Absolut nichtssagender Titel

  • Irgendwie hatte er das Gefühl, immernoch in Mantua zu sein. Und irgendwie sah er auch immernoch so aus, als wäre er es. Abgemagert, zerfahren, zerkratzt, kraftlos. Ausgelaugt. Alles andere als gesund. Aber eben auch nicht mehr krank. Müde hockte Vala mit geschlossenen Augen in einem der Caldaria, die Wärme des Wassers ausnahmsweise mal genießend denn erleidend. Bisher hatte er den Thermen nicht viel abgewinnen können, doch nachdem er in Mantua tagelang das Gefühl gehabt hatte innerlich zu erfrieren war ihm jede Wärmezufuhr von außen nur allzu willkommen. In Mantua brauchte man alles verfügbare Holz für die Wiederherstellung der Ordnung und für die Verbrennung der Toten, und Vala wollte nicht am Schluss noch unangenehm auffallen, in dem er das wichtige Gut für seine persönliche Entspannung missbrauchte.
    Rom. In seinem langen Tribunat hatte Vala Rom zwar nicht vergessen, immerhin wurde er immer durch Briefe auf dem laufenden gehalten, aber er verlor die ewige Stadt doch aus dem Blick. Wenn man mit einem Chaos und einem bildlichen Weltuntergang wie in Mantua konfrontiert war, war das auch kein Wunder.
    Vala lauschte den leisen Gesprächen der anderen Anwesenden und versuchte sich irgendwie daran zu gewöhnen, dass sie sich nicht ausschließlich um Tod und Verlust drehten. Wie seltsam das war, mochte er noch garnicht erahnen. Er war keine halbe Stunde in Rom und hatte sich schon in die Thermen verzogen. Wie ein Motte zum Licht trieb es ihn zur Wärme, natürlich nicht, ohne dafür zu sorgen, dass die Zeit nicht nur zur Entspannung genutzt wurde.


    Sirius
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    "So tot wie man nur tot sein kann...", murmelte ein ausnahmsweise mal halbwegs nüchterner Sirius, den es schon fast abstrakt erleichterte, endlich wieder seinem ebenso wortreichen wie wortkargen Herrn folgen zu können, "...ersoffen. Also pass auf, dass dir nicht das gleiche passiert. Ersoffen übrigens im eigenen Bad. Man geht davon aus, dass ihn die Götter schlagartig zu sich genommen haben, im Schlaf ersoffen ist er auf jeden fall nicht. Niemand ersäuft im Schlaf. Schonmal probiert? Nicht schön, sag ich dir. Aber lustig, nachdem er halbe Ewigkeiten verschwunden war."


    "Ja, sehr lustig.", murrte Vala, dem es einerseits nicht in den Kram passte, einen wichtigen Verbündeten verloren zu haben. Andererseits war der Tod des geschassten Prätorianerpräfekten nicht unpraktisch. So stand er ihm zumindest nicht im Weg, was sein weiteres Vorgehen in einer bestimmten Sache anging: "...Vespa?"


    "Hat sich vor Wochen nach Misenum verdrückt, auf ein Landgut der kaiserlichen Familie. Hat mich glücklicherweise hiergelassen. Sie dürfte mittlerweile vom Tod ihres Mannes erfahren haben und auf dem Rückweg sein."


    "Ah.. weiter."


    "Frauen sind das Böse!!"


    "Ahso... WAS?"


    "Ich bin vollkommen überzeugt davon.", sprach Sirius, der die Stunde gekommen sah, sich endlich bei seinem Herrn dafür zu bedanken, dass er ihn alleine in Rom gelassen hatte. "Vespa hatte oft Besuch. Du... du... glaubst... also... wie sie reden! UND WORÜBER!!! Das... das hält kein Mensch aus!"


    "Ich weiß...", murrte Vala nur, der eigentlich kaum Lust verspürte sich die Geschichten seines Sklaven anzuhören, "...aber sie sind nützlich."


    "Ich kann nicht glauben, dass das aufwiegt, was sie an... sie an...", der Sklave verzog angewidert die Lippen, "...was sie... uaaaaaaargh. Du hättest mich nicht hier lassen dürfen!!"


    "Ach ja? Danke für den Hinweis, ich kann das immernoch selbst einschätzen. In Mantua wärst du verreckt."


    "EGAL!!! Lieber eine Woche in Mantua als eine Stunde allein unter Frauen! Das macht uns verrückt... irre! Jawoll. Irre! Eh... hab ich das gerade gesagt?"


    "Ich komme bei Gelegenheit drauf zurück...", murrte Vala, der gleich mit dem ganzen Häuserblock winkte, als er sich wortlos ganz ins Becken gleiten ließ und seinen Kopf unter die Wasseroberfläche zog. Die ihn damit schlagartig umgebende Wärme hatte etwas, das ihm seit Wochen zu fehlen schien.

