Cubiculum Faustus Decimus Serapio (ehemaliges)

  • Die paar Zeilen bloß... trafen mich mit einer Wucht, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich hatte sie vorgefunden, diese paar Zeilen, als ich abends, müde nach dem Dienst, nach Hause gekommen war, und schon beim Anblick des Siegels hatte das Herz mir bis zum Hals geschlagen, ich hatte den Brief so hastig mit in mein Cubiculum genommen wie ein Hund den Knochen in seine Hütte schleppt, und noch in Rüstung, und im verschwitzten Subarmalium hatte ich das Siegel gebrochen, las im stehen halblaut die paar Zeilen, die Manius mir hier schickte.


    "Salve! Ich gratuliere dir zu deiner Ernennung zum Tribun der Garde und ich hoffe, dass dies dir endlich auch wieder die dir zustehende Reputation zurückbringen wird, gleichwohl ich ebenfalls hoffe, dass du dich wohl befindest. Meine Schuldigkeit gegenüber dir und deiner Familie indes bleibt weiter bestehen, darob lasse mich bitte wissen sofern es etwas gibt, bei dem ich dir behilflich sein kann. Vale bene! Manius Flavius Gracchus. P.S.: Vieles mag sich verändert haben, doch deplorablerweise bleiben die Folgen katastrophal."


    So eloquent in der Kürze... als Antwort auf meine verstümmelte Notiz. So nobel. Aber auch so distanziert. 'Schuldigkeit'. Was wir uns einst für Briefe geschrieben hatten... wundervolle seitenlange Briefe, meine ganze Seligkeit in Nikopolis, und auf dem Feldzug im Zwölfmeilenland... Und nun dieses förmliche, ferne.
    Die Unterschrift war zittrig, viel mehr noch als früher.
    Es geht ihm nicht gut. Er quält sich.
    Und dann das Postscriptum... ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, ganz kurz, bei dem Wort 'deplorablerweise'... doch er hatte Recht, die Lage war bedrohlich, wieder drohte ein Krieg, und sicherlich gab Manius sich mit die Schuld daran... Befremdet spürte ich, wie ein Schub von unglaublicher Sehnsucht mich überkam, der Wunsch ihn zu sehen, ihn in die Arme zu schließen, zu spüren. Ich erschrak richtig vor dieser plötzlichen Heftigkeit, und abrupt legte ich den Brief weg.
    Krieg dich wieder ein Faustus, die paar dürren Zeilen, und gleich bist du wieder so verteufelt sentimental...
    Manius war passé, er hatte mich belogen, er war gefährlich, ich hatte ihn hundertmal für passé erklärt, und ich war nun mit Borkan zusammen und sehr glücklich mit ihm, Borkan war wundervoll, traumhaft, ich war verrückt nach Borkan und er nach mir, wir passten perfekt zusammen, alles war gut, endlich war alles gut.
    Basta.


    Ich legte Rüstung und Kleidung ab, nahm ein Bad, aß mit der Familie zu Abend, doch die ganze Zeit war ich wie neben mir. Vor dem Serapisschrein brachte ich ein kleines Opfer, und spielte eine Melodie aus dem Tempelhymnos auf meiner Syrinx. Doch mit einem mal brachen die Gedanken wieder zu mir herein:
    Wenn ich ihm doch zumindest einen richtigen Brief schreiben könnte!!
    Aber seitdem diese furchtbare Aurelia mich mit meinen Briefen an Manius erpresst hatte, war ich ein gebranntes Kind und würde ganz bestimmt niemals mehr etwas erpressertaugliches niederschreiben, und schon gar nicht in diese Villa schicken...

  • In der Nacht träumte ich, ich läge in seinen Armen. Ganz ruhig lagen wir da. Er hatte seine Arme von hinten um mich geschlungen. Ich spürte ihn, den leichten Druck seines Körpers an meinem Rücken. Ich wusste dass er da war. Bis mich... langsam... ein fragendes Gefühl beschlich... und der Zweifel zu nagen begann ob ich, wenn ich mich umdrehte, sein Gesicht sehen würde, oder... etwas anderes.
    Als ich erwachte, lag ich mit dem Rücken ganz eng an die Wand gesschmiegt, an der mein Bett stand. Es war die Haltung, die ich manchmal... während der Kerkerhaft... wenn die Isolation, die Verzweiflung, das Dunkel mich verschlangen... eingenommen hatte. Halbwahnsinnig hatte ich da auf der Pritsche gelegen, den Rücken gegen die Wand gedrückt, und mich vorgestellt, es wäre Manius, den ich da spürte, Manius der mich hielt.
    Nur langsam wurde mir das bewusst – dann zuckte ich jäh fort von dieser Wand, der mit bunten Fresken verschönten Wand meines Cubiculums, die da mit einem Mal ihre Maske hatte fallen lassen, und mich als Kerkerwand angestarrt hatte. Ich fuhr hoch. War ich wach? War ich erwacht?! Oder lag ich verrottend im Kerker und träumte nur ich sei entronnen??!


    Fahl sickerte der Morgen in mein Zimmer. Hastig stand ich auf, stürzte mich in den Tag, und in der Tätigkeit des Alltags verflog langsam der Schrecken. Dann regte sich natürlich auch das schlechte Gewissen. Ich sollte von Borkan träumen, mit dem ich mein Leben zu teilen entschlossen war, nicht von den Geistern der Vergangenheit. Borkan und ich, wir sollten jetzt endlich zusammenziehen, unbedingt schnell zusammenziehen, zum Hades mit dem Gerede, seine Gegenwart würde alle... Zweifel... und alle Lemuren vertreiben.


    Trotzdem schrieb ich an diesem Tag einen Brief an Manius. Ich sagte mir, dass ich ihn einfach nur sehen wollte. Einfach nur sehen, so wie er wirklich war, nicht als Nachtgespenst, sehen wie es ihm ging und ihm vielleicht erklären in wie fern ich seine Handlungen, manche davon, mittlerweile auch in einem anderen Licht sah. Und dann gab es da noch die Lücken in meinem Mosaik die er mir vielleicht helfen konnte zu füllen, und eine, sagen wir, Rechtsangelegenheit.
    Viele gute Gründe ihn zu treffen.
    Viele, vollkommen harmlose, Gründe.
    Das Treffen war praktisch eine Notwendigkeit.
    Und es würde sowieso vollkommen unverfänglich sein.
    Sozusagen ein Training, um ihm in Zukunft begegnen zu können, ohne gleich Herzattacken zu bekommen. Der erste Schritt zu einem 'normalen Umgang'.

