[Schiff] Castores

  • Auf einem der Flusskähne war Modestus von Rom nach Ostia gereist und hatte sich dort eine Mietsänfte zum Hafen genommen. Er hatte etwas gebraucht um sein neues Schiff zu finden, doch nun lag sie vor ihm. An Deck arbeiteten schon einige der der zehn griechischen Seemänner. Sie überprüften Tauwerk, Segel und verluden auch noch die letzten Säcke mit Proviant. Oben neben dem Steuer stand der alte Kapitän des Schiffes und überwachte die Arbeit seiner Mannschaft, bei der es sich nur um Griechen handelte, die auch nur Griechisch sprachen. Vorsichtig ging Modestus über das breite Holzbrett auf das Schiff und sah sich um. Das Schiff war wohl bald fertig für die Abreise.

  • Der Kapitän fragte den Fremden nach seinem begehr auf dem Schiff und Modestus erklärte ihm in Griechisch, denn auch dieser verstand nur seine Landessprache, dass er der Besitzer sei und erkundigte sich nach dem Bereitschaft seines Schiffes. Der Kapitän verneigte sich und begrüßte seinen Arbeitgeber und bot sich an ihm das Schiff zu zeigen. Modestus nahm das Angebot an und sah bald alle Bereiche des Schiffs. Besonders interessierten ihn seine Räume. Der Laderaum war verkleinert worden um Platz für zwei großzügige Kabinen platz zu machen. Modestus war insgesamt über das Ergebnis sehr erfreut und zog sich erstmal in seine Kabine zurück. Als der Steuermann nach einiger Zeit anklopfte um Modestus zu erklären, dass das Schiff nun bereit für die Reise war, war dieser schon in einige Schriftrollen vertieft. Es waren Berichte über Hispania und seine Bevölkerung. Er nickte dem Griechen zu und erklärte, dass das Schiff gleich ablegen solle.

  • Aus dienstlichen Gründen, denn der Comes und der Duumvir von Palma, der Haupstadt der Balearen, hatte ihn eingeladen und zur Entspannung reiste Modestus zu den Balearen. Hinter ihm klackerte sein Pfau Lucullus auf der Holzplanke als Modestus das sein Schiff betrat. Modestus drehte sich um und sah, dass der Pfau Mühe hatte die Planke zu überqueren, da seine besonders langen Federn am Rand der Planke herunterhingen. Modestus packte sein Haustier sanft mit beiden Händen und trug ihn aufs Deck. Dort warteten schon der lächelnde Clodius Albanus und Chion. Der ehemalige Centurio Classicus freute sich wieder einmal auf ein Schiff zu kommen. Chion hatte den Kapitän schon informiert und alle Vorbereitungen waren getroffen worden. An Deck befand sich schon ein festgeschraubter Stuhl sowie ein kleiner Tisch, denn die See war ruhig genug und Modestus wollte während der Reise etwas lesen. Lucullus erkundete inzwischen das Schiff.

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    Noch leicht angetrunken vom letztrigen Abend lag Modestus in seiner Kabine. Er genoß das sanfte Schaukeln des Schiffs. Mit einem lauten Schrei meldte sich Lucullus zu Wort, der aus seinem Korb getapst kam und sanft an der Hand von Modestus knabberte, um sein Herrchen daran zu erinnern, dass sein getreues Haustier noch nicht gefüttert worden war.


    Gähnen stand Modestus auf und musste seine Sklaven wirklich loben. Sie hatten ihn von dem Haus des Duumvirs, wo die Abschiedsfeier stattgefunden hatte, bis auf das Schiff gebracht ohne, dass er aufgewacht war. Sicher hatten sie schon in der Nacht Segel gesetzt, um bald wieder in Tarraco eintreffen zu können. Modestus nahm eine kleine Urne aus dem Schrank und öffntete sie. Dann nahm er die Bronzeschale mit dem eingravierten Namen "Lucullus" und schüttete den Inhalt hinen. Es waren zurechtgeschnittene Schlangen, welche die Lieblingsspeiße von Lucullus waren. Er fütterte seinen Pfau immer selbst und dieser hatte sich sein Fressen am gestrigen Abend redlich verdient. Der Pfau hatte Modestus wie so oft nicht allein lassen wollen und so war Modestus mit Lucullus im Haus des Duumvirs gewesen. Der Hauspfau war natürlich eine Attraktion gewesen und viele der Damen hatten es für notwendig gehalten an dem Tier herumzuzupfeln und zu betonen wie süß der kleine Vogel war.


    Lucullus verschlang gierig ein Stück Schlange und tapste danach langsam wieder in seinen Korb. Wie sein Herrchen würde er wieder etwas Ausruhen. Die Pflege seines Gefieders würde er auf später verschieben.

  • Da die Abreise von Modestus bevorstand war gab es an Bord der Castores viel zu tun. Das Schiff wurde nochmal überhollt. Nach genauerer Betrachtung hatte sich der Kapitän dazu entschlossen ein Segel zu ersetzen und auch das Tauwerk musste an einigen Stellen ausgebessert werden. Auch Proviant für die lange Fahrt musste geladen werden, weshalb der Kapitän auch schon mit Chion gesprochen hatte, der dem Kapitän die Erlaubnis und das Geld dafür gab. Nachdem er einen entsprechenden Händler gefunden hatte, wurden am nächsten Tag Getreide, Dörfleisch und eingelegte Früchte verladen. Danach einige Fässer mit Wasser, Wein und Essig. Als der Kapitän mit allen Vorbereiten fertig war schickte er einen seiner Matrosen zur Villa des Statthalters, in der Modestus im Moment noch logierte.

  • Nachdem alle seine Sklaven an Bord untergebracht worden waren und auch Lucullus seinen Platz gefunden hatte war Modestus zufrieden. Alle Papiere und Geschenke waren verstaut und er konnte endlich nach Rom reisen. Vorher würde es jedoch noch einen etwas längeren Zwischenhalt auf den Balearen geben.


    Kurz bevor die griechischen Seeleute die beiden Segel setzten, um den Hafen zu verlassen, kam noch eine dunkle Gestalt an Bord. Eine Gestalt die langsam hinkend mit einem Krückstock ging und dem einer der Matrosen mit seinem Seesack helfen musste, da der alte Mann zu schwach war.


    In seiner Kabina lag Modestus auf seinem Bett und sehnte die Stunde seiner Ankunft auf den Balearen und in Rom herbei. Seine geliebte Flaminia Helena und ein goldener Senatorenring würden auf ihn warten.

  • Eine Woche vor den Wahlen des Cursus lief die Castores in Ostia ein. Es schon dunkel, aber Modestus war trotzdem überglücklich. Die Reisezeit war mit seiner Verlobten schnell vergangen und er brannte schon darauf die letzten Angelegenheiten sein Amt betreffend in Rom beenden und mit der baldigen Annaea Flaminia einige Tage in Baiae zu verbringen. Er hatte bereits von einem seiner Klienten eine kleine Villa mieten lassen. Doch vorerst würde er sich von ihr trennen müssen. Sie würde direkt mit dem Schiff weiter nach Baiae segeln, während er erst nach seinem Aufenthalt in Rom ebenfalls nach Baiae reisen würde.


    Am Morgen ging er mit Chion von Bord. Chion handelte eine Passage auf einem der Flusskähne aus, während Modestus noch einmal wehmütig zu seinem Schiff sah, das gerade wieder ablegte.

  • Mit steinerner Miene beobachtete Vala das Opfer, das die Männer Ägir und seinen Töchtern darbrachten um eine sichere Überfahrt nach Alexandria zu erbitten. Natürlich nannten sie den Meeresgott bei seinem römischen Namen, allerdings konnte Vala sich nicht vorstellen, dass Ägir sich das Meer mit irgendeinem anderen teilte, war sein Wissen um den Meeresgott arg verbesserungswürdig. De facto hatte der junge Germane noch nie in seinem Leben das Meer gesehen, und die Entscheidung nach Aegyptus zu reisen war aus einer recht undurchdachteren 'hauptsache weit weg'- und einer noch viel planloseren 'und da dann möglichst noch irgendwas erreichen'-Motivation entstanden. Aegyptus als Ort des selbstgewählten zeitweiligen Exils war da schnell bei der Hand. Viel weiter weg konnte man nicht im Imperium reisen. Und Alexandria als Hort der Zivilisation und Bildung konnte da nicht dienlicher sein wenn es darum ging Valas Ziel des zivilisatorischen Feinschliffs zu verabreichen. Rom hatte ihm da kaum etwas genommen... er hatte gemordet, betrogen, verraten, gekauft, verkauft und ausgenutzt. Wenn man es genau betrachtete, hatte sich dahingehend seit seiner Zeit als unbedeutender Speer- und später kaum bedeutender Schwertträger im Radwerk der germanischen Selbstzerstörung kaum etwas geändert.


