[Theatrum Marcelli] Übrig bleibt nur ein Hauch von Tragik.

  • Mittlerweile platschten die Tropfen verstärkt vom Himmel und die wenigen Römer, die sich noch auf den Straßen aufhielten, stellten sich unter oder versuchten trockenen Fußes ihre Häuser zu erreichen. Nicht so der Iulier und die rothaarige Sklavin. Den größeren Tropfen wich Iduna geschickt aus und lotste den Römer in die richtige Richtung. Denn bei diesem Wetter wollte sie sich auch nicht unbedingt länger als notwendig unter freiem Himmel aufhalten. Wobei ihre Gedanken dem iulischen Gast galten. Nicht auszudenken wenn er sich erkältete. Denn eine solche Erkältung konnte man sofort als ihr Vergehen deklarieren. Auch wenn der Spaziergang von Iulius Labeo ausgegangen war. Doch wem würde man wohl mehr glauben? Einem römischen Bürger oder einer Unfreien?


    “Dort vorne befindet sich das Theatrum Marcelli Dominus.“
    Erklang Idunas Stimmlein, als sie sich leicht auf die Zehenspitzen stellte und mit ihrer filigranen Hand in Richtung des Theatrums wies.
    “Willst du dir eine Vorstellung ansehen Dominus?“
    Fragend purzelten diese Worte über Idunas Lippen. Als sie den iulischen Gast direkt anblickte. Nur um ihren Blick im nächsten Augenblick zu senken und besonders interessiert eine der Pfützen betrachtete.

  • Der Regen kam schneller und er war stärker als er gedacht hatte, aber als das Theatrum in Sichtweise kam war Labeo zum Glück nicht zu sehr durchnässt, und Iduna, nunja wohl auch nicht. Als er sie so anschaute bemerkte zum wiederholten Male, dass sie ständig herunter schaut. Und so sehr es auch ihre Ergebenheit ausdrückte, irritierte es ihn doch. Aber da sie ja nicht seine Sklavin war, würde er es wohl dabei belassen und sie nicht darauf ansprechen.


    Nein, nein, keine Angst, ich werde Dich nicht in eine stundenlange Vorstellung schleppen. Ich wollte nur einmal schauen, was so gegeben wird in den nächsten Wochen, und ob ein alter Freund noch hier am Theater ist.


    Dann ging er weiter und Iduna würde ihm folgen, den Blick auf den Boden geheftet. Am Eingang angekommen sah er, dass das Tor offen war.


    Schnell, Iduna, stellen wir uns hier im Tor unter, bis das gröbste vorbei ist.

  • Bunt schillernd muteten die Pfützen an, die Idunas Weg kreuzten und über die sich ihre Tochter sehr gefreut hätte. Beim Gedanken an Aislin musste die Rothaarige hart schlucken. Bevor sie sich auch schon eilte, um den iulischen Gast nicht aus den Augen zu verlieren. Obwohl das Ziel doch klar war - das Theatrum Marcelli. Ob dort gerade Aufführungen gespielt wurden? Neugierig reckte die Rothaarige ihren Kopf empor und versuchte in das Innere des Theaters zu spähen. Doch offensichtlich hatten es die meisten Römer vorgezogen den Regen in ihren sicheren Vier Wänden zu beobachten. Den musternden Blick des Römers bemerkte die Sklavin nicht. Während sie mit gesenktem Köpfchen dennoch immer an seiner Seite blieb. Ganz so, wie sie es auch bei ihrem verstorbenen Dominus Iulius Caesoninus getan hatte.


    Schließlich erreichten sie beide das Tor des Theatrums und während sich der Iulier vor dem Regen geschützt unterstellte. Blieb die Rothaarige im Regen stehen. Der Römer sollte sich vor dem Regen schützen. Sie war nur eine Unfreie und der bisschen Regen würde ihr nicht schaden. Als dann jedoch die Stimme des Dunkelhaarigen an ihr Gehör drang, blickte die Sklavin mit großen Augen empor.
    “Dominus ist so gütig zu mir.“
    Wisperte Iduna. Wobei ihre Stimme kaum zu vernehmen war. Und so stellte sich nun auch die Rothaaeige unter das schützende Tor. Wobei sie das kaum merkliche zittern ihres Körpers und die Gänsehaut zu überspielen versuchte.


