Ein Haus wird gesucht oder die Feder eines Rabens

  • Mild und sanft sandte Helios seine Strahlen auf die winterlich verzauberte Stadt. Noch früh am Morgen glitzerte überall der frostige Tau, grausilbern, auf den gelblich vergilbten Grashalmen, die am Rande des Flusses Minicius wuchsen und in der kalten Morgenluft wie erstarrt wirkten. Dessen langsame Strömung trug einige braune Blätter von einem nahen Baum davon und schlang sich wie ein liebender Arm um Mantua. Die Stadt erwachte langsam, die ersten Bauern waren mit den Waren, die selbst einen Winter gut überstanden, unterwegs auf den allwöchentlichen Markt. Die Fensterläden wurden aufgestoßen, die ersten Läden öffneten ihre Türen und eine Gruppe von Müßiggängern schlenderte auf den Weg nach Hause, sie hatten schließlich die ganze Nacht in einer Taberna und danach in dem einzigen Lupanar in der Stadt verbracht. Eine Amsel zwitscherte und versuchte immer wieder nach oben zu fliegen, doch an ihrem filigranen Bein war sie mit einem Faden an einen Stein gebunden. Neben der Amsel im Gebüsch lauerte ein junger Mann, bereit die von dem Gesang angelockte Artgenossen zu fangen, um sie an die Vornehmen zum Verzehr verkaufen zu können. An einer Straßenecke baute ein alter Mann seinen hölzernen Schemel auf und griff nach einer grauen Schiefertafel, fuhr sich mit zittrigen Fingern durch die Haare. Bald würden die ersten Kinder der Gasse kommen, denen er für einige magere Sesterzen in der Woche das Lesen beibrachte. Seufzend ließ sich der alte Mann auf den Schemel nieder und schloss im Angesicht der Sonnenstrahlen erschöpft die Augen.


    An einer kleinen Taberna, ein gut geführtes Gasthaus, öffnete sich die Tür zu dem Schankraum. Ein kleiner zwergwüchsiger Mann tapste nach draußen, streckte sich, wölbte seinen fülligen Bauch der Strasse entgegen und rülpste leise. „Pumilus!“ vernahm der kleine Mann eine empörte Stimme hinter sich. Mit verschämter Miene, natürlich spielte er das nur vor, drehte sich der Leibsklave zu seiner Herrin um. „Tut mir Leid, Domina!“ Medeia trat aus dem Schankraum hinaus und ließ die Sonne auf ihr Gesicht strahlen, seufzte und lächelte glücklich und entspannt. Obwohl die Sonne schien, war es doch sehr kühl. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen vor ihrem mild lächelnden Mund. Mit kalten Fingerspitzen zog sie ihre goldsilberne Palla zurecht und tat den ersten Schritt, bei jeder Bewegung umschmiegte der dunkelblaue Peplos aus feingesponnenen Stoffen ihren Körper, doch sie trug darunter noch eine warme Tunica Intima. Silberne Lilienmuster schienen auf ihrem blauen Gewand wie lebende Pflanzen zu wogen als sie sich weiter von der Taberna entfernte und in Richtung des Marktes schritt. Ihr kleiner Leibsklave und Gesellschafter, Pumilus, folgte ihr mit fröhlichem Schritt. Er hatte ja auch allen Grund dazu fröhlich zu sein, seine Angebetete, Olympia, schien immer mehr aufzutauen nach den Ereignissen der Reise. Da waren die Widrigkeiten ein kleiner Preis, den der kleine Mann bezahlt hatte. „Und wo gehen wir suchen, Domina?“ Medeia schritt hocherhobenen Hauptes die gepflasterte Strasse entlang und warf ihrem Sklaven nur einen flüchtigen Blick zu. „Camillus meinte, dass der Würdenträger wohl öfters auf dem Markt anzutreffen ist wegen Stadtbelange. Wir sollen ihn dort treffen. Und Pumilus? Wenn wir uns die Häuser ansehen, dann benimm Dich bitte!“ Streng sah Medeia auf ihn herunter und schritt etwas schneller weiter.


    Ein ehrwürdiger Mann, aus Marmor gehauen, und mit einer in die Luft ausgestreckt Hand sah über die Markstände des weitläufigen Platzes hinweg. Zu seinen Füssen tummelten sich einige Tauben, die die Brotkrumen von einem jungen Mädchen wegpickten, die sie gelangweilt den Vögel vorwarf. „Rüben! Rüben!“ tönte eine kräftige Bassstimme über den Marktplatz. „Brot, warmes und frisches Brot, zwei für einen Sesterzen heute!“ Viele der einkaufenden Stadtbevölkerung waren schon hierhin unterwegs, aber auch die jungen Leute, die sich hier trafen, um den Tag mit dem Drücken vor der Arbeit zu verbringen, wenn sie welche zu erledigen hatten. Medeia schritt eine Marktgasse entlang und betrachtete sich die Waren, die angeboten wurde. Sie seufzte leise und blieb bei einem Tuchhändler stehen. Ihre Finger strichen über den groben wollenen Stoff und wieder seufzte sie leise, resigniert und nicht sehr von dem Angebot angetan. „Camillus Matinius Plautius, was ich nicht alles für Dich tue. Was für ein Kaff!“ murmelte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Langsam ging sie weiter, sah auf die schon gelblichen Äpfel, auf einige andere Früchte und blieb dann vor einem Stand mit prallen goldenen Apfelsinen stehen. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, das erste Mal seitdem sie auf dem Markt angekommen war.