  • So charmant aufgefordert wie durch die einfache Tabula wurde Sextus selten. Und vermutlich hätte sie jeden anderen auch darauf aufmerksam gemacht, dass gewisse Formen zu wahren waren. Da es sich aber beim Absender der Nachricht um eben jenen handelte, war das wohl relativ nutzlos. Und Sextus hatte die Wahl, sich entweder ineffektiv darüber aufzuregen, wie sein barbarischer Verbündeter ihn behandelte – was ihm außer erhöhtem Blutdruck und vielleicht besonders exzessivem Abreagierens mit einer Sklavin nichts brachte – oder aber er konnte einfach mal hingehen und hören, was der Duccier denn wollte – und es zu seinem Vorteil nutzen. Denn dass es nicht nur ein Treffen war, um zu zeigen, dass man noch nicht tot war, stand außer Frage. Sie waren beide nicht die Typen für diese Art von Zeitverschwendung.


    Also kam er zur angegeben Stunde in die Thermen und schritt gemütlich durch die Hallen. Vala hatte bei der Knappheit der Nachricht ein paar Kleinigkeit vergessen, wie beispielsweise der Präzisierung der genaueren Lokalität, denn: die Thermae Aggripinae waren verdammt groß. Und Sextus hatte keine Muße, hier wie ein Köter auf der Suche nach Fressbarem alles durchzustöbern. Herzukommen war eine Sache, sich wie ein braver Gefolgsmann zu ein Bein auszureißen eine andere.
    Und so dauerte es eine Weile, bis Sextus den Duccier in einem der warmen Becken entdeckte. Er unterhielt sich gerade mit einem Sklaven und tauchte dann unter. In der Zeit, bis er wieder auftauchte, ging Sextus sehr gemütlich zu dem Becken.
    “Wie ich sehe, hat Mantua dich nur ordentlich durchgekaut, aber letztendlich wieder ausgespuckt.“ Kein Grinsen oder Vergleichbares, lediglich eine Feststellung. Sextus setzte sich an den Rand des Caldariums, ohne hineinzugehen. Ihm war jetzt nicht nach Baden, zumindest nicht warm. Wenn er es doch tun sollte, wollte er erst einmal den Grund hören. Wobei er ihn sich fast schon denken konnte.

  • Allumfassende Wärme. Göttlich. Vala hätte nie geglaubt, dass sich das einmal so gut anfühlen würde. Der Tatsache zum Trotz, dass er bei seinen letzten Besuchen hier immer das Gefühl hatte am lebendigen Leibe gekocht zu werden, war das hier nicht weniger als absolute spürbare Erlösung. So ließ Vala sich auch einige Zeit wieder aufzutauchen. Seine Lungen schmerzten zwar nicht mehr so wie vor wenigen Wochen noch, als ihn das Lazarett schließlich ausgekotzt hatte, doch sie waren fern dem, was Vala vorher an Leistung zu erbringen im Stande gewesen war. So trieb ihn das natürliche Verlangen nach Frischluft bald wieder über die Wasseroberfläche, wo er sich die langen Haare aus dem Gesicht strich und einen Moment die Mosaike an der gegenüberliegenden Wand betrachtete, bevor er sich letztlich seinem Sklaven zuwandte: "Du kannst gehen, Sirius. Bereite meine Ankunft in der Casa vor, und besorge mir irgendwas, was nicht allzu auffällig ist, aber auch nicht nach krassem Trauerflor aussieht. Und ich will den Damio und Linos heute abend sprechen, lass ein Essen vorbereiten."


    Als der Sklave verschwunden war, lehnte Vala sich lässig im Becken zurück und betrachtete den Aurelier stumm einen Moment lang, bevor er sich zu einer Reaktion hinreißen ließ: "Wie ich hörte, hast du dich auch für die Quaestur gemeldet. Ein nicht unbedingt glücklicher Zeitpunkt, allerdings könnte das auch seine Möglichkeiten bieten. Hast du in Sachen Wahlkampf schon etwas unternommen?"


    Ein Schwamm am Rande des Beckens diente Vala zur Benetzung seines Anlitz mit warmen Wasser ohne das Gespräch mit dem Aurelier unterbrechen zu müssen. Im Moment war ihm je jede Gelegenheit recht, sich noch etwas mehr in die Wärme zu begeben, weil er das Gefühl hatte, dass es Tage dauern würde bis sie ihn durchdrungen hatte.

