Officium des Praetor Urbanus

  • Hier ist einer der Amtsräume der Praetoren. Standardmäßige Ausstattung: Bücherregale mit diversen Papyri und libri gefüllt, ein hübscher Tisch in der Mitte (meistens angeräumt, oder auch nicht, je nach Ordnungsliebe des Prätors), ein kleinerer Tisch mit Korbsesseln herum luden zum Plaudern ein. In den meisten Fällen steht auf besagtem Tisch zwei Karaffen und ebensoviele Becher. Ein Sklave im Hintergrund, der je nach Jahreszeit die Kohlebecken anheizt oder dem Prätor Luft zufächert. Floral angehauchte Muster an den Wänden, zwischendurch ein kitschiges Bildnis einer ländlichen Idylle mit einer hübschen jungen Frau, die gerade Blumen pflückt und dabei lächelt, vielleicht an ihren Liebsten denkend oder Bauersleuten, die gerade ihren Weizen ernten oder Obst pflücken. Auf dem Boden ein Mosaik mit verschiedenen Ornamenten.

  • Claudius ließ sich in das entsprechende Officium führen und wartete, bis die Tür hinter ihm geschlossen wurde.


    "Salve, Praetor. Ich komme in eigener Sache und zwar geht es um die Beantragung einer Namenänderung. Vor Jahren wurde ein Fehler gemacht, der zum Teil von mir verursacht, aber gleichzeitig von Praetorseite abgesegnet wurde. In der Vergangenheit kam es dadurch des Öfteren zu Missverständnissen, die ich aus dem Weg geräumt sehen möchte. Bin ich bei dir an der richtigen Stelle? Ist dies dein Fachgebiet?"


    Er wollte lieber nachfragen, bevor er seine persönliche Geschichte mehrfach ausbreiten musste.

  • Renius Gutta war kein Mann, der sich irgendwie auszeichnete. Weder legte er übermäßigen Ehrgeiz an den Tag, noch zeichnete er sich durch Schönheit oder Intelligenz, Belesenheit oder gute Verbindungen aus. Allerdings gab es auch kaum negative Eigenschaften, die man ihm nachsagen konnte, außer den üblichen, die in Rom keine Erwähnung wert waren.


    Und so sass Gutta hinter seinem Schreibtisch, ließ sich von einem Sklaven Luft zufächern (es war ja in Rom erschreckend heiß) und genoss ein paar Oliven, als der Patrizier eintrat. Etwas genervt wegen der Störung erwiderte er den Gruß dennoch höflich und hörte sich das Anliegen an, jedoch nicht ohne einen etwas skeptischen Gesichtsausdruck. Gutta lehnte sich nach vor und winkte den Luft-zufächernden Sklaven weg, eine Entscheidung, die er schon im nächsten Momente bedauerte.


    "Worum geht es genau?"

  • In Ermangelung einer konkreten Auskunft über die Fachkenntnisse des Praetors seufzte Claudius innerlich, aber nun war er einmal hier, also würde er sich auch zu seinem Anliegen näher äußern. Er erwog, zunächst nicht in allen Einzelheiten zu berichten. Manches mochte dem Verständnis dienen, aber er befand, dass es nicht Aufgabe des Praetors war, zu verstehen, sondern entsprechend zu handeln.


    "Bei der Umbenennung, die sowohl mein Vater als auch ich vorgenommen haben, ist bei mir ein Fehler unterlaufen. Ich trage seither einen Namen, der im Grunde nur bei Adoptionen vergeben wird. Ich bin nicht adoptiert."


    Claudius machte eine Pause, um die Reaktion des Mannes abzuwarten, an der nun vielleicht ersichtlich werden könnte, ob er der Angelegenheit gewachsen war.

  • Zum skeptischen Gesichtsausdruck, den Gutta bisher an den Tag legte, gesellte sich sehr schnell eine gerunzelte Stirn. Die Geschichte klang in seinen Ohren äußerst abenteuerlich, denn von einer Umbenennung ohne Adoption hatte er bisher noch nie gehört. Gutta lehnte sich zurück.


    "Wie ist eigentlich dein Name und was genau ist passiert?"


    Und diesmal erhoffte er sich mehr als nur ein paar Brocken, denn unvollständige Informationen halfen ihm sicher nicht weiter.