    „Pumilus...“ setzte sie an zu sprechen. „Hey! Hey!“ eine donnernde Stimme unterbrach sie dann jedoch schnell. Schreie ertönten, das Klappern von Hufen und wieder ein erschrockener Ruf, gepaart mit einem: „Aus dem Weg...hey, hey!“ Einige Reiter donnerten die Strasse entlang. Ihre Pferde glänzten schweißig, hastig sprangen die Stadtbewohner zur Seite, einige Auslagen der Händler wurden mitgerissen als drei Pferde mit ihren Reitern an ihnen vorbeizogen und mitten in das Marktgedrängel hinein preschten. „Hey, hey! rief der Vorderste laut und kräftig. Gerade noch rechtzeitig packte eine Hand Medeia aus dem Nichts und zog sie nach hinten, sie stieß gegen die Zitrusfrüchte, die auf den Boden kullerten und von den Hufen zerdrückt wurden. Der Geruch von Pferd stieg Medeia für einen kurzen Moment in die Nase, dann waren die Reiter schon vorbei. Medeia, aschfahl im Gesicht, sah ihnen entgeistert hinter her. „Geht’s, junge Frau?“ fragte sie ein älterer Mann, der sie geistesgegenwärtig nach hinten gezogen hatte. „Ich...ja, danke!“ murmelte sie und funkelte den Reitern wütend hinter her. Fast hätte sie ihnen gedanklich einen Fluch hinter her geworfen, zügelte sich im letzten Moment. Sie wollte sich doch bessern. „Hach, es ist jedes Jahr das selbe, junge Frau. Wenn das Reitrennen im Frühjahr naht, dann spinnen die jungen Männer. Wollen schließlich die jungen Frauen, wie Dich, beeindrucken...jaja, jedes Jahr dasselbe. Hach, das war schon zu meiner Zeit so...“ Medeia nickte und lächelte dem Mann noch mal dankbar zu. „Wen suchen wir denn, Domina?“ fragte Pumilus ungerührt von den Reitern. Medeia schüttelte vage den Kopf und sann über den Namen nach, den ihr Plautius genannt hatte. „Aurelius! Aurelius Corvinus!“ Etwas dämmerte bei Medeia, abgesehen davon, dass ihr Schwager den selben Cognomen trug, hatte sie jenen Namen schon einmal vernommen. Hatte nicht ihr Schwager über ihn mal geflucht...?

  • Ein alter Mann, dessen kräftiger Körper aber eher den Eindruck eines Mannes in besten Jahren vermittelte, bewegte sich auf Medeia zu und verbeugte sich höflich.


    “Domina. Mein Name ist Cumulus. Ich bitte um Verzeihung für das was eben passiert ist. Einer dieser heißblütigen Reiter war mein Sohn. Sicher wird er später zu euren Füssen liegen. Zum einen weil ich ihm ein paar Ohrfeigen geben werde. Zum anderen vor Scham und der Bitte um Verzeihung, wenn er erfährt, daß er beinahe jene Dame umgeritten hat, deren Gesicht er über 2 Wochen hinweg aus Wachs geformt hat und welches ich danach in langen Monaten in Marmor für die Ewigkeit festhielt. Ihr müsst Artoria Medeia sein!


    Allerdings habt ihr euch verlaufen. Der Patriziermarkt ist einige Strassen weiter. Hier ist nur der Markt der einfachen Leute. Ich führe euch gerne dorthin. In die Welt der Reichen und Mächtigen.”

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Nachdenklich hatte Medeia den Markt betrachtet, natürlich nicht erwartet, dass ein Mann mit den latinischen Schriftzug Aurelius Corvinus vor ihr erscheinen würde. Doch auch von einem fremden Mann dererart angesprochen zu werden genauso wenig. Verwundert besah sich Medeia den Mann und hob erstaunt ihre Augenbrauen als ihr Name genannt wurde. Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass ein Fremder sie mit Namen angesprochen hatte, in Rom nicht, aber schon in Athen war das nicht selten der Fall gewesen. Trotzdem behagte es ihr nicht, Namen hatten schließlich große Macht, wenngleich der Mann ihren griechischen Namen glücklicherweise nicht kennen konnte. So lächelte sie freundlich und neigte zum Gruße den Kopf. „Salve, guter Mann!“ Noch mal sah sie in die Richtung, wo die Reiter entschwunden waren. „So, Dein Sohn?“ Und ihr Staunen wuchs noch mehr bei der Erwähnung einer Statue von ihr. Verwundert sah sie ihn schließlich an. War er ein Verrückter oder machte er einen Scherz mit ihr? Wahrscheinlich steckte sogar Plautius dahinter. Sie sah sich suchend in ihrer Umgebung um, entdeckte ihn jedoch im Menschengewirr nicht. „Eine Statue aus Marmor?“ Medeia lachte jetzt doch leise und schüttelte den Kopf. „Guter Mann, wisst ihr nicht, dass man keine Späße mit einer Fremden machen sollte?“ Dass es einen Patriziermarkt geben sollte, schien ihr jedoch absurd zu sein und wenig glaubhaft.


    Ein Funken von Misstrauen schlich sich wieder in Medeia. Wahrscheinlich war das eine Falle von dem Mann, um sie irgendwo hinzulocken. Noch von dem Ereignissen auf der Reise beeinflusst, verschloss sich ihr Gesicht. Nichtsdestotrotz behielt sie eine höfliche Miene bei und nickte dem Mann zu. „Das ist nicht notwendig. Den besagten Markt werde ich sicherlich noch finden. Und Deinem Sohn betreffend soll Dir und ihm auch verziehen sein. Vale bene!“ Medeia wandte sich ab und ging einige Schritte weiter. Kopfschüttelnd sah sie zu Pumilus herunter, der nur mit Mühe einen Lachanfall unterdrücken konnte. „Patriziermarkt? Siehst Du hier einen Solchigen?“ Pumilus schüttelte hastig den Kopf und gluckste leise. „Nein, Domina. Soll ich suchen gehen...Statue...gnhihi...?“ Medeia sah ihn abermals strafend an, wie schön öfters an jenem Tag. „Nein! Du kannst stattdessen Dich nach dem Magistratus umhören!“ Pumilus nickte eifrig und steuerte den nächsten Mann an, der einen Wagen hinter sich herzog. „Salve, bist Du Aurelius Corvinus? Nein, sicherlich nicht, aber wo finde ich den Mann?“ Der Lastenträger zuckte mit der Schulter und marschierte weiter. Der Nächste und auch die Übernächste konnte Pumilus genauswenig weiterhelfen. Pumilus seufzte resigniert und marschierte zu einem Mann mit einer Toga. „Salve, Aurelius Corvinus? Wisst ihr, wo der Magistrat zu finden ist? Man sagte, er wandelt gerne morgens auf dem Markt...“ Hoffnungsvoll sah Pumilus hoch...