  • "He, Compagnero!" hatte ich zu Massa gesagt, als ich ihn heute in der Casa antraf, "wie gut dass ich dich vor deiner Abreise noch erwische. Komm doch mal mit, bitte..."
    Und so entführte ich ihn, weg von allen neugierigen Sklaven, großohrigen Klienten und sonstigen potentiellen Lauschern. In mein Cubiculum. Dort musste ich erst mal Platz zum Sitzen schaffen, ich räumte einen Stapel von Papyri, Büchern und Schreibkram von der breiten Fensterbank auf einen überladenen Tisch, und meine Syrinx, eine zerknitterte Tunika und eine einzelne, verloren wirkende, brünierte Beinschiene von dem Scherenstuhl daneben, dann erst setzte ich mich auf die Fensterbank.


    "Ähm..." erklärte ich, etwas verlegen für dieses private Chaos, wo mein Ideal doch die militärisch klare Ordnung war, "das ist nur, weil ich doch meine ganzen persönlichen Sklaven freigelassen habe." Und weil ich wieder so viel Zeug hatte. Im Tempel, als Jünger des Serapis, da hatte ich ja so gut wie nichts besessen. Und auch ganz früher, als Miles gregarius, wo auch niemand hinter mir hergeräumt hatte, waren es nur sieben Sachen gewesen. "Und ich kam noch nicht dazu, mir neue zu kaufen. Oder eigentlich... will ich gar keine neuen. Die mich am Ende noch verraten." Ich zuckte die Schultern.


    Mein Zimmer lag im Obergeschoß, dem Hortus zugewandt. Das Sonnenlicht, das von da hereinfiel, drang durch die gut gedeihenden Hanfpflanzen hinter der Scheibe, und tauchte Massas Achilles-Züge in ein grünliches Licht.
    "Ich wollte noch was mit dir besprechen. Bevor du wieder in See stichst. Eigentlich ist es eine Bitte, die ich an dich habe..."


    Eine kleine Kustpause folgte.
    "...oder man könnte auch sagen, es ist ein Angebot. Ganz wie du willst." Ich lächelte ihm geheimnisvoll zu, wollte ihn dann aber auch nicht länger auf die Folter spannen. "Du weißt ja wie das gerade ist. Ruhe vor dem Sturm, im Augenblick scheint alles seltsam friedlich, aber sobald der erste Legat zuckt bricht wahrscheinlich der Tartarus los." erklärte ich, abgebrühter tuend als mir wirklich zumute war.
    Nur nicht schon wieder Krieg.
    "Ich brauche einen Informanten in Alexandria. Auf den ich mich verlassen und dem ich vertrauen kann. Was sagst du, Appius? "




    edit: letzten Absatz hinzugefügt :)

  • Die Vergangenheit holte irgendwann den einen oder anderen erneut ein. So war es auch bei Varenus gewesen. Er hatte die letzte Nacht wiederholt den gleichen Alptraum erleidet. Der Traum, den er seitdem es passierte immer wieder träumte. In jeder Nacht in der diesen Traum spüren musste wachte er schweißgebadet auf und war voller Wut geladen. Jetzt wo sein Vetter neuerdings den Skorpionen angehörte konnte er sein Ziel verwirklichen. Nämlich das Auffinden des damaligen Soldaten der ihn niederschlug. Hoffentlich.


    Er klopfte an.

  • "Herein." rief ich, noch ein wenig verschlafen ob der frühen Stunde. Ich war gerade dabei, mich fertigzumachen, um mich in die Castra zu begeben.
    "Morgen Varenus." grüßte ich meinen Cousin. "Was gibt's?"

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  • So trat er ein. Drinnen sah er sich ein wenig um, so wirklich viel hatte sich nach seiner langen Abwesenheit nicht verändert. Außer das Serapio augenscheinlich älter wirkte, wenn auch noch kein grauer Haaransatz zu erkennen war. Aber bald, mein Lieber. "Morgen Serapio, soll ich nach einen Sklaven rufen? Der dir eine Waschschüssel bringt? Vielleicht über den Kopf? Damit auch das letzte Schlafkörnchen aus den Augen gespült wird.", meinte er aufmuntert. Hoffentlich war sein Vatter kein Morgenmuffel wie so manch anderer, der zusätzlich den komischen Witz alles andere als witzig fand. "Es gibt so einige. Vor allem brauche ich deine Hilfe! Nichts Finanzielles oder dergleichen, sondern du musst jemand auswendig machen. Als Tribun der Cohortes Praetoriae sollte es dir doch möglich sein." Das Auffinden würde wohl noch das Einfachste sein. Das Töten wohl eher schwieriger, ob sein Vetter dazu bereit wäre?


    Na auf jeden Fall strich er sich durch sein Bart und blickte zur liegenden Rüstung. "Du trägst sie mit Stolz nicht wahr?"