    Und jetzt stand er hier, blickte auf die im Wasser treibenden Opfergaben herab und fragte sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte? Was lag hinter ihm? Er hatte sich dem mächtigsten Mann Roms angedient, sich allerdings auch eine der mächtigsten Gentes desselben zum Feind gemacht: eine Nullrechnung. Er hatte sich einen Namen gemacht, sicher. Aber was für einen? Jedem lobenden Wort, oder auch nur einem, dass ihn, seine Herkunft oder seine Ambitionen beleidigte folgten gleich zwei solcher Auslässe. Was allein auf die Menge reduziert wahrscheinlich besser als der Mist war, durch den er zu Beginn des Cursus Honorum kriechen musste.. allerdings hatten die Angriffe auf ihn derart an Intensität und Verbissenheit zugenommen, dass Vala sich oft genug fragte ob da mehr dahinter steckte als die xenophobe Neurose, die viele der alten Eliten pflegten als ginge es um ein besonders schönes Gewächs in ihrem Garten. Diese Passion wurde umso deutlicher, je mehr sie an Macht verloren.. was hatten ihm seine Eltern nicht eingeredet: Rom! Größte und schönste aller Städte, mit einem schon fast mythischen Kaiser an der Spitze, eine handvoll hart arbeitender Magistrate und dem ehrwürdigen Senat... und dem Ritterstand überall da wo es brannte.
    Blöder Mist war das, was man ihm eingeflößt hatte. Einem Kind den leeren Kopf füllen konnten diese Geschichten, mehr nicht. Das Rom das er kennengelernt hatte war nichts anderes als fortlaufender politischer Krieg. Eine in der Bedeutungslosigkeit versinkende Schicht an alternden Senatoren, die auf ihren Posten oftmals nicht mehr taten als den Sessel warmhalten und ihren Kindern von Tagen und Taten zu erzählen die sie wahrscheinlich selbst nicht einmal miterlebt hatten. Je mehr Valas Gedanken in diese Richtung abdrifteten, desto mehr bekam er das Gefühl auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Senat. Alte Männer, die verzweifelt versuchten ihre eigene Bedeutungslosigkeit damit zu überdecken, dass sie die Privilegien überzustrapazieren, die man ihnen netterweise gelassen hatte. Diskussionen die sich um nichts drehten. Nein, das wollte er nicht. Er war seinem Vater gefolgt, hatte gebuckelt und nette Miene zu lächerlichem Spiel gemacht, war so tief in Hintern gekrochen dass es schon fast wieder nach Zahnfäule stank und was kam dabei raus? Nichts. Wenn er sich nicht schnell genug darum kümmerte sich selbst als beste Besetzung eines Postens außerhalb der effektiven Reichweite der kaiserlichen Gängelung zu empfehlen, würde er wahrscheinlich genauso enden. Und das war für Vala viel gefährlicher als sämtlicher Anti-HomoNovissimus-Gegenwind den er in Rom zu befürchten hatte. Sollten sie sich in Rom selbst zerfleischen, er hatte andere Ziele. Und doch würde er nicht ohne sie auskommen... Grund genug, erst einmal Gras über gewisse Dinge wachsen zu lassen und ein wenig an sich selbst zu feilen, bevor er nach Rom zurückkehrte und damit begann gewisse Hebel zu betätigen. Und dazu brauchte er vor allem eine Frau, die etwas taugte... schwerer als gedacht. Wer wollte ihn schon? Natürlich wollte der Kaiser seine Nichte nicht an einen halben Barbaren verheiraten. Wie oft Vala noch zu solchen Naivitäten neigte erschütterte ihn selbst immer wieder. Alle anderen.. er hatte mehr als eine sehr eindeutige Absage bekommen. Für ihr Bett war er gut genug... ihre Hand allerdings war besserem bestimmt. Frustrierend für eine derart von weiblicher Zuneigung gestreichelten Seele wie die Valas. Dann war da noch Axilla... so oft sie sich in seine Gedanken drängte, so oft drängte er sie zurück. Irritiert, nicht routiniert.. anders als früher.


    Das Opfer war getan... Vala war auf dem Weg über das große Meer, und so Ägir wollte, würde Vala diese Reise auch überleben. Was für eine bittere Ironie das auch wäre... ersoffen auf dem Weg um Abstand von Rom zu gewinnen. Wieviel Abstand hätte er wohl bei Hel von der ganzen Sache?
    Der Kapitän des Schiffes hatte ihn wegen der offiziellen Erlaubnis des Schiffseigners mürrisch an Bord gelassen. Die unverhohlene Ablehnung, die Vala später zu spüren bekam überraschte ihn schon gar nicht mehr... ein Mensch mehr auf einem Schiff, gar ohne große Funktion auf einer Fahrt die eigentlich dazu diente dem Praefectus Aegypti selbst im Handel mit der ihm unterstellten Provinz wirken zu lassen. Und ihm nun einige Kostbarkeiten aus der Heimat brachte.. mit eben einem geduldeten Passagier.
    Das Meer war ihm unheimlich. Jedes Mal wenn er in das blaue Nichts blickte schien ihm, als würde er das Weltenende selbst erblicken. Da war absolut nichts... rein garnichts. Ägirs Reich war absolute Leere.. und es gab wohl nichts, wovor Vala sich mehr fürchtete. Die Gedanken, die Vala sich noch am Beginn der Reise machte, als die Segel sie langsam immer weiter emporzog, verflogen sobald man die offene See erreichte. Als Ostia noch immer kleiner wurde, zeigte Vala sich bemüht lässig. Doch als die Landfläche von einer grünen Linie zu einem absoluten Nichts schmolz, der Wellengang das Schiff in ein stets Schaukeln versetzte war es vorbei.


    Das Gelächter der Seemänner war ihm von Anfang an sicher, als er mit kreidebleichem Gesicht zur Reling eilte und das, was sein Inneres herzugeben hatte Ägir in wenig charmanter Form auf das nasse Haupt kotzte.


    Er hasste das Meer.

  • Sirius
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    "Ich möchte an dieser Stelle anmerken...", trällerte ein überraschend gut gelaunter Sirius, "..dass das vorüber geht, wenn man sich auf einen festen Punkt konzentriert. Einen Felsen im Meer, oder einen Leuchtturm..."


    "Sii.. ri... usssssss.", stöhnte Vala, der mit schlaffen Gliedern an der hölzernen Reling hing und verzweifelt versuchte das leichenblasse Gesicht über dem Rand zu halten, "...siehst.. d...d....d...du.. hi.. irgndwo nnnnn... festen Punkt?"


    Erst in diesem Moment schien der Sklave daran zu denken, seine These auch auf Durchführbarkeit zu überprüfen, und sein froher Blick wurde deutlich kritischer, als er den Horizont absuchte.
    "Nein.", zog er nüchtern das Resümee dieser Suche, zuckte mit den Schultern und biss herzhaft in einen Apfel,... ein Geräusch, das Valas Reflexe sofort wieder verkrampfen ließ und einen weiteren Schwall dünner Galle unter kläglichem Würgen ins Meer beförderte.


    Die Seeleute lachten nicht einmal mehr über seinen Herrn, so sehr hatten sie sich daran gewöhnt, dass der Gesandte der kaiserlichen Kanzlei jede noch so kleine Mahlzeit halbverdaut über die Reling spuckte. Oder, wie zu Anfang der Reise, in die kleine Stube des Kapitäns, der daraufhin sorgsam darauf verzichtet hatte Vala zu weiteren kleinen Happen in seine vier Wände einzuladen.


    "W...wwwi...wie lange noch?", ächzte Vala, der kraftlos an der Reling herabsank und halb darniederliegend hocken blieb, sein Blick war fast flehend, so sehr machte ihm das Meer zu schaffen.


    Sirius verzog hingegen keine Miene, lehnte sich an die Reling, kaute genüsslich auf seinem Apfel herum und warf den Strunk schließlich mit leichter Geste ins Meer: "Wir haben gerade zwei Tage hinter uns.. und die Herbstwinde führen uns zu weit in den Süden. Wenn wir der afrikanischen Küste zu nahe kommen, könnte sich die Reise noch verzögern..."


    "Ve...ve...verzögern?", jammerte Vala, der verzweifelt die Augen geschlossen hielt um das Schaukeln des Schiffs aus seinem Kopf zu verbannen, aber sein Körper ließ sich durch diesen billigen Trick nicht besänftigen, und so rauschte sein Körper erneut in die Höhe, um mit einem fast noch kläglicheren Laut nichts als Luft aus sich heraus zu befördern...