  • Was speziell diesen Zeitpunkt ungünstiger machen sollte als jeden anderen Zeitpunkt, erschloss sich Sextus nicht so recht. Solange sein Patron keinen effektiven Weg gefunden hatte, den Praefectus Urbi aus dem Weg zu räumen und gleichzeitig seinen Kopf (und noch wichtiger, Sextus' Kopf) auf den dazugehörigen Schultern zu behalten, glaubte Sextus nicht, dass irgendein anderes Jahr wirklich als objektiv günstiger zu betrachten war. Vielleicht allerdings war der Duccier nur zu demselben Schluss wie auch Sextus gekommen, dass es bei den zehn letztjährig von Vescularius einberufenen Vigintivirn wohl nur wenige Quästorenstellen wirklich vakant sein würden, und so ihrer beider Kandidatur im Bezug auf ihr Zweckbündnis als kontraproduktiv einzustufen wäre. Was allerdings kein Grund für Sextus war, deshalb das Feld zu räumen. Es hatte nicht in seiner Verantwortlichkeit gelegen, dass der Duccier sein Tribunat auf zwei Amtszeiten ausgedehnt hatte, warum also sollte es nun in seiner Verantwortlichkeit liegen, es eben jenem durch seinen Rücktritt zu erleichtern, eine Quästur zu erreichen?


    “Nur die kleineren Dinge. Gelegenheitsgespräche, Informieren der Gens mit der Bitte um Unterstützung, Werbung im Collegium Haruspicium et cetera. Mein Patron sollte dieser Tage zurück nach Rom kommen, dann kann ich mich bei ihm entsprechend einschleimen und danach den ein oder anderen Consular aufsuchen.“ Das übliche eben. Sextus überlegte einen Augenblick laut. “Vielleicht noch ein öffentliches Opfer an Iuppiter. Bei den Haruspices schulden mir ein paar Leute noch einen Gefallen.“
    Dann wandte sich sein Blick wieder an den Duccier, der reichlich albern aussah, wie er sich immer wieder heißes Wasser über den Kopf laufen ließ. Man könnte meinen, es sei noch tiefster Winter, und dabei waren die in der Heimat des Ducciers weitaus härter als hier in italischen Gefilden. “Aber da du schon so fragst und ich nicht annehme, dass du dieses Treffen aus Gründen höflichen Palavers vorgeschlagen hast, kannst du mich auch gleich über deine weiteren Gedanken aufklären. Ich würde ja vorschlagen, dass wir uns einen Teil des Vorstellens bei den verschiedenen Persönlichkeiten der Stadt abnehmen, indem wir gemeinsam vorstellig werden. Unsere Patrone wären da eine gute Wahl.“ Und würden Sextus die Möglichkeit eröffnen, Kontakt zu den Viniciern zu knüpfen, die er bislang noch gar nicht kannte.

  • Nach der Wahl war vor der Wahl. Das war einer der Sätze, die ihm ein gewisser Grieche ganz zu Beginn seiner Ausbildung im römischen Wesen der Politik eingebläut hatte. Es gab Wahlkampf war immer, vor den Wahlen wurde er nur schlimmer. Heftiger. Vor allem: öffentlicher. Der eigentliche Teil der Arbeit geschah in den Hinterzimmern... und lange vor dem eigentlich Termin des Wahlkampfs.
    Genau aus diesem Grund ließen die Ausführungen des Aureliers Vala seinen Verbündeten kritisch anschauen. Entweder war der Mann einfach nur fahrlässig, oder die politische Wirkmacht der Patrizier war noch groß genug um die Wahlen derart sorglos angehen zu können. Anstelle eines Kommentars gab Vala sich die Muße noch einen Moment unterhalb der Wasseroberfläche zu genießen, bevor er sich aus dem Becken begab und sich von einem stumm wartenden Sklaven ein Tuch reichen ließ, mit dem er seine untere Körperhälfte bedecken konnte.


    "So so..", kommentierte Vala schmunzelnd den doch zu naheliegenden Vorschlag des Aureliers, ohne sich mehr als diese Regung ablesen zu lassen. Warum reden, wenn man das anderen überlassen konnte?
    "Da du so ein schlauer Bursche bist, und wir das nicht weiter diskutieren müssen, kannst du mir gleich erzählen, was in meiner Abwesenheit hier geschehen ist.", sprach Vala so gleichgültig, als wäre die versteckte Beleidigung darin nicht wirklich vorhanden. Während Vala durch in Richtung sudatorium wanderte, fiel ihm auf, dass die kleine Beleidigung darin nicht einmal wirklich gewollt war. Sie war einfach da, wie eine Angewohnheit der man sich schlecht wieder entziehen konnte.


    Als Vala das sudatorium zum ersten Mal betreten hatte, hatte ihn die spürbare Luftfeuchtigkeit und die Hitze beinahe augenblicklich wieder rausgetrieben. Jetzt nahm er sie kaum mehr wahr.