  • Obwohl Claudius geahnt hatte, dass er nicht ohne weitere Auskünfte um die Runden kommen würde, behagte ihm die aktuelle Situation keineswegs. Er fühlte sich erstmalig in seinem Leben wie ein Artist, musste zwischen dem unbedingt Nötigen und geheim zu bleibenden Informationen abwägen, sich durch die Sachlage hindurchschlängeln, auf einem schmalen Grad balancieren.


    Zunächst zog sich Claudius jedoch einen Stuhl heran und setzte sich ungefragt. Es war immer wieder dasselbe: Umgangsformen schienen kaum noch jemand in Rom zu interessieren, sie wurden schlicht nicht beachtet.


    "Mein Vater, Claudius Macrinius, war Prätorianerpräfekt und Verbündeter des damaligen Caesar. Es waren politische Gründe, weswegen er sich mit seiner Frau, Claudia Pulchra, von einem Vesuvius Vindex adoptieren ließ. Zum Zwecke der Aufklärung einer Verschwörung, die sich gegen den damaligen Caesar richtete, und der dieser auch zum Opfer fiel, wurde der Tod meines Vaters fingiert. Sein Adoptivvater, Vesuvius Vindex, kam in diesem Zusammenhang ebenfalls ums Leben.
    Mein Vater wurde unter dem Namen Marcellus Vesuvius Marcrinius offiziell beerdigt. Ich gehe davon aus, dass keine Unterlage existiert: Weder über die Rückkehr meines Vaters in die Gens Claudia, über den damit verbundenen erneuten Namenswechsel, über die Tatsache, dass er weiterhin im Senat agierte, obwohl er - nicht dem Namen nach, aber von der Person her als tot gelten sollte. Für weitere Hinterfragungen stehe ich im Übrigen nicht zur Verfügung. Wenn du Einzelheiten wissen willst, müsstest du dich in die Staatsarchive begeben."


    Claudius’ Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel an dieser Aussage.


    "Letztlich geht es aber auch um den Fehler bei meiner Umbenennung. Als der Sohn des ehemaligen Vesuvius Macrinius und eigentlichem Claudius Macrinius musste bei mir selbstverständlich zu keiner Zeit eine Adoption vollzogen werden. Der Name Vesuvianus ist daher vollkommen verkehrt. Ich beantrage hiermit, ihn zu korrigieren."

  • Der Besucher hatte tatsächlich recht: Umgangsformen schienen in Rom tatsächlich niemanden mehr zu interessieren, hatte es der Besucher ja nicht einmal geschafft, seinen Namen zu nennen.


    Gutta hatte schon von dieser merkwürdigen Begebenheit gehört, allerdings sich nie so wirklich dafür interessiert, was da jetzt genau geschah.


    "Ich weiß jetzt nicht mehr genau wie lange das schon her ist, aber du warst ja schon geboren, als dein Vater in die Gens Claudia zurückging und auch als er von Vesuvius adoptiert wurde, oder?"

  • Das klang nach einer verzwickten Sache, war es vermutlich auch. Und gerade er, Renius Gutta, musste sich damit auseinanderschlagen. Ob man vielleicht Diäten bekommen könnte für solche Anliegen? Immerhin schuftete man und sah kein As von dieser Plackerei, man musste sich ja wie ein Sklave vorkommen. Aber gut, davon hatte er jetzt nichts.


    "Dein Vater war sicher schon sui iuris, nehme ich an, nicht wahr?" fragte Gutta, doch eine Antwort erwartete er nicht, sondern überlegte, wie die rechtliche Lage wohl aussehen könnte in so einem Fall. Sicher hätte er jetzt einen seiner Juristen herrufen können, aber das wäre ein Eingeständnis an seine Inkompetenz gewesen, das wollte er nun wirklich nicht. Also hatte er selber seine kleinen grauen Zellen anzustrengen.


    "Also im Prinzip stellt sich mir die Sache so dar: Dein Vater wurde natürlich nicht adoptiert von Vesuvius, sondern adrogiert, aber das ist ja an sich das gleiche. Und da du unter der Patria potestas deines Vaters standest - du wurdest doch nicht emanzipiert? - wurdest du mit deinem Vater in die Gens Vesuvia aufgenommen, dein Name musste sich also auf Vesuvius Claudianus geändert haben. Und als dein Vater wieder in die Gens Claudia zurückging, musste sich also auch dein Name erneut geändert haben, eine der Möglichkeiten wäre dann eigentlich schon Claudius Vesuvianus. Ich fürchte, einen Fehler kann ich derzeit nicht erkennen."

  • Claudius lehnte sich zurück und rutschte sich nochmals bequemer hin. Das Gespräch würde doch länger dauern als erwartet.


