Wahlwerbung der anderen Art

  • Wenn Nigrina eines gelernt hatte in den vergangenen Tagen, dann war es eines: sie hasste es, Kinder zu bekommen. Sie wusste, dass das erste Balg nicht das einzige bleiben würde, nicht das einzige bleiben konnte und durfte, wollte sie ihre Stellung weiter festigen. Und sie akzeptierte das ohne weiteres. Aber das hieß nicht, dass sie diese Tatsache nicht dennoch hassen konnte.
    Die Geburt war nun annähernd zwei Wochen her, und der Junge hatte inzwischen seinen Namen bekommen. Und ihr tat immer noch alles weh. Sie war so geschwächt gewesen nach der Geburt, dass sie tagelang nicht hatte aufstehen können. Ihr hatte die Kraft gefehlt, und das eine Mal, das sie es wider der Anweisung der Hebamme und des mittlerweile hinzugezogenen Medicus' dennoch versucht hatte, war ihr schwarz vor Augen geworden. Zu viel Blut verloren, hieß es unisono aus den Mündern derer, die sie versorgten. Nigrina hätte sie am liebsten bei lebendigem Leib gegrillt, all jene, die so gut reden hatten, weil sie umher laufen konnten und es ihnen gut ging mit all ihrem Blut in ihren Körpern, dass sie nicht verloren hatten.


    Dass das Kind ein Junge geworden war, ein Sohn, ein Erbe, war immerhin ein Trost. Und sie hatte es bei dem einen Versuch belassen, vorerst, bis der Arzt ihr erlaubt hatte aufzustehen. Sie war nicht scharf darauf, umzukippen, die eine Erfahrung hatte ihr gereicht. Was sie allerdings tun konnte, war, sich alles mögliche ans Bett bringen zu lassen – und damit waren ausnahmsweise nicht, oder besser: nicht nur Dinge gemeint, die ihr die Zeit vertrieben, nicht nur Luxus, dem sie frönen konnte. Die Wahlen standen kurz bevor, und Nigrina machte da weiter, wo sie erst kurz vor der Geburt aufgehört hatte: sie zog ihre Strippen, um ihrem Mann zu helfen. In dieser Hinsicht war die Schwangerschaft denkbar ungünstig gewesen, hatte sie doch in den Wochen vor der Geburt das Haus kaum mehr verlassen können – aber sie hatte Bekannte und Freundinnen empfangen können, Mädchen und Frauen, die in irgendeiner Form mit Senatoren in Verbindung standen, und zwar in einer Art, die einen gewissen Einfluss auf eben diese Männer verhieß. Sie hatte geredet und geschmeichelt, gar nicht so sehr in erster Linie über Sextus, denn kaum eine Frau ließ sich mit der direkten Art ködern. Das war die plumpe Anmache der Männer, die unter ihresgleichen wohl funktionieren mochte, aber einer Frau konnte man so nicht kommen. Nein, da waren dezente Hinweise vonnöten, die sich von leise anschlichen und hinterrücks überfielen, wenn das Opfer arglos war... oder aber in ebenso leiser Manier antanzten und über Hintertürchen eingelassen würden, um ebenso leise und nur angedeutet beantwortet zu werden.
    Nach der Geburt, als sie nichts anderes hatte tun können als im Bett zu liegen und zu warten, bis es ihr wieder besser ging, hatte sie beschlossen ihre Zeit sinnvoll zu nutzen und aufzulisten, wenn sie bereits alles hatte und wen nicht, was noch zu tun war, wer noch Überzeugungsarbeit brauchte... was ihr fehlte, war bei den meisten Frauen das Wissen, ob die Männer tatsächlich auf sie hören würden, aber je nach den Menschen, involviert waren, konnte sie dann doch recht gut darauf schließen, wie groß der weibliche Einfluss war... oder wie schwach der männliche Widerstand, je nachdem.


    Und dann, endlich, durfte sie wieder aufstehen. Mehr noch, heute hatte sie die hochoffzielle Erlaubnis des Medicus' bekommen, die Villa zu verlassen. Ihr tat zwar immer noch alles weh, ihr Unterleib war übel empfindlich, aber das war ihr egal, solange sie nur endlich nicht mehr liegen musste, solange ihr Körper nicht mehr so schwach, so hilflos war.
    Ihr erster Weg hatte sie nun in die Thermen geführt. Zum einen hatte sie das absolut verdient, sich zu entspannen und verwöhnen zu lassen. Zum anderen, und das war der Punkt, warum auch die hauseigenen Sklaven nicht ausreichten im Hinblick auf das Verwöhnen: die Thermen waren – wenigstens für ihresgleichen – einer der besten Orte, um Klatsch und Tratsch aufzuschnappen und selbst welchen zu streuen. Die Märkte waren ein anderer, aber dort schickte sie ihre Sklaven hin, um zu tun was nötig war; ebenso wie es nicht sie selbst war, die beispielsweise mit der ein oder anderen niederrangigen, aber langjährigen Geliebten eines Senators sprach, damit diese ihrem Liebhaber im richtigen Augenblick etwas ins Ohr säuselte...
    Wie auch immer: sie mochte gerade erst einen Sohn geboren haben, aber die Wahl wartete nicht, und die Pause, die sie zwangsweise hatte machen müssen, war lang genug gewesen – länger als sie erwartet hatte. Sie würde nicht die verbliebene Zeit zu Hause sitzen und nichts zu tun, nur weil sie noch nicht völlig wieder auf dem Damm war. Sie wusste, wo ihr Platz war, sie wusste, was ihre Aufgaben waren als Ehefrau.


    Und so saß sie nun in einem der angenehm warmen Becken in den Thermen, genoss das Wasser, und plauderte mit zwei Damen, die sich zu ihr gesellt hatten, kaum dass sie sie gesehen hatten. Glückwünsche zur Geburt, zum Sohn, Nigrina lächelte und ließ es über sich ergehen, verbiss sich jeden Kommentar darüber, wie ätzend das Ganze gewesen war und wie sehr sie jetzt noch darunter litt, wäre ja noch schöner, das diesen neugierigen Schandmäulern auf die Nase zu binden. „Ein Sohn, das ist doch hervorragend, gerade für die Aurelier, die hatten es nicht leicht in der Vergangenheit...“ Nicken und lächeln, nicken und lächeln. Die Flaminia schien das immerhin aufrichtig zu meinen, naiv wie sie war. Da war die Lartia ein ganz anderes Kaliber... „Ja, es ist so tragisch, dass so viele zu ihren Ahnen gegangen sind... vor allem der Pontifex und seine Frau. Ich frage mich bis heute, warum sie keinen anderen Weg gesehen haben, als sich selbst zu töten.“ Und damit war schon wieder der Punkt gekommen, an dem Nigrina der Lartia am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, obwohl das ihr und ihrem Lächeln nicht im Geringsten anzumerken war. Der Tod des Aureliers und Celerinas war nun lange genug her, dass man darüber eigentlich nicht mehr reden müsste. Wahrscheinlich würde die Lartia noch in zehn Jahren das gleiche sagen: ich frage mich heute noch... „Fraglos aus Gram über den Frevel.“
    „Fraglos“, kommentierte Lartia Vibulana, aber bevor sie noch etwas sagen konnte, setzte Nigrina ein süßes Lächeln auf. „Ich kann mich übrigens nicht entsinnen, dich bei der Entsühnung gesehen zu haben. Was hat dich aufgehalten?“


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