    “Ist dein Freund ein Schauspieler am Theatrum Dominus?“
    Auch wenn sie sich dies nicht vorstellen konnte. Denn meistens waren die Schauspieler Sklaven einer Gauklertruppe oder Freigelassene. Niemals freie Bürger Roms.

  • Je mehr Labeo Umgang mit Iduna hatte, desto stärker wurde das Empfinden, dass sie aus irgendeinem Grunde eingeschüchtert war. Es konnte sein, dass sie in einer tragischen Situation wie dieser einfach nur eine Mustersklavin sein wollte, damit man sie nicht verkaufen würde. Oder, er überlegte, vielleicht wollte sie ja ihm, Labeo, zeigen, dass sie eine tolle Sklavin wäre, damit er sie anfordern würde. Abgesehen davon, dass das ja hauptsächlich davon abhing. wer der Erbe war, und was dessen Pläne waren, würde Labeo ja doch meistens in der Castro sein, und deswegen nur zeitweise ihre Dienste benötigen, aber...


    Als er so in Gedanken versunken war, fragte sie, wer den sein Freund sei, den er aufsuchen wolle. Und just in diesem Moment kam einer der Sklaven des Theaters um zu fragen: "Mein Herr, hast Du dich hierhin geflüchtet nur vor dem Regen, denn Schutz allein ist nicht genug an Segen! Wen suchest Du, sprich, Fremder, Römer laut und verwegen, und suchst Du nichts so musst Du Dich bewegen."


    Das wahr ein reichlich grober Vers aus Hexametern und Pentametern gemischt, und der Reim war eher enervierend. Aber für eine Improvisation nicht schlecht, also applaudierte Labeo höflich. "Sage mir nun Diener der Kunst und sprich frei heraus, ob der Alte, Chrysostomos, der Goldmund heißet, der zurecht so genannt ob er noch unter uns weilt."


    Auch Labeos Vers war sehr holprig, aber er wollte den Spaß mitmachen. Und als er sich gerade die nächste Antwort zurecht legte, sagte der Sklave in Prosa. Oh ja, der ist da. Willst Du ihn sehen. Ich schaue mal, ob er Dich empfangen will... Wie war noch mal Dein Name...?
    Und Labeo antwortete....Sag ihm: Labeo ist's, der ihn zu sehen wünscht.


    Dann ging der Sklave, der offensichtlich zumindest auch ein Schauspieler war, wieder tief ins Theatrum, so dass Iduna und Labeo wieder allein und im Regen standen. Labeo bemerkte, dass ihr kalt war. Um Deine Frage zu beantworten. Ich hoffe Xeniander zu sehen, den alle aber nur Chrysostomos nennen. Er war mein Rhetoriklehrer, als ich noch jung war. Das letzte, was ich von ihm gehört hatte, war das er eben hier in Rom am Theatrum Marcellum die Schauspieler unterrichtet. Vielleicht bittet er uns rein ins Warme.

  • Die Gedanken des Iuliers blieben der Rothaarigen natürlich verborgen. Und so zählte sie gedanklich die Regentropfen, welche vom Himmel in eine der Pfützen prallten. Hm. Wie lange wollte er sich hier nun unterstellen? Jedoch widersagte sie sich ihre Gedanken laut auszusprechen. Stattdessen biss sie sich leicht auf die Unterlippe. Jedoch blieb die Germanin nicht lange ruhig. Sondern ließ auch schon ihre weiche Stimme erklingen. Doch noch ehe die Stimme des Römers an ihr Gehör drang. Mischte sich eine ihr vollkommen fremde Stimme in das Gespräch ein. Sodass Iduna mit einem verwirrten Glanz in den Augen empor blickte und den Fremden musterte.