    "Vorab: Mein Vater war sui iuris und ich nicht emanzipiert.
    Geht man jetzt davon aus, dass in diesen Hallen nicht permanent Fehler gemacht werden, muss doch auffallen, dass sowohl mein Vater als auch meine Mutter und ich, als wir der Gens Vesuvia angehörten, keineswegs Claudianus bzw. Claudiana hießen. Ebenso trug mein Vater bei der Rückkehr in unsere Gens nicht den Namen Vesuvianus. Ich bin kein Rechtsgelehrter, aber so viele Fehler auf einmal können doch kein Zufall sein. Es liegt doch nahe, dass diese Namensgebung deswegen möglich war, weil der Identitätswechsel politische Hintergründe hatte und keine übliche Adrogation in dem Sinne war. Auch lässt sich für die Rückkehr in die Gens Claudia keine Person finden, die meinen Vater und mich erneut aufgenommen hat. Mein Vater konnte seinen ursprünglichen Namen annehmen und stand unter keiner Patria Potestas, was aus den Unterlagen ersichtlich ist. Nun möchte ich, als sein Sohn, eine gleiche Behandlung erfahren, denn auch ich wurde weder adoptiert noch adrogiert. Mich stören die im Laufe der Zeit und vor allem zuletzt gehäuften Missverständnisse, die aus dem Namen Vesuvianus resultieren.
    Betrachtet man die gesamte Angelegenheit zudem von dieser Seite, ist nur bei mir ein Fehler bei der Umbenennung unterlaufen. Bei der von dir geschilderten Sichtweise schlagen gleich vier Fehler bei der Namensgebung zu Buche."


    Er hielt inne, weil er nicht sicher war, ob der Mann ihm folgen konnte. Auf die erneute Erwiderung war er aber bereits höchst gespannt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den Praetor abwartend an.

  • Das sich Minor im Fall Rufus noch nicht bei ihm gemeldet hatte ging Sedulus davon aus der noch voll im Gange war. So beschloss er zu einem der Praetoren zu gehen um dort nachzufragen ob es etwas neues von diesem Decima gab den sie eingelocht hatten. Schließlich wurde er auf frischer Tat beim Diebstahl erwischt und er ist außerdem noch geflohen und hat Wiederstand geleistet. Also alles in allem war es schon nicht ohne gewesen.


    So klopfte Sedulus an die Türe des Officiums.

  • Es dauerte eine Weile, bis zwei Männer den Gang entlang kamen, vor der Tür des Officium stehen blieben, noch eine Weile miteinander sprachen und sich dann voneinander verabschiedeten. Während einer der Männer weiter ging, griff der andere unter seine Toga und zog einen Schlüssel hervor. "Du willst zu mir?", fragte er den wartenden Mann vor dem Büro, während er aufschloss.

  • Wenn es einer der Praetoren war so wollte Sedullus dies.


    Du bist der Praetor Renius Gutta? Wenn dem so ist, ja dann möchte ich zu Dir.


    Sedulus wartete bis der Mann die Türe augeschlossen hatte und betrat nach ihm das Officium.

  • "Nein, ich bin Helvius Pinus", musste der Mann den Besucher enttäuschen. "Aber Praetor bin ich auch, sonst wäre ich wohl nicht hier. Praetor Urbanus, um genau zu sein, falls das für dein Anliegen von Belang ist." Der Praetor nahm an, dass der Mann tatsächlich nur einen Praetor suchte, denn wenn er einen bestimmten suchte, hätte er ihn wohl erkannt. Zumindest sah der Mann nicht wie ein einfacher, anonymer Bote aus, der nur etwas abzugeben hatte.

  • Im grunde suche ich keinen bestimmten Praetor, Helvius Pinus. Wenn ich mich kurz vorstellen dürfte. Ich bin Tresvir Capitalis, Germanicus Sedulus.


    Meinte Sedulus nur knapp. Er war ja froh überhaupt einen gefunden zu haben.


    Folgendes. Vor einiger Zeit hatten wir bei den Cohortes Urbanae einen gewissen Faustus Decimus Serapio inhaftiert.


    Den würde er wohl nie vergessen.


    Er wurde beim Diebstahl auf dem Forum Romanum erwischt. Als wir ihn festnehmen wollten, floh er. Als er nun endlich eingeholt und gestellt wurde, widersetzte er sich der Festnahme. Man fand sogar ein Messer bei ihm. Außerdem wollte er mich im Carcer bestechen.