  • Wie jeden Morgen war ich nicht allzu spät nach dem Erscheinen der ersten Sonnenstrahlen erwacht. Mein cubiculum lag im Osten, weswegen es des Morgens sonnendurchflutet im Schein der goldenen Himmelsscheibe dalag und mir den Einstieg in den Tag erleichterte, selbst im Winter. Ich ließ mir wie immer mein ientaculum, bestehend aus Brot, Eiern, Honig und moretum, auf mein Zimmer bringen, um es dort wie gewöhnlich allein zu verzehren. Alle Sklaven wussten, dass sie mich vor dem Ende des Frühstücks besser nicht ansprachen, denn ich redete früh morgens nicht gern. Anschließend ließ ich Camryn kommen, damit sie mich ankleiden konnte. So hielt ich es jeden Morgen, so auch diesen.


    Mit einem Sklaven im Schlepptau, der die tabulae und Schriftrollen trug, die ich abends noch bearbeitet hatte, verließ ich kurz darauf die villa Aurelia in Richtung curia. Lange hielt ich mich allerdings nicht dort auf, vielmehr tauschte ich den Sklaven gegen einen hageren, hakennasigen und griesgrämig dreinblickenden scriba und verließ das Rathaus wieder, um mich auf die Märkte zu begeben, ebenfalls wie jeden Morgen. Mantua lag zu weit abseits von Rom, als dass die Magistrate der ewigen Stadt die ständige Marktaufsicht hätten übernehmen können. Also oblag es Didius Albinus und mir, die Händler zu kontrollieren. Albinus und ich hatten jedoch die Aufgaben eines duumvir untereinander aufgeteilt, und somit oblag mir die allmorgendliche Marktbegehung. Heute allerdings stand neben dieser Angelegenheit noch eine weitere an, denn der praefectus castrorum, Matinius Plautius, suchte nach einem einem geeigneten Wohnhaus in der Stadt. Natürlich hätte ich diese Angelegenheit auch auf den hakennasigen Mann neben mir abwälzen können, doch Livius Pyrrus war nicht gerade dafür bekannt, besonders freundlich zu sein, noch besonders gut anpreisen zu können. Außerdem betrachtete ich die Bitte des Matiniers als eine Art privaten Gefallen, den ich ihm tun würde. Ich hatte ihn heute auf den Markt gebeten, damit wir die vier Häuser begehen konnten, die ich ihm anzubieten hatte, weil sie seinen Kriterien entsprachen. Bald erreichten wir den Markt.


    "Wie sieht denn der aus, dieser Martinibus?" "Matinius. Pyrrus, tu mir einen Gefallen und reiß dich zusammen. Diese Angelegenheit könnte für mich privat von Wert sein und ich möchte nicht, dass du sie in deiner bekannt liebenswürdigen Art zunichte machst." Pyrrus murmelte etwas, das ich lieber nicht verstand, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Ich sah suchend über die für den Morgen schon erstaunlich große Menge an Menschen, die ihre täglichen Einkäufe auf dem mercatus tätigten.


    "Vielleicht der da?" meinte Pyrrus ziemlich lustlos und deutete mit der Schulter auf einen Lastenträger. Ich schüttelte den Kopf. "Wir suchen einen Soldaten, Pyrrus. Einen hochrangigen Offizier.." Pyrrus zuckte abermals mit den Schultern und schlurfte weiter. Manchmal schämte ich mich für ihn, aber ihn hinauszuwerfen, brachte ich auch nicht übers Herz. So seufzte ich und ging weiter über den Markt. Es wäre vermutlich doch besser gewesen, einen konkreten Treffpunkt zu vereinbaren. Diese Idee kam allerdings einen Tick zu spät.Wir überquerten den Platz einmal und kehrten dann um. Einige Bürger erkannten und grüßten mich, andere hasteten eilends vorbei. Und schließlich stand ein ziemlich kleiner Mann vor mir, sah von unten zu mir auf und nannte mich beim Namen. Sichtlich verdutzt blickte ich auf den Knirps herunter und fragte mich, was er getan hatte, dass die Götter ihn mit einer solchen Gestalt straften.


    "DAS ist er?" scharrte es neben mir. Livius Pyrrus stemmte seine dürren Arme in die Seite, die Wachstafeln darunter geklemmt, und grinste von einem Ohr zum anderen. "Natürlich nicht", berichtigte ich entnervt und seufzte. "Ja, Aurelius Corvinus. Du stehst vor ihm. Kann ich dir in irgendeiner Weise behilflich sein?" fragte ich den Winzling, obwohl ich nicht glaubte, dass ich hierzu im Stande war. Wer die Götter derart gereizt hatte, dem war nicht mehr zu helfen.

  • Plautius pflügte durch die Menge, welche ihm bereitwillig Platz machte, wobei ihm sein Helmschmuck gute Dienste leistete. Offiziere wurden so auf den ersten Blick erkannt. Natürlich blieb es nicht aus, dass die Händler ihre Angebote anzupriesen, denn dass er eines der größen Lupanare in ganz Mantua hatte, war allgemein bekannt, auch wenn keiner das Thema unbedingt direkt ansprach. Da nannte man dann schon eher seine „glücklichen Kühe“. Welcher Händler wollte am Verkaufsstand denn in Gegenwart seiner Frau zugeben, dass er das Lupanar des Praefectus kannte.


    Nur einmal blieb Plautius kurz stehen und wechselte einige Worte mit jenem Künstler, Cumulus, welcher ihm Medeia für die Ewigkeit festgehalten hatte. Nachdem der Steinmetz einige Zeit von Medeias Schönheit im Original geschwärmt hatte und um den Auftrag für eine komplette Statue von ihn ersucht hatte, wies er Plautius mit dem Arm die Richtung, in die Medeia entschwunden war.