  • "Pff! Ich hab mich schon gewaschen" protestierte ich grinsend. Zumindest eine Katzenwäsche, mehr war morgens ja auch nicht üblich.
    Mit den ersten Verrichtungen des Tages war auch die Erinnerung an die Träume, die mich heute nacht aufgesucht hatten, verblasst – bis auf eine Episode, die mir noch im Gedächtnis haftete, weil ich mich beim Aufwachen so über sie gewundert hatte:
    Ich hatte Dives getroffen, in diesem Traum. Doch es war ein ganz... freundliches Zusammentreffen gewesen, ohne die Gewitterstimmung, die in der Realität jedesmal über uns hereinbrach. Und es war ein Traum mit viel Blau gewesen. Dives hatte auf einer himmelblauen Kline gesessen, eine dunkelblaue Toga um sich drapiert, und mir mit seinen großen meerblauen Augen ganz gelassen entgegen geblickt. Hinter ihm fiel helles, doch diffuses Licht durch ein großes Fenster und umrahmte sanft seine Kontur. Ich hatte mich auf den Rand der Kline gesetzt, ebenfalls ganz entspannt, und mich gefreut ihn zu sehen. Dann hatte ich seitlich von uns eine Frau erblickt, die, nun im Nachinein betrachtet, ziemliche Ähnlichkeiten mit der Sergia hatte. Im Traum war mir das aber nicht aufgefallen, und die Frau hatte mich nicht weiter gestört. Allerdings war sie kleiner als die Sergia gewesen. Die Frau hatte eine rote Stola an, und dunkle, wellige Haare, mit vielen Zöpfchen, die als oberste Schichte kunstvoll miteinander verflochen und mit blauen Glasperlen geschmückt wie ein Netz über dem frei fallenden restlichen Haar lagen. Auch hier fiel mir erst beim aufwachen auf – ein solches Bild hatte ich natürlich beim Minervafest gesehen, wo eine Ornatrix am Strassenrand genau so eine Frisur erschaffen hatte. Und das Wirrste kam dann erste: die Frau hatte nämlich mit einem Mal die oberste Schicht ihrer Frisur abgenommen, und dieses Netz von Zöpfchen bedeutsam lächelnd beiseitegelegt.
    Dann war ich, zusammenhanglos, an einem Strand gestanden. Das Licht war noch immer so milchig und vage gewesen, und der grobkörnige Sand und das anbrandende Meer schienen wie von Farben entsättigt. Aber friedlich. Neben meinen bloßen Füßen hatte ein Büschel von hartem Strandschilf gestanden. (Ein bisschen wie am Stand von Ostia, unweit unseres Domus Calamis, da wo die Salinen begannen. )
    Tja, und das war's, an mehr konnte ich micht erinnern. Was für ein sinnloses Zeug ich da wieder zusammengeträumt hatte!


    Aber zurück zur Realität: Varenus frühmorgendlicher Besuch.
    "Entschuldige die Unordnung..." murmelte ich, und stieß einen Haufen wild durcheinander geknäulte Klamotten von dem Scherenstuhl runter zu Boden, um einen Platz freizumachen wo Varenus sich hinsetzen konnte. Ich bräuchte wirklich dringend einen neuen Leibsklaven... traute aber keinem.
    Als Varenus mich um Hilfe bat, horchte ich auf und nickte bereitwillig. Dann folgte ich seinem Blick zu meinem Alltags-Harnisch, und wurde auf seinen Kommentar hin ein ganz klein bisschen misstrauisch. Denn ich wußte ja wie sehr mein Vetter aus der Art geschlagen war, und was für verquere Ansichten er zum Thema Militär hatte.
    "Mehr oder weniger. Worauf willst du hinaus, Vetter? Und was für ein jemand ist das, den du finden willst?"

  • Also ein Morgenmuffel, registrierte Varenus. Zumal sein Vetter sehr kühl auf ihm wirkte. Lag es an Varenus? Anlass gab es ja, weil er eine Zeit lang außer Rom war? Oder aber, weil Varenus sich im Gegensatz zu vielen anderen Familienmitglieder zurückhielt und sich eher seiner eigenen Familie widmete? Vielleicht aber auch, weil Varenus weiterhin am Palatin diente, gerade weil Palma Augustus war. Oder war sein Vetter von der Tochter Varenus, also Messalina enttäuscht, weil sie ihn im Stich gelassen hatte? Vielleicht aber auch, weil sich die Schwester, Seiana, von Serapio in letzter Zeit kaum zeigte? Natürlich konnte es auch sein, dass er mit seinem Posten unzufrieden war, immerhin war er bereits Praefectus gewesen, wieso sollte man sich dann als Tribun glücklich schätzen? Vielleicht war es aber auch ganz banal, weil einer seiner Liebhaber mit ihm schluss machte.


    Die Gedanken, warum, weshalb und so weiter verflogen als sein Vetter mit einem Schwung Platz machte. Varenus nahm die Aufforderung an und setzte sich gemütlich. Auf das mehr oder weniger ging er ungern ein, weil dann hätte er wohl den Einstieg über das Thema Militär eröffnet. War schon riskant genug nach dem Stolz zu fragen. Doch irgendwie hätte Varenus doch wollen, weil die Antwort von Serapio alles andere als zufrieden klang. "Nun, du erinnerst dich bestimmt noch an die Zeit, als dieser Palma in Rom einzog. Genauergesagt, als wir hier im Haus angegriffen wurden. Dieses Erlebnis durchlebe ich ungewollt jede Nacht. Es quält mich so sehr. Nicht einmal die Schmerzmittel können den Schmerz verdrängen, nur leicht lindern." Er zog sein Pony beiseite. "Siehst du das? Diese Narbe habe ich seitdem Vorfall. Sie brennt fürchterlich! Sie wirkt wie ein Brandmahl!" Er machte kurz eine Pause und senkte ein wenig sein Kopf, sodass er die Wäsche auf dem Boden betrachtete. "Jetzt wo der Palma tot ist, möchte ich den Drecksack finden der es mir und meiner Familie antat.... daher... brauche ich dich."

  • "Was da geschehen ist, ist eine elende Schweinerei!" stimmte ich Varenus erbittert zu. "Und es ist höchste Zeit, dass diese verfluchten Verbrecher endlich ihre Strafe erhalten."
    Nichtsdestotrotz blickte ich den Vetter etwas skeptisch an, als er, der ja noch vergleichsweise gut weggekommen war, seinen Schmerz so theatralisch zur Schau stellte. Mir fiel auch gerade auf, dass Varenus eigentlich immer nur dann an mich herantrat, wenn er irgendwas von mir wollte.
    "Ähm ja. Wir haben alle Narben davongetragen, Vetter. Ich verstehe deinen Wunsch nach Rache vollkommen, doch wir sollten geschlossen gegen die Drecksäcke vorgehen. Es war ein Angriff, nicht nur auf dich. Es war ein Angriff auf unsere Familie, den wir nicht mit Einzelaktionen, sondern gemeinsam ahnden müssen. Das hat, rein pragmatisch gesehen, auch mehr Aussicht auf Erfolg. Der Centurio, der die Schweine angeführt hat, der hatte ja die Hybris, vor dem Morden erst noch seinen Namen herauszuposaunen. Da können wir ansetzen. Ich will den Lump vor Gericht sehen, öffentlich zerlegt, verurteilt und hingerichtet! Das ist bestimmt auch in deinem Sinne, oder?
    Livianus wird die Anklage erheben, wenn ein neuer Prätor im Amt ist. Ich wollte sowieso noch mit dir sprechen deswegen, deine Aussage wird von ganz zentraler Wichtigkeit sein."