    Hm. War dies etwa der Bekannte des Iuliers? Jetzt war es an der Rothaarigen neugierig in die Richtung des Fremden zu schielen. Als der Unbekannte im prosaischen Vers seine Stimme erhob, weiteten sich Idunas Augen sichtlich und dies vor Überraschung und Erstaunen. Vielleicht war dieser Unbekannte ein Schauspieler am Theatrum? Es musste so sein. Anders konnte es sich die iulische Sklavin nicht erklären. Und so klatschte sie auch schon begeistert in ihre Hände. Doch auch der Iulier antwortete in dieser Versform. Während die Cheruskerin gebannt zwischen den beiden Männern hin- und her blickte. Dann jedoch verschwand der fremde junge Mann und Iduna blickte ihm mit großen Augen nach.


    “Ich wusste nicht das dir diese Art der Versform so leicht von den Lippen geht, Dominus. Kannst du mich in dieser Kunst unterrichten?“
    Fragend wandte sich die Sklavin in Richtung des Iuliers und blickte für einen kurzen Augenblick mit bittendem Augenaufschlag empor.

  • Labeo schaute erstaunt zu Iduna, als diese in den Applaus einstimmte, war da ein Funkeln in den Augen zu sehen, dass die bisherige Trauer und Lethargie, die sie zu Tage gelegt hatte, durchbrach? Dann hatte dieser ganze Ausflug, ja doch noch einen positiven Effekt.
    Haha, nein, selbst wenn ich Zeit hätte, aber ich bin ein solcher Stümper, dass Du von mir kaum etwas lernen würdest,
    sagte er lachend zur germanischen Sklavin. Er erwähnte dabei nicht, dass er dies auch ziemlich unangemessen finden würde, stattdessen fuhr er fort:
    Wenn allerdings Dein neuer Herr oder deine neue Herrin dies gutheißen, kann ich sicherlich ein Wort bei dem Mann, den wir vielleicht gleich treffen einlegen. Er ist ein Meister.


    Meister sagst Du? Das wohl nicht. Aber ein Liebhaber der Sprache und allen Schönens., tönte es als Antwort aus der Dunkelheit des inneren des Theaters. Es war tatsächlich Xeniander, Labeos alter Rhetoriklehrer aus der Zeit vor dem Militär. Was hat denn die Lippenbarbe aufs trockene, naja nicht so trockene, Land geführt., sagte der alte weißhaarige und recht beleibte Mann, dem man ansah, dass er das Leben liebte und umarmte den nicht ganz trockenen Labeo. Und wenn hast Du da im Schlepptau?, schob er mit einem gespielt anzüglichen Blick auf Iduna nach.


    Mein alter Lehrer, der Fisch hat eine Metamorphose durchlebt und ist jetzt ein Skorpion. Und das ist Iduna eine Sklavin der Familia. Sie war von den improvisierten Versen des Schauspielers ganz begeistert und war höflich genug auch meinen Versuch zu loben, nicht wahr, Iduna?

  • Tatsächlich konnte man ein helles funkeln in Idunas Augen erkennen, als sie den prosaischen Versen mit gespitzten Ohren lauschte. Wie wunderbar weich diese Worte über die Lippen des vermeintlichen Theatrumsklaven entwichen waren. Allzu schade das eben jener Sklave sogleich das Weite gesucht hatte und im Halbdunkel des Theatrums eintauchte.
    “Oh.“
    Murmelte die Rothaarige und neigte ihren Kopf kaum merklich auf die Seite.
    “Wieso ist er so schnell entschwunden.“
    Jene Worte sprach Iduna an niemand bestimmtes gewandt. Konzentrierte sich dann jedoch augenblicklich auf das gesprochene Wort des Iuliers.
    “Du bist kein Stümper Dominus.“
    Antwortete die Rothaarige auf seine gesprochenen Worte und schüttelte kaum merklich ihren Kopf.


