Treffen im Atrium Vestae

  • Ich hoffte, viele Mädchen, hätten meinen Anschlag gelesen und würden sich am Treffen beteiligen. Der Raum im Atrium Vestae stand schon betreit, Stühle luden zum gemütlichen Zusammensitzen ein und Kerzen für Licht, wenn es gegen den Abend ging, waren im Zimmer verteilt.

  • Wenn das Papa wüßte! Bestimmt würde er ihr sogleich die Apanage streichen und sie auf der Stelle nach Ravenna zurückzitieren. So ging es Leontia durch den Kopf, als sie, begleitet von ihrer nubischen Leibsklavin, endlich das Atrium Vestae erreichte. Ein aufregender Weg lag hinter ihr. Zuerst einmal hatte sie ihrer Amme entschlüpfen müssen - Leontia war fest davon überzeugt, dass die alte Dido alles, was sie tat oder nicht tat, haarklein an ihren Herren, Leontias Vater weiterleitete. Und der hatte ihr nun mal verboten, sich weiter für die Vestalinnen zu interessieren, für diese 'blutleeren, vertrockneten Jungfern', wie er sie, bar jeder religiösen Ehrfurcht, zu betiteln pflegte.


    Doch als Leontia den Aushang gelesen hatte, war sie sofort wild entschlossen gewesen. Unter dem Vorwand eines Thermenbesuches war sie am Nachmittag mit ihrer treuen Salambo zusammen aufgebrochen, hatte sich dann, um keine weiteren Sklaven des Hauses einzuweihen, eine Mietsänfte genommen, und war so, mit einigen Umwegen, sehr aufgeregt aber wohlbehalten am Hause der Vestalinnen angelangt.


    Noch immer glühten ihre Wangen, belebt von dem kleinen Abenteuer und von ihrem Ungehorsam. Eilfertig nahm Salambo ihr den langen Mantel von den Schultern, es war, der Tarnung halber, eine schlicht gehaltene weiße Paenula. Darunter trug Leontia eine lange, fließende Tunika von blassblauer Farbe, die nur dezent mit kleinen Perlenstickereien am Saum verziert war - Leontia wollte gleich zeigen, dass sie nicht hoffärtig war. Auch ihr Haar war heute ohne Extravaganz zurückgeflochten, und beim Schmuck hatte sie sich sparsam für ein Silber-und-Mondstein-Ensemble entschieden.


    So gewappnet betrat Leontia, erfüllt von Ehrfurcht und Neugierde zugleich, den gewiesenen Raum, grüßte höflich, und sah sich etwas beklommen nach anderen Interessentinnen um. Als sie die hochangesehene Virgo Maxima das letzte Mal gesehen hatte, war sie noch ein Kind gewesen. Ob ihre Base sie überhaupt noch wiedererkennen würde?

  • Ich sah eine junge Frau mit einer Sklavin eintreten. Ich trat ihr entgegen und grüsste erst einmal nach allen Regeln der Höflichkeit, aber trotzdem nicht unnahbar.


    Salve, willkommen im Atrium Vestae, wie ist euer Name?


    Beim Anblick der Frau musste ich irgendwie an meine Kindheit denken. Ich wusste nicht warum, aber die junge Dame, die da vor mir stand, kam mir eigentümlich bekannt vor. Nicht so, als ob ich sie schon viele Male gesehen hätte, aber doch war ein blasser Schimmer einer Erinnerung in mir, der mich aufmerksam und neugierig machte. Als wen würde sie sich wohl vorstellen?


    Auf jeden Fall sah sie sehr erschöpft und aufgewühlt auf. Darum reichte ich ihr sogleich klares Wasser in einem schönen Silberbecher.

  • Kerzengerade und sehr ehrfürchtig stand Leontia ihrer älteren Base gegenüber - es musste ihre Base sein. "Salve," erwiderte sie nervös, und nahm mit einem dankenden Neigen des Kopfes das Wasser entgegen. Die Hände um den Becher geschlossen, spürte sie das glatte Silber und die wohltuende Kühle die davon ausging. "Hab vielen Dank, ehrwürdige Virgo Vestalis Maxima. Mein Name ist… ich bin Flavia Leontia, Tochter des Flavius Aetius." Sie wartete auf ein Zeichen des Widererkennens, und fügte mit einem schüchternen Lächeln hinzu. "Deine kleine Base aus Ravenna..."


    Leontia drehte rastlos den Becher in der Hand und gestand gleich. "Niemand weiß, dass ich hier bin. Papa würde es nicht gutheißen, er hat andere Pläne mit mir, aber… aber als ich von diesem Treffen hier gehört habe, da musste ich einfach kommen, ich konnte nicht anders!" Schnell nahm sie einen Schluck Wasser. Das tat gut, und sie trank gleich noch einen. Wo war nur ihre Gravitas geblieben? Bang und aufgewühlt erwartete sie die Reaktion der Virgo Maxima, atmete ganz tief durch, und hoffte, dass Agrippina ihr nicht zürnen würde.

  • Leontias Erzühlung zwang mich zu einem Lächeln, sie war eine ganz kühne junge Frau, die sich darauf verstand, Verbote zu umgehen.


    Dann erkannte ich sie wieder und sagte hoch erfreut:


    Salve Cousine! Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen! Du hast dich so stark verändert, dass ich dich kaum noch wieder erkannte.


    Ich nahm sie freundschaftlich in meine Arme.

  • Sehr erleichtert, und etwas überrumpelt von solch spontaner Herzlichkeit, erwiderte Leontia die Umarmung. "Ja, es ist furchtbar lange her! Ich war noch so…", sie hielt die Hand in Hüfthöhe, "...oder, na ja, jedenfalls so…", sie hob die Hand in Brusthöhe "…klein. Aber jetzt bin ich erwachsen. Wenn ich fragen darf, wie geht es dir, liebe Base? Die ganze Familie ist so stolz auf das, was du erreicht hast!"


    Ehrliche Bewunderung sprach aus ihren Worten. Noch immer ein wenig befangen lächelte Leontia, und schwärmte: "Als ich hier hereinkam, habe ich gleich diese besondere Atmosphäre gespürt, man taucht, von der lärmenden Straße, in einen Hort der Ruhe, der Andacht und der Harmonie… Ich interessiere mich wirklich sehr für euer Leben hier, und für den Dienst an der Göttin."

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