Tuca blieb stehen und sah sich um. Sie wackelte mit den Zehen. Der Fußboden war kalt. Sie spürte die einzelnen Steinchen des Mosaiks unter ihren Fußsohlen. Sie trug keine Sandalen oder Schuhe, hatte sie bisher nie. Ihrer alten Domina mochte es so. Tuca bewegte sich dadurch lautlos und störte sie nicht. Als sie sich den Altar besah tauchte eine Frau auf. Tuca kannte sie nicht. Ihr Auftreten legte nahe, dass sie hier im Haus etwas zu sagen hatte. Sollte sie? Besser wäre es, wenn Lea alles erklärte.
Ara - Hausaltar und Lararium
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Srciba, Dienstbote und Erklärbär. Was kam noch? Es half nichts, da der Dominus es so wollte und die Domina eine Erklärung forderte setzte Lea nun also in ihrer typisch knappen Art und weise zu einer ebensolchen an. „Der Dominus war aus dem Markt und hat diese Sklavin erstanden. Tuca ist ihr Name und sie soll als seine Cubicularia dienen. Außerdem meinte er, dass du sie bestimmt auch unter den Schutz der Laren stellen möchtest. Gebadet und neu eingekleidet ist sie bereits. Ebenso hat sie ein Bett zugewiesen bekommen.“ Kurz überlegte Lea ob sie was vergessen hatte. Nein ihr fiel nicht ein. So trat sie nun also einen Schritt zurück. Falls die Domina noch Fragen hatte konnte sie diese Tuca auch direkt stellen. Schließlich war Lea ja nicht deren Sprachrohr.
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Axilla war kurz vor'm fluchen. Natürlich konnten weder Lea noch Tuca etwas dafür und waren also auch nicht der richtige Adressat für ihre Schelte, aber manchmal mussten Digne einfach sofort raus. Axilla hatte zwar schon gehört, dass Männer kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag auf einmal zu spinnen anfingen und sich allerlei neue und vor allen Dingen eher der Jugend vorbehaltene Dinge kauften, um sich noch einmal wie zwanzig zu fühlen und zu beweisen, dass sie eben noch nicht alt waren, aber das hier hätte Axilla jetzt trotzdem nicht erwartet.
Erst schleppte Silanus in einem Anfall von Mitgefühl die junge – und hübsche – Lea ins Haus, danach verkündete er ihr unvermittelt seine Verlobung, die er mal eben an einem Nachmittag geschlossen hatte, so wie andere Leute Brot einkauften, und jetzt holte er sich eine schwarze Cubicularia, die seine Tochter sein könnte! Naja, wenn sie nicht Nubierin wäre. Trotzdem! So langsam reichte es mit den Spinnereien! Das hielt doch die bravste Matrone nicht aus, und Axilla war weit entfernt davon, so eine zu sein.Enerviert hob sie die Hände in Gebetshaltung und blickte zu der kleinen Götterstatue der Isis. “Isis, große Mutter, wirf bitte Verstand vom Himmel!“ Oder Steine. Hauptsache, sie traf.
“So, dein Name ist also Tuca. Du kannst doch unsere Sprache, oder?“ In seinem momentanen Zustand war Silanus alles zuzutrauen.
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Tuca sah irritiert zwischen Domina und kleiner Isis-Statue hin und her. Für wen sollte der Verstand sein? Sie hatte mehr als genug und Lea noch mehr. Bei der Domina zweifelte sie keinen Moment, dass sie auch genug besaß. Jetzt wurde es etwas merkwürdig. Tuca ließ sich davon nicht beirren. So lange ihr nichts getan wurde, war ihr egal was für einen Spleen der einzelne im Haus hatte. Oh, die Domina wollte was von ihr wissen. Tuca nickte und beantwortete die Frage, die sie ungelogen schon 10 mal beantwortet hatte, seit sie in Rom war.