    "Das war dann Schweinstopf mit Innereien und Linsenbrei... und erst der Fisch!", schüttelte der Sklave mit echtem Bedauern in seinem Blick den Kopf, "Welch Verschwendung... und dann die Kastanien erst, oder der Käse von gestern! Ich weiß nicht, ob Neptun sich damit zufrieden gibt wenn man ihm gewisse Opfergaben gewissermaßen vorkaut... funktioniert hat es bisher nicht, also könntest du damit genauso gut wieder aufhören. Oder noch besser: überlass es mir. Du wirst es sowieso in die See kotzen..."


    "Sehr... wit..zi.g.ggggg.g..", ächzte Vala, der kraftlos auf der Reling zusammensackte als ihm seine Arme nicht mehr gehorchen wurde, und das einzige was ihn davor bewahrte seiner Galle hinterher in die See zu rutschen war der kräftige Griff seines Sklaven, der in schon fast gelangweilter Routine seinen Herrn an der Tunia ergriffen hatte.
    "W...w...wie..soooooo verzögrn?"


    "Weil die Winde aus der Wüste uns wieder in den Norden drücken würden.. deshalb ist es wichtig, so lange wie möglich an den flauen Winden inmitten des Meeres zu segeln...", dozierte Sirius, seinen Herrn in der einen Hand vor dem Ersaufen rettend, mit der anderen nach einem Stück aus dem Holz des Schiffs kratzend, um sich nachher geräuschvoll die Zähne zu säubern.


    "Ab...bbb...bb.bbb.b.."


    "Das wird sicher einmal ein Aber..."


    "Ab..b.bbb...b.bb.bbbb......"


    "Na los, du schaffst das..."


    "A...aaaaaa....abbb..."


    "Japp?"


    "Aaaa...be..berrrr... wi...sooo gn wir ni an Lann...nnn...nnnd und reisn dor...weit...eee...ee.r?"


    "Weil wir dann Wochen unterwegs wären, und nicht nur knapp eine. Außerdem haben wir Glück, dass man uns überhaupt mitnimmt... auch wenn du das gerne denken möchtest, wir sind nicht die Hauptfracht. Oh.. schau an... eine Möwe...", mit interessiertem Blick folgte Sirius der Möwe, und dummerweise auch sein Herr, der den Kopf weit genug hob, um von der verqueren Bewegung zwischen Vogel und schwankendem Horizont ein weiteres Mal den Geist verdreht zu bekommen.. was folgte war ein weiteres kraftloses Würgen, das Sirius nicht einmal mehr kommentierte.


    "W..ww....arum wwww...wei.. du das all...es?", versuchte sich Vala schließlich darin, sich selbst abzulenken.


    "Na, jedes Kind weiß das!". grunzte der Sklave nur missvergnügt auf, und zog seinen Herrn an der Tunika ein wenig weiter hinter die Reling, "Du etwa nicht? Na, natürlich nicht... ein Barbar... durch und durch."


    "Di....dii....diese Res...pktlosigkt... wirs... d... büßn.", jammerte Vala ein weiteres Mal, als seine Nase geräuschvoll auf an die Reling stieß, "...wnn...i...das.. hi... überleb..."


    "Ach, da mach ich mir keine Sorgen...", brummte der Sklave auf eine Art und Weise, als ginge es um den Sieg der Veneta gegen die Albata, und hob den verschwitzten Kopf seines Herrn, um ihn in Richtung ihrer Fahrt zu deuten, "Das wirst du nicht... schau dort, ein Sturm kommt auf."

  • Sirius
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    "MUHARRR!!!! WIR WERDEN ALLE STEEEEERBEN!!!!!", schrie jemand über das Gebrüll der See hinaus, doch gerade als Sirius sich umwenden wollte um nachzusehen, wer es gewesen war arbeitete die Castores sich bereits über den Kamm einer weiteren Welle hinaus und stürzte mit halsbrecherischem Tempo in das nächste Tal. Das Holz des Schiffes ächzte und schrie unter der Beanspruchung durch das ewige Auf-und-Abd der großen Wellen, und das einzige noch gelahnte Bugsegel empörte sich immer wieder laut hörbar über die maßlose Beanspruchung, das Schiff alleine auf Kurs vollseits durch die Wellen zu führen.


    Der Sklave klammerte sich an einem der vielen Seile, die an der Reling entlang und an so ziemlich jedem stabil mit dem Holzgerüst des Schiffs verbundenen Werkstück festgezurrt waren, war man bei einem solchen Wellengang doch auf jede Möglichkeit angewiesen sich festhalten zu können, verbrachte man den Sturm nicht einfach unter Deck und ließ sich dort hin und herschleudern.
    Wie sein Herr es zum Beispiel getan hatte, mehr oder weniger freiwillig, hatte er sich doch schon in der ersten Stunde dieses Sturms in die Ohnmacht verabschiedet und war in zwei Matrosen gerutscht, die wie Vala nur deshalb nicht über Bord gespült worden waren, weil Valas linkes Bein sich in der Takelage verfangen hatte und sie sich an dem Bewusstlosen festkrallen konnten. Das Knirschen der brechenden Knochen hatte Sirius selbst über das Getöse des Windes hinaus gehört.
    Seitdem lag der ehemalige Quaestor, sorgsam von seinem Sklaven festgezurrt, in dem kleinen für ihn vorbehaltenen Bereich im Bauch des Schiffs und wurde ebenso wie die Ladung mächtig hin und hergeschüttelt.


    "DAS IST DIE RACHE DES MEERESGOTTS!!! MUAHAHAHAHAHAA!!!!!", jaulte die Stimme wieder, und ein irres Lachen folgte kurz darauf, das Sirius stark bekannt vorkam. Gerade als die Welle die Störung durch die Castores mit einer hämisch über das Schiff und die stoisch dem Sturm harrende Besatzung geworfene Gischt quittierte, raffte Sirius sich zusammen und löste langsam Finger für Finger, um sich dann in einer ruckartigen Bewegung umzudrehen und sich nun rücklings an dem Tau festzuhalten. Hinter ihm war nichts.. nur ängstliche Seeleute, die sich in vollkommen durchnässten Tuniken festhielten. Ihre sorgenvollen Blicke behielten dabei vor allem den Hauptmast und das Bugsegel im Blick... aber auch ihn.


    Als unter dem Hereinbrechen einer weiteren weißen Gischtwolke erneut ein irres Lachen erklang, das plötzlich durch ein Gurgeln und Röcheln abgelöst wurde, ging Sirius ein Licht auf, als er das Salzwasser dorthin zurückspuckte wo es herkommen war.


    "Das ist nicht gut... ganz und gar nicht gut."

  • "LAND!!! Wundervolles, festes, schönes, unsinkbares, trockenes Land!!!", seufzte Vala laut vernehmbar, als er über einen der vielen Hafenstege der Stadt Heraclion in Richtung des Festlandes humpelte, um sich bei erstbester Gelegenheit in den an diesem sonnigen Tag staubtrockenen Dreck des Hafenviertels zu werfen. Das gebrochene Bein war perdu, die Schmerzen dahin, alles was zählte war fester Boden unter den Füßen?


    Sirius
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    Sirius, der so manche seltsame Anwandlung seines Herrn erlebt hatte und diesem selbst noch viel mehr derer zugemutet hatte, erlebte gerade einen der seltenen Momente, in dem Vala ihm einfach nur unendlich peinlich war.
    "Geht weiter... hier gibt es nichts zu sehen!", rief er den Hafenarbeitern und den Passanten auf griechisch zu, die ob des seltsamen Auftritts des großen Kerls verwundert innegehalten hatten, "..und das hier ist nicht mein Herr. Nein, ich kenne diesen Mann überhaupt nicht. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen... geht weiter, Leute, hier gibt es absolut nichts zu sehen!"


    Vala lag immernoch im Dreck und krallte seine Hände in den Boden. Genau genommen hatte er die acht Stunden, die sie bei gutem Wind gebraucht hatten um von der ersten Sicht bis zum Hafen gebraucht hatten, gebannt auf das winzige und elend langsam größer werdende Eiland starrend am Bug verbracht.


    "Göttlich... einfach nur göttlich!", hörte Sirius von unterhalb seiner Knie, wagte es aus Scham jedoch nicht hinunterzugucken aus Angst, seinen Herrn sonst für diese öffentliche Demütigung erwürgen zu müssen: "Herr.. wir müssen weiter. Wir sind wegen eines Medicus hier, erinnerst du dich?"


    "Jaja...", schmollte Vala mit verdrieslicher Miene, als er sich wieder von seinem geliebten Dreck löste und auf einem Stock gestützt in die Stadt zu humpeln begann, wobei er immer wieder die Zähne zusammenbiss, auch wenn er sich größte Mühe gab unbeeindruckt von den Schmerzen zu wirken.. und dem Bein, das nicht mehr ganz so gerade aussah wie es eigentlich sein sollte, "Wie genau ist das hier jetzt noch geschehen?"