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  • Huch...Sein Vetter schien noch aufgebrachter zu sein. War er nicht außer Rom gewesen? Hmmm.... Natürlich konnte Varenus verstehen, dass Serapio sich mehr als verantwortlich fühlte, denn in dieser besagten Zeit war sein Vetter der Hausherr und vor allem Präfekt gewesen. Und letzteres half ihm nicht einmal seine eigene Familie zu beschützen. "Du hast recht, Vetter. Dein Vater hat definitiv mehr Erfahrung in solchen Angelegenheiten. Bei mir würde nur die Faust sprechen. Doch möchte ich nicht tatenlos zusehen, also wenn du trotzdem irgendwelche Hilfe brauchst, dann sag bitte ohne ein Zögern Bescheid und natürlich werde ich als Zeuge für die Familie auftreten. Ich hoffe, deine Schwester wird es ebenso tun?" Varenus bemerkte wieder wie gefühlvoll und hochlöblich sein Vetter war. Wenn auch er das Militär in persona verkörperte. "Kann ich dir in irgendeiner Sache behilflich sein? Vielleicht, dass du wieder einer der beiden Praefectus Praetorio wirst? Ich mag kein Amt wie dein Vater haben, doch habe ich direkte Beziehungen am Palatin. Und manchmal können zwei Stimmen noch gewaltiger erschallen."

  • Mit der Faust, ja, da sprach Varenus mir ganz aus dem Herzen.
    "Bei mir auch. Alle Zähne würde ich der Kanaille ausschlagen!" stimmte ich ihm grimmig zu.
    Ich war froh, dass er sich auch für den Prozess entschied, wir mussten da einfach alle an einem Strang ziehen, dann würde das schon werden. "Sehr gut!" rief ich erleichtert aus.
    "Seiana? Bestimmt....." Im Grunde war das ja gar keine Frage. Doch unglücklicherweise war ich mir da doch gar nicht mehr so sicher. Meine Schwester hatte sich da draussen, mit der umwerfenden kleinen Silana, in ihrem idyllischen eigenen Reich auf ihrem Landgut, inzwischen so komplett von der Welt abgeschirmt eingerichtet, dass ich wirklich nicht sagen konnte wann sie ihren Fuß wieder hinaus ins rauhe Leben setzen würde.


    Gerade eben, da hatte ich ja noch diesen sehr kritischen Gedanken über meinen Vetter hinter meiner Stirn vorüber ziehen lassen – da setzte er mich auf einmal in Verlegenheit, indem er mir seine Hilfe und Unterstützung anbot.
    "Oh, ähm, ja also" stammelte ich überrascht. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet, und ehrlich: es rührte mich.
    "Da wäre ich dir natürlich sehr dankbar für. Wenn du da mal, also bei Gelegenheit, Fürsprache für mich erheben könntest. Es ist so....." Leidig schüttelte ich den Kopf, ließ den Satz in der Luft hängen. Bizarr. Frustrierend. Traurig.
    "Naja. Du weißt ja selbst was für ein Trauerspiel das ist, unter so farblosen, untätigen, unfähigen Palma-Spezis arbeiten zu müssen, also muß ich es dir nicht erzählen."
    Der halbsenile Giftgreis hatte ja fast alle Führungspositionen mit seinesgleichen besetzt. (Ausser die Stadtpräfektur.) Ich konnte nur hoffen dass die neue Zeit unter dem neuen Kaiser diese ganzen lähmenden alten Schlacken endlich hinwegspülen würde.


    "Danke Vetter! Oh, und wenn du mir vielleicht noch mit einem kleinen Rat behilflich sein könntest... Geht um was ganz anderes, was völlig anderes."
    Ich rieb mir den Nacken, und lachte halbherzig, dann erklärte ich:
    "Ich habe nämlich beschlossen, eine ganz wunderbare Frau zu ehelichen. Aber ich bin wie du weißt, sagen wir, auf dem Gebiet nicht unbedingt der Bewandertste. Aber du, du führst doch eine wirklich gesegnete Ehe mit deiner Esquilina nicht wahr? - Vielleicht kannst du mir sagen: Was ist das Geheimnis einer guten Ehe? Worauf kommt es dabei an? Und... was wollen die Frauen eigentlich wirklich?"