    Das er wie am Schnürchen gelogen hatte ließ Sedulus mal beiseite.


    Nun wollte ich mich erkundigen ob es in diesem Fall eine Anklage oder dergleichen gegeben hatte. Als herausgefunden wurde welcher Gens er angehörte, kam auch sogleich einer seine Verwandten daher und nahm ihn mit sich. Um ehrlich zu sein, war ich doch ein wenig verwundert. Nun hat es mich interessiert was daraus geworden ist und als Tresvir Capitalis sah ich es als meine Pflicht an dem nachzugehen.

  • Nachdem sich der besucher als Vigintivir vorgestellt hatte, betrachtete ihn der Praetor kurz nachdenklich und stellte fest, dass er ihn schonmal gesehen hatte. Er wusste zwar weder wann noch wo, aber da sie beidem im Cursus Honorum aktiv waren, musste es wohl so sein.


    "Das finden wir raus", kam er dann auf das Anliegen zurück. Als hätte er ihn bestellt, trat in diesem Augenblick ein Amtsdiener durch die Tür und der Praetor konnte ihn gleich mit einem Rechercheauftrag wieder los schicken.


    "Du kannst dich solange setzen, bis wir ein Ergebnis haben", bot er dem Vigintivir an. "Wie läuft die Arbeit sonst so, wenn du nicht gerade verschwundenen Decimern nachspürst?"

  • Sedulus setzte sich dankend. Er hoffte nur das es nicht all zu lange dauern würde. Schließlich wollte er den Praetor ja nicht von seiner Arbeit abhalten.


    Nun nachspüren ist ein wenig übertrieben denk ich. Nur da es ja zu einer meinen Aufgaben gehört Gerichtskosten einzutreiben und ich nichts über diesen Fall mitbekommen habe und bei der Festnahme besagten Mannes noch mitgewirkt hatte bevor ich Vigintivir wurde, kam es mir eben ein wenig merkwürdig vor.


    Ja doch, ich kann nicht klagen. Habe gerade z.B. einen Hehler im Carcer Tullianus sitzen. Er hat mir zwar einige Tipps über eventuelle Hintermänner gegeben, doch diese werden zur Zeit noch überprüft. Wir werden sehn was dabei herauskommt. Sollte er mich angelogen haben so werde ich mich hier wieder einfinden müssen um ihn dann aburteilen zu lassen. Wenn etwas an der Sache die er mir augetischt hat dran ist und wir an einen größeren Fisch dadurch kommen, würde ich ihn laufen lassen. Er hat ja seine Strafe dann mehr oder weniger abgesessen. Doch ob oder ob nicht, entscheide ja letztendlich nicht ich.

  • Die Sorgfalt und der Eifer, mit dem der Vigintivir offenbar seiner Arbeit nachging, sorgten beim Praetor für ein anerkennendes Nicken. "Du gehst deiner Aufgabe sehr gewissenhaft nach, scheint mir. Sehr löblich, solche Männer braucht Rom. Möchtest du später als Anwalt tätig werden?" Die Frage lag auf der Hand, wenn sich der Mann schon als Vigintivir nicht nur um Prozessgebühren kümmerte sondern sich auch Gedanken über Ermittlungen und Strafnachlass als Gegenleistung für zielführende Aussagen machte.

  • Sedulus war über die Anerkennung erfreut was ein kurzes Lächeln auf seine Lippen zeichnete doch wurde er bei der Frage des Praetors auch gleich wieder ernst und vor allem nachdenklich. Hatte er sich doch noch gar keine Gedanken darüber gemacht ob er nicht evetnuell sogar mal Anwalt werden wollte.


    Ob ich einmal Anwalt werden möchte, da hab ich mir so noch keine Gedanken darüber gemacht muß ich ehrlich gesagt gestehen. Ich könnt nicht einmal sagen ob das etwas für mich wäre.


    Gestand Sedulus dem Praetor.

  • "Die Sorgfalt, mit der du jetzt in wenigen Sätzen über die Fälle berichten konntest, macht jedenfalls keinen schlechten Eindruck." Das Gespräch plätscherte noch eine Weile munter hin und her, bis der Schreiber zurück kehrte und Bericht erstattete.


    "Eine Anklage gegen die genannte Person ist nicht erhoben worden. Der Fall wurde den Praetoren nicht übergeben."


    Kommentarlos blickte der Praetor von dem Boten zu seinem Gast und wartete auf eine Reaktion.

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