Westwärts

  • | Tiberius Ostorius Remmianus


    Eigentlich hatte Remmianus angenommen, einen ruhigen Job zu haben. Bei seiner Anreise vor ein paar Monaten hatte er sogar noch seine Familie in Salona besucht. Mutter war so stolz gewesen, dass ihr Junge aus der Provinz jetzt der zweithöchste Offizier in einer römischen Legion sein würde. Die Sarmata stand zwar an der Grenze, aber gefährlich hatte es wirklich nicht gewirkt...


    Und jetzt steckte der junge Tribun mitten in den Vorbereitungen für einen Feldzug, mit dem er niemals gerechnet hatte. Zwar hielt man ihn aus allem Taktischen heraus, aber die Organisation der Verpflegung traute man ihm zumindest zu. Das war zwar nicht sonderlich ruhmreich, aber letztlich musste er ja nur die Teilnahme an diesem Feldzug auf sein Grab schreiben lassen, nicht seine genaue Funktion! Wenn sie irgendwann erfahren würden, wo es eigentlich hingehen sollte.


    In der Principia der XXXIII., im großen Konferenzraum, hatten sich nämlich alle Offiziere versammelt und im Augenblick sah es so aus, als würde sich die Armee bald aufteilen: Auf der einen Seite Maturus, Remmianus' Legat und oberster Feldherr, dazu ein paar Tribune und der Legat der XIV. brannten darauf, den Danuvius hinaufzufahren und Modestus und seine Verräter in Raetia zu stellen. Marius Pullo, der hässliche Legat der XXXIII. hatte dagegen Vipstanus Sermo und den Großteil der weiteren Offiziere davon überzeugt, dass diese Strategie keinen Sinn machte: Wenn sie zu spät kamen, würden sie das germanische Heer über die Alpen jagen müssen, was angesichts der Tatsache, dass sie flussaufwärts fuhren, gar nicht so unwahrscheinlich war.


    Der Ostorier war weder für das eine, noch für das andere. Gemeinsam mit den meisten anderen Laticlavii stand er im Hintergrund und beschränkte sich aufs Zuhören. Alles, was er dabei erkennen konnte, war, dass der Laberier ungern klein beigeben wollte, Marius Pullo ein ungeschickter Diplomat war und der Legat der XIII. ein Knauserer, der am liebsten noch abwartete, bis Modestus und seine Legionen sie in Vindobona stellten. Remmianus fand diese Idee auch nicht schlecht, denn er war nicht sonderlich scharf darauf, die nächsten Wochen und Monate unterwegs zu sein - weder auf einem Pferderücken, noch an Deck einer Flussgaleere!




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  • | Potitus Vescularianus Stiro


    Für Vescularianus war die ganze Sache ein einziges Ärgernis. Dass die Feldherren schon vor Beginn des eigentlichen Krieges so heftig aneinandergerieten, war ein sehr schlechtes Omen. Doch immerhin hatte Maturus endlich eingesehen, dass es viel zu riskant war, Modestus noch in Raetia den Weg abzuschneiden. Wenn sie zu spät kamen, würden sie die germanischen Truppen über die Alpen verfolgen müssen. Natürlich hatte Vescularianus das schon in Carnutum gesagt, aber der Statthalter und jetzt auch Oberbefehlshaber hielt es natürlich nicht für notwendig, Ratschläge von einem kleinen Freigelassenen entgegenzunehmen. Aber Vescularianus war das gewohnt, auch sein Patron und jetziger Kaiser war nicht immer leicht gewesen.


    Aber nun ging es immerhin voran und sie waren weitermarschiert bis Savaria. Und immerhin war diese Stadt wie das Ziel ihrer Reise halbwegs zivilisiert, sodass der Libertinus als Angehöriger des Stabs nicht in diesen windigen Zelten schlafen musste. Stattdessen hatte er ein Zimmer im Praetorium des Praefectus Alae bezogen, wo auch Maturus und die Legaten untergebracht waren. Und hier konnte er wenigstens in aller Ruhe die Stärkemeldungen studieren, die die Spione und die Boten aus Rom abgegeben hatten. So, wie es aussah, hatten sie keine schlechten Chancen, falls die Legio I sich nicht auch noch mit den Rebellen vereinte!