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  • | Appius Decimus Massa


    In letzter Minute abgefangen und verschleppt. Ein amüsiertes Lächeln für den Schlepper, dem ich ohne Ausflüchte suchend, willig folgte. Im Türrahmen seines cubiculum traf mich der Schlag. Vom Ordnungsfanatiker zum Chaoten war meine Auslegung der Unordnung die sich vor mir auftat. Mit Skepsis sah ich ihm beim Umräumen zu, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf das Ergebnis. Sieh an, eine freigeräumte Fensterbank und ein leerer Scherenstuhl. Die Fensterbank nahm Faustus selbst für sich in Anspruch, dann blieb mir der Scherenstuhl. Vorsichtig ließ ich mich hineinsinken. Die Entschuldigung mit dem freigelassenen Sklaven, Ausrede. Aber dann fiel mir ein, er war ein Jünger des Serapis gewesen. Als solches hatte ich ihn in Ostia wiedergesehen. Kein Besitz, das hieß keine Sklaven, Entschuldigung akzeptiert. Beim mir ging es mittlerweile auch nicht mehr ganz ohne eine helfende Hand.
    Der Grund warum er mich verschleppt hatte, erfuhr ich postwendend. Eine Bitte, ich wartete ab, was er wollte. Sicherlich keine, die ich ihm nicht erfüllen konnte. So einfach schien sie dann doch nicht zu sein. Sein Lächeln war von der Sorte, nur du und ich, keiner weiterer weiß davon. Das drum herum Gerede, komm endlich auf den Punkt, dachte ich mir. Bei Faustus war Ausführlichkeit und Ausschmückung des Gesagten wichtig. Ich kannte es und wurde trotzdem ungeduldig. Was für eine Geheimniskrämerei. Mir fiel auf, dass ich geradliniger und meine Ausdrucksweise kahl und schmuckloser geworden war. Die rauhe Wirklichkeit veränderte. So ging das in Alexandria nicht weiter.
    Seine Bitte ließ mich nachdenklich in die Lehne des Scherenstuhls zurücksinken. Informant…?? Das schmeckte mir nicht. Jeder wusste um meine Verwandtschaft. „ Du brauchst eine Quelle in Alexandria. Drücken wir es mal so aus.“ Das klang angenehmer. Zurückhaltend und die Worte abwägend ging ich auf seinen Vorschlag ein. „ Das was wichtig für dich sein könnte, bekommst du von mir. Spezielle Informationen werden schwierig.“ Nicht schwieriger als einen Krug mit Wasser aus dem Brunne zu füllen, gestand ich mir ein. Mit Geld und materiellen Anreizen füllte sich der Krug von ganz allein. Trotzdem musste man vorsichtig sein. In Alexandria und Umgebung war mehr Feingefühl gefragt, als in Rom. „ Meine Post wird an die casa gehen. Wie sie dorthin kommt, lass meine Sorge sein.“ Die Personen, die in Frage kamen hatte ich bereits im Hinterkopf. Verlässliche Leute die, sich schon öfter bewährt hatten. „ Sollte ich Geld oder materielle Hilfe brauchen, regeln wir das über die Warenlieferungen für das Geschäft von Borkan. Das fällt nicht auf.“ Mehr gab es nicht zu sagen. „ Zufrieden?“ Ganz überzeugt davon, was ich ihm anbot war ich selbst noch nicht. Nach außen gab ich mich selbstsicher und bestimmt. Er musste nur ja sagen, um mich vollends zu überzeugen das Richtige angeboten zu haben.





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  • "Eine Quelle."
    Ganz wie er meinte. Ich nickte zu seinen Überlegungen – "Gute Idee.", und verzichtete darauf, ihm auf die Nase zu binden, dass er natürlich nicht der einzige sein würde. Doch ihm konnte ich vertrauen, und so konnte ich durch den Vergleich mit den von ihm gelieferten Fakten ausserdem noch die Zuverlässigkeit der anderen Informanten überprüfen.
    "Ja, zufrieden, Compagnero! Danke." antwortete ich lächelnd. Dann zeigte ich ihm für alle Fälle noch, wie er wichtiges per Theokleia-Methode ver- und entschlüsseln konnte, und machte einen Satz Schlüsselworte mit ihm aus.
    Ich wußte ja, dass Massa keine langen tränenreichen Abschiede mochte, darum folgte auch diesmal nur eine kurze Umarmung, und dann war er schon wieder weg und stach kurz darauf in See...

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  • Am späten Nachmittag, einen Tag nach der Verlobungsfeier ihres Bruders, als all die Menschen das Haus wieder verlassen hatten und Ruhe eingekehrt war, ging Seiana zum Cubiculum ihres Bruders. Sie hatte sich noch überlegt, ob sie gleich am gestrigen Tag noch mit ihm sprechen sollte, weil sie wusste, dass sie die Nacht kaum würde schlafen können, wenn sie bis zum nächsten Tag wartete. Sie erinnerte sich noch zu gut daran, was Faustus von Seneca hielt... und sie wollte es hinter sich haben. Aber es war wohl unfair, ihrem Bruder am Tag seiner Verlobung mit einer Nachricht zu kommen, von der sie wusste, dass er nicht begeistert sein würde. Nicht dass es so war, dass für Faustus der Tag seiner Verlobung einer der glücklichsten Tage seines Lebens war... was auch immer er Valentina erzählt hatte, was auch immer die Geschichte dahinter war, das hier war zumindest für Faustus nur eine Fassade. Trotzdem entschied Seiana sich letztlich dafür, zu warten.
    Tatsächlich hatte sie kaum ein Auge zu getan. Es war etwas anderes, auf ihrem Landgut zu warten, mit gehörigem Abstand zu Faustus, Livianus und den anderen, oder hier, wo sie mit ihrer Familie unter einem Dach war. Trotzdem zögerte sie auch jetzt noch ein letztes Mal, als sie bereits vor der Tür stand. Es fiel ihr nicht leicht, sich das einzugestehen, aber ihr war nicht wohl, wenn sie an Faustus' mögliche Reaktion dachte. Sie war nervös, und als sie jetzt so dicht vor seiner Tür stand, wollte sie am liebsten wieder gehen. Aber irgendwann musste sie es sich hinter sich bringen, und so klopfte sie.

  • Früher, da hatte ich die Nächte durchfeiern, und durchzechen können und am nächsten Tag gleich frisch und fröhlich weitermachen können (zumindest in meiner Erinnerung), aber diese Zeiten waren wohl vorbei... mit solch unlustigen Gedanken in meinem matten Schädel kam ich schleppenden Schrittes von meinem Dienst, der heute alles andere als die reine Freunde gewesen war.
    Im Gang vor meinem Zimmer traf ich auf meine Schwester. Gestern erst war sie ja angekommen, und wie ich sie nun wieder erblickte, die so lange fort gewesen und so schwer vermißt worden war, zog ein warmes Lächeln auf meinem Gesicht auf.
    "Schwesterherz...! Schön dich zu sehen!"
    Ich zückte einen Schlüssel und öffnete das höchst moderne Schloss, mit dem ich die Türe meines Zimmers stets versperrte wenn ich nicht da war.
    "Ähm... magst du reinkommen? Ist aber nicht so wirklich aufgeräumt."
    Um genau zu sein, hatte sich das Chaos, das aus meinem dringenden Mangel an einem vertrauenswürdigen neue Leibsklaven einstanden war, mittlerweile springflutartig im ganzen Raum verteilt. Es störte mich ja selbst, aber ich hatte immer viel wichtigeres zu tun. Trotzdem ließ ich Seiana hinein, schließlich kannte sie alle meine dunklen Geheimnisse schon, und würde sich wohl auch hiervon nicht erschüttern lassen. Ich räumte ihr einen Sitzplatz frei, und begann meine Tribunenkluft abzulegen.
    "Wie geht es Silana? Ich wollte gestern wegen der vielen Ohren nicht fragen. Geht es ihr gut?"

