus Stab sieht dann der Kunde aus?", fragte Viri mit Verzweiflung in der Stimme.


    Er schaute aus dem Laden und dort stand ein junger Bursche der mit treuem Hundeblick in den Laden schaute. Vermutlich war diese arme Gestalt, genau jener Grieche!


    Viri warf noch einen letzten, rückversichernden Blick auf die beiden Zwillinge, ehe er vor den Laden trat. Der junge Mann war augenscheinlich ein Sklave, nach seiner Kleidung zu urteilen. Oder er hatte schlichtweg extrem wenig Geld.


    "Salve Du schaust die ganze Zeit in meinen Laden, was ist los oder was möchtest Du?", fragte Viri freundlich. Er hoffte inständig, dass die Zwillinge diesem Burschen nicht die letzten Münzen aus dem Kreuz geleiert hatten.


    Falls doch, hatte er sich bei dem Streitgespräch gut geschlagen, denn er hatte keine Blessuren davon getragen.

  • Der Reinigungsdienstsklave war sehr glücklich, dass Viridomarus, der "feine Dominus aus dem mordsfeinen Geschäft" ihn beachtete.
    Er verbeugte sich, wobei er auf eine tragische Geste verzichtete, da er in einer Hand einen Besen, in der anderen die Kleidung des Tiberios trug und sagte, in dem er die Sprache wählte, die ihm für diesen Anlass gehoben genug erschien:


    „O großmütiger und gütiger Dominus, mich entsendete ein Jüngling aus dem dritten Stock. Er zittert vor Angst oder Kälte, so genau weiß ich es nicht, und folgende Botschaft hat er mir aufgetragen:
    -Gib dem tüchtigen Sklaven, der vor dir steht, erstmal zur Belohnung ein paar Asse!
    Mir aber schickst du den Nubius, um mich vor irgendwelchen Bösewichten, deren Namen ich schon wieder vergessen habe, zu bewahren und sicher in deine Taberna zu geleiten.-


    Der Jüngling ist auch ein Sklave und heißt Leonis – klingelt es da nicht bei diesem Namen, Dominus? Egal, ich will Nubius schon zeigen, wo der Verlorene seiner Rettung….wo er halt wartet.“

  • "Gib dem tüchtigen Sklaven, der vor dir steht, erstmal zur Belohnung ein paar Asse!Mir aber schickst du den Nubius, um mich vor irgendwelchen Bösewichten, deren Namen ich schon wieder vergessen habe, zu bewahren und sicher in deine Taberna zu geleiten...


    Nun falls Du mich damit rafiniert anbetteln möchtest, würde ich sagen, dass ist wirklich mal ein paar Asse wert, als das Übliche hast Du mal ein paar Asse? Aber woher solltest Du Nubius kennen?", antwortete Viri und zückte seinen Geldbeutel.


    Er drückte dem jungen Mann eine Sesterze in die Hand und winkte Nubius zu sich heran.


    "Für Deine Mühen, Nubius wird Dich begleiten. Leider sagt mir Leonis nichts. Nubius begleite diesen jungen Mann, er führt Dich zu einem Leonis. Dieser möchte vor irgendwelchen Bössewichten gerettet. Ich befürchte schon, wer die Übeltäter sind. Bringe ihn sicher hierher, aus dem Stehgreif was ich nicht wer Leonis ist, aber das wird sich gleich aufklären. Ein Stammkunde dürfte es nicht sein, diese kenne ich alle, geh Nubius", befahl Viri.


    "Und Du junger Mann, lasse Dich nachher hier noch einmal sehen, Du scheinst zuverlässig zu sein. Begleite Leonis und Nubius mit zurück", sagte Viri freundlich.


  • Der junge Sklave war entzückt.
    Erstens bekam er wirklich ein paar Münzen, und zweitens fühlte er sich, als würde er sich endlich mitten in einer abenteuerlichen Geschichte befinden, und es hätte ihn nicht erstaunt, wäre eine der himmlischen Mächte selbst erschienen: Iuppiter etwa oder Minerva oder Mars.


    Hyazinthus heiße ich wie die Blume, o großzügigster Dominus!“, rief er aus:
    „Und natürlich bringe ich sie beide her; keinen Augenblick des freudigen Wiedersehens will ich mir entgehen lassen! O großes Geschick, o Dank den Göttern!“


    Er ließ den Besen stehen und hüpfte föhlich vor Nubius her in den dritten Stock.
    Als Tiberios den schwarzen Leibdiener des Viridomarus sah, wäre er ihm vor Erleichterung fast um den Hals gefallen.
    Der junge Sklave der Putzkolonie rief ihm entgegen: „Endlich sind die Tartarusqualen vorbei!“, und Tiberios dachte, es heißt Tantalos und passt nicht wirklich, aber er verbesserte den Ausdruck nicht, sondern griff nach Nubius‘ Hand:
    „ Ich danke dir für dein Kommen, Nubius.“, sagte er leise: „Bitte bring mich zu deinem Dominus.
    Möglichst so, dass mich Castor und Pollux aus der Unterwelt nicht bemerken“

    Er hatte immer noch Angst vor ihnen.