    Als er sie dann jedoch an ihre noch immer ungewisse Zukunft erinnerte, zuckte die Cheruskerin leicht zusammen und starrte zu Boden.
    “Das würdest du wirklich machen Dominus?“
    Flüsterte die Sklavin beinahe und ließ einen Hauch Hoffnung in ihrer Stimmfarbe mitschwingen.
    “Ein Meister der Dichtkunst? Wie die Griechen und...“
    Doch da wurde die Rothaarige auch schon unterbrochen und senkte ihr Köpfchen unbewusst nur noch tiefer gen Boden. Während sie den leicht schlurfenden Schritten des etwas dicklichen Herrn lauschte und unter halb gesenkten Lidern zu dem Weißhaarigen empor schielte. Augenblicklich blitzte vor Idunas innerem Auge das Bild ihres einstigen griechischen Hauslehrers bei den Flaviern auf und ein Lächeln umspielte dabei Idunas Lippen.


    Als Iulius Labeo sie schließlich vorstellte, hob Iduna ihr Köpfchen für einen kurzen Augenblick tatsächlich an.
    “Salve Meister der prosaischen Verse.“
    Begrüßte Iduna den einstigen Rethoriklehrer des Iulius Labeo.

  • "Das kommt darauf an, wer dein neuer Dominus ist, aber ja ich könnte das tun. Wenn Du jetzt einen guten Eindruck hinterlässt", sagte Labeo mit einem Zwinkern zu Iduna.


    Dann ergriff Xeniander das Wort: "Soso, ein Skorpion, dann bist Du beruflich hier? Oder privat?, dann wandte sich der alte Grieche zu Iduna:Der Dominus Labeo hier produzierte schon immer holprige Verse, aber er hatte Freude daran. Er war ein guter Rhetor zu seiner Zeit, aber die Rostra wollte er nicht erklimmen, statt dessen ergriff er den Gladius. Er wollte die Welt verbessern - und was ist Dein Streben, Tochter des Nordwindes?

  • Hatte die Stimme des Iuliers bis vor kurzem noch spielerisch weich geklungen. So hatte sich doch im nächsten Moment ein ernster Klang in Iulius Labeos Stimme geschlichen. Und dieser ernste Klang ließ eine Gänsehaut über Idunas Rücken rieseln.
    “Ich werde dich oder die Gens Iulia nicht enttäuschen Dominus.“
    War ihr leises Stimmlein zu vernehmen. Bevor sie ihren Kopf gen Boden senkte und ihre Finger hinter ihrem Rücken miteinander verschränkte.


    Selbst als die Stimme des weißhaarigen Mannes erklang wagte es die Rothaarige nicht ihren Kopf anzuheben. Denn der Bekannte des Iuliers würde garantiert keine Worte mit einer Unfreien wechseln. Und so fokussierte die kleine Germanin weiterhin den Boden zu ihren Füßen. Auch wenn sie den gesprochenen Worten mit gespitzten Ohren lauschte und erkannte das der Bekannte des Iuliers eine angenehm weiche Stimmfarbe besaß. Erst als schließlich das Wort an sie gerichtet wurde, blinzelte die Rothaarige mit großen Augen.


    “Mir wurde gesagt ich hätte zu einer lectrix ausgebildet werden sollen. Stattdessen wurde ich cubicularia meines verstorbenen Dominus Meister der Reden.“
    Antwortete Iduna mit leiser Stimme.

  • Der Iulier hätte es sich denken können, dass sein alter Freund und Lehrer Xeniander sich mehr mit Iduna unterhalten würde, denn mit ihm. Ein echter Talentsucher, der immer herausfinden wollte, ob unter welcher Schale auch immer ein Obstkern oder ein Diamant steckte. Immerhin stellte der Grieche ihm dann doch eine Frage, die Labeo beantwortete, bevor die unausweichliche Frage nach der Kostprobe kam. "Nein, nein rein Privat. Ich haben den Dienst gerade erst aufgenommen. Wenn es einmal dienstlich werden sollte, komme ich bei Nacht.