    Nach kurzer Zeit hatte er sie auch schon entdeckt. Ein blühende Rose inmitten einer Wiese voller Unkraut. Er schloss zu Medeia auf und sprach diese auf Griechisch an. Und sei es nur um einigen neugierigen Soldaten klar zu machen, dass ihre Aufmerksamkeit woanders sein sollte.


    „Salve, schöne Muse. Ist es gestattet auszusprechen, wie hübsch du heute morgen bist. Erlaubst du es einem etwas übermüdeten Mann dich ein Stück zu begleiten? Da ich sehe, dass die Schwärmereien von Cumulus dem Steinmetz über deine Schönheit der Wahrheit entsprechen, habe ich das Verlangen ein Wenig an deiner Seite zu verweilen.“


    Plautius lächelte Medeia ganz unschuldig an.


    „Allerdings hätte ich dich ehrlich gesagt an einer anderen Ecke von Mantua auf dem Markt gesucht, wenn man mir nicht gesagt hätte, dass du hier gesehen wurdest. Ich bedaure, daß ih mich etwas verspätet habe. Aber nachdem ich mich in aller Frühe aus der Herberge geschlichen habe um dich nicht zu wecken, wurde ich noch im Castellum aufgehalten. Und ich mußte noch einiges für ein Abendessen organisieren, zu dem ich dich gerne einladen würde."

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  • Im Sonnenlicht schmolz das Eis der letzten Winternacht ganz langsam dahin. Die wenigen Eiszapfen, die an den Häuserdächern herunterragten, glänzten feucht in dem warmen und güldenen Licht. Die Tropfen perlten am den frostigen Bartkämmen entlang und steten Rhythmus auf den Boden oder die Stände des Marktes herunter. Auch die imposante Männerstatue, die mit einem hochmütigen Weitblick über die Stadt hinweg zu schauen schien, verlor den silbernen Raureif des Morgens. Pumilus stampfte auf und rieb sich seinen eisigkalten Finger. Doch trotz der Kälte sah er recht beschwingt aus.


    Oh Fortuna, oh ihr Parzen, was für ein Glücksfall! Selig strahlend, mit so einem wahrhaft schnellen Erfolg hatte Pumilus nicht gerechnet, sah er an dem Mann in der Toga hoch. „Guten Morgen, Herr. In der Tat kannst Du mir behilflich sein, mein Herr. Die Dame dort…“ Er wandte sich um und spähte zurück, wo er Medeia zurückgelassen hatte, erblickte dabei den herannahenden Plautius. „…und der Herr haben mich ausgeschickt, nach Dir zu suchen, Herr. Wenn Du vielleicht einen Moment erübrigen könntest? Ich führ Dich gleich zu ihnen, Herr…“ Schon drängte er Corvinus einen Weg durch die kauflustigen Römer und deren Sklavenanhängsel.


    Feine kleine Wölkchen stoben von Medeias Lippen als sie tief Luft holte und ihren warmen Atem in die kühle Morgenluft entweichen ließ. Ruhig wartete sie im Strom der Marktgänger und besah sich die Stände aus der Ferne. Zum Einkaufen war sie nicht gekommen und deswegen interessierten sie die Auslagen mittlerweile nur noch mäßig. Plautius bemerkte Medeia erst als er direkt bei ihr stand. Mit einem strahlenden Lächeln begrüßte sie Plautius. Sie wandte sich im Treiben ihm ganz zu und strich kurz mit ihrem Handrücken über seinen Unterarm. „Einen wunderschönen guten Morgen, Camillus. Es sei Dir gestattet, sowohl was das Kompliment angeht, als auch mich zu begleiten. Eigentlich wäre es angebracht, es umgekehrt zu bezeichnen, immerhin möchtest Du das Haus erwerben.“


    Medeia schmunzelte, die Sonnenstrahlen spielten mit den hauchzarten Perlengeflecht, der ihre kunstvoll geflochtenen roten Locken durchwoben. Einer der wenigen Dinge, die sie vor dem Geschmeiß der unsicheren Strassen hatte retten können. Verwundert warf Medeia ein Blick in die Richtung, in der jener ominös Mann verschwunden war. „Steinmetz? Dann hat er doch keinen Scherz mit mir getrieben?“ Ihre Augen weiteten sich als sie den nahe liegenden Schluss zog. „Hast Du etwa eine Statue in Auftrag gegeben, Camillus, von mir?“ Doch Medeia kam weder dazu noch weiter ihrem Erstaunen Ausdruck zu geben, noch etwas zu der Einladung zu erwidern, denn just trat Pumilus hinzu. „Domina, ich hab den hochwürdigen Aurelius Corvinus gefunden, hier ist er, Domina. Ah, Salve, Dominus!“ Pumilus vollführte einen angedeuteten Kratzfuß in Richtung von Plautius und stellte sich dann zur Seite. Mit einem freundlichen Lächeln wandte sich Medeia um und neigte höflich den Kopf. „Salve, werter Aurelius Corvinus.“ grüßte Medeia ihn ruhig und vertraute darauf, dass Plautius sie schon vorstellen würde.

  • Oha! Hm! Das war jetzt eine Situation, die Plautius hatte vermeiden wollen. Jetzt war er auf Gedeih und Verderb auf Venus, Aphrodite, Juppiter, Mars und Medeia angewiesen.


    Die letzte Nacht war ein ekstatischer Rausch gewesen und er war sich nicht sicher, ob er Medeia in den frühen Morgenstunden jetzt noch einem Heiratsantrag gemacht hatte oder nicht. Hatte er? Aber hatte Medeia nicht gerade gesagt „immerhin möchtest Du das Haus erwerben“? Du, nicht wir. Verdammt! Bei Mars Eiern und Junos Titten und Venus Arsch! Verdammt!