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  • Seiana wartete, aber es kam keine Reaktion – auch nicht auf ein nochmaliges Klopfen. War Faustus überhaupt schon nach Hause gekommen? Sie war so lange nicht mehr hier in Rom gewesen, eingeengt von gesellschaftlichen Zwängen, dass sie ganz vergessen gehabt hatte erst mal einen Sklaven zu fragen.
    Gerade wollte sie sich abwenden, als sie ihren Bruder den Gang entlang auf sich zukommen sah, und unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln freudig – während sich zugleich ihr Magen ein bisschen zusammenzog. Götter, sie war tatsächlich nervös. „Gerne, deswegen bin ich hier.“ Sie umarmte ihn zur Begrüßung und lächelte erneut, diesmal ein kleines bisschen gezwungener, während sie versuchte ihre Nervosität in den Griff zu kriegen.
    „Kein Problem“, versicherte sie ihm, als er davon sprach es sei nicht aufgeräumt, und sie meinte das auch so... eigentlich. Als sie dann aber eintrat und sah, was für ein Chaos sich in dem Zimmer hinter der Tür ausgebreitet hatte, fehlten ihr dann trotzdem für einen Moment die Worte. Sie wusste ja, dass Faustus etwas chaotisch war... aber bisher hatte es doch immer ganz anders hier ausgesehen. Hatte er keinen Sklaven, der hier ab und zu aufräumte? Es war aber auch nicht weiter wichtig, also folgte sie ihrem Bruder nur ganz hinein und setzte sich auf den Platz, den er ihr freiräumte.
    „Silana geht es sehr gut. Sie lernt ständig irgendwas Neues, habe ich das Gefühl.“ Seiana legte ihre Hände in den Schoß, locker, und konzentrierte sich darauf sie dort zu halten. Locker. Sie war nervös, das ja, aber sie wollte nicht dass ihr das anzumerken war – jedenfalls nicht allzu sehr. „Álvaro bringt ihr das Reiten bei. Naja, beibringen ist vielleicht zu viel gesagt, aber sie saß zumindest schon öfter auf dem Pferderücken, und sie findet es großartig.“ Auch wenn Römerinnen nicht reiten sollten... aber in Hispania hatten sie es alle gelernt. So lange Silana später einmal wusste, wann sie es zu unterlassen hatte, sah Seiana darin wenig Probleme.

  • Seiana trug das Chaos mit Fassung, und erzählte von meiner großartigen kleinen Nichte. Ich lauschte ihr lächelnd, belebt von den Gedanken an die hinreißende Kleine. Dann wurde mein Lächeln kurz ein wenig verstohlener, als sie nämlich Álvaro erwähnte. Er war mein allererster Schwarm gewesen, damals, in unserer Jugend in der Provinz. Ich hatte ihm aber niemals was gesagt. Er war ja so schön und kühn und älter als ich, und es bestand die ernsthafte Gefahrt dass er (und seine Kumpels) mich auslachen würde. Nein, es wäre absolut undenkbar gewesen, ihm etwas zu sagen! Und jetzt brachte er meiner Nichte das Reiten bei.
    "Das kann ich mir vorstellen, dass ihr das gefällt! Oh, dann kann ich ihr ja jetzt endlich ein kleines Pony schenken!" rief ich freudig aus, darauf hatte ich mich nämlich schon lange gefreut."Und einen Ziegenwagen. Sie muß unbedingt einen Ziegenwagen haben." Unser Ziegenwagen war (lange vor Álvaro natürlich) meine größte Leidenschaft gewesen, und unser Bruder Appius und ich waren damit tollkühne Rennen gefahren, denen manches Blumenbeet im Garten zum Opfer gefallen war.
    Treuherzig sah ich meine Schwester an, in der Hoffnung dass sie nichts dagegen hatte.
    "Und stell dir vor, Seiana: Reiten wird jetzt salonfähig! Für Damen meine ich. Seitdem die Augusta auf ihrem Schimmel auf dem Forum erschien, nach der Kaiserwahl. Ich habe sie ja eskortiert, sie abgeholt, das war überhaupt sehr aufregend – eine fabulöse Frau, so natürlich und majestätisch zugleich, ganz aussergewöhnlich – und dann auf einmal steigt sie auf dieses Ross, und ich denke noch ganz perplex: 'soll ich was sagen?', aber nun ja, sie ist die Gattin des Kaisers, und dann, auf dem Forum, da hat sie dem Kaiser glatt das Spektakel gestohlen mit ihrem Auftritt. Sie hat auch eine vortreffliche Haltung, sitzt im Sattel wie eine Eins."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana konnte nicht anders, sie musste grinsen, als Faustus gleich davon anfing Silana ein Pony zu schenken und einen Ziegenwagen. Das kam jetzt nicht wirklich überraschend, ganz im Gegenteil, aber trotzdem musste sie schmunzeln, über seine Worte und mehr noch über seinen Enthusiasmus, der in ihnen lag. Und sie war dankbar, weil für einen Moment ihre Nervosität weg war. „Sie wird dich vergöttern, wenn du das machst. Und Álvaro wird noch mehr aufpassen müssen...“ Aber Seiana hatte keinen Zweifel daran, dass ihm das gelingen würde. Und sie hatte auch nichts dagegen, dass Faustus ihrer Tochter solche Geschenke machte. Sie mochte stets so furchtbar unsicher sein, was Silana betraf, mochte nicht wirklich wissen, wie sie mit ihr umgehen sollte, um nur ja keinen Fehler zu machen, mochte nicht wissen was richtig und was falsch war. Ihr mochte vielleicht ganz generell jenes Gespür fehlen, dass so viele Mütter natürlicherweise zu haben schienen, wenn es darum ging mit ihrem eigenen Kind umzugehen. Aber das hieß nicht, dass sie ihr deswegen keine Freiheiten ließ. Schon gar nicht so lange sie noch so klein war und es sowieso keiner mitbekam. Ihr hatte es ja auch nicht geschadet, ganz im Gegenteil... manchmal glaubte sie, dass ihre Erinnerungen an ihre Kindheit, an jene Zeit bevor ihre Mutter sie an die Kandare genommen hatte, zu den wenigen Dingen gehört hatten, was sie in manchen Zeiten hatte durchhalten lassen.