    "Gut, gut, Skorpion unter den Karpfen, oder Karpfen unter den Skorpionen...? Dann hoffen wir mal, dass wir uns das nächste Mal bei Tage sehen. und wenn ich mehr Zeit habe." Und obwohl Xeniander damit zweifelsfrei andeutete, dass er sich verabschieden musste, ließ er es sich nicht entgehen Iduna noch ein weiteres Mal anzusprechen: Aha, aha. Ein Lectrix, kannst Du etwas rezitieren, aus dem Gedächtnis...nur etwas kurzes, für mich? Eine.... und in dieser Kunstpause drehte er sich zu Labeo, als wäre es die vierte Wand, "Kostprobe?"


    Dann legte er ein breites Grinsen auf und wartete, ob Iduna etwas konnte.

  • Wenn immer Idunas Blick in Richtung des etwas dicklichen Mannes huschte, musste sie unweigerlich an ihren Griechisch-Lehrer bei den Flaviern denken und wie Caius Flavius Scato sein Leben bedrohte, als die Rothaarige nicht gehorchte. Wieso ihr ausgerechndt in diesem Moment diese Gedanken durch den Kopf geisterten verstand Iduna auch nicht und so blickte sie weiterhin zu Boden. Während sie bemerkte wie sich um Iulius Labeos Schuhwerk eine nasse Pfütze gebildet hatte. Die armen Sklaven die das Theatrum vom Schmutz der Besucher befreien mussten. Als der Iulier auf die Worte seines ehemaligen Rethoriklehrers antwortete, hob sich Idunas Köpfchen dann doch vorsichtig an. Wenn der Römer in Uniform unterwegs sein würde, dann nur in der Nacht? Wieso? Wagte sich die Leibgarde des Kaisers bei Helligkeit nicht nach draußen? Ein Gedanke der ein feines Lächeln um Idunas Lippen spielen ließ. Auch wenn diese Gefühlsregung die beiden Männer nicht bemerken konnten. Denn die iulische Sklavin hielt ihren Blick artig gesenkt.


    Jetzt wäre es wohl an der Zeit das der Iulier das Gespräch beendete und Iduna einen auffordernden Blick entgegen warf. Doch das Gegenteil war der Fall. Und dann war es die Stimme des etwas beleibteren Herrn, die Idunas Ohren kitzelte. Er wollte eine Kostprobe von ihr hören? Etwas unsicher, blickte die Rothaarige aus dem Augenwinkel in Richtung des Iuliers. Beinahe so als wollte sie sich von ihm die Erlaubnis holen, dass sie auf die Worte des weißhaarigen Mannes entsprechend reagieren durfte. Schließlich atmete die Rothaarige tief durch und straffte ihren schmalen Körper. Ganz so wie es ihr der furische Maiordomus beigebracht hatte. Und genau aus seiner Erzählung über menschliche Bäume, rezitierte Iduna eine Passage. Samtweich war der Klang ihrer Stimme, während ein helles leuchten ihre Augen erstrahlen ließ.


    “"Leb wohl, du Trauter!" "Leb wohl, du Liebe!" so sprachen sie beide wechselnd, solang sie noch zu reden vermochten. So endigte das ehrwürdige Paar; er ward zur Eiche, sie zur Linde, und noch im Tode stehen sie traulich zusammen, wie sie im Leben unzertrennlich waren. Fromme sind den Göttern wert; Ehre wird denen zuteil, die Ehre erweisen.“


    Dann endete die Sklavin auch schon und blickte mit ihren hell leuchtenden Augen zu den beiden Männern empor. Hatte ihnen dieser kurze Vers gefallen? Waren sie zufrieden mit ihrer Wiedergabe dieser wenigen Verszeilen?