„ Ja, Domina. Ich komme aus einem alexandrinisch/römischen Haushalt. Ich spreche sowohl Latein, als auch griechisch.“ Die Notwendigkeit beide Sprachen zu beherrschen ergab sich allein aus der Tatsache, dass in Alexandria griechisch Amtssprache war. Allgemein auf den Märkten wurde mehr griechisch als Latein gesprochen. „ Ich kann, lesen schreiben und rechnen.“ Was man eben so bis zum 12ten Lebensjahr lernen konnte, wenn man durfte. Für Einkäufe usw. war das ausreichend gewesen. „ Mit 5 habe ich angefangen in der culina zu helfen. Mit 12 wurde ich zur cubicularia für meine ehemalige Domina und ihren Sohn ausgebildet.“ Tuca sagte lieber gleich alles. Mancher mochten es nicht, alles aus der Nase ziehen zu müssen. -
Na, wenigstens war es kein Fehlkauf, auch wenn Axilla das Silanus nur sehr geringfügig anrechnen wollte.
“Ich lebte auch einige Jahre in Alexandria. Vielleicht können wir irgendwann einmal Erinnerungen austauschen“, meinte sie nun etwas besänftigter zu der jungen Sklavin. Trotzdem gab es einige Dinge, die Silanus unter Garantie zu erwähnen vergessen hatte. Schon allein, dass Lea meinte, Tuca solle als Silanus Cubicularia dienen... War man denn unter die Patrizier gegangen, wo jeder einzelne einen eigenen Hofstaat mit sich herumführte? Sie würde ihrem Cousin da noch ganz gehörig den Kopf waschen müssen, um ihn mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen.
“Bestimmt hat mein verehrter Cousin einige Dinge nicht erwähnt, deshalb möchte ich das jetzt klar stellen. Zunächst einmal: Die Einteilung der Sklaven allgemein übernimmt Araros. Das ist unser Ianitor, der schon seit Jahrzehnten diesem Haus dient. Und er darf alle Sklaven des Hauses einteilen, egal, wem sie gehören.“ In der Tat hatte Axilla schon mehrfach angeboten, ihn freizulassen, aber der alte Sturkopf wollte nicht. “Wenn er gerade nicht aufzufinden ist, kannst du dich mit allen Fragen an Agnodice wenden. Sie ist ein wenig schroff, weiß aber, wie alles hier funktioniert und darf ebenso Arbeiten einteilen. Ansonsten halte dich an Corinna, die hat in etwa dieselben Fähigkeiten wie du, ihr werdet also vermutlich am meisten zusammen arbeiten.
Jeder Sklave hat einen Tag in der Woche frei, die Einteilung dazu übernimmt auch Araros. Es sei denn, es kommen wichtige Feste oder ähnliches dazwischen, dann kann es sich schon einmal verschieben. Du erhältst ein Peculium, das Araros entweder an dich auszahlt oder das du aufsparen kannst, um dir deine Freiheit zu erkaufen.So, dann zu den lieben Männern: Ich dulde im Haus keine Vergewaltigungen, egal durch wen. Wenn dich also jemand anfasst – und das schließt auch die Iunii mit ein – und du das nicht willst, dann darfst du ganz ausdrücklich nein sagen und kommst danach zu mir. Du bekommst dann keine Strafe, ich regle das.“ Eigentlich wussten die Kerle das auch alle, aber bei so viel Testosteron wie derzeit im Haus war es vielleicht besser, das ganze noch einmal zu sagen. “Wenn du aber eine Beziehung mit einem der anderen Sklaven eingehen möchtest, dann steht dir das frei, aber dann solltet ihr beide das auch kommunizieren, damit alle Bescheid wissen. Unter Umständen kann man dann Betten tauschen, so dass ihr als Familie zusammen sein könnt.“
Axilla holte einmal tief Luft und überlegte, ob sie noch etwas vergessen hatte. Aber sie glaubte, das war's. “Hast du noch Fragen?“ -
Das hier war das reinste Paradies. Tuca spitzte die Ohren. Ihre wichtigsten Anlaufstationen merkte sie sich. Corinna kannte sie bereits. Alles was die Domina sagte, Tuca kam sich vor als ob sie träumte. Mit den Männern das gefiel ihr ungelogen am besten. Übergriffe wurden von der Domina nicht geduldet. Ihr war gleich leichter, sie flüsterte schnell einen dank an Isis. Eine Beziehung mit einem anderen Sklaven? Daran hatte sie bis jetzt nicht gedacht. Der Wille und die Möglichkeit fehlten.