    Was Faustus dann allerdings erzählte, ließ ihre Augenbrauen nach oben wandern. „Ist sie tatsächlich?“ fragte sie nach, überrascht und leicht amüsiert. Sieh einer an. Die Kaiserin auf einem Pferd, und das nach der Kaiserwahl. Da konnten sich freilich manche das Maul zerreißen wie sie wollten – als Kaiserin stand sie so sehr über solchen Dingen, dass ihr das nichts anhaben konnte. Ganz im Gegenteil. Sie musste erneut schmunzeln. „Wer weiß, vielleicht fangen es ja dann tatsächlich mehr an ihr nachzumachen. Dann muss Silana fleißig üben, auf ihrem Pony, das ich ihr ankündigen werde... wehe sie kriegt es dann nicht“, drohte sie ihm Spaß.
    Dann allerdings dachte sie wieder an Seneca, an die Verlobung, und sie wurde ernst. So wenig sie die Stimmung zerstören wollte... sie wollte das hinter sich bringen. Ein für alle Mal. „Hör mal, ich... ich muss mit dir etwas wichtiges besprechen.“ Sie holte tief Luft. „Seneca hat mir einen Antrag gemacht. Und ich habe ihn angenommen.“

  • Ich durfte, Seiana hatte nichts dagegen. Vor lauter Vorfreude grinsend von einem Ohr zum anderen setzte ich mich, nun nur noch in Equestunika, auf die Fensterbank und streckte die Beine von mir. Ich liebte es ja über die Maßen, schöne Geschenke zu machen, und die kleine Silana war, wenn sie sich freute, so unglaublich herzerwärmend. Natürlich mußte sie das allerbeste Pferdchen, sowie den technisch ausgereiftesten Ziegenwagen samt Rasse-Fahrziege bekommen!
    "Ja, ich denke auch, es könnte echt einen gesellschaftlichen Wandel anstoßen." stimmte ich Seiana zu, und lachte über ihre Drohung: "Haha, da kannst du Gift drauf nehmen, dass ich das Versprechen wahr mache."
    Es war so angenehm, einfach mal wieder mit ihr zu quatschen, in aller Ruhe. Ich zupfte von den Hanfpflanzen auf meinem Fensterbrett ein gefiedertes Blatt ab, und drehte es entspannt zwischen den Fingerspitzen. Vielleicht könnten wir nachher mal wieder zusammen einen durchziehen – lange genug war es her.


    Doch dann wurde meine Schwester mit einem mal so ernst, und überbrachte eine Hiobsbotschaft.
    Ich senkte den Kopf, und atmete tief aus. Jetzt nicht aus der Haut fahren, Faustus.
    "Ach Seiana." Nun sah ich wieder auf, und blickte ihr zutiefst bestürzt ins Gesicht. "Ich habe befürchtet dass es dazu kommt. Ich habe das echt befürchtet." Aufgewühlt schüttelte ich den Kopf. "Du weißt doch, dass ich natürlich will, dass du... dein Glück findest Schwesterherz. Aber ich bin davon überzeugt, dass Iunius Seneca niemand ist auf den du dich verlassen kannst. Ja, solange alles gut und leicht ist, wird er eine gute Figur machen. Aber wenn ein rauherer Wind weht, dann knickt er um. Menschen zeigen ihr wahres Wesen immer erst dann wenn es hart auf hart kommt. Und als es hart auf hart kam, bei der Garde, da ist Iunius umgeknickt wie ein Grashalm. Da hat er sein wahres Wesen gezeigt. Hat jedweden Stolz, Ehre und Loyalität vergessen... Natürlich kann man jetzt sagen, dass du Rückgrat genug für zwei hast. Und die Iunier sind ja auch eine respektable Familie. - Aber bei zukünftigen Härten wird das auch nicht anders sein. Willst du dich denn wirklich an so jemanden binden? Selbst wenn du ihn liebst..." Natürlich liebte Seiana ihn, sonst hätte meine kluge Schwester sich doch nie auf eine so haarsträubende Mesalliance eingelassen. "...mußt du ihn doch nicht gleich heiraten..."
    Düster stützte ich den Kopf in die Hand, furchte die Stirn. Der Iunier hatte mich, gerade da ich früher so viel von ihm gehalten hatte, einfach nur bodenlos enttäuscht. Und meine Schwester würde er irgendwann auch enttäuschen. Über kurz oder lang.
    "Er hat ja nicht mal versucht, seinen schändlichen Treuebruch irgendwie... zu bereinigen... Noch nicht mal versucht." Ich war ja nicht völlig unversöhnlich. Selbst Licinus hatte ich irgendwann vergeben. Aber der Iunier hatte ja nicht mal den Anstand gehabt, zu versuchen, es irgendwie aus der Welt zu räumen, bevor er es sich erdreistete, Seiana heiraten zu wollen.
    "Statt dessen hat er geschmeidig sein Fähnchen nach dem Wind gehängt und ist Klient geworden ausgerechnet von dem Duccius, diesem elenden Aasfresser, der..." Ich stockte, und sah auf das Hanfblatt zwischen meinen Fingern. Atmen, Faustus. Ich schluckte, und versenkte meinen Blick im Zentrum des Blattes. "... der unserer Familie so verdammt viel Leid angetan hat. Wenn du ihn heiraten würdest, Seiana, dann würdest du doch gleichzeitig in den Dunstkreis von diesem Lump geraten. Es würde die Familie zerreißen. Bitte. Tu es nicht..."

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana musste lachen, als sie sah wie sehr ihr Bruder grinste. Ein Teil von ihr wünschte sich, selbst das Verhältnis zu ihrem Kind zu haben, das Faustus hatte... diese überschäumende Begeisterung zu spüren. Aber es machte sie glücklich, dass er sich so freute, und dass er die Kleine so gern hatte.