  • Labeo hörte zu, was die cheruskische Sklavin rezitierte, es war wohl eine Variante einer ovidischen Fabel. Sehr hübsch, auch die Stimme, aber vielleicht etwas zu zurückhaltend. Aber da wäre Xenianders Urteil natürlich entscheidend. So blickte er erwartungsfroh zu seinem alten Lehrer, bis der schließlich sprach:


    Hm. Ja, nicht schlecht für den Anfang... Potenzial ist auf jeden Fall da. Die Wahl des Textes, nun gut, für eine Lectrix sicherlich angemessen. Spannung im Körper ist da, Volumen der Stimme könnte noch gesteigert werden. Ein paar mehr Emotionen wären auch gut, aber alles in allem, Material zum Arbeiten wäre da., ratterte der Grieche seine Einschätzung herunter, während er Iduna freundlich anschaute, obwohl seine Stimme eher geschäftsmäßig klang, dann wandte er sich zu Labeo: Der Regen hat aufgehört und ich muss zurück zu den Proben. Melde Dich doch, wenn du dem Skorpionsbau das nächste Mal entkommen willst. Und wegen ihr hier. Sie hat Potenzial, viel Arbeit, aber Potenzial. Wenn Du willst, schicke sie her, ich mache Dir einen guten Preis. Und dann vale!


    Er winkte mit beiden Händen während er die letzten Worte sprach und verschwand sogleich in den Tiefen des Theaters.


    Nach einem Moment der Stille, in der Labeo zum Himmel schaute, an dem sich die Regenwolken langsam verzogen - und tatsächlich wenn in Richtung der Doms schaute, sah es so aus, als ob sie trockenen Hauptes (nicht Fußes, da es viele Pfützen gab) nach Hause kommen könnten - , sagt er zu Iduna: "Welch ein Kompliment von Xeniander. Das klang doch gut, falls Du bei den Iuliern bleibst, werde ich ein gutes Wort für Dich einlegen. Aber jetzt lass uns nach Hause gehen. Wir schaffen es wohl vor dem nächsten Schauer."

  • Zittrig und samtweich zugleich erklang Idunas leises Stimmlein. Während sie mit strahlenden Augen und geröteten Wangen die wenigen Worte rezitierte, die ihr der furische Maiordomus beigebracht hatte. Als dann schließlich die letzte Silbe verklsng, verbeugte sich die iulische Sklavin tatsächlich vor den beiden Herren. So als hätte sie vor einem deutlich größeren Publikum gesprochen. Ihre Finger hatte die Rothaarige locker miteinander verschränkt und ihr Blick war gen Boden gerichtet.


    Während sie mit gespitzten Ohren dem Urteil des Rethorikmeisters lauschte. Hoffentlich würde sein Urteil nicht allzu hart ausfallen. Unwillkürlich verkrampfte Iduna ihre schmalen Finger fester miteinander und spürte wie ihr Herz viel zu hastig in ihrer Brust pochte. Wieso ließ sich der Weißhaarige denn auf einmal so viel Zeit? War er mit ihrem Vortrag etwa nicht zufrieden? Innere Unruhe begann die iulische Sklavin zu erfassen. Was man deutlich an ihrem nervösen Biss auf die Unterlippe bemerken konnte.


    Und dann sprach der weißhaarige Rethorikmeister sein Urteil über Idunas Vortrag. Der Weißhaarige war zufrieden mit ihr? Wirklich?
    “Ich danke dir Meister der Rethorik.“
    Bedankte sich die Sklavin mit hauchender Stimme und gesenktem Köpfchen. Während sie dem Älteren unter gesenkten Wimpern nachblickte, als dieser sich verabschiedete und im Halbdunkel des Theatrum Marcellis eintauchte.


    “Ich danke dir Dominus Iunius Labeo das du mir diese Chance ermöglicht hast.“
    Sprudelte es im nächsten Augenblick über Idunas Lippen, die von einem freudigen Lächeln umspielt wurden. Dann setzte sie sich auch schon in Bewegung, dem Iulier nachfolgend. Denn tatsächlich hatte der Regen aufgehört und die dunklen Wolken hatten sich auch vom Himmel verzogen.
    “Wie kann ich mich bei dir bedanken Dominus? Was wünscht du dir?“
    Für Iduna war es selbstverständlich das sie sich für diese Möglichkeit die ihr soeben eröffnet wurde, erkenntlich zeigen musste. Egal in welcher Form.