Alles in allem war das Ganze was die Domina ausgeführt hatte Unheimlich. Tuca kniff sich in den Arm. Au, das tat weh und es hatte sich nichts geänderts sie hatte nicht geträumt, alles echt.
„ Ja Domina, ist der Hausaltar auch für die Sklaven?“ In Alexandria hatten die Sklaven ein separates Lararium. -
Axilla hatte ja mit einigen Fragen gerechnet, aber jetzt nicht unbedingt mir dieser.
“Ähm, natürlich, solange du am Altar nichts veränderst. Aber bitte unblutige Opfer, blutige vollbringen wir hier im Haus gemeinsam, oder eben im Tempel.“ Axilla hatte ja keine Ahnung, welchen Göttern Tuca huldigte und ob es dazu nötig wäre, auch deren Statuen aufzustellen. Für Römer war ein Götterbild zwar hilfreich, aber nicht zwingend notwendig, aber diverse andere Kulturen hatten da ihre eigenen Vorstellungen. Und Axilla wollte nicht ihre Götter durch die Anwesenheit anderer Gebräuche gestört wissen. Solange sich da aber kein Konflikt ergab, durften die Sklaven selbstverständlich auch hier am Altar ihre Gebete sprechen und unblutige Opfer darbringen.“Aber erst einmal sollten wir dich den Hausgöttern vorstellen. Zieh bitte... oh, du bist ja schon barfuß. Gut, dann muss nur ich...“
Axilla schlüpfte also auch wieder aus ihren Hauspuschen und stellte sich nun vor den Hausaltar. Mit einem Wink bat sie Tuca direkt neben sich, so dass sie anfangen konnte. Wieder wurde ein Kohlestückchen an einer Lampe entzündet, auf die zugehörige Schale gelegt und angepustet, bis es glomm. Aus dem Beutelchen wurden erneut zwei Körnchen Weihrach hervorgeholt und mit geübter Bewegung auf die Kohle gegeben, bis sich die wohlduftenden, weißen Rauchfäden in die Luft schwangen. Axilla stellte sich in Gebetshaltung vor den Altar und intonierte das Gebet.
“Ich rufe Ianus. Ich rufe Pan. Ich rufe Iuno. Ich rufe Isis. Ich rufe Vesta. Ich rufe die Lares und die Penates. Ich, Iunia Axilla, rufe die guten Geister meiner Vorfahren. Ich, Iunia Axilla, rufe die dies familiae herbei. Heute nehmen wir ein weiteres Mitglied in unser Heim und unsere Familia auf. Hier steht Tuca, eine Sklavin. Nehmt sie unter euren Schutz. Beschützt ihren Tritt, beschützt ihre Wege, beschützt ihren Geist. Lasst jeden bösen Zauber und jeden Fluch an ihr abperlen, solange sie der Familie treu ist. Lasst es ihr wohl ergehen alle ihre Tage, damit wir euch in diesem Hause weiterhin verehren können, wie es euch zusteht.“
Und mit einer kleinen Drehung nach Rechts war auch das hier geschafft. -
Am Altar würde sie nie etwas ändern. „ Meine Beschützerin steht im Lararium, Domina.“ Ihre weißen Zähne blitzen beim Lächeln. Tuca stellte sich neben Domina Iunia und hob ihre Hände und schloss die Augen. So ging es besser sich Isis vorzustellen, wie sie wohlwollend zu Tuca sah und beschützend ihre Hände über ihren Kopf hielt. Als die Domina fertig war, bedankte sich Tuca. „ Dank den Lares und Penates, den hier heimischen Götter und Göttinnen. Dank dir Isis.“ Tuca öffnete die Augen und nahm die Hände wieder runter. Sie hatte eine neues zu Hause.
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Die kleinen Statuen aus dem Laden in den Trajansmärkten waren angekommen und ich brachte sie persönlich zum Lararium. Ich betrachtete die dort aufgestellten Statuetten.
"Isis, verzeih mir, aber wir standen uns nie nahe. Du wirst leider ein wenig Platz machen müssen."