    Eine eiskalte Ruhe erfasste plötzlich Plautius als er sich zum Duumvir umwandte. Irgendwo im Gehirn und Herzen von Plautius trat jene Ruhe ein, welche nur Soldaten im Angesicht des Todes oder unmittelbar vor einer Schlacht kennen lernen. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Nur noch Plautius schien sich im Universum bewegen zu können. Seine Lippen bewegten sich, als er sich dem Aurelier zuwandte.


    “Salve Aurelius Corvinus. Schön, daß du es so kurzfristig einrichten konntest dich persönlich um den Erwerb einer Casa durch uns zu kümmern. Ich erlaube mir dir meine charmante Begleitung vorzustellen. Dies ist Artoria Medeia, meine zukünftige Frau.”


    Seine Lippen bewegten sich, aus weiter Ferne drangen seine eigenen Worte an Plautius Ohren. Argh! Er hatte es ausgesprochen, aber was würde Medeia dazu sagen? Wie würde sie reagieren? Und dann lief die Zeit wieder ...


    Ein Teil von ihm versuchte sich selbst zu beruhigen. Welche Frau reiste schon von Roma nach Mantua nur weil sie ihn aufsucht um über Literatur zu reden. Welche Frau reist von Roma nach Mantua nur um mit ihm zu schlafen?


    Andererseits hatte er Medeia gerade den wohl primitivsten Heiratsantrag in der römischen Geschichte gemacht. Selbst Romulus und Remus hatten sicher beim Raub der Sabinerinnen an deren Türen zuvor angeklopft, bevor sie sich die Frauen über die Schultern warfen. Plautius fühlte sich gerade wie so ein Hermann von der feindlichen Seite des Limes. Fehlte nur noch, daß er rülpste und sich jetzt am Hintern kratzte. Oder war sie nur wegen ihrem Patronus hier?


    Plautius betete zu Juppiter, daß er ihm mit einem Blitzstrahl zu Asche ohne Nachglut verwandeln möge, wenn Medeia sich jetzt aufregen und ihm eine Szene machen würde. Und wenn Juppiter keine Zeit hätte oder er, Plautius, keinen Blitzstrahl wert war, dann bliebe als letzte Hoffnung noch MARS, welcher persönlich um die Ecke kommen möge um ihm mitzuteilen, daß die Barbaren in Germania den Limes und die Legio II überrannt hätten. Und die Legio I sofort die nächsten 20 Jahre ins tiefste Germania abreisen müsse um die Grenzen zu befriedigen.


    Plautius hatte das Gefühl, daß sein Herz ihm bis zum Hals schlug, während er seinen Blick ohne weitere äußere Regung auf dem Dumvir behielt. Er musste nur lange genug bis zum Abend durchhalten. Vielleicht konnte er Medeia dann einiges erklären und retten was noch zu retten war.


    Verdammt, wo war die durchtriebene Beredsamkeit von seinem Bruder Agrippa und der anderen Matinier, wenn er sie mal brauchte?


    Er traute sich nicht so recht seinen Blick auf Medeia zu wenden.

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  • Während Livius Pyrrus noch aufdringlich grinste, versuchte ich, nicht ganz so entnervt auszusehen. Dieser scriba würde mich noch einmal in den Wahnsinn treiben, das wusste ich einfach. Trotzdem war er einer der wenigen, die ihr Geld wert waren, wenn es um die eigentlichen Aufgaben eines Schreibers ging. Ich blickte geflissentlich auf den Knirps herunter und folgte dann seinem ausgestreckten Zeigefinger, bis mein Blick auf eine Dame in Blau mit roten Haaren fiel. Nicht weit davon entfernt erspähte ich auch den Soldaten, auf den mich der kleine Mann eben aufmerksam machte.


    "Ah, ja..." begann ich, als ich mich auch schon gezupft und geschoben fühlte, da der Zwerg mir einen Weg bahnte und dabei nicht gerade zimperlich umging. Weder mit mir, noch mit den Passanten, die im Weg standen. Pyrrus tapste schadenfroh grinsend hintendrein.


    Kurz darauf kamen wir bei den beiden an. Ich konnte mir nicht helfen, irgendetwas an der Situation war kurios, doch vermochte ich nicht zu sagen, was es denn war. Die Frau grüßte, stellte sich aber nicht vor. Dafür übernahm dies Matinius Plautius. Ich neigte grüßend den Kopf in Richtung der Artorierin. Ihr Name war mir durchaus ein Begriff, denn wer kannte nicht die Geschichten der selbstbewussten Medeia oder auch Medea, die man sich in Griechenland erzählte? Ich war praktisch damit groß geworden.


    "Medeia, welche ein seltener Name, verbindet man doch zumeist bestimmte Charakterstärken mit ihm. Erlaube mir zu erwähnen, dass du einer eben erblühte Knospe Konkurrenz machst. Dein zukünfitger Ehemann kann sich glücklich schätzen", sagte ich mit durchaus ernst gemeintem Ton, wenngleich mir rothaarige Frauen persönlich nicht zusagten. Außerdem wusste ich, dass sie einst aedilis gewesen war. Etwas, das ich nicht schätzte, doch deswegen hatten wir uns hier nicht eingefunden, also tat es momentan nichts zur Sache. Man wusste sicherlich ohnehin, wie ich zu diesen Dingen stand.


    "Und auch dir ein salve, Matinius Plautius. Dies ist übrigens Livius Pyrrus, mein scriba personalis. In seinen Händen befinden sich weiterführende Informationen zu den vier Häusern, die es zu besichtigen gilt. Er ist also quasi unser Führer an diesem Tage."
    An dieser Stelle traf Pyrrus ein Blick, der besagte, dass er längstens mein scriba gewesen war, wenn er diesen wieder einmal Tag vermasselte. Pyrrus schaute griesgrämig drein, rang sich aber immerhin zu einem "Tag." durch.
    "Wie steht es, wollen wir gleich losgehen?

  • Medeia schien den Mann ja schon zu kennen. Das verwunderte Plautius nicht, denn Medeia verkehrte auf vielen gesellschaftlichen Anlässen. Vielleicht hatte sie auch schon einmal beruflich mit ihm zu tun gehabt.