  • Als sie sich auf den Rückweg begaben, schien es Labeo, dass die cheruskische Sklavin wie ausgewechselt war. Nicht nur die Wolken des Himmels sondern auch die Wolken in dieser kleinen Seele schienen sich verflüchtigt zu haben. Er hatte ja nicht ahnen können, dass dieser kleine Ausflug, der für ihn recht erfolglos gewesen war, diese positiven Effekte für die junge Germanin haben würde.


    Dann, sie hatten die Domus schon fast erreicht, drückte sie ihre Dankbarkeit aus und wollte sich erkenntlich zeigen. Er überlegte kurz, aber eigentlich wusste er, was er sagen sollte: "Iduna, da ist etwas um das ich Dich bitten wollte. Das wird wahrscheinlich schwer für dich sein, weil es ein echtes Fingerspitzengefühl erfordert." Weil es nur noch wenige Meter waren, bis sie in Hörreichweite der Domus Iulia kommen würden, hielt er an (und inne), bevor er fortfuhr: "Hör bitte auf ständig auf Deine Füße zu starren. Jedenfalls, wenn Du mir dienst. Was die anderen wollen, weiß ich nicht. Und wohin mit Deinem Blick, weiß ich auch nicht. Das musst Du ausprobieren. Deine Diensteifrigkeit ist gut und dass Du Demut austrahlen willst auch, sehr sogar. Aber vielleicht ist es ein wenig viel. Verstehst Du, was ich meine?"

  • Das Gespräch mit dem Rethoriklehrer des Theatrum Marcelli hatte die Rothaarige in wahre Verzückung versetzt. Diese Begegnung würde sie gleich dem furischen Maiordomus mitteilen. Tiberios würde es mit Sicherheit erfreuen das seine gelehrige Schülerin sogleich Aufmerksamkeit erregt hatte. Bei diesem Gedanken hüpfte die Rothaarige tatsächlich einige Schritte voraus und wäre beinahe in eine Pfütze getreten. Augenblicklich hielt Iduna in ihrer Begeisterung inne und linste aus dem Augenwinkel in Richtung des Iuliers. Nein. So benahm sich ganz bestimmt keine Haussklavin der Gens Iulia.


    Wie gut das sie niemand beobachtet hatte und dem iulischen Gast war es, den Göttern sei gedankt, nicht aufgefallen. Oder er hielt es für nicht erwähnenswert. Mit noch immer diesem glückseligen Lächeln auf den Lippen bemerkte Iduna nicht das sie sich bereits in der Nähe der iulischen Domus befanden. Merkwürdig das der Rückweg so besonders kurz war. Ob Iulius Labeo geheime Geheimwege kannte, als Soldat der kaiserlichen Praetorianergarde?


    Bevor der Rothaarigen diese vorwitzigen Worte unbedacht entschlüpfen konnten, presste sie ihre Finger auch schon gegen ihre Lippen und lauschte der Stimme des Römers. Dabei senkte sie automatisch ihren Blick gen Boden. So wie es ihr beigebracht wurde.
    “Du möchtest mich um etwas bitten Dominus? Mich, eine Sklavin?“
    Dabei zuckte die Germanin leicht zusammen und knabberte auf ihrer Unterlippe herum.
    “Möchtest du nicht das ich diese Art der Demut zeige? Das wurde mir von den Flaviern beigebracht.“
    Erklärte die kleine Rothaarige und wagte es dann doch ihren Kopf anzuheben und dem Blick des Römers zu begegnen. Dabei erzitterte sie deutlich, hielt den Blickkontakt jedoch aufrecht. Jetzt musste er doch stolz auf sie sein.