    "Eh...", stockte Sirius, der sich einige gute Geschichten zurecht gelegt hatte, die er auch mit den Nautae abgesprochen hatte um seinem Herrn weitere Gram zu ersparen, war er doch bei den Seeleuten schon genug zum Ziel ihres Hohns und Spotts geworden, "..während des Sturms kam ein großes Untier des Neptun aus den Fluten gesprungen... ein großer Fisch mit Flügeln! Und er hätte beinahe einen Soldaten ins Meer gerissen, hättest du dich nicht heldenhaft vor ihn geworfen und ihn damit vor dem Untergang gerettet! Mitten im Sturm hast du das Untier bezwungen, aber dabei selbst Schaden genommen, wie man sieht!"


    "Das habe ich getan?", fragte Vala mit ungläubigem Blick während sie voran stolperten, "DA! Dass da... das sieht wie eine Taberna Medica aus."


    "Ja, das hast du getan.", stimmte ihm Sirius mit Unschuldsaugen zu, und weinte innerlich dabei bittere Tränen über das Geld, dass er den Nauta hatte zukommen lassen, damit die seine Geschichte deckten. Andererseits würde er sich das Geld von seinem Herrn wiederholen... in Worten: stehlen. Nur um nicht aus der Übung zu kommen. Aufgefallen war es Vala noch nie.
    Die Taberna Medica war tatsächlich eine Taberna Medica.. irgendwo sahen sie alle gleich aus. Getrocknete Kräuter hingen an den Deckensparren, und einer Wand aus verschiedenen Gerüchen.. mittendrin eine alte Frau die irgendetwas in einem Mörser zerkleinerte.


    "Hellas!", rief Vala auf griechisch mit halbwegs freundlichem Lächeln aus, "Ich Vala von Baumland! Wollen Mann der Medizin, wegen Stabkörper kaputt! Können filtern diese Traubensaft, durch Rauben von Steinbruch in tote Fliegen?"


    Die Alte blickte ihn einen Moment lang irritiert an, aus ihrem faltigen Gesicht sprach wenig mehr als absolutes Unverständnis, um schließlich in einer universell gültigen Minimalsprache zu antworten: "Häh?"


    "Ich brauche Kuhfladen zu Tempelsäule schleifen, grobe Fünfmeilenhaare!", fuhr Vala fort, nicht begreifend warum die Frau ihn nicht verstanden hatte, "Blaue. Große. Eichhörnchen. Zum Mitnehmen bitte, ohne Garum oder Essig. Und keine Zwiebeln auf dem Hammelkot, bitte."


    Sirius, der bisher betreten geschwiegen hatte, sah sich nun gezwungen einzugreifen um zu verhindern, dass sie noch aus der Taberna rausgeworfen wurden, und sprang mit fließendem Griechisch in die Bresche: "Dies ist mein Herr, Titus Vala von den Duccii, Quaestor des Kaisers im letzten Jahr.. er hat sich am Bein verletzt und braucht die Hilfe eines Heilkundigen."


    "Ah, sagt das doch gleich...", antwortete die Alte, deren Irritation einem routinierten Blick auf Valas Bein wich, "..er soll mir folgen, dann kümmer ich mich um ihn."


    Es brauchte keine Übersetzung um die Gestik auch seinem Herrn verständlich zu machen, und so folgte Vala der alten Frau in einen der hinteren Räume, in dem er sich in der folgenden Stunde so ziemlich alles antun durfte was die antike Knochenrichterei herzugeben hatte. Sirius hatte seinen Herrn noch nie schreien hören, und als er es zum ersten Mal tat, würde er danach auch nie wieder das Verlangen danach haben. Selbstbeherrschung hin oder her: wenn gebrochene Knochen mit Strick und Winde auseinandergezogen wurden um sie von Hand wieder zusammen zu setzen würde selbst ein Berg die Contenance verlieren.


    "Seit wann sprichst du Griechisch, Sirius?", durchbrach Vala die Stille, als er sich vorsichtiger als zuvor, wieder in Richtung Schiff humpelte, die Augen noch glasig von den vielen Schmerzenstränen, die ihm in der vorhergehenden Stunde über das Gesicht gelaufen waren.


    "Nun.. nicht jeder von uns hatte nur Mord, Totschlag und vor allem Titten im Kopf als Linus versuchte dir die Sprache seiner Heimat beizubringen..", versuchte Sirius so wertungsfrei wie möglich zu klingen, was ihm wohl nur deshalb gelang, weil der Schmerz jede Aufmerksamkeit aus dem Leib seines Herrn vertrieb.


    "Achso... nun, dann hat sich das ja dennoch gelohnt.", quetschte Vala aus zusammengekniffenen Zähnen hervor, während er wieder einen Schritt nach vorne tat, "...du musst übrigens nicht mit zum Schiff zurück, ich werde nur den Nauarchus auszahlen und ihm sagen, dass wir den Weg auf dem Land fortsetzen werden..."


    Sirius stoppte abruppt: "Das geht nicht. ... eh... Herr."


    "Wieso sollte das nicht gehen? Natürlich geht das! Ich habe etwas Geld dabei, und zwei Wechsel. Das dürfte reichen, um uns von hier nach Alexandria zu bringen.", hielt auch Vala an, wobei der Schmerz seinen fragenden Blick zu einer Fratze entstellte.


    "Aber das hier ist Heraclion!", wandte Sirius ein.


    "Und?", bohrte Vala nach.


    "Heraclion... Creta!!!"


    "Ja, ja.. das weiß ich doch."


    "Creta ist eine Insel!!"


    "Oh."

  • Es war absolut still. Mucksmäuschenstill... totenstill.... nicht einmal das Schwappen der kleinsten Welle am ölgehärteten Rumpf der Castores war zu vernehmen. Weil es keine Wellen gab... und wo keine Wellen, da kein Wind. Genauer gesagt: wo kein Wind, da keine Wellen.
    Die Castores steckte in einer Flaute. Irgendwo auf dem Mare Nostrum, und nur der Nauarchus wusste wo genau sie sich jetzt überhaupt befanden.
    Die Flaute herrschte nicht erst seit gerade eben, sondern seit nunmehr drei Tagen. Drei elende Tage die Besatzung und die wenigen Reisegäste auf dem Schiff herumhockten, die in Heraclion gottseidank noch einmal aufgestockten Vorräte an Trinkwasser und haltbarer Nahrung verbrauchten und mittlerweile das schon fünfte Opfer an Neptun dargebracht hatten. Dazu kam die Sonne... man hatte Vala erzählt, dass die Sonne in Aegyptus im Winter weniger vernichtend sei als im Sommer.. aber dass sie selbst im Herbst so brüllend am Tag stehen konnte, was hatte ihm niemand gesagt. Gut, seine Tante hatte freilich einige Zeit in Aegyptus zugebracht, aber dies hier gehörte zu den Dingen, die sie aus welchem Grund auch immer nicht berichtet hatte.


    War Valas Erscheinung in Rom von einer germanischen Blässe zu einem unter der italischen Sonne gereiften dunkleren Teint geworden, hatte die Seekrankheit ihn augenblicklich in ein totenbleiches Schreckgespenst verwandelt... und die gnadenlose Sonne über dem bewegungslosen Meer hatte diese Schwäche ausgenutzt, um das lustige Farbenspiel in Richtung eines schmerzhaften Rots fortzuführen. Krebsrot, um genau zu sein.


    "Wenn ich das nächste Mal die Idee haben sollte nach Africa oder Aegyptus zu reisen...", sprach Vala, der garnicht wusste wo er zuerst mit Jucken und Kratzen anfangen sollte, "..erschlag mich."


    Sirius
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    "Sollte der Kaiser.. oder eher gesagt der Praefectus Urbi.. wirklich so verrückt sein dich zum Senator zu ernennen, wird dies höchstwahrscheinlich eh deine letzte Reise nach Aegyptus sein.", kommentierte Sirius die Narretei seines Herrn emotionslos, weil er sich unter seinem selbstgebauten Sonnenschirm kaum zu mehr hinreißen ließ als ab und an nach einem Becher lauwarmem Wassers zu greifen.


    "Der geht an dich..", stöhnte Vala, der auch nach stundenlangem Suchen keinen Fleck fand auf den er sich legten konnte ohne, dass er das Gefühl bekam gleich abzuheben, er selbst hatte sich in einer Ecke am Heck des Schiffs ein Stück altes Segeltuch aufgespannt, unter dem er sich vor der Sonne versteckte. Zu spät, freilich, aber zumindest würde es dafür sorgen, dass es nicht NOCH schlimmer wurde. Wenn das überhaupt möglich war. "Was machen die Nauta da vorne?"