    „Von uns aus kann es gerne losgehen. Ich bin schon mal gespannt, was so angeboten wird. Auch wäre es mitunter interessant etwas über die jeweilige Nachbarschaft zu erfahren. Ich erinnere mich in meiner Jugend mal an einen Besuch in Baiae, wo unsere Unterkunft keine direkte Nachbarschaft hatte. Das wurde besonders angepriesen, als mein Vater das Landhaus anmietete, weil er sich erst einmal die Gegend anschauen wollte, bevor er es später erwarb. Im Endeffekt war es aber egal, denn der nächste Nachbar 400 Schritt entfernt ließ jeden Morgen einen Gesang und ein Lautenspiel erklingen, dass die Milch in meinem Becher sauer wurde.


    Damit konnte der selbst Lemuren und andere Kreaturen der Unterwelt in die Flucht schlagen. Und das auf 400 Schritt.“

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  • Der kühle Winterwind spielte kess mit dem Saum von Medeias bodenlangen Tunica, ließ die silbernen Lilien auf dem Gewand erzittern, und wellte die Ränder ihrer goldsilbernen Palla. Medeia fröstelte leicht in der morgendlichen Kühle, die die schwache Wintersonne nicht zu vertreiben vermochte. Nur subtil veränderte sich ihr freundliches Lächeln als Plautius sie vorstellte. Ihre Augenbraue wölbte sich überrascht nach oben, für einen sehr kurzen Moment, dann gewann sie sofort wieder ihre Fassung wieder, sie waren schließlich in der Öffentlichkeit. Ein geschmeicheltes Lächeln huschte über ihr Gesicht, auch Medeia war nicht frei von Eitelkeit, eher im Gegenteil. Aber welche Frau konnte dies schon von sich behaupten? „Ich danke Dir, werter Aurelius Corvinus. In meiner Heimat ist der Name durchaus öfters vorzufinden.“ Ihr Lächeln wurde zu einem schelmischen Schmunzeln. „Doch hoffe ich, nicht viel mit meiner Namensgeberin gemein zu haben. Und eine Hexe rühme ich mich nicht zu sein. Aber wer weiß das schon?“


    Ihr Blick folgte bis zu dem Scriba, dem sie höflich und grüßend zunickte. Dass der Scriba schon am frühen Morgen an der Seite seines ‚Vorgesetzten’ war, erschien Medeia schon als ein Beweis seines Fleißes. Ihr Scriba im Amte als Aedilin schien frühestens am späten Vormittag im Officium auftauchen zu können, musste erstmal ausgiebig frühstücken und nahm, wie es ihr erschien, schon eine Hora später seine erste Mittagspause. Jeder Scriba, der eine andere Verhaltensweise offenbarte, war für sie der Fleiß in Person. Zustimmend nickte Medeia. „Ja, gerne, sehen wir uns doch die möglichen Domizile an.“ Jetzt, wo Plautius nicht mehr ihrem Blick auszuweichen schien, sah sie zu ihm. In ihren Augen stand ein nicht zu deutender Ausdruck. „Ein Lautenspieler? Oh, das ist eine formidable Idee. Wir müssen uns auch unbedingt einen erwerben. Aber einen, der die Milch nicht sauer werden lässt.“ Medeia schien noch etwas einzufallen, sie sah mit einem Lächeln zu Corvinus. „Einen großen Garten sollte das Haus schon besitzen. Und es sollte nicht allzu klein sein. Keine Casa, mehr ein vornehmes Domus. Nicht wahr?“ Sie sah gefährlich lächelnd zu Plautius, für ihn waren härtere Zeiten angebrochen nach diesem Faux Pas vor wenigen Momenten. (:] )

  • Huch! Medeia verneinte zwar, dass sie eine Hexe war, aber vielleicht war sie es ja doch. Darüber hatte Plautius sich noch nie Gedanken gemacht. Aber stammte diese Hexe Circe nicht auch aus der Ecke Griechenland?


    Öööööh! Domus? Vornehmes Domus? Lautenspieler? Seufz. Plautius sah das Ende jedes guten Ehemannes kommen: ein leerer Beutel mit Sesterzen. Vermutlich heirateten junge, hübsche Frauen deshalb oft alte Senatoren. Damit der alte Sack das Ende mit dem leeren Beutel nicht mehr erlebte. Sicher reichten 1500 Sesterzen vermutlich gerade mal für ein neues Kleid von Medeia.


    Plautius sah dieser Herausforderung eiskalt ins Auge. Er verdiente gut und hatte 3 große Grundstücke, des weiteren mehrere Betriebe, die ganz passabel liefen. Und sein Bruder Agrippa suchte ja auch immer nach Möglichkeiten sein Geld los zu werden. Den konnte man auch noch anschnorren. Verdammt, das erinnerte ihn daran, dass er seinen Nichten schon länger kein Taschengeld mehr geschickt hatte. Und ansonsten konnte er ja noch einen Zweitverdienst annehmen. Berichterstatter für die Acta, Auftragsmörder oder so. Sicher ließen es sich viele Patrizier etwas kosten, dass man ihre Verwandten nicht von Artorius Avitus über den Exerzierplatz schleifen ließ. Dessen Ruf als härtester Ausbilder der Legio I hatte sich ja sicher herum gesprochen. Sonst könnte man hier ja mal einen Leserbrief an die Acta verfassen und dessen Ruf etwas verbreiten.


    Er wandte sich an Medeia.


    „Ich habe nichts gegen einen Lautenspieler einzuwenden. Ich mag Musik und Theater, auch gegen ein vornehmes Domus habe ich nichts einzuwenden. Aber ich bin strikt gegen eine Villa oder ein zu großes Anwesen!