  • Was hatte er sich nur dabei gedacht. Die anderen Iulier würden es ihm danken. Labeo wusste ja gar nicht, wie es in der Casa, also in der Domus Iulia gehandhabt wurde. Es war etwas persönliches, dass er diese wie er fand übertriebene Demutshudelei nicht ausstehen konnte. Er versuchte es Iduna zu erklären:“Also du sollst schon demütig sein und deinen und meinen Stand niemals vergessen, aber versuche, so wie even den Blickkontakt auch mal zu halten. Oder in besonderen Augenblicken auch mal herzustellen.„ Der zukünftige Dominus würde eine Menge Arbeit haben, wenn er mehr wollte als eine machina. Denk nur wie willst Du Deinem Dominus einen Wunsch von den Augen ablesen, wenn Du nur auf deine Füße schaust. Klar wir wollen auch keine Iduna-guck-in-die-Luft...


    Dann begann er die letzten Meter zur Domus hinaufzugehen. Es war ein langer Tage gewesen und am nächsten Morgen ganz früh würde er in die Castra zurückmüssen.

  • Diese tiefe Demut und Ehrerbietung gegenüber der römischen Obrigkeit hatte bereits tief in Iduna geschlummert und die flavische Gens wusste diese Eigenschaften zu ihrem Vorteil zu nutzen. Jedoch schwieg die kleine Germanin über ihren einstigen Dominus. Während sich ein nachdenklicher Glanz in ihren Augen spiegelte. Wenn sie der Flavier damals nicht gekauft hätte, dann wäre sie auch niemals dem Kelten begegnet und Aislin wäre lediglich ein Wunschgedanke der Rothaarigen.


    Bei dem Gedanken an Angus spürte Iduna wie ihr Herz dumpfer in ihrer Brust pochte. Beinahe angstvoll mutetet Idunas Herzschlag an. Während sie einer der Pfützen auswich und sich dabei ertappte wie ihr Blick in Richtung des Iuliers wanderte.
    “Hm. So wie jetzt Dominus? Jetzt blicke ich dich auch direkt an.“
    Ob der Römer bemerkte das es enorme Kraft kostete, ihren Blick auf dem Dunkelhaarigen ruhen zu lassen?


    Als der Dunkelhaarige dann weiter sprach, nickte Iduna augenblicklich auf seine Worte. Der Iulier hatte Recht mit dem was er sagte.
    “Deine Worte entsprechen der Wahrheit Dominus. Ich werde an mir arbeiten. Ich möchte die Gens Iulia stolz machen.“
    Bei diesen Worten straffte die Rothaarige unbewusst ihre zarten Schultern und neigte ihr Köpfchen auf die Seite.


    Dann waren sie auch schon an der Domus Iulia angekommen.
    “Ich danke dir Dominus das ich dich begleiten durfte. Hast du noch einen Wunsch den ich dir erfüllen kann?“
    Abwartend blieb Iduna an Ort und Stelle stehen und lauschte mit gespitzten Ohren.

  • Ein Gedanke philosophischer Natur streifte seine Gedankenhorizont natürlich ohne Labeos Grundüberzeugungen anzutasten, dass Sklaverei gut und nötig sei und das Rom nunmal eben Rom sei, und dieser Gedanke besagte, dass der Mensch von Natur aus ein Lebewesen sei, dem ein gewisser Respekt eigen sei. Natürlich würde dies praktische Einschränkungen erleben und wer sich gegen Rom oder gar den Kaiser stellen würde, der ginge dieses Respektes verlustig, aber im Prinzip, kein schlechter Gedanke.


    Und an Iduna sah er, dass das irgendwie stimmte. Er hatte sie an diesem Tag in gewisser Weise respektiert und als sie ihn nun anschaute, es wirkte etwas gequält, gleichermaßen zurück anschaute (respexit!), schien sie gewachsen zu sein. Als Mensch. Er war sich überzeugt, dass sie ihm oder wem auch immer, auf diese Weise auch eine besser Sklavin sein würde.


    Ja, genau so!, sagte er und lächelte. Wenn Du mir gleich in der Casa, ich meine in der Domus, das Balneum vorbereiten lässt, wäre das danach alles.


    Dann ging er in die Domus Iulia.

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