    "Die? Ach...", wanderte der Kopf seines Sklaven langsam in Richtung des Bugs, "..die diskutieren darüber, was sie als nächstes dem Meeresgott opfern sollen, damit er uns Wind schenkt. Sowie ich das richtig gehört habe, müssen wir bald rationieren.. vor allem das Wasser!"


    "Das Wasser? Aber wir sind auf dem Meer!", wandte Vala ein, dessen dämonengleiches Rotgesicht sich unter einem nassen Lappen verbarg.


    "Eh... ja, richtig.", antwortete Sirius, der sich gerade in einer andere Welt wünschte, in der ein Sklave seinem Herrn ohne schlechtes Gewissen sagen konnte, was für ein strunzdummer Kontinentalbarbar er doch manchmal war, "Aber das Wasser im Meer ist salzig."


    "Und? Ist das schlimm?", hakte Vala nach, dem wenigstens das Sprechen keine Schmerzen bereitete, so ihm schon die Haut und das Bein abzufallen drohten. Eigentlich war er in diesem Zustand eine interessante Mischung aus Farben die es so an einem Menschen im gesunden Zustand eigentlich nicht geben sollte. Die Haut versuchte sich an den unmöglichsten Stellen an den unmöglichsten Rottönen, das gebrochene und wieder zusammengeflickte Bein wechselte Chimärenhaft stündlich die Farbe und konnte sich letztlich nicht zwischen Grün, Blau, und Gelb entscheiden... und mittendrauf ein dreckiger Lappen. Später würde man seine Erscheinung mit Abstrakt noch schönreden können.. im Zeitalter der Antike sah er aber einfach nur scheisse aus.


    "Find es selbst raus, spring rein...", nuschelte Sirius, der sich gerade in aggressivem Nichtstun übte.


    "Witzbold... ich kann nicht schwimmen.", brummte Vala, der lieber sterben würde als ein äußerst fragmentiertes Bein und eine sich in Revolution übende Epidermes als Grund vorzuschieben. Nein, lieber schob er einfache Inkompetenz vor: "Eh... vergiss, was ich gerade gesagt habe."


    "WIR SOLLTEN DEN VERRÜCKTEN OPFERN!!!!", schallte es von vorne rüber, und einige der Nauta wandten ihre Köpfe, um zu Vala und seinem Sklaven herüber zu starren. Keiner der Blicke war freundlich..


    "Wen meinen sie, Sirius?", fragte das bunte Vala-Lappen-Gebilde.


    "Öh.. ich habe nicht die geringste Ahnung, Dominus!", sprach der Sklave, dessen Gedanken sich gerade fragten, wann ER eigentlich das letzte Mal geschwommen war..

  • "DIESER MANN IST M E I N EIGENTUM!!!!!!!!!", schallte Valas Stimme über das stille Meer als er den Nauta anbrüllte, der bisher am lautesten und uneinsichtigsten den Opfertod des Sirius verlangt hatte. Der Mann reagierte entsprechend irritiert, er war es gewohnt von seinem Nauarchus angebrüllt zu werden, von einem großen krebsroten Ding mit zu einer schmerzverzerrten Maske entstellten Gesicht war er jedoch noch nie zur Rechenschaft gezogen worden.


    "DIESER MANN IST MEIN VERDAMMTES EIGENTUM!!!", wiederholte Vala sich noch einmal und blickte mit rotem Gesicht in die Runde der ihn anstarrenden Seeleute, "UND WER ES AUCH NUR WAGT IHN ANZURÜHREN KANN SICH AUF EINE HANDFESTE KLAGE GEFASST MACHEN.. UND AUF ARGE PROBLEME MIT DEM EIGNER DIESES SCHIFFS! DAMIT DAS KLAR IST!!"
    Nein, es machte definitiv keinen Spaß sich mit dummen Seeleuten zu streiten. Besonders nicht, wenn man sich mit einem Stock halbwegs gerade hielt, verzweifelt das gebrochene Bein nicht zu belasten und zu ignorieren versuchte, dass die eigene Haut sich seit einiger Zeit in einem heftigen, durch die Sonne provozierten Bürgerkrieg befand. Entweder hatten sie Angst vor ihm weil er aussah wie ein Mensch eigentlich nicht aussehen sollte, oder sie nahmen ihn nicht ernst, weil das Problem mit dem Wind viel zwingender war.


    "Dieser Mann ist irre! Er hat während des Sturms den Meeresgott beschworen und uns damit die Probleme auf den Hals geschafft!", wiederholte einer der Nautae eines ihrer Lieblingsargumente.


    "Jaja, kenn ich schon. Und jetzt wollt ihr den Meeresgott beschwören, in dem ihr diesen Mann im Meer versenkt, damit er euch die Probleme wieder vom Hals schafft? Und sowieso: wer von euch weiß genug von den Göttern, um es genau daran festmachen zu können?", versuchte Vala sich erneut in verzweifelter quasi-Logik.


    "Ich!", hob einer die Hand, "Ich weiß genug von den Göttern, denn sie haben mich schon auf vielfältige Weise gestraft!"


    "Na, vielleicht bist du dann das Problem.", wandte Vala mit herausforderndem Blick auf den Mann ein. Jedoch hatte er damit keine Chance bei den verschworenen Seeleuten, die viel lieber einen Fremden als einen der ihren über Bord werfen wollten.


    "Da hätte Neptun uns ja schon viel früher strafen können!", erfuhr einer eine göttliche Segnung mit Argumentation, "Aber wir haben Herbst! Stürme, daran sind wir zu dieser Zeit gewöhnt, aber Flaute? Absolute, tagelange Flaute? Das muss ein Fluch des Meeresgotts sein, kann gar nicht anders!"


    "Ich werde nicht zulassen, dass ihr meinen Sklaven versenkt!", grollte Vala, dem nichts anderes übrig blieb als seinen Standpunkt als Besitzer des potentiellen Menschenopfers zu zementieren.


    "Na, vielleicht ist es ja gar nicht der Irre... sondern sein Besitzer, der Neptun das halbe Meer vollgekotzt hat!", nölte eine Stimme aus der Gruppe der Nautae, deren Urheber anscheinend lieber unerkannt bleiben wollte.


    "SAG DAS NOCH MAL!", brüllte die Stimme des Nauarchus dazwischen, eines alten Manns der schon viele Tage auf See gesehen hatte. Die Stimme des Mannes, der bisher schweigend dem Irrsinn beigewohnt hatte, ließ die Nautae unwillkürlich den Kopf einziehen: "WIR WERDEN HIER SICHER KEINEN MAGISTRATEN DER STADT ROM OPFERN, NUR WEIL EURE HOLZKÖPFE ES FÜR EINE GUTE IDEE HALTEN! BEI DEM WAS IHR TÄGLICH IN DIE SEE WERFT IST ES EIN WUNDER, DASS NEPTUN UNS ÜBERHAUPT NOCH AUF DEM WASSER LÄSST, SOVIEL WIE IHR AUF SEIN HAUPT KACKT!"


    "Eh..", versuchte Vala die Gunst des Moments auszunutzen, "..und seinen Sklaven sicher auch nicht!"


    "Wir bringen Neptun noch ein Opfer dar...", brummte der alte Seebär, "..nehmt dafür die das letzte Kalb. Das Vieh lebt sowieso nur noch deshalb, weil wir in Heraclion halt machen durften."
    Womit er Vala einen abschätzigen Blick zuwarf, welcher augenblicklich verstand an wem es nun lag das Opfer darzubringen. Bisher hatte er sich erfolgreich davor drücken können, aber als Magistrat der Stadt Rom wurde nun auch erwartet, dass man erfolgreich Opfer an die Götter darbringen konnte.


    Den panischen Blick seines Sklaven, der natürlich um Valas Opferqualitäten wusste, ignorierte Vala geflissentlich, warf der versammelten Nautaschaft noch einen drohenden Blick zu und verbrachte die folgenden Momente damit, vor Schmerz aufzustöhnen als er die bequeme Tunika gegen eine dem Opfer angemessene Wolltoga austauschte. Krebsrotes Gesicht, krebsrote Arme, krebsrote Hände, krebsrote Füße.. und eine blütenweiße Toga. Wundervoll. Der Meeresgott würde ihn auslachen.


    "OH GROßER GOTT DER MEERE!!!", begann Vala das Opfer mit dem Wissen, dass es hier wohl oder übel um seinen Sklaven ging, "WIR RUFEN DICH AN, HERRSCHER ÜBER DIE WASSERNEN TIEFEN, GEBIETER ÜBER WELLEN UND WINDE! MÄCHTIGER VATER DER TITANEN DER MEERE! HÖRE UNS AN!"