Mit diesen Worten stellte ich sie nach hinten, um Platz für Apollo zu machen. Die silberne Statuette zeigte ihn als sitzenden jungen Mann mit goldenem Haar, smaragdenen Augen und einer Kithara aus edlem Holz mit kupfernen Saiten. Ich lächelte zufrieden, als ich ihn in der vordersten Reihe unterbrachte und hatte kurz das Gefühl, als würde er zurück lächeln. Ich hob die Hände zum Gebet.
"Apollo, Herr der Musen, sei willkommen in diesem Haus. Du bist der Schutzherr des Museion und auf habe ich dir in Alexandreia geopfert. Nun bitte ich dich, mir auch hier den gleichen Schutz wie im Museion zu gewähren. Ich will dich dafür auch stets bei meinen Opfern am Lararium bedenken."
Ich drehte mich nach rechts und nahm die nächste Statuette. Es war eine Statuette der Iustitia. Sie war ebenfalls aus Silber, mit Kleidung aus Bronze, kupfernem Haar, ebenfalls smaragdenen Augen und einer kupfernen Waage in ihrer linken Hand. Ich platzierte sie rechts von Apollo, so dass sie in ihrer Blickrichtung zu seiner linken saß. Wieder hob ich die Hände zum Gebet.
"Iustitia, die du uns Menschen liebst und als letzte unsere Welt verlassen hast. Stets bringst du uns Gerechtigkeit. Ich heiße auch dich willkommen in diesem Haus und unter den Göttern, Laren und Genii dieses Ortes. Doch habe ich auch eine Bitte an dich. Lasse im morgigen Prozess Gerechtigkeit walten. Hilf dem Praetor, ein gerechtes Urteil zu fällen. Im Gegenzug will ich dir einen Schrein oder eine Statue in der Bibliotheca Annaea de Iurisprudentia aufstellen lassen und regelmäßig Opfer erbringen."
Wieder drehte ich mich nach rechts und hoffte, dass ich im morgigen Prozess um den Erhalt einer Ehe erfolgreich sein würde. Final nahm ich die ungewöhnlichste Statuette der Minerva, die ich jemals gesehen hatte. Sie war aus Silber mit Kleidung aus Kupfer und Augen aus blauem Saphir. Die Rüstung und der Helm waren aus Bronze, ebenso wie Schild und Lanze. Jedoch lagen Schild und Lanze an den Sockel gelehnt und den Helm hielt sie in ihren Händen, als hätte sie ihn gerade abgenommen. Das Haar aus geschwärztem Metall sah aus, als hätte sie es gerade geschüttelt, damit es nach dem Abnehmen des Helms in Form fiel. Sie sah aus, als wäre sie gerade nach Hause gekommen.
Es fehlte ein wenig Platz, so dass ich die Statuette des Faunus mit einer kleinen Entschuldigung weiter nach hinten stellte und Apollo und Iustitia etwas auseinander. So fand sich ein Platz zwischen Apollo und Iustitia. Ich stellte sie gegenüber den beiden anderen Göttern leicht nach vorne.
Wieder erhob ich die Hände zum Gebet.
"Minerva, Patronin der Denker. Du hast mich mit einem scharfen Verstand gesegnet und mir den geistigen Zugang zu einer hervorragenden Bildung ermöglicht. Ich ehre dich täglich durch Anwendung deiner Gaben. Nun heiße ich dich in diesem Haus willkommen und will dir wieder täglich opfern, so wie einst in Alexandreia. Ich bitte dich, fühle dich hier wohl und segne dieses Haus und alle, die hier wohnen. Doch bitte ich dich noch um mehr. Morgen werde ich einem schwierigen Prozess einem Freund helfen. Lass meinen Verstand scharf sein und gute Argumente finden, um doch noch einen Sieg zu erhalten. Gewährst du mir den Sieg, will ich dir ein Kalb opfern."
Ein letztes Mal drehte ich mich nach rechts und hoffte, dass meine Bitte erhört wurde. Auch hoffte ich, dass mir die nach hinten verdrängten Götter nicht zu sehr zürnen würden oder zumindest, dass deren Zorn mir nichts anhaben würde, da mich die neu hinzugekommenen Götter schützen würden. Hier war ich mir sicher, dass Apollo und Minerva auf meiner Seite waren.
