[cubiculum] - Helvetius Tacitus

  • Die letzte Zeit hatte ihn sehr mitgenommen. Da waren die zugegeben letzten hektischen Tage seiner Amtszeit, die Audienz beim Kaiser und dieses Attentat, weswegen ihn dieser Arzt jetzt ans lectum gefesselt und ihm strengste Bettruhe verordnet hatte. Nur mühsam schleppte er sich in die andere Ecke des Raumes, um sein Glas mit dem herrlichen Wein zu füllen, aus Tarentum, nicht weit von dem Landgut seiner Familie. Er beschloß in naher Zukunft, wenn es der gesundheitliche Zustand wieder zuließ, einmal dorthin zu reisen, nach dem rechten sehen, sehen wie die Oliven in der Sonne reifen, und die Reben im im Glanzes Licht strahlen.
    Wo war eigentlich Philippos ? Hatte er sich ohne abzumelden aus dem Haus entfernt ? Dann fiel es ihm wieder ein. War heute nicht der 18. Tag vor den Kalenden des Octobers ? Er hatte Post bekommen aus Rom, sie war gesiegelt mit dem Zeichen des amtierenden Praetors. Keine Frage, heute sollte der Prozess beginnen und Philippos war gewiss unterwegs, um seines Herrn absentia zu entschuldigen.
    Ein gutes hatte diese Krankheit ja. Tacitus kam endlich mal in Ruhe dazu, die Korrespondenzen der letzten Zeit eingehend zu studieren und wenn es die Gegebenheit erforderte, ein Antwortschreiben aufzusetzen. So griff er nach dem ersten aufgerollten Papyrus und sein Gesicht erhellte sich, als er die ersten Zeilen laß. Ein Brief seines Sohnes erregte sein Gemüt. Jener von seinen fünfen, der sich just in diesen Tagen im entfernten Hispania aufhielt und dort dem Proconsul, seinem alten Freund Agrippa, mit Rat und Tat zur Seite stand.
    Tacitus war sichtlich erfreut über die Entwicklung, die sein Sohn - Helvetius Gabor - machte und beschloß den Brief zurückzulegen, um ihn auch Longina zu zeigen, sobald er geendet hatte.


    "Soso, ein Klient..." sprach Tacitus vor sich her leicht überrascht, als er den Brief fortsetzte. Von einem Klienten seines Sohnes hatte er bislang noch nichts erfahren, noch war er ihm vorgestellt worden. "Adoption ?" kam es erstaunt aus Tacitus Mund. Eines stand fest, diesen Sthenelos Sophos würde er einmal kennenlernen müssen. Gabor schrieb, daß er Hauslehrer sei. Sicher keine schlechter Beruf, war er doch selbt vor seinem Eintritt in die Politik damit beschäftigt, den Söhnen und Töchtern, na hauptsächlich waren es schon Söhne, reicher Römer die Grundelemente der septem artes liberales beizubringen.
    Während er über Gabors Frage nach der Adoption und einer möglichen Antwort für seinen Sohn nachdachte, griff er das nächste Papyrus. Es war schon etwas älter und zeichnete sich als amtliches Schreiben der officia civilia aus, wie er selbst welche während seiner Amtszeit verfasst hatte. Neugierig und doch mit einer leichten Aufregung was ihn da erwartete - waren doch Amtsschreiben nur in den seltensten Fällen positiver Natur - brach er das Siegel und begann zu lesen.
    Schon bei den ersten Worten wurde er kreidebleich und blankes Entsetzen spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. 'annuntiatio mortis', Todesanzeige, stand in festen, schwarzen Buchstaben dort geschrieben und in den nächsten Zeilen stand etwas vom Auffinden einer Leiche in den Untiefen des Tibers, ...nach erfolgter Identifizierung sei klar bewiesen, daß es sich bei dem Toten um Decimus Helvetius Egnatius handele.
    Der Schock saß tief in Tacitus. Wie versteinert blickte er ins Leere. Nicht mehr Herr seiner Sinne kippte er vom Stuhl. Völlig konsterniert kniete er auf dem Boden. Nach einer Weile fasste er sich wieder. Er starrte auf die todbringende Nachricht und laß ein zweitesmal die Zeilen und den Namen. Seine Hände zitterten. Gebetsmühlenartig wiederholte er immer und immer wieder den Namen. Hier konnte es sich doch nicht um ein Mißverständnis handeln ? Der Schmerz wollte aus ihm raus. Er konnte nicht mehr. Sein Herz pumpte. Dann stieß er ihn aus, diesen dunklen, langgezogenen, herben Schrei, der einen das Mark erschüttern ließ. Luft durchströmte seine Lungen, seine Gesichtsmuskeln verspannten sich. Der eindringende Schock, die in ihm keimende Furcht wollte raus, er presste sie förmlich aus sich und bekam beinahe keine Luft mehr.
    Rasch erhob er sich von dem Boden und eilte aus seinem Zimmer. Er mußte zu seiner Frau, die er hoffte in ihrem cubiculum anzutreffen.

  • Kaum hatte Tacitus Ostia und die heimatliche Casa wiedererreicht, flatterte ihm auch schon ein Brief entgegen. Er war von Gabor, seinem Sohn, und freudiger Erwartung begann er mit dem Lesen der erste Zeilen.
    Doch was er da lesen mußte, erfreute sein Herz nicht und verfinsterte seine Miene. Wieso machte der Junge immer nur Scherereien !? Nach Africa ? Ein Landgut kaufen ? Hatte er einen privaten Gönner gefunden ? Und warum sollte jener ihm etwas gönnen ?


    Sein Kopf rauchte - vor Zorn. Er ließ Philippos rufen, um sich nach dem Stand der Reisevorbereitungen zu erkundigen. Bald würden sie aufbrechen und in einer Woche dann in Spanien sein. Wenn Gabor dann noch da wäre, würde er ihm gehörig den Kopf waschen, ansonsten würde er schon jemanden beauftragen, den Sohn aus Africa zu ihm zu führen.


    Africa ! Er schüttelte den Kopf.

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