    Ein zum Opferhelfer auserkorener Nauta reichte Vala die erste Schale mit Opfergaben, darin italische Köstlichkeiten die eigentlich für den Praefectus Aegypti vorgesehen waren: "Wir bringen dir Früchte von den besten Gefielden Italias und Gebäck aus den vornehmsten Küchen Roms dar!" Das entsprach zwar nicht ganz dem dem Meeresgott zugerechneten Gusto, aber auf See hatte man wenig Spielraum wenn es um Opfergabenauswahl ging. Es plätscherte verhalten, als die Opfergaben von Valas Hand auf die bewegungslose See prasselten.
    "Außerdem bringen wir dir diese Bronze als Geschenk dar, Neptunus, du Schutzherr aller Seefahrer, denn wir sind deiner Hilfe angesichtig in unserer Not!", wieder ein Griff in die Trickkiste, aber zumindest würde dies dem Meeresgott schon eher schmecken, immerhin waren es Bronzemünzen mit dem Konterfei des Meeresgotts, die zuvor unter der mehr als murrenden Mannschaft der Castores gesammelt worden waren. Der Löwenanteil stammte von Vala.
    "Wir benötigen deine Hilfe, oh Meeresgott, denn verloren sind wir in deinem Reich..", oder genauer: Sirius war so ziemlich verloren in seinem Reich, wenn der Meeresgott ihm keine Kiemen wachsen ließ, "..deine Stürme haben wir deinem Willen nach überstanden, und deine Kinder haben unsere Wege nicht gekreuzt, doch sind wir noch nicht am Ziel! Bitte schenke uns Wind, lasse uns unsere Reise fortsetzen und nicht weiter in der Weite deines Reichs darben! Oh großer Neptunus, schenke uns Wind!"


    Eine weitere Reinigung seiner Person wurde durch den Aushilfs-Aedituus vollzogen, und nun ging es daran das Hauptopfer zu vollziehen: "NEPTUNUS! DEUS MAXIMUS MARIUM!! Dir zu Ehren bringen wir dieses Geschöpf... Kalb... JUNGEN STIER als Opfer dar! Bitte gewähre uns, was wir von dir erbitten!"
    Man reichte ihm das Opfermesser, mit welchem er das Tier dem Gott weihte,.. man konnte beinahe hören wie Nauarchus, Nautae, die wenigen anderen Reisenden und vor allem aber Sirius die Luft anhielten, bevor die große Frage eines jeden Opfers gestellt wurde: "Agone?"
    "Age!!", befahl der sonnenverbrannte Opferherr, und kurz darauf konnte man ein letztes Schnauben des sich erwartungsvoll still verhaltenden Kalbs und das Plätschern des Blutstromes, der das Wasser abseits des Schiffes langsam Rot zu färben begann. Kurz darauf wurde das komplette Opfertier dem Meer und damit dem Gott übergeben, einfach nur, weil man sicher gehen wollte, dass der Gott bekam was er vielleicht haben wollte. Auf das Ausnehmen und die Lese wurde verzichtet, man würde auf andere Art und Weise und hoffentlich früh genug erfahren, ob der Meeresgott ihr Opfer angenommen hatte.


    Es war nicht nur ein Blick, der sich kurz nach dem Opfer sorgenvoll auf die schlaff im Holz hängenden Segel richtete.

  • Die Aufmerksamkeit des Gottes wurde durch das angenehme Klingen der Münzen auf diese kleine Nussschale gezogen, die letztens schon durch ausgiebige Fischfütterungen aufgefallen war. Das war grundsätzlich kein Nachteil, Fische waren nicht gerade als Feinschmecker bekannt und konnten nie genug gefüttert werden. Ein Nachteil für die Sterblichen auf dieser Holzschüssel war eher die Tatsache, dass sie den Namen des Gottes sehr leichtfertig im Munde führten, ihm allerlei unterstellten und andichteten. Was wußten sie von seiner Rache? Solch ein kleines, erfrischendes Stürmchen war sicherlich nicht vergleichbar damit. Ein von ihm geschicktes Untier würde sich auch gewiss nicht von einer seekranken Landratte besiegen lassen. Wie anmaßend diese Sterblichen doch waren! Ein mageres Kälbchen also, wenigstens war es ein männliches Tier, sollte dies nicht nur alles aufwiegen, sondern ihn zudem veranlassen, ihr Schiff wunschgemäß voranzutreiben. Dachten sie. Die Sterblichen. Das tote Kälbchen dümpelte neben dem Schiff in der nahezu spiegelglatten, an dieser Stelle blutrot gefärbten See. Kein Lüftchen regte sich.

  • Nach etwa einer Stunde gab auch der hartnäckigste Segelstarrer auf. Die Windstille sorgte dafür, dass das tote Vieh trostlos im Wasser direkt neben der Castores dümpelte, nur das rote Blut breitete sich aus als würde es keine Strömung.. kein Nichts brauchen um das klare Wasser von tiefrot zu kaum-sichtbar-fieses-rose zu verwandeln...


    Vala sah sich mit einen außerordentlichen Problem konfrontiert... nach dem offenbar missglückten und nicht angenommenen Opfer stand zudem der göttliche Rückhalt seiner Argumentation in Frage. Nein, nicht in Frage: er hatte keinen. Nach mehreren kleinen Diskussionsgeplänkeln zog sich der Ring der immer grimmiger dreinschauenden Nautae enger um Vala und seinen Sklaven, und als ihm schließlich die Versprechungen von Belohnungen und Belobigungen und sonstigen Gewinnen beim Erreichen eines Lebenden ausging, packte ihn die schiere Verzweiflung: "SEHT! EINE GALEERE!!! DORT!!!!"


    So verzweifelt der Ausruf war, so wirkungsvoll war er im gleichen Maße. Augenblicklich rauschten sämtliche Seeleute und anderen Mitreisenden an die Reling in der Richtung, in der Vala ihnen eine nicht-existente Galeere angepriesen hatte, und mit hoffnungsvollen Blicken suchten sie den Horizont nach dem ab, was nicht da war. Valas hoffnungsloser Blick wandte sich um zu dem Häuflein Elend, das mal sein Sklave gewesen war und sich seitdem hinter ihm versteckte wie ein geprügelter Hund hinter seinem Herrn. Was blieb ihm übrig? Er konnte nur mit den Schultern zucken, und sich auf das unvermeidbare vorbereiten...


    "DA!!!!!!!!", rief auf einmal einer der Seeleute aus, "DA IST SIE!!!!!!!"


    "WAS?", engleisten Vala unwillkürlich die Gesichtszüge, und so schnell es sein gebrochenes Bein zuließ humpelte er am Stoch mit zusammengebissenen Zähnen zu der Gruppe wild ins Nichts starrender Menschen, um sich selbst von dem zu überzeugen was eigentlich nicht sein konnte. Er folgte einem der weit ausgestreckten Finger und sah tatsächlich einen Punkt am Horizont, der da vorher eigentlich nicht gewesen sein konnte. Sirius fiel ob der Aufregung über die unerwartete und eigentlich unmögliche Rettung einfach nur um und blieb ohnmächtig liegen...


    "Na, so ein Zufall aber auch.", brummte der Nauarchus, und bellte gleich darauf einen Befehl um einen Nauta in den Bauch des Schiffes zu schicken und einen polierten Schild herauf zu holen um dem anderen Schiff ein Zeichen zu geben.
    Es dauerte noch elend lange Stunden bis das andere Schiff in erreichbare Nähe kam, die mit wilder Spekulation verbracht wurden: waren es Piraten? Gar Parther, die sich verfahren hatten? Der Kaiser, höchstpersönlich ausgerudert um sie zu retten? Wer hatte sie geschickt? Der Meeresgott, der es viel einfacher haben und ihnen Wind schicken konnte, oder Mercur, der Gott des Zufalls? Vielleicht einfach nur Fortuna?


    Vala war das alles vollkommen egal als er den ersten Fuß auf alexandrinischen Boden setzte. Die Mannschaft hatte sämtliche Vorräte der Ruderbesatzung der Liburne (eine Galeere wäre dann doch etwas zuviel verlangt gewesen, hatte die unbekannte Gottheit dann doch wohl entschieden) zur Verfügung gestellt, die mit ihrer Abschlepptätigkeit zwei Tage länger brauchte als eigentlich für die Strecke. Was dafür sorgte, dass in Alexandria ein Haufen vollkommen ausgehungerter Seeleute und Reisender an Land ging, und dazu ein zunehmend blanker Duccius, denn der Nauarchus der Liburne hatte sich die Zusatzarbeit für seine Ruderer ordentlich auslöhnen lassen. Er würde nach Rom schreiben müssen um um einen weiteren Wechsel zu bitten... Aegyptus wurde teuer bevor er es überhaupt betreten hatte.