    "Vinicius Hungaricus weilt derzeit in Misenum, und kommt nur für wenige Tage im Monat nach Rom. Mehr als ein einfacher Besuch der Salutatio wird da wahrscheinlich nicht drin sein.", murrte Vala, der zielstrebig auf eins der heißen Becken zusteuerte, "Wenig Zeit um Eindruck zu machen. Was für dich kein Problem sein wird.. es schließt nur die Salutatio für jemanden anderes in derselben Zeit aus. Allerdings glaube ich, dass unsere Patrones uns da dieselben Probleme vor die Füße werfen... wann kommt Tiberius Durus zurück nach Rom?"

  • “Da du so ein schlauer Bursche bist, dachte ich eigentlich, du hättest dich darüber bereits informiert“, gab Sextus nur in gelangweiltem Ton zurück. Er konnte es nicht leiden, so behandelt zu werden, und da war er ein wenig zu selbstbezogen, um es einfach zu übergehen und dem Duccier diese Marotte durchgehen zu lassen. Auch wenn er ein Barbar war und sie ein Zweckbündnis hatten, hieß das nicht, dass Sextus sich vorführen ließ von einem Kerl mit Schwamm auf dem Kopf. Vor allem nicht, da ihm dieses Bündnis bislang noch nichts nennenswertes eingebracht hat. Er war nicht endlos bereit, in Vorkasse zu treten, wenn sein Zweckverbündeter sich derart als Alpha-Tier aufzuspielen meinte.


    Und so ließ Sextus die Angelegenheit einfach im Raum stehen, ohne den Duccier wie ein braves Hündchen über alles zu informieren, was vorgefallen sein mochte. Er war nicht sein Scriba. Stattdessen machte er einfach weiter im Text und nahm die Information mit der Abwesenheit des Viniciers einfach erst einmal so auf.
    “Tiberius sollte binnen dieser Woche wieder zurück in Rom sein. Definitiv nicht mehr als 2 Wochen und noch weit vor der Wahl. Zeit genug.“
    Eigentlich galt es ja auch noch eine Hochzeit vorzubereiten, wobei nach Narcissas Todesfall fraglich war, ob diese stattfinden konnte. Die übliche Trauerzeit für einen erwachsenen Menschen betrug 10 Monate, und während dieser Zeit konnten keine Hochzeiten oder sonstigen Feste gefeiert werden. Außer, Flora würde die kürzere Trauerzeit akzeptieren und diese beenden, ehe der geplante Termin gefährdet wurde. Aber wer wusste so etwas schon zu sagen?
    “Logierst du noch bei den Prudentii, oder hast du dir eine andere Unterkunft besorgt? Ich würde dich wohl relativ kurzfristig zwecks des Termines dann informieren.“

  • Hörte er da ein kleines 'Mami'??? Während sie sich ins Sudatorium begaben wunderte Vala sich über die ziemlich eingeschnappte Reaktion des Aureliers. Hatte er ihn gekränkt? So schnell? Beinahe war er versucht, dem Patrizier einen ungewollten Ratschlag darüber zu geben, was man nahe an sich heran ließ und was nicht. Aber letztlich war es ihm egal... schon die Tatsache, dass er sich Gedanken über die Befindlichkeiten seines Verbündeten machte ging schon meilenweit über das hinaus, was Vala im Normalfall an Empathie für seine Mitmenschen zu leisten im Stande war. Empathie führte zu Gefühlen, und die endeten schließlich in Schmerz. Immer. Körperlicher Schmerz war eine Sache, der ließ sich aushalten. Aber die Schmerzen, die Linos der Seele ankreidete, waren nicht weniger als destillierte Tortur. Und die arme gebeutelte Figur, die sich Vala nannte, hatte von allem in seinem noch nicht allzu langen Leben bereits mehr als genug gehabt. Tragisch, alles.


    "Was ist mit deinem Weib?", hakte Vala nach, der sich entschlossen hatte, die zickige Art seines Verbündeten einfach zu übergehen indem er ihm mit einer spezifischen Frage auf die Sprünge half, "Hat sie dir mittlerweile was brauchbares geboren?"


    Die Frage nach den Prudentii nickte er nur ab, schließlich hatte er selbst erst vor kurzer Zeit erfahren, dass der Hausherr auf sehr obskure Art verblichen war. Bevor er großartig über die Probleme darüber paraphrasierte wollte er die Lage selbst klären. Und natürlich die Möglichkeiten ausloten, was eine nun doch ziemlich ledige Nichte des Kaisers anging.