    Dann aber bemerkte der Grieche, dass der junge Sklave seinen, Tiberios' Chiton, bei sich hatte, und ein erleichtertes Lächeln glitt über sein Gesicht. Sein Gewand, der Mantel, die Spange, sogar seine Bronzetafel mit der Aufschrift seines Besitzers, es war alles noch da!
    Nur der Geldsack mit den fünfzig Sesterze fehlte.


    Tiberios sagte seinem Helfer, dass es sich um seine Besitztümer handelte, und als er sich wieder angezogen hatte, fühlte er sich wohler, auch wenn sein Chiton am Hals, seine Chlamys an der Seite zerrissen und die Schließe der Bronzespange verbogen war.


    Nur die beiden teuer erkauften Parfümfläschchen wollte er nicht haben; also nahm Hyazinthus sie an sich.


    Der junge Mann fühlte sich in Hochform, sprang um sie herum und versuchte auffällig unauffällig zu sein.


    So kamen sie zu der Taberna „Zum duften Viri“, Nubius, ein erschöpfter, aber wenigstens nicht mehr halbnackter Tiberios und ein aufgekratzter Sklave vom Reinigungsdienst.

  • Der junge Sklave führte Nubius zu Tiberios, dem Griechen mit dem Nubius Herr in der Casa Leonis so ausführlich gesprochen hatte. Der Nubier sah dem jungen Mann an, welche Ängste er ausgestanden hatte und immer noch unter ihnen litt. Tiberios griff nach seiner Hand und erklärte ihm, wie sehr er sich freute Nubius zu sehen. Der mächtige Mann nickte nur als Antwort, denn anders konnte er ihm nicht antworten. Er tätschelte kurz mit seiner Pranke die zarte Hand des Griechen, als Zeichen dass er ihn sicher zu seinem Herrn bringen würde.


    Tiberios hatte kaum noch etwas am Leib, bis er die Kleidung in den Armen des anderen Jünglings an sich nahm. Vermutlich war dies sein Eigentum, oder er bediente sich frei, denn halbnackt konnte er hier kaum durch die Märkte laufen.


    Vor dem Geschäft angekommen schob Nubius die beiden jungen Männer in den Laden. Sein Herr wollte beide sehen, also brachte er auch beide mit. Nubius war klug genug sich zwischen die Zwillinge und die beiden anderen Jünglinge zu stellen. Tiberios war verschreckt und Hyazinthus sollte ebenso nichts zu befürchten haben.


    Viridomarus schritt der Gruppe entgegen und nahm Hyazinthus die beiden Probeflakons ab.


    "Dies mein Guter gehört mir und wurde von meinen beiden Werbefachleuten wohl vergessen. Das Auffinden der Flakons werde ich entlohnen. Jedoch musst Du Dich einen Moment gedulden", sagte Viri und schritt auf Tiberios zu.


    "Was ist mit Dir geschehen Tiberios? Ich möchte diese Worte in meinem Laden kaum in den Mund nehmen, aber mir bleibt keine andere Wahl! Du siehst... furchtbar aus! Ich vermute Du bist besagter Leonis, nicht dass noch jemand auf seine Rettung wartet. Die Werbefläschen, Deine abgerissene Erscheinung, die verletzten Zwillinge - ich bin kein Urabaner, aber da sieht sogar ein friedliebender Mann wie ich einen gewalttätigen Zusammenhang. Berichte was geschehen ist, bevor die Flakons in die Hand unseres Blumennamigen Retteres gerieten.


    Ich fürchte die Zwillinge müssen an ihren Werbemethoden noch feilen, sie waren etwas eifrig bei der Sache. Vielleicht etwas zu eifrig. Aber ich greife nicht vorneweg. Was geschah Tiberios?", fragte Viridomarus.


    Schwer wog das schöne Geldsäckchen das die Zwillinge mitgebracht haben an seinem Gürtel. Es wäre eine Schande es herausrücken zu müssen. Aber der Ruf war mehr wert, als ein kleiner Geldsack. Dennoch musste er zuerst die Geschichte hören, bevor er hier eine Entscheidung traf. Tiberios sah verschreckt aus, so reichte er ihm erstmal ein Glas Rosenwasser zur Beruhigung.


    "Trink und danach rede", sagte Viri beruhigend.

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