    "LAND!!! Wundervolles, festes, schönes, unsinkbares, trockenes Land!!!", schrie Sirius neben ihm auf und warf sich in den ersten Staub den er am Hafen finden konnte. Vala, auf einen Stock gestützt warf die Stirn in Runzeln und klopfte mit dem Stock an die Seite seines Sklaven.


    "Nun komm schon... wir haben auf dem Meer genug Zeit verschwendet...", brummte er, und stapfte einfach darauf los. Es dauerte geraume Zeit bis Sirius sich von dem Dreck lösen mochte und ihm hinterherrannte.


    "Wo wollen wir eigentlich hin?"


    "Erst einmal eine Bleibe suchen, bis ich mich wieder zurück in einen Menschen verwandelt habe...", nörgelte der immernoch sehr rot angehauchte Duccius, "Und dann haben wir drei Stationen abzuarbeiten... den Palast des Statthalters... das Castellum der zweiundzwanzigsten Legion... und das Museion!"

  • Was für ein unfassbarer Aufwand! Das ganze verdammte Schiff hatte man umpinseln lassen und es umbenannt, die Mannschaft gegen nordafrikanische Seeleute ausgetauscht und das ganze Ding so versifft dreinschauen lassen, dass es eher nach nem alten Ölkahn aussah, auf dem schon genug schiefgegangen war, denn als nach einer Corbita die sich im Besitz eines reichen Senators befand. Im Lagerraum waren mehrere Amphoren mit Stempel aus Darnis eingebracht worden, und mehrere kleinere mit Farben die für den Norden gedacht worden waren. Nichts sollte den Eindruck erwecken, dass man es hier mit einem Schiff zu tun hatte das aus Aegyptus stammte.


    Was natürlich auch veränderte Bedingungen für die Reisenden bedeutete. Nebst dreier Boten, die für annaeische Gefolgsleute in Italia und Gallia Schreiben transportieren würden, war da auch noch der immernoch-Senatsanwärter mit seinem Sklaven. Dem Kapitän der Corbita war nicht wohl dabei gewesen Sirius wieder mit an Bord zu nehmen, aber der Mann verstand sich darauf Gold als das schwerwiegendste Argument zu betrachten und folglich einfach seine Klappe zu halten.
    Vala selbst graute es schrecklich vor dem Schiff, mit dem er vornehmlich böse Erinnerungen verband, aber letztlich blieb ihm keine andere Wahl. Ein Trost blieb ihm, dass sie die ersten zwei Tage an der nordafrikanischen Küste entlangsegeln würden um sich von Darnis direkt nach Sicilia zu begeben... was immernoch mehrere Tage auf offener See beinhalten würde. Zwar hatte man dieses Mal der Sicherheit wegen Ruder mit an Bord gebracht um nicht erneut in einer langwierigen Flaute festzustecken... aber dennoch: See war See blieb See.


    Der Germane musste auf der Reise schreckliche Pein über sich ergehen lassen um die Maskerade auch für die unwissenden Seeleute aus Nordafrika aufrecht zu erhalten. Als direkter Untergebener des Nauarchus hatte er freilich nicht viel mit den einfachen Nautae zu tun, aber dennoch musste er hier und da die Arbeiten eines Seemanns vollbringen um den Schein einigermaßen zu wahren. Was freilich vollkommen misslang, die Landratte Vala war für die Bezwingung der See so nützlich wie eine Ratte zur Bezwingung einer Katze. Irgendwann mussten sie sich eine neue Ausrede einfallen lassen, damit die Seeleute nicht misstrauisch wurden und sie im Falle einer Kontrolle durch romtreue Offizielle verrieten. Irgendwann wurde Vala also zum Neffen des zwei Köpfe kleineren und schwarzhaarigen Nauarchus ernannt und konnte als 'nutzloser Neffe vom Boss' leichten Gewissens jede Menge Fehler begehen und den Nauta auf die Nerven gehen, ohne dass man ihn deswegen gleich von Bord warf. Misstrauisch machte nur die helle Stelle an Valas linker Hand den einen oder anderen, an der vormals der Siegelring mit der Midgardschlange und dem Wolf gesteckt hatte. Dieser war, mit Valas anderem Kram und einem Haufen inoffizieller Schreiben, tief im Laderaum des Kahns in versiegelten Amphoren verpackt.


    Während sie von Alexandria nach Darnis segelten hielt sich Valas Unwohlsein in Grenzen, weil er immer wieder hilfesuchend gen Süden starren konnte um sich dort an den schmalen Streifen Küste zu klammern. Als sie allerdings Darnis nach nur wenigen Stunden Aufenthalt gen Norden verließen war es fix mit der Selbstbeherrschung des Duccius vorbei: wie schon mehr als ein Jahr zuvor hinh der Germane mit kläglichem Geräuschzirkus über der hölzernen Reling und gab das halbverdaute Essen der See preis. Nach drei Tagen auf See, etwa auf halber Strecke zu Syracuse, hatte Vala sich bereits in ein kreidebleiches Schreckgespenst verwandelt, das man nie im Leben als Seemann würde verkaufen können.
    Sirius hingegen fühlte sich in der Rolle als Seemann pudelwohl, und hatte den Spaß seines Lebens sich daran zu beteiligen die Segel brahen, die Takellage zu zahnen und vor allem die Fahrwasser in Inselnähe auszuloten. Vor allem aber genoss er die Tatsache, dass er sich nicht um seinen Herren kümmern musste, da er offensichtlich kein Sklave war... was umso leichter fiel, da Vala bisher auf Brandzeichen und andere Kennzeichnungen verzichtet hatte. Während sein Herr also, wieder einmal, im Lageraum hing und ein dutzend Tode starb, hatte Sirius den Spaß seines Lebens sich durch die Takelage zu hangeln und den anderen Seeleuten auf den Keks zu gehen.

  • Als sie Land in Syracuse betraten, hatte Vala noch die Kraft sich hingebungsvoll in den Staub zu werfen und das Festland in allen Sprachen zu preisen, die er kannte (also zweieinhalb), und sich am Abend, als sein Magen sich soweit beruhigt hatte, dass er sich nicht augenblicklich wieder übergeben musste, den Hunger der letzten Tage vom Leib zu futtern. Während er dies tat beschäftigte sich Sirius vornehmlich mit dem Einholen von Informationen, was nirgends einfacher geschehen konnte als in einem Seehafen... als der Sklave/Seemann zu seinem Herrn/eigentlicheinSeemannaberdochirgendwokeiner zurückkehrte, gab es besorgniserregende Nachrichten: Salinator konnte sich in Rom offensichtlich ohne größere Probleme zum Kaiser krönen lassen, und Aegyptus sei vom Reich abgefallen und der dortige Statthalter wolle sich zum Gottkönig der Aegypter krönen lassen, so wie Antonius es vor hundertfünfzig Jahren schon vorgehabt hätte! Er und seine Helfershelfer wären sofort vom Kaiser zu Staatsfeinden erklärt worden, ihr Plan, die Vinicii freizupressen war offensichtlich gescheitert.
    Weiterhin halbwegs fröhlich Suppe und Brot in sich reinschauffelnd (oppulenteres wäre zu auffällig gewesen, und Vala selbst sah das dünne Gebräu im Moment als Spitze der Haute Cuisine an) nahm der Germane die Neuigkeiten nur halbwegs besorgt auf, denn viel wichtiger war die Frage: wusste man von Truppen, die in den Süden entsandt worden waren?
    Das Kopfschütteln seines Sklaven steigerte dann wieder die Frequenz des Suppeschauffelns, doch machte der Sklave ihn einen Moment später darauf aufmerksam, dass es ratsam war Italia so fern wie möglich zu bleiben um kein Risiko einzugehen.
    Vala begriff natürlich erst, als sie das vermaledeite Schiff wieder betraten: es würde nicht an der Küste Italias weiter gen Norden gehen... sondern erst einmal weiter gen Osten. Vala war zu wenig mit der Natur des Meeres vertraut um auch nur einen halbwegs überzeugenden Versuch des Gegenargumentierens zu machen, in die Fänge der Classis und damit Salinators wollte er auf keinen Fall geraten.. also ging es von Syracuse wieder gen Süden, an der Küste Siziliens entlang... wieder auf's offene Meer... das verhasste, offene Meer.
    Das Übersetzen von Eryx nach Carales an die Küste Sardiniens verwandelte Vala augenblicklich wieder in ein vornehmlich über der Reling hängendes Schreckgespenst. Dabei brauchte es nicht einmal einen Sturm... noch anspruchsvollen Seegang... zwischen den Nautae machten Witze die Runde, in denen der kreidebleiche Germane schon zur Reling eilte sobald das Schiff vom Luftzug einer vorbeifliegenden Möwe getroffen wurde.
    Falsch lagen sie damit sicherlich nicht.