  • Nachdem sie sich die Holzpantinen angezogen haben, gingen sie ins Sudatorium der Thermen. Sextus mochte die feuchte Hitze nicht besonders, die einem hier wie eine Wand erst einmal entgegenschwappte, aber er verzog nicht einmal eine Miene. Ein wenig Schweiß hatte noch keinen umgebracht, ebensowenig wie ein Kräuteraufguss. Angeblich war es ja gesundheitsfördernd, Sextus empfand es aber eher als lästig. Er schwitzte lieber beim Ringen in der Palaestra als beim Dasitzen und Atmen.
    Offenbar hatte die kleine, erzieherische Maßnahme auch den Hauch einer Wirkung bei sienem Gegenüber erzielt, denn dieser war wohl durchaus an Informationen interessiert und fragte jetzt weitaus höflicher. Warum denn nicht gleich so? Auch wenn Sextus Stimmung noch weit davon entfernt war, selbstzufrieden oder gar erfreut zu sein, bemerkte er diesen Umstand doch positiv.
    “Sie arbeitet daran, in ein paar Wochen sollte die Geburt sein. Sie fällt etwas ungünstig mit den Ansprachen vor dem Senat und der Wahl zusammen, sofern diese Hexen von obstetrices Recht behalten.“ Er zuckte etwas gleichmütig mit den Schultern. Im Grunde war es nicht wichtig, solange Nigrina überlebte. Er brauchte die Verbindung zu den Flaviern, im Moment vielleicht sogar dringender als zuvor, und dafür brauchte er eine lebende Ehefrau. Prisca war ihm nicht eng genug verbunden, dass sie auf ihren Mann für ihn Einfluss ausüben würde, ohne dass er dafür explizit einen gefallen einforderte.
    Ob sein Kind die Geburt überleben würde oder nicht, war ihm indes reichlich gleichgültig. Überhaupt war der ganze Vorgang ihm noch gleichgültig, fürchtete er nicht um seine Seele, wenn er nicht rechtzeitig etwas Männliches nachproduzieren sollte, das brav an einem Altar für ihn opferte. So alt war er noch nicht, als dass er sich darüber den Kopf zerbrach. Mädchen, Junge, lebendig, tot... das einzige, gegen das er Maßnahmen ergriffen hätte, wäre ein lebendiges, missgestaltetes Kind gewesen. Aber solcherlei musste er wahrlich nicht mit seinem Gesprächspartner klären.
    “Bei dir hat sich noch nichts Vorteilhaftes ergeben, das zu heiraten sich lohnen würde, oder?“ hakte Sextus einfach einmal nach. Nicht, dass er sich um Vala sorgte. Sollte er ledig bleiben und sich allein durch den Dschungel der Intrige, die sich Rom nannte, kämpfen. Nur sollte der Duccier heiraten, wäre es natürlich gut, so eine Information zu haben – und gegebenenfalls an seine bessere Hälfte weiterzuleiten, damit diese sie für Sextus gewinnbringend investierte.

  • "Als hättest du mit der Geburt mehr zu tun als nur das Balg als deines anzuerkennen.", spöttelte Vala über die Klage des Aureliers. Die römischen Männer der Oberschicht waren eigentlich fein raus... stressig wurde es wohl nur, wenn der Nachwuchs tatsächlich so gut geraten war, dass man die gute Nachricht in alle Winde verbreiten wollte. Und selbst da gab es wohl einen entsprechenden Stab von Zuarbeitern, die einem die Mühe abnahmen. "Wie dem auch sei.. ich wünsche deinem Weib den Segen Alemonias... und dir einen entsprechend gesunden Sohn."


    Der junge Germane ließ sich auf einer Bank nieder und atmete tief um die heiße Feuchtigkeit auch durch seinen Atem in sich aufzunehmen. Die Frage seines... eh... Zweckfreundes brachte ihn in eine gewisse Bedrouille. Vala war nicht verheiratet, und das hatte einen triftigen Grund. Er war ein Niemand. Nicht nur ein Homo Novus, nein, er war ein absoluter Niemand. Was für den Heiratsmarkt bedeutete, dass sich auch nur nichtswürdige Gentes dazu herablassen würden, ihm eine ihrer Töchter zur Frau zu geben. Nicht nur das, der Einfluss und das Prestige seiner Familie brach sich an den Alpes und schwand dann mit jedem Schritt südwärts. Allerdings brauchte Vala eine Ehefrau aus gutem Hause, um seine Ziele auch nach der Erhebung zum Senator weiter verfolgen zu können.
    "Ein ziemliches Dilemma...", murmelte Vala dann laut, und erschrack als er das zu spät registrierte, weil er nicht vor hatte diese Probleme mit dem Aurelier zu diskutieren. Letztlich würde sich der Aurelier wohl dasselbe gedacht haben, immerhin war der Kerl nicht blöd. Zumindest hoffte Vala das. Sicher war er sich nicht. "Ich denke nicht, dass ich etwas zufriedenstellendes in der Richtung bis zu meiner Erhebung zum Senator organisieren kann. Allerdings hat sich jetzt eine Möglichkeit ergeben, die ich in den nächsten Monaten verfolgen werde."

