Tablinum | Furianus und der Brief

  • Gerade ließ er sich schönes Rebhuhn schmecken, ein gut gewürztes Stück, so, wie er es immer liebte, als plötzlich ein Sklave mit einem Pergament in der Hand sichtlich nervös dastand.
    Sicherlich haderte er, ob der den Proconsul beim Essen stören sollte.
    Eben dieser blickte den Sklaven eine Zeit land an und nachdem ein weiterer Geflügelknochen zu Boden ging, sprach er.


    "Vertrittst du dir die Beine oder warum stehst du da?! Komm gefälligst her, wenn du was für mich hast!"


    Der Sklave erschrack und eilte sofort zu der Kline.


    "Dominus, ein Brief an euch. Gerade erst gekommen."


    Furianus entriss ihm das Stück und öffnete es mit seinen Fingern. Keine leichte Angelegenheit, schließlich waren diese noch vom Huhn fettig.
    Und je länger er las, desto größer wurden seine Augen. Mit einem vor Wut nur so verzerrten Gesicht schmiss er das Papier in Richtung des Sklaven.


    "Friss ihn! Mach es! Ich will diese Zeilen nicht mehr sehen!"


    Verwirrt von diesem Befehel, geradezu irritiert und ängstlich, nahm es der Sklave vom Boden und steckte es sich in den Mund, lief aber sogleich darauf weg, bevor er ihn verschlucken konnte.


    "Peitscht ihn aus! Peitscht ihn aus!"


    Schrie Furianus durch die Gegend und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    Nun war es üblich, dass wenn er aß, noch mehr Sklaven dabei standen, um die Wünsche und Befehle zu erfüllen, so dass sich schnell ein neues Opfer fand. Es war der alte Weinschenk, welcher dafür zu sorgen hatte, dass Furianus Kelch nie leer wurde.


    "Mundschenk, was denkst du, wenn dir das Wort Castellum in den Sinn kommt?"


    Der Alte, sichtlich verwirrt, brauchte einige Sekunden, um sich aus seiner Angststarre zu lösen, um Worte zu finden.


    "Nun, nun ja. Ich denke da an eine Legion, viele römische Männer, Schwerter, Baracken, Praetorium."


    Furianus unterbrach ihn.


    "Ja, aber was denkst du über ein Castellum, in welches gerade eine Legion einquartiert ist, die einen weiten, entbehrsamen Weg hinter sich hat, einen ganzen Feldzug auf den Rücken?"


    Der Alte war dadurch nur noch mehr irritiert. Was sollte er denn nun jetzt antworten? Durfte er überhaupt das, was ihm in den Sinn kommt, antworten? Schließlich konnte jedes falsche Wort seinen Tod bedeuten. Er riskierte es.


    "Nun, Dominus, die Männer sind sicherlich schwach, aber auch stark, weil sie überlebt haben. Ich denke sie werden sich verwöhnen lassen wollen, wenn sie viel entbehrt haben. Sie werden auch feiern wollen und wenn sie Familie haben, dann..."


    Furianus unterbrach ihn.


    "Ja, verdammt! Sie werden sich verwöhnen lassen wollen, wollen feiern, wollen Frauen! Sie begehren, sie verehren die Frauen! Alle Lupanare werden rege besucht werden! Sie sind Römer, doch machen wir uns nichts vor, der, der vorher Anstand hatte, hat ihn durch den Feldzug verloren! Sie kehren vom Chaos in die Zivilisation zurück und bringen das Chaos mit! Es wird Zeit brauchen, bis sie wieder verstehen, wo sie nun sind, doch davor werden sie hart miteinander, hart mit den Mitmenschen umgehen! Das ist ihnen auch nicht vorzuwerfen, schließlich haben sie noch vor Wochen gemodert, geplündert und haben ihre Kameraden betrauert! Und nun, wieder zurück, werden sie ihre Zeit brauchen, um sich wieder anzupassen, ruhig zu werden!"


    Auch wenn diese Worte eindringlich von Furianus vorgebracht waren, hatte er sich doch mit einer Stille angesprochen, die nun durchbrochen werden sollte.


    "Und unter ihnen meine VERLOBTE!!!"


    Schrie er und schmiss den ganzen Tisch um, trat vor Wut auf einige der Speisen und rutschte als Folge dessen beinahe auf dem glatten Marmorboden aus, konnte sich aber noch an der Kline festhalten. Auf diese lies er sich sogleich, vor Wut schnaubend, fallen.


    "Bei den Göttern! Ist es sie oder ihr geliebter Onkel, welche mir dadurch ins Gesicht spucken! Was habe ich gemacht, Mundschenk, dass sie mich so verspotten?!"


    Der Alte, welcher einige Sekunden zuvor noch vor Angst beinahe tot umgefallen wäre, schnappte nach Luft und wollte antworten, als er wieder unterbrochen wurde.


    "Bin ich ihr nicht fürsorglich genug?! Oder ihm, diesem Adoptierten, bin ich ihm etwa nicht edel genug!? WAS MAßEN SIE SICH ÜBERHAUPT AN?!"