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer05.png "Willst du es nicht wenigstens einmal versuchen?" , stocherte Sirius nach einer Weile der Stille nach, in der sein Herr wieder einmal einfach nur kraftlos an der Reling hockte, und er selbst Brot und Trockenfisch in sich hineinstopfte. Der bleiche Germane hatte nicht einmal mehr die Kraft den Kopf zu schütteln, und seine Stimme war eher ein leises Zischen denn das, was normalerweise aus dessen Kehle kam: "Ich... habe... das schon.. mehrere Male. Es.. bringt einfach nichts. Ich werfe es ohnehin sofort in die See.."
    Der Sklave konnte sich bei dieser jämmerlichen Darstellung nicht zwischen Mitleid und Vorwurf entscheiden, wählte letztlich aber doch letzteres: "Wegen deiner Seekrankheit haben wir wertvolle Tage verloren! Wir könnten schon lange in Massilia sein.. müssen aber an jeder Küste vorbeiziehen, damit du dich nicht gleich mit ins Meer kotzt."
    Vala blickte den Sklaven nur aus glasigen Augen mit dem Blick eines zu unrecht gescholtenen Kindes an: "Es ist nicht so, als hätte ich mir das ausgesucht... es ist... die See..."
    "Papperlapapp... andere halten das auch aus... und dabei ist uns Neptun schon so gnädig, und dieses Mal mit Stürmen und Flauten zu verschonen.. eine ruhigere Fahrt kann man sich zu dieser Zeit kaum wünschen."
    "Wo sind.. wir... gerade?" , ächzte Vala, während er kraftlos an einem Lederschlauch zog um zumindest etwas Wasser in seine Körpermitte zu befördern.
    "Immernoch im Mare Sardoum.. wir haben vor vier Stunden Turris Libisonis verlassen, und werden... so der Wind uns nicht stärker in den Norden weht... Adiacium erst morgen früh erreichen." , klärte Sirius seinen Herrn auf, allerdings nicht ohne nachzusetzen: "Vier Stunden! Das ist neuer Rekord, so schnell bist du nach einem Landgang noch nie seekrank geworden. Ich glaube fast, du machst das mit Absicht..."
    Ein langer Blick seines Herrn war die einzige Reaktion, die er für seine neue Frechheit bekam, und erneute Stille machte sich breit.. nur dann und wann unterbrochen vom Werken der Nautae oder einem gelegentlichen Würgen des Germanen, der nicht einmal Wasser bei sich behalten wollte.
    "Was hast du eigentlich vor, wenn du die Nachricht abgeliefert hast?" , begann Sirius schließlich von neuen da ihm die Stille langsam unbehaglich wurde. Die Stille setzte sich fort, und Sirius konnte seinem Herrn ansehen, dass er sich noch nicht die geringsten Gedanken darüber gemacht hatte.
    "Als Staatsfeind ist es wohl kaum opportun nach Rom zurückzukehren.." , sprach Sirius mit gesenkter Stimme nachdem er sich unbefangenen Schrittes einfach neben seinen kreidebleichen Herrn gehockt hatte um sicher zu gehen, dass die Nauta sie nicht verstanden, "Also wirst du eine ganze Weile in Germania feststecken. Was wirst du dort tun?"
    Vala zuckte kraftlos mit den Schultern: "Die Nachricht abliefern, darauf hoffen, dass der Annaeer nicht mit seiner eigenen Sippe bricht und mich ausliefert.. und mich dann bei meiner Familie verstecken.. oder dem Annaeer gleich meine weiteren Dienste anbieten."
    "Und danach?" , hakte Sirius nach.. hoffte er doch darauf, nicht den Rest seines Lebens im kalten Germania verbringen zu müssen. Die keltischen Drei... dieses verfressene und rotzfreche Westmenschenpack, waren da offensichtlich hoffnungsvoller, redeten sie in ihrer seltsamen Sprache doch seit einiger Zeit von nichts anderem als dem kalten Norden. Da war es Sirius nur allzu recht gewesen, dass die Sonne auf dem Mare alle drei mit einem dicken Sonnenbrand geschlagen hatte.
    "Danach?" , ächzte Vala, dem selbst das Nachdenken Schmerzen zu bereiten schien, "Du meinst, wenn Salinator im Tiber verrottet, und kein Gold auf meinen Kopf ausgesetzt ist?"
    Sirius zog die Lippen schmal, so spezifisch wollte er eigentlich nicht werden: "Eh.. ja.. genau. Danach halt."
    Vala hielt einen langen Moment inne, in der er einfach ins Nichts starrte (das sich seit geraumer Zeit auf dem Deck des Schiffs befand, und nicht im tatsächlichen Nichts der endlosen See), und schließlich reckte er sich murrend: "Naja.. wahrscheinlich nach Rom zurückkehren, das Aedilat anstreben.. danach die Praetur... und natürlich heiraten.. wobei letzteres nicht einfach wird."
    "Jaja... als Barbar hat man es nicht einfach eine Frau von Stand zu ehelichen..." , brummte Sirius, der die vergeblichen Heiratsversuche seines Herrn hautnah miterleben durfte... und deren zahlreiche demütigenden Momente ebenso gerne vergessen würde wie der letztlich davon Betroffene.
    "Naja.. ich glaube dieses Mal könnte es sogar klappen... allerdings muss ich sie irgendwie zur Scheidung überreden... dann könnte es... tatsächlich etwas werden." , brummte Vala, allerdings auf eine Art und Weise die Sirius sorgenvoll aufhorchen ließ.
    "Sie ist verheiratet? Wieso sollte das etwas werden?" , warf er mit kritischem Blick ein.
    "Weil sie mich liebt.. und ich sie auch... glaube ich.. also... so in etwa." , brummte Vala, und mit zunehmendem Entsetzen entdeckte Sirius so etwas wie ein Lächeln in der Schädelgleichen Fratze seines Herrn.
    "Bist du nicht etwas zu alt um an so etwas dummes wie eine Liebeshochzeit zu glauben?" , warf Sirius erst einmal becherweise Wasser ins Feuer der dummen Liebe, die schon so mancher Karriere ein Ende gesetzt hatte.
    "Ja.. aber dies könnte auch politischen Nutzen bringen, sie ist kein Niemand. Und ich werde es auch nicht sein... sie wird sich scheiden lassen, da bin ich sicher. Wer auch immer der Kerl ist, sie wird sich scheiden lassen.." , wandte Vala ein, und der Gedanke an sein Vorhaben schien nicht im geringsten von Sorge begleitet.
    "Wer genau soll denn die glückliche sein, Dominus?" , fragte Sirius obwohl er die Antwort schon wusste, und sich gleichfalls darauf vorbereitete, dass dieses Feuer mehr brauchen würde als Kübelweise Wasser.
    "Axilla natürlich,... ich werde Axilla heiraten." , sprach Vala so überzeugt, als hätte er gerade festgestellt, dass Wasser nass sei.
    "Achso.. wenn es sonst nicht's ist." , jammerte Sirius, und entschloss sich, dass es das Beste wäre, er würde seinen Herrn gleich im Mare versenken.

  • Als sie an der Küste Corsicas vorübersegelten klammerte sich der seekranke Passagier der Castores an die im Gegensatz zur stets in Bewegung seienden See geradezu monumental in die Welt verankerte Küste.. was im Laufe der Zeit zu einer dezenten Verbesserung seines Zustands führte.
    Sirius selbst sah sich durch die seiner Meinung nach schreckensgleichen Offenbarung dazu veranlasst, eben diese Verbesserung auszunutzen um seinem Herrn eine potentielle Eheschließung mit der Hexe auszureden. In jedem möglichen Moment, also quasi fortwährend am Tag.


    Am Ende des Tages, als sie in einem kleinen Hafen anlegten um bei Sonnenaufgang nach Massliia weiter zu segeln, hatte Vala die Ohren voll von endlosen Elegien über die Unvorteilhaftigkeit einer Eheschließung mit Axilla, die auch von ihrem breiten Arsch keinen Halt machten. In den folgenden zwei Tagen, als sie sich zur Küste der Provincia Gallia Narbonensis begaben, hatte Vala wieder genug damit zu tun die See zu düngen.. und als er finalerweise wieder Fuß auf festen Untergrund setzte unterband er den anti-axillischen Redeschwall seines Sklaven einfach mit einem Knebel, bevor er selbst das Meer mit den wildesten Verwünschungen für die Qualen bedachte, die er darauf erleiden musste. Das alles bevor er sich die Zeit nahm um zusammen zu brechen und einen halben Tag lang nichts anderes zu tun als zu schlafen.

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