  • “Na, gemacht hab ich's auch“, murmelte Sextus lapidar in seinen nicht vorhandenen Bart und zuckte gleichgültig die Schultern. Er hatte viele Geschwister, ältere wie jüngere, und hatte dementprechend auch viele Nichten und Neffen. Er wusste, was eine Geburt bedeutete: Lärm. Jede Menge Lärm. Eine schreiende Frau, schreiende Hebammen, schreiende Weiber allgemein. Und hinterher ein schreiendes Kind. Und da sah er doch sehr wohl, dass er das im Wahlkampf nicht unbedingt brauchen konnte. Das war anstrengend genug, ohne erhöhten Geräuschpegel innerhalb der Villa Aurelia. Und er konnte wohl kaum sein Kind, sofern es überlebte, mit vernünftigen Argumenten dazu bewegen, ruhig zu sein. Oder ihm einen Korken reinstopfen, wenn es das nicht wäre. Und genauso wenig konnte er seine Frau fragen, ob sie es denn nicht noch ein wenig halten konnte bis nach der Wahl. Frauen waren im letzten Viertel der Schwangerschaft reizbar, und seine stellte keine Ausnahme dar. Und so wenig Sextus im allgemeinen von Frauen und ihren Fähigkeiten hielt, war er sich doch sicher, dass es ein sehr böses Ende nehmen würde, wenn er seine Frau etwas diesbezügliches Fragen sollte.
    So oder so, er hatte dabei kaum eine Auswahlmöglichkeit, und folgerichtig war es auch nichts, was ihn über die Maßen beschäftigte. Er hoffte nur, dass Nigrina den Prozess lebend und weiterhin fruchtbar überstehen würde, denn eine neue Ehefrau zu finden war wohl in der momentanen Situation schwierig, standen doch keine geeigneten Flaviae zur Auswahl. Höchstens vielleicht ihre kleine Schwester... was allerdings bei Verhandlungen mit ihrem Vater zu einer schlechteren Verhandlungsposition führen würde.


    So oder so, er nahm die Glückwünsche des Ducciers entgegen und horchte interessiert auf, als dieser kurz meinte, seine eigene Situation sei ein Dilemma. Sicher, der Duccier war ein halbbarbarischer Kerl ohne nennenswerten Einfluss, aber innerhalb der plebejischen Gentes musste es sicher auch solche geben, die sich mit einem angehenden Quästor schon zufrieden gaben. Vor allem, da es von da nur noch ein Steinwurf bis zum Senator war. Dass dem nicht so war, war natürlich ärgerlich, hätte eine Frau den Duccier als Verbündeten doch wertvoller gemacht. Immerhin hatten Frauen neben den offensichtlichen Vorteilen zwischen ihren Schenkeln auch noch andere Begabungen, die das Leben mit ihnen erträglich machten. Beispielsweise ihre Fähigkeit, Klatsch zu filtern und auch zu verbreiten, um so gezielt Informationen zu erlangen oder auszustreuen.
    “Dann hoffe ich, diese Möglichkeit und vor allem ihr Vormund sind dir wohlgesonnen“, meinte Sextus noch freundlich.


    Nachdem der Duccier sich nun also als Mensch zu Erkennen gegeben hatte und seinen Spott abgelegt hatte, war Sextus auch in großmütiger Stimmung, von sich aus noch ein wenig zu plaudern, was in Rom los war. “In deiner Abwesenheit hat sich einiges ergeben und doch nichts großes. Dass dein Gastgeber das Zeitliche gesegnet haben soll, weißt du vermutlich besser als ich. Die Entsühnung des Hains der Nemoralia hat endlich stattgefunden. Der Auftritt des Präfectus Urbi war dabei etwas bedenklich ob der Anzahl seiner Liktoren. Ich denke, der Mann ist sich seiner Machtstellung sehr bewusst. Objektiv betrachtet kann er das ja auch. Dementsprechend haben auch die netten Inschriften gegen ihn an diversen Wänden zugenommen.


    Meine Cousine Flora hat sich mit meinem Patron verlobt, allerdings wird die Hochzeit vermutlich verschoben werden müssen. Meine andere Cousine, ihre Zwillingsschwester, ist gestorben, und du weißt ja, Frauen und Trauerzeit... Nunja, solange die beiden lebende Nachkommen zeugen, soll es egal sein.