    Zum einen ist es sehr schwer, so ein Anwesen zu unterhalten. Man braucht ganze Centurien von Dienern und Sklaven und bei denen muß man ewig aufpassen, dass sie nicht aus der Reihe tanzen. Wenn ich also in der Legio bin und du vielleicht mal eben in Roma einkaufen willst, dann wäre es nicht erbaulich, wenn ich nach unserer Rückkehr jedes Mal mit eiserner Faust auf den Tisch hauen muß. Ich spreche aus Erfahrung von unseren Häusern in Roma und Tarraco. Sklaven neigen stets dazu zu einer Lotterbande zu werden, wenn sie nicht mit strenger Hand geführt werden. Zum Glück ist mein Bruder Fuscus da strenger als meine nichtsnutzigen Neffen.


    Zum anderen ist es sehr schwer ein sehr großes Haus behaglich zu machen und einem das Gefühl zu vermitteln zu Hause zu sein. Nimm nur mal die Villa Tiberia in Roma. Also von dem Wohlfühlaspekt will ich da gar nicht reden und setz dem mal unsere Anwesen gegenüber, egal ob jetzt Gens Matinia oder Gens Artoria.“


    Plautius wusste, dass Medeia einmal im Kaiserpalast gearbeitet hatte. Vielleicht sehnte sie sich nach solch einem Anwesen, aber Plautius war nicht erpischt darauf Aurelius Sophus oder Claudius Vesuvianus als Nachbar zu haben. Das sprach gegen eine Villa. Offensichtlich hatten sie ja auch schon beide verschiedene Vorstellung von dem Wort Casa. Sie dachte doch hoffentlich nicht, dass er mit einer Casa eine spartanische Bretterbude verband. Nein, eine Casa war für Plautius das, worin die Gens Matinia, Gens Artoria oder Gens Decima heute in Roma wohnten. Und ob Medeia viele Sklaven mit harter Hand und der erforderlichen Strenge führen konnte? Schließlich wäre das Haus ihr Reich und da wollte ihr Plautius nach dem Erwerb möglichst wenig reinreden. Das würde noch was geben bis da ein Haus gefunden war.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Die liebe Nachbarschaft, ja. Das war ein Thema, mit dem ich mich hier in Mantua den Göttern sei Dank nicht richtig beschäftigen musste, denn die Landgüter standen nicht dicht an dicht und das nächste Anwesen war das der Claudier, die man nicht hörte, selbst wenn Musiker anwesend waren. Der Gedanke allerdings, dass Claudius Vesuvianus frühmorgens zum Schreck der Leute die Laute quälen würde, rang mir ein knappes Grinsen ab. In Rom hingegen sah es schon anders aus mit den Nachbarn. Dort waren die villae zwar auch mächtig, standen aber dichter aneinander. Manches Mal hatte man dort schon Keramik an Wänden zerbrechen hören, was vermutlich mit der lauen Stadtluft aus der casa vinicia herangetragen worden war und nichts anderes als einen Ehestreit verhieß.


    "Keine Sorge, es sind ruhig gelegene Häuser, die sicher euren Ansprüchen genügen werden und auch noch Platz für Erben vorweisen können. Alle besitzen übrigens einen hortus, das letzte einen angelegten Rosengarten", versicherte ich beruhigend, weil ich Medeias Blick auffing. Pyrrus scharrte genervt mit dem Fuß, wobei er aussah wie eines jener Wildschweine, welche die umliegenden Wälder Mantuas beheimateten. Sein Blick bedeutete nichts anderes als die stumme Frage, ob wir uns noch lange die Füße in den Bauch stehen oder endlich los gehen wollten, und so bedeutete ich dem grimmigen scriba und den beiden baldigen Brautleuten, gen Südwesten voranzugehen.


    Während uns die Schritte über den Markt trugen, entbrannte schräg hinter mir eine voreheliche Diskussion die Domizile betreffend. Ich verbarg mein Schmunzeln und meinte, sogar Pyrrus' Mundwinkel kurz zucken zu sehen. Vermutlich war er froh, weder Weib noch Kinder zu haben. Andererseits fragte ich mich, wie man denn froh sein konnte, wenn man eine schäbige insula in der Nähe der cloaka sein Heim nennen konnte. Mysteriöserweise sprach diese Vorstellung mein Mitgefühl an und ich beschloss, Livius Pyrrus ein Extrataschengeld zukommen zu lassen, wenn er den heutigen Tag und seine Aufgaben nicht in den Sand setzte. Der praefectus indes hatte wahrlich gute Gründe, die gegen ein villengleiches Anwesen sprachen, und er ahnte vielleicht nicht, wie Recht er mit seiner zur Lotterbande mutierten Sklavenschaft hatte. Ich dachte da an die aurelischen Sklaven, die schon in der kurzen Abwesenheit für die Tagesgeschäfte in der curia aufmüpfig und faul wurden. Wir verließen gerade den mercatus und bogen in eine Seitengasse ein, als Plautius etwas erwähnte, auf das ich eingehen wollte.


    "Die villa tiberia habe ich selbst auch schon mit eigenen Augen von innen gesehen. Selbst in einer Stube der legio ist es wohnlicher als dort, auch wenn ein wirklich nettes impluvium ihr atrium ziert."...was allerdings auch das einzige war, das den Aufenthalt in dieser villa angenehm gestaltete, sah man von der Anwesenheit meiner alten Bekannten, Tiberia Albina, einmal ab.


    "Vielleicht sieht man sich die Häuser erstmal an, ehe man über die Inneneinrichtung nachdenkt", murrte Pyrrus vor mir her schlurfend leise und entlockte mir ein theatralisches Seufzen. Die Summe des zusätzlichen Taschengeldes schrumpfte um ein Viertel, ehe ich mich fragte, ob Medeia tatsächlich aus Griechenland stammen mochte. Ich ließ mich zwei Schritt zurück und neben die beiden fallen, musterte sie kurz und entschloss mich, sie einfach zu fragen.
    "Deine Heimat ist Griechenland? Ich war während meiner Ausbildung dort und habe das Land und dessen Einwohner sehr zu schätzen gelernt."