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Nachdem ich meinen ersten Fall zum Eherecht gewonnen hatte und noch auf einen Becher Mulsum von meinem Patron eingeladen wurde, hatte ich mich wieder auf den weg nach Hause gemacht. Die Göttinnen hatten wohl meine Bitten erhört. Also sollte ich ihnen kurz berichten.
"Minerva, Iustitia, ich habe den Fall gewonnen. Aber das wisst ihr sicher schon. Ich danke euch."
Ich sah mir die Statuette der Iustitia an.
"Ja, ich weiß, das sich dir einen Schrein oder eine Statue schulde. Ich denke, dass ich die Statue bevorzuge. Wenn du mir also kein anderes Zeichen gibst, wird es eine Statue sein. Magst du Marmor?"
Die Statuette regte sich natürlich nicht. Also entschied ich, dass Marmor sicher in Ordnung gehen würde.
"Nun, dann soll es Marmor sein. Es ist sicher teurer als der Schrein, aber dafür hast du den Praetor auch die Patria Potestas aufheben lassen. Quid pro quo."
Dann sah ich zur Minerva-Statuette. Ich hatte eben das Gefühl gehabt, dass sie mich kurz erwartungsvoll angesehen hatte.
"Ja, ich weiß, ich schulde dir ein Kalb als Opfer. Du hast meinen Verstand nicht versagen lassen, ich schulde dir ein Kalb. Vertrag ist Vertrag. Nur werde ich heute keins mehr bekommen. Ich werde morgen alles mit dem Aedituus deines Tempels klären."
Irgendwie sah sie jetzt zufriedener aus. Oder bildete ich mir das nur ein? Vielleicht hatte ich heute zu wenig getrunken? Darüber rätselnd, ob die Götter uns auch in ihren Statuetten im Lararium erscheinen konnten, begab ich mich in die Bibliothek.
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Die iunischen Sklaven, Amytis, Sporus und ich standen vor dem Lararium. Es war Zeit. An Stelle von Weihrauch hatte ich etwas lignum aloes holen lassen. Mitgebracht hatte ich es von meiner Reise. Dass es teurer war, als Weihrauch, wusste ich. Und das war beabsichtigt. Ich wollte, dass die Götter aufmerksam wurden und gut zuhörten. "Sporus, du wirst mir assistieren. Du kommst einem Verwandten von Terpander am nächsten." Das war der eine Grund, weshalb ich ihm diese Aufgabe erteilte. Der andere Grund war, dass ich hoffte, ihm durch den Fokus auf die Aufgabe etwas Ablenkung zu geben, damit er seine Tränen kontrollieren konnte. Begoas gab daraufhin Sporus die Bronzeschale mit den Holzstückchen, die von schwarzen Tröpfchen durchzogen waren.
Die Opferschale vor dem Lararium enthielt bereits glühende Kohlen, so dass wir beginnen konnten. Ich zog meine Toga über meinen Kopf, so wie es sich für einen Römer gehörte, wenn er zu den Göttern sprach. Ich griff in die Schale mit dem Holz und legte ein Stück davon in die glühenden Kohlen. Kurz darauf stieg ein angenehmer, etwas süßlicher und zugleich auch holziger und fruchtiger Geruch auf. Ich hob die Hände zum Gebet. "Hermes, Bote der Götter. Du bringst die Toten zum Styx und überbringst Botschaften. Falls du es noch nicht getan hast, bitte ich dich, Terpander in seine neue Heimat zu geleiten. Sorge dafür, dass er sicher ankommt und sich nicht verirrt. Und falls ihm seine Münze abhanden gekommen ist, bitte ich dich, ihm eine Münze zu leihen. Ich werde dir deine Unkosten mit einem Aureus erstatten." Mit einer Drehung nach rechts beendete ich das Gebet.