    Ansonsten das übliche Trara von Hochzeiten und Verlobungen. Die Octavier versuchen wohl, sich in die Tiberia einzuheiraten, die Bavia versucht es bei der Oppia, und letzten Monat hat eine Antonia einen Horatius geheiratet. Beides der patrizische Zweig.“ Das übliche eben. Interessanter, aber nicht so wichtiger Kleinkram. Und über die große Neuigkeit, die sein Patron durchzuführen gedacht, würde Sextus nicht reden.

  • "...und ihr Vormund sind dir wohlgesonnen." klang es noch in Valas Ohren nach, und der junge Germane kam nicht umhin ob der bizarren Vorstellung die Lippen zu einem schiefen Grinsen zu verziehen. War ihr Vormund ihm wohlgesonnen? Soweit er wusste, war ihr Vormund nach dem Tod ihres Mannes... wenn man es genau nahm... sie selbst. Und zumindest was gewisse Körperlichkeiten anging war er sich sicher, dass sie ihm wohlgesonnen war. Wenn man es nicht so genau nahm war ihr Vormund niemand anderes als der Kaiser des römischen Reichs, und Vala hatte es nicht auf eine Vestalin abgesehen.


    Wobei das sicherlich auch seinen Reiz hatte.


    Als Lupus dann direkt auf den toten Balbus zu sprechen kam verschluckte Vala sich unwillkürlich an sich selbst. Entweder war Lupus ein vollkommener Beobachter oder ein Trottel auf einer Rinderweide der unbewusst seine Schritte genau an die richtigen Stellen setzte. Geräuschvoll sog Vala Luft ein, winkte dann aber ab um das Gespräch bloß nicht an dieser Stelle halten zu lassen.
    "Ach, endlich? Ich dachte schon, die Römer legten sich per mala fide mit ihren Göttern an. In Mantua waren nicht wenige der Meinung, dass die Römer ihnen das eingebrockt haben... und die Götter ihre Strafe vor Wut einige hundert Stadien zu weit nördlich platzierten."
    Womit Vala implizit darlegte: seiner Meinung nach hatte er mit dem ganzen Schmarn nicht das geringste zu tun. Natürlich war Iuppiter niemand anderes als Wodan selbstgöttlich, und die anderen Asen hatten auch ihre Entsprechungen im Süden gefunden... aber was die Römer verbockten war der Römer Sache, und nicht die seine. Er opferte und glaubte quasi autark.. bisher hatte es ihm nicht geschadet. Andererseits war da Mantua... und auch ihn hatte es erwischt. Diese kleine Erkenntnis ließ Vala grübeln, und so dauerte es eine ganze Weile bis er den Faden des Lupus wieder aufnahm. Beziehungsweise nicht, denn Lupus Familie ging ihm gelinde gesagt am Arsch vorbei solange er sie nicht für seine Zwecke ausnutzen konnte. Was ihn wieder auf den Lapsus mit Ursus erinnerte. Da hätte er auch was reißen können... reißen MÜSSEN... andererseits hatte er seine Gedanken da noch in Mantua und NUR in Mantua gehabt, und sein Hirn zusätzlich noch in einer groben Masse an Ektoplasma eingelegt. Da konnte kein Mensch erwarten, dass man politisch dachte. Er hatte ja nicht einmal die Zeit gefunden an Frauen zu denken. Nicht einmal an halbwegs bekleidete. Und das hieß schon was... und das hieß vor allem: er hatte etwas nachzuholen.


    "War die verstorbene ein Weib das sich anzusehen lohnte?", überging Vala jede Beileidsbekundung und fixierte sich erst einmal auf das, was ihm essentiell erschien. Tot war sie so oder so.. und so konnte er implizit in Erfahrung bringen, ob das lebende Wicht was hermachte, Konsularsverlobte hin oder her. Die anderen Hochzeiten winkte er einfach beiseite, noch war er auf einem Level an dem die römischen Strippen zu oft an ihm vorbeiführten, und daher auch die politischen Hochzeiten kaum von Belang für ihn waren.


    "...genug dessen. Was gibt es an der Front? Hast du dich mittlerweile... selbst... um diesen Piso gekümmert? Und was gibt es sonst für Fälle, die uns im Wege stehen? Wie geht es den beiden anderen? Imperiosus? Lepidus? Sermo lässt dich grüßen.. und friert sich in Germania den Arsch ab. Verweichlichtes Römervolk, möchte man meinen. Also?"