    Die lockere, gelöste Stimmung verflüchtigte sich nahezu sofort, als Seiana ansprach, weswegen sie eigentlich hier war. Es tat ihr leid... sie hätte sich lieber erst mal weiter so mit ihm unterhalten, einfach Zeit mit ihm verbracht, seine Gesellschaft genossen. Aber sie hätte sich kaum darauf konzentrieren können... und sie wollte es hinter sich bringen. Gerade weil sie wusste, dass es schwierig werden würde, und Faustus enttäuschte sie dahingehend nicht. Sie holte tief Luft, als ihr Bruder sie bestürzt ansah und dann anfing zu reden. Befürchtet. Er hatte es befürchtet. Das Wort allein sagte schon alles. Seiana lehnte sich zurück und zwang sich, ruhig zu bleiben. Sich erst mal alles anzuhören, was Faustus zu sagen hatte, ihn nicht zu unterbrechen. Sie wollte hier keinen Streit vom Zaun brechen – sie stritten selten, aber wenn sie es taten, dann krachte es meistens richtig. Und das wollte sie wenn möglich vermeiden.
    Ihr Bruder machte es ihr allerdings nicht gerade leicht, still zu bleiben und abzuwarten, bis er fertig war. Wie schon beim letzten Mal, als sie über Seneca geredet hatten, nahm er kein Blatt vor den Mund, und er sagte Dinge, die sie nicht in Ordnung fand. Mehr noch, er beleidigte ihn regelrecht. Er schimpfte vielleicht nicht, aber das änderte nichts daran, dass seine Worte einer Beleidigung gleich kamen.


    Seiana musste mehr als einmal schlucken, und mehr als einmal sich auf die Zähne beißen, um sich daran zu hindern ihm nicht doch noch ins Wort zu fallen... aber es gelang ihr, still zu bleiben, bis zum Schluss, als Faustus auf den Duccius zu sprechen kam und sie schließlich bat, es nicht zu tun. Weil es die Familie zerreißen würde, angeblich. Spätestens bei diesen Worten verschloss sich ihre Miene. Bei allem, was sie für ihre Familie getan hatte, war es mehr als nur fair, dass sie nun etwas zurück bekam, fand sie. Mal ganz davon abgesehen, dass sie so ziemlich alles anders sah als ihr Bruder. „Da liegst du falsch, Faustus.“ Sie bemühte sich um Ruhe, bemühte sich darum, kontrolliert zu sprechen. Sich nicht aufzuregen, was sie am liebsten getan hätte. Sie sprach aber auch nicht an, dass er ihr eigentlich versprochen hatte, nicht mehr davon anzufangen, wenn er nur einmal Klartext reden durfte, und sie hat ihm da schon gesagt gehabt, dass sie nichts davon hören wollte. Stattdessen ging sie diesmal darauf ein. „Ich kann mich auf ihn verlassen. Das konnte ich immer. Und auch seine Männer konnten und können das. Du sagst, du hättest mal große Stücke auf ihn gehalten – warum hat sich das geändert? Weil du beleidigt bist, dass er später nicht zu dir kam? Wie viele Centuriones sind seitdem auf dich zugekommen, wie viele andere Menschen, und das bevor du wirklich rehabilitiert warst?“ Jetzt war der Moment gekommen, in dem es Seiana nicht mehr auf ihrem Stuhl hielt. Sie sprang nicht auf, so viel Beherrschung hatte sie, aber sie stand auf, und sie begann auf und ab zu laufen. „Was hättest du von ihm und dem Rest der Garde haben wollen, damals bei Vicetia? Wofür hätten sie sich deiner Meinung nach entscheiden sollen, als sie vor der Wahl standen sich abschlachten zu lassen oder aufzugeben? Glaubst du denn ernsthaft, er hätte sich diese Entscheidung so leicht gemacht? Noch dazu in einem Bürgerkrieg, wo es nicht gegen irgendwelche Barbaren ging, sondern gegen andere Römer? Hättest du wirklich deine Männer, alle deine Männer, blindlings in den sicheren Tod von Bruderhand geführt?“ Es gelang ihr immer weniger, so ruhig zu bleiben wie sie eigentlich wollte... dafür ging ihr das Thema zu nahe. Sie liebte Faustus, jahrelang war er ihr Fels in der Brandung gewesen, der einzige Mensch, dem sie vorbehaltlos vertraute. Genau deshalb tat es ihr so weh, dass er scheinbar nicht bereit war Seneca zu akzeptieren.
    „Und was den Duccius angeht: ich weiß beim besten Willen nicht, was du hast. Ich wusste es schon damals nicht. Er hat uns geholfen, Faustus. Ich habe mit ihm eine Abmachung getroffen, und er hat seinen Teil eingehalten. Im Gegensatz zu uns, möchte ich anmerken, aber das ist etwas, für das ich die Verantwortung übernehmen muss, weil er sich auf mein Wort verlassen hat. Aber ist dir eigentlich klar, was für ein verdammt großes Glück du hast heute überhaupt hier zu sitzen? Dass du nicht zum Tod verurteilt worden bist? Noch nicht mal zum Exil? Oder dass ich so unbeschadet aus der Sache heraus gekommen bin, trotz der Dinge, die ich in der Acta veröffentlicht hatte? Das haben wir dem Duccius zu verdanken, der sich für uns eingesetzt hat zu einem Zeitpunkt, als sich keiner mit unserer Familie auch nur blicken lassen wollte in der Öffentlichkeit. Die Decimi hätten sich wieder aufgerappelt – aber wir, du und ich, wir nicht. Was genau daran ist denn nun so großes Leid? Und bevor du von Onkel Magnus' Kindern anfängst: ich habe zugestimmt, weil ich mir sicher war und bin, dass sowohl du als auch Livianus der Meinung seid, dass Kinder zu ihrer Mutter gehören. Livianus hat seine eigenen Kinder bei ihrer Mutter in Britannien gelassen. Ihr beide hättet ohne zu zögern ja gesagt, hätte Venusia einen von euch direkt gefragt. Und wage es jetzt ja nicht mir etwas anderes zu erzählen. Genau darum ging es doch bei Silana auch.“

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