Ich griff ein weiteres Stück Holz und legte es in die Opferschale, wobei ich mich zwangsläufig dem Lararium zuwenden musste. Als es zu rauchen begann, hob ich die Hände erneut zum Gebet. "Persephone, ich bitte dich und deinen Gemahl, Terpander als willkommenen Gast in eurem Heim zu empfangen. Bewirtet ihn und lasst ihm ein gutes Mahl zukommen. Zum Dank will ich euch ein schwarzes Schaf opfern lassen." Wieder drehte ich mich nach rechts, um auch dieses Gebet zu beenden.
Ein neues Stück Holz, ein neues Gebet. "Iustitia, Herrin der Gerechtigkeit. Du hast mich stets geführt. Nun bitte ich dich, leite die drei Totenrichter an, damit sie Terpander Zugang zu den elysischen Feldern gewähren. Ich habe dir bereits viele Opfer dargebracht und du weißt, dass du noch viele wertvolle Opfergaben von mir erhalten wirst. Deshalb weiß ich, dass du mir diese kleine Bitte erfüllen wirst." Kurz sah ich noch die silberne Statuette mit ihrem kupfernen Haar und den smaragdenen Augen an. Ich lächelte sie kurz an, bevor ich mich nach rechts drehte.
Ein letztes Gebet musste noch sein. Diesmal legte ich zwei Stücke Holz in die Opferschale. Ich hob die Hände zum Gebet und sah die Statuette von Apollon an. "Apollon, Herr des Lichts. Dir habe ich reichlich geopfert, mehr, als du es von einem Schüler deines Museions erwarten konntest. In meiner Bilanz steht noch ein Guthaben, möchte ich meinen. Verwende dieses Guthaben nicht für mich, denn ich werde dich auch in Zukunft reichlich bedenken. Verwende dieses Guthaben für Terpander. Sende ihm ein Licht, wenn um ihn herum Finsternis herrscht. Gewähre ihm eine schöne Melodie, wenn er trübsinnig ist. Und beschütze ihn vor den Gefahren der Unterwelt, bis er sicher in den elysischen Feldern weilt." Ein letztes Mal drehte ich mich nach rechts.
Doch diesmal drehte ich mich ganz um und sah die versammelten Sklaven an. Begoas kämpfte mit den Tränen, doch bis auf eine einzige Träne konnte er sie zurückhalten. Ich zog die Toga von meinem Haupt und richtete sie, so gut es ging, bevor ich sprach. "Ihr könnt gleich noch alle ein persönliches Gebet an die Götter richten. Es ist genug Räucherholz da. Aber ich möchte euch vorher noch etwas sagen. Die meisten von euch sind traurig, weil Terpander nicht mehr unter uns weilt und auch nicht mehr zurückkehren wird. Aber warum seid ihr traurig? Weil ihr glaubt, dass er euch in Zukunft fehlen wird. Die Zukunft ist aber für uns alle ungewiss. Die Vergangenheit hingegen ist für immer in unseren Erinnerungen. Wir sollten deshalb nicht trauern. Wir sollten uns lieber freuen, dass wir das große Privileg hatten, Terpander kennen zu dürfen. Wir sollten uns mit Freude an die Zeit erinnern, die wir unseren Lebensweg gemeinsam mit ihm gehen durften. Das ist ein großes Privileg, denn die meisten Menschen kannten ihn nicht. Den allermeisten Menschen wurde diese Ehre nie zuteil. Freut euch also über die gemeinsame Zeit und kümmert euch nicht um die Zukunft. Terpander wird es gut gehen, denn er wird auf den elysischen Feldern weilen." Ich trat einen Schritt zur Seite. "Und nun, wer will, möge zu den Göttern beten."
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Nachdem Sporus assistiert hatte, und das sehr gefasst überstanden hatte, betete er zu den Göttern. Wie erwähnt, war seine Ausdrucksweise sehr einfach gehalten. "Liebe Götter, die Terpander geliebt hat. Seit gut zu ihm, er ist ein guter Mensch gewesen. Er war lieb zu mir, und ich verehre ihn. Terpander gekannt zu haben, war für mich die Erfüllung meines Lebens. Passt auf ihn auf. Er hat es sich verdient, gut behandelt zu werden." sagte Sporus mit dicken Tränen in den Augen. Dann schritt er ein Stück zurück, um anderen Platz zu machen, wobei er nun wieder heulte, wie ein kleines Kind.
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