  • Was die Leute in Mantua glaubten oder nicht glaubten, war Sextus reichlich egal. Solange nur geglaubt wurde, dass Flavia Celerina damit nichts zu tun hatte, und damit der Schatten der Schuld von den Aureliern genommen war, war er zufrieden. Noch zufriedener, wenn man bedachte, dass der einzige Zeuge abseits seines Patrons das Zeitliche gesegnet hatte, und er persönlich dafür gesorgt hatte. Aber dieser entlaufene Sklave, der sich in Nemi Priester geschimpft hatte, würde sicher niemandem mehr über die weinende Flavia berichten, die er zu den Tiberiern geschleift hatte. Und bald schon würde auch Covinus' Selbstmord in Vergessenheit geraten sein und die ganze Sache nicht mehr als ein kleiner Stein auf dem Weg zur Macht sein, den Sextus hinter sich gelassen hatte.


    “Vor allen Dingen war die Verstorbene meine Cousine. Ihr Vater und meiner sind Brüder.“ Was für Sextus die Frage beantwortete, ob sie hübsch gewesen war. Natürlich war sie das gewesen. Sextus war zwar sicher nicht eitel, aber dass er nicht zu den häßlichsten Vertretern der Gattung Mensch gehörte, war ihm dann doch bewusst. Darüber hinaus war Sextus stets misstrauisch, wenn sich ein Kerl nach einer seiner weiblichen Verwandten erkundigte, ob nun tot oder lebendig. Wenn ihn jemand nach dem physischen Erscheinungsbild seiner Schwestern gefragt hatte, hatte er diese Fragen ebenfalls mit einem 'Sie ist meine Schwester' beantwortet.
    “Und sie hätte Vestalin werden sollen. Einerseits eine Verschwendung, auf der anderen Seite aber wäre der Prestigegewinn für die Gens nicht zu verachten gewesen. Allerdings bringt es wenig, über das hättewärewenn nachzudenken.“
    Sextus zuckte die Schultern, und auch Vala schien genug vom leichten Klatsch zu haben. Er fragte nun direkter und sachbezogener.


    Ein Teil von Sextus fing an, zu kalkulieren. Vermutlich wäre es einfacher und im Endeffekt auch profitabler, wenn Sextus den Duccier einweihen würde über die Umstürze, die in nicht allzu ferner Zukunft anstehen könnten und in welche er unlösbar verstrickt war. Und vermutlich wäre Vala klug genug, das so zu nutzen, dass auch er hinterher auf der Seite der Gewinner stand und sein Stück vom Kuchen abbekam. Und klug genug, zu schweigen, da sein Patron – oder zumindest dessen Bruder – darin ebenso verstrickt war wie Sextus selbst, und der Duccier jenen als verbündeten brauchte. Allerdings bestand das Restrisiko, dass er doch zu Salinator damit gehen könnte. Vala war ein Homo Novus, genauso wie der Präfect, und konnte sich damit eine gewisse Grundgewogenheit des Vesculariers erwarten. Sextus traute es dem Germanen zwar nicht direkt zu, aber er hatte keine Beweise. Und noch dazu war da das Problem, wie sein Patron darauf reagieren würde, und diesen musste Sextus sich vorerst noch gewogen halten. Abgesehen davon war ein Bad sicher nicht der geeignete Ort, über so etwas laut nachzudenken. Man wusste nie, wieviel das wandelnde Mobiliar doch hörte und an wen es das weitergab.
    “Der Pompeier ist als Tribun bei der Classis gelandet, ich habe seitdem nur immer wieder das eine oder andere läuten hören, aber keine direkten Nachrichten. Offenbar ist er auf bestem Wege, die Classis unter seine Führung zu bekommen, da der jetzige Kommandant wohl nicht in Mantua weilt. Ist der nicht mit einer deiner Verwandten verheiratet?“ Sextus meinte, sich dunkel an die Verbindung zwischen Decimern und Ducciern zu erinnern, gänzlich sicher war er sich aber nicht.
    “Und der Claudier... lange nichts von ihm gehört. Wird mal wieder Zeit, die Freundschaft aufzufrischen, wie man so schön sagt.“
    Die andere Frage war schon schwieriger. “Was Piso angeht, so atmet er noch. Bislang war er nicht mehr als ein weibisches Ärgernis, so dass keine weitere Veranlassung bestand, diesen Umstand zu ändern. Und nach wie vor bin ich mir nicht sicher, was mein Weib davon hält, ihres Bruders verlustig zu gehen. Von daher überlasse ich dir gerne die Freude, dich um dieses Ärgernis zu kümmern, und beteilige mich wohl vornehmlich unterstützend daran.
    Weitere Ärgernisse mit ernsthaftem Charakter haben sich bislang noch nicht aufgetan. Aber sollte es dazu kommen, werde ich sehr gern eine weitere Unterredung über die adäquate Reaktion darauf mit dir führen.“

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