    Kaum hatte die Artorierin hierauf geantwortet, blieb Pyrrus stehen und wandte sich mit einem triumohierenden Grinsen um.
    "Wir sind da", krähte er und deutete mit einem Ellbogen auf ein Haus, das sich von den anderen insofern abhob, dass es keinen direkten Kontakt zu nebenstehenden Häusern hatte. Es wirkte grün drumherum, vielleicht etwas ungepflegt, aber das war nichts, was man von einer kräftigen Sklavenhand nicht bewältigen lassen könnte. Es hatte zwei Stockwerke und schien alles in allem mehr casa denn domus zu sein. Der Garten schloss sich hinter dem Haus an, ein Peristyl fehlte.

  • Zartweiße Wolkenschlieren wurden mit der kühlen Brise über den winterlich blauen Himmel gezogen, zerfaserten immer wieder, wenn sie gebeutelt vom Wind in alle Richtungen gerissen wurden. Zwischen ihnen strahlte die Sonne hernieder und teilte sich in viele gleißende Strahlen, die mit ihren Lanzenspitzen die Erde auf zuspießen drohten, doch sie waren nur mehr wie ein leichter Wärmehauch zu erspüren. Hätte Medeia einen Fächer besessen, es wäre wohl der Moment gewesen, dass sie ihn gezückt hätte, und bedeutungsvoll Plautius ihre innerlichen Regungen damit offenbart, mal mit schnellen, dann mit trägen Bewegungen, um sowohl die Contenance zu wahren als auch den äußeren Eindruck eine friedliebendes Paares nicht zu täuschen. Doch dafür war es einige Jahrhunderte zu früh und Medeia warf Plautius nur einen bedeutungsvollen Blick zu. „Ich denke an der nötigen Strenge, die selbst in unserer Abwesenheit ausreicht, wird es in unserem Haus nicht mangeln.“ Medeia war keine Frau, die zu weichherzig gegenüber Sklaven war. Wenn sie auch nichts davon hielt, die Sklaven unnötig zu quälen, so waren die Peitsche und das kühle Wort durchaus in ihrem Domus auch gebräuchlich. Aber ihre Wut ließ Medeia stets an dem Geschirr und Vasen aus, die in ihrem Zimmer standen, und das nicht allzu selten.


    Während ihr kleiner Sklave hinter ihrem Rücken noch die Gunst der Stunde nutzte und drei Apfelsinen stibitzte, immer noch waren die Händler damit bemüht wieder Ordnung in das von den Reitern angerichtete Chaos zu bringen, wandte sich Medeia abermals dem Duumvir zu. „Dann bin ich sehr gespannt, werter Aurelius. Wir werden Dir bedingungslos folgen.“ Die Gefilde des Konsums und Kaufrausches, wenn man das vom dem kleinen Markt in Mantua behaupten durfte, hinter sich lassend, schritt Medeia an der Seite ihres, überraschend für sie an jenem Morgen, Anverlobten entlang und betrachtete sich mit Neugier in den Augen die Straßenzüge und die Häuser, die in vieler Hinsicht jeder Gasse in Rom glich, nur, dass Rom wesentlich schmutziger ihr oftmals erschien. Pumilus derweil pfiff leise und fröhlich vor sich hin, folgte in einigem Abstand und fing an mit den Zitrusfrüchten zu jonglieren, als absonderlicher Sklave lernte man allerhand in seinem Leben und auch in seinem, doch nicht kurzem, Dasein hatte er einige Male die Aufgabe eines Unterhalters gehabt.


    Überrascht wölbte Medeia ihre Augenbraue in die Höhe als sie die Worte von der Villa Tiberia vernahm, unterließ es jedoch sich dazu zu äußern, hielt es für eine patrizische Rivalität, denn eigentlich war ihr nichts ungewöhnliches an der Villa Tiberia damals aufgefallen als sie dort eingeladen war. Medeia neigte leicht den Kopf. „In der Tat, ich komme aus Athen. Meine Mutter war eine Griechin!“, antwortete Medeia und sah zu dem ersten Objekt ihrer Besichtigung. Medeias Aufmerksamkeit wurde vollends davon gefangen und sie schritt durch das kleine Gatter und trat durch die Tür. Leise summend folgte ihr Sklave hinein, betrachtete den Scriba und reichte ihm mit einem schiefen Grinsen eine Apfelsine ehe er flink hinter seiner Herrin her rannte. Laub knirschte unter Medeias Sandalen als sie durch das doch minime Atrium schritt, die geschmacklos grellen Fresken betrachtete und hinauf spähte durch die Öffnung, die über dem Impluvium lag. Bestimmt und mit dem wissenden Blick einer Frau durchquerte Medeia die einzelnen Räume und stieg noch die Treppen hinauf zum oberen Stockwerk. Dort angekommen wartete sie bis Plautius ihr folgen konnte. „Ein oberes Stockwerk ist keine schlechte Angelegenheit, aber mehr bietet dieses Haus leider nicht. Ich denke mal, wir schauen noch weiter.“ Sie warf Plautius ein doch wieder milderes Lächeln zu und stieg wieder die Treppen hinab, trat zu Corvinus und lächelte. „Sicherlich ein ansehnliches Haus, aber es entspricht nicht ganz unseren Vorstellungen. Vielleicht doch etwas mehr am Stadtrand, wenn Du dort etwas anzubieten hättest?“

  • Plautius schüttelte den Kopf.
    "Sagt mir auch nicht so zu. Außerdem ist das untere Mauerwerk etwas feucht und die Mosaike sind beschädigt und an der Heizung im Fussboden wurde auch schon mal gearbeitet. Das kann man im Nebenraum erkennen. Da hat ein Handwerker mal den halben Boden aufgestemmt und wieder versiegelt. Aber der Handwerker kam gleich 3x, denn er hat jedes Mal einen anderen Putz verarbeitet. Wir schauen uns erst einmal alle Häuser an."


    Plautius Hand streichelte kurz Medeias Rücken, bevor er wieder zu Corvinus ging. Er war schon auf das nächste Haus gespannt. Stadtrand hatte auch sein Gutes.

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