    Der Alte, schon zu Luft gekommen, fragte vorsichtig.


    "Wer maßt sich das an, Dominus. Wer?"


    Und die Stimme, vielmehr das Leise und Behutsame in der Frage, hatten nicht den Effekt, den der Alte beabsichtigt hatte. Furianus, fast außer Atem, schrie weiter.


    "Wer?! Wer fragt du?! Hast du kein Gehirn oder keine Ohren, Sklave?! Diese kleine, heuchlerische Tiberia und ihr verdammter Onkel! Oder Vetter! Egal, keine Ahnung was er ihr ist!"


    Nun sank er vollend auf die Kline und hob die Arme, zu Händen geballt, in die Höhe.


    "Oh Götter! Warum geschieht sowas nur mir?! Und du, Claudia! Meine Schöne, meine Erste! Du warst die, die mir auserkoren wurde! Du warst meine Braut! Warum nur?!"


    Und Tränen liefen seine Wangen hinunter.


    "Du holdes Wesen, du warst Mein und ich war Dein. Oh warum bist du gegangen? Du warst die, die mich verdient hat, die, die mir Söhne gebären sollte, die ihren Anstand, ihre Würde und auch meinen Namen für alle Zeiten gewahrt hätte..."


    Und seine Stimme versagte in dem Augenblicke.


    "Wein! Gib mir Wein!"


    Krächzte er mit Mühe hervor und der Weinschenk lief sofort, um den Wunsch zu erfüllen. Während dessen versank Furianus in seine Gedanken.
    Es gab viel nachzudenken. Alternativen, Schritte und die Rache mussten durchdacht und beschlossen werden. Er war sich sicher, dass seine Verlobte und ihr Verwandter dafür zu büßen hatten so verfahren zu haben. Nur wie, das musste er sich noch überlegen.

  • Es war ein schöner Tag, einer jener, an welchen man ungern zur Arbeit erschien und lieber mit seinen Kindern am Strand tobte oder in einem der zahlreichen öffentlichen Bäder in Tarraco verweilte. Aber das konnte sich ein Proconsul nicht erlauben.
    Und so war auch dieser Tag durchorganisiert und gespickt mit Pflichten und Aufgaben, die Furianus mehr oder weniger halbherzig erfüllen musste, um alle zufrieden zu machen. Am besten sich selbst.


    So schritt er nach dem üppigen Frühstück noch eine Dattel kauend, durch das Tablinum, um in seinen Amtssitz nach Tarraco aufzubrechen, als ein Sklave ihm den Weg abschnitt.


    "Dominus, Proconsul, heute sind die neusten Berichte vom Senat eingetroffen."


    Mit mäßigem Interesse blickte Furianus auf die Papyri und nahm sich einige heraus.


    "Vermutlich wieder Berichte über langweillige Debatten, die entweder um die Säuberung der Kanalisation Roms, die knappen Vorräte an Weizen oder wohl doch, etwas spannender, einige neue Gesetze behandelten. Mal sehen."


    Einige Rollen wurden aufgebrochen, die Überschriften gelesen und wieder dem Sklaven überreicht. Furianus hatte kein Interesse an langweilligen Debatten.


    "Oh, schau mal an, mein Freund will das Gesetz zum Wahlrecht ändern. Interessanter Ansatz, ich hätte auch dafür gestimmt."


    Murmmelte er und las den ganzen Bericht durch, um diesen mit kurzen Worten wieder dem SKlaven zu überreichen.


    "Informiere meine Schreiber in Rom, dass mich die Sache interessiert und sie so schnell wie nur möglich an Abschriften von dieser Debatte heran kommen sollen."


    Der Sklave nickte.
    Ein zweites Papyrus wurde aufgebrochen.


    "Ah, die Ämterverteilungen. Mal sehen, wer wohin gesteckt wurde."


    Natürlich las man dies mit Begeisterung, wusste er doch, dass ein Flavier ebenfalls gewählt worden war.


    "Oh, Aquilius zum Urbanus. Naja, kaum zu verwundern. Durus will ihn nicht ziehen lassen, da er als Sacerdos in Rom unersetzlich ist."


    Kommentierte er den ausführlichen Bericht und riss sogleich die Augen auf.


    "Was!? Germanicus, dieser reudige Hund will mir einen Quaestor anhängen?! Letztes Mal war er noch strikt dagegen, da sein kleiner Sedulus hierher geschickt werden sollte! Drecksack!"


    Und sein Entsetzen zeichnete sich weiterhin ab, als er immer weiter ließ und die Beiträge der Kollegen besah.


    "Meridius, zu erwarten, aber Quarto! Und Victor! Was soll das, mich kontrollieren lassen?! Undankbare Hunde, nur weil dieser Frevler wieder seine Zunge hat spielen lassen! Wie viele hat er von ihnen wohl bestochen?!"


    Und nach einigen Minuten zerriss er das Papyrus und schmiss es wütend gegen die Wand.


    "Hol mir Crixus, er soll Papyri und etwas zu schreiben mitnehmen! Sie werden eine Antwort erhalten! Undankbares Pack!"

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