    SCRIBA PERSONALIS - POTITUS VESCULARIUS SALINATOR

  • | Manius Laberius Maturus


    Es war verdammt lange her, dass Maturus längere Zeit auf dem Marsch gewesen war, doch schien das ganze eine richtiggehende Verjüngungskur zu sein. Es erinnerte ihn an damals, als er noch ein kleiner Tribun gewesen war - und das eine halbe Ewigkeit, weil die feinen Herren Senatoren ihn als Sohn eines Eques lange nicht hatten unterstützen wollen. Diesmal war das Soldatenleben allerdings weniger sorgenvoll und das Paludamentum trug sich auch weitaus angenehmer als die Toga Praetexta. Ganz zu schweigen davon, dass er weitaus lieber mit Offizieren über die Taktik sprach als mit Juristen über irgendwelche Rechtsprobleme!


    Hoch zu Ross und gut gelaunt überquerte er deshalb heute die Dravus-Brücke, von wo aus man bereits das Tagesziel sehen konnte: Im verlassenen Legionslager von Poetovio hatte die Vorhut die ersten Zelte aufgestellt, sodass die Legaten sofort ihre Quartiere beziehen konnten, während der Rest des Heeres noch schanzte und schließlich seine eigenen Unterkünfte errichtete. Doch auch die Offiziere gönnten sich keine Ruhe, denn der Laberier rief sie bald zum Kriegsrat zusammen, um die neuesten Informationen zu besprechen.


    Wie man hörte, hatten die germanischen Rebellen sich aufgeteilt: Flamininus Cilo saß mit seinen Truppen in Augusta Vindelicum, Annaeus Modestus in Vindonissa. Wie es allerdings weitergehen würde, war unklar, denn es war bisher nicht gelungen, einen Spion in den Kriegsrat des Feindes einzuschleusen. Es sah aber doch zumindest so aus, als wollte er direkt nach Italia, sonst wäre Modestus vermutlich schon nach Osten geschwenkt. Stellte sich also die Frage, wo die Verräter die Alpen überquerten - über Clunia nach Mediolanum oder über Foetibus nach Verona? Oder beides, wenn die Heeresgruppen weiterhin getrennt blieben! Sollte die Via Claudia Augusta genutzt werden, würden die Germanen dem pannonischen Heer ziemlich nahe kommen und Venetia zum Kampfplatz werden. Unklar war auch, wie sich die I in Mantua stellen würde - Aurelius Ursus hatte sich noch nicht groß geäußert, aber er war ein Klient des Verräters Lucianus. Außerdem hatte sich auch noch nicht klar auf Salinators Seite gestellt!


    Glücklicherweise stand Maturus noch nicht unter Entscheidungsdruck: Vorerst blieb ihnen nichts anderes, als weiterzumarschieren und in Aquileia die Situation neu zu bewerten. Deshalb wurde der Kriegsrat ergebnislos beendet und der Legat machte sich auf zu einem kleinen Höflichkeitsbesuch bei den Duumvirn der Colonia Ulpia Traiana Poetovio!




  • http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/08.jpg Wer glaubte, es wäre ein Zuckerschlecken ein so riesiges Heer auszuspähen und zu überwachen, der glaubte einem wahrscheinlich auch nicht, wie schnell einem so ein Heer durch die Lappen gehen konnte. Die wenigen Späher des niedergermanischen Heeres, die sich mit den raetischen Aufklärern in der Gegend zusammen getan hatten, hatte ihre große Mühe den Spähern des Feindes aus dem Weg zu gehen und sich gleichzeitig nicht zu weit vom Feind zu entfernen.


    Es war ohnehin ein einziges Katz und Maus-Spiel, in dem die Gegner sich selten persönlich sahen. Die meisten der rebellischen Späher hatten das Heer des Gegners nicht persönlich gesehen, weil die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden einfach viel zu groß war. Die Rebellen waren nicht die einzigen die sich mit einem dichten Ring an berittenen Aufklärern umgaben... dementsprechend blieben die Rebellen auf mehr als respektvollem Abstand und ließen sich von Zivilisten erzählen, wie groß das Heer war, wo es gerade lagerte und was sonst so geschah. Das dauerte seine Weile, war aber sicherer für Leib und Leben der Späher.


    Ihre Anzahl war traditionell in dieser Entfernung ohnehin zu gering um eine Komplettüberwachung zu gewährleisten. Insgesamt waren sie wohl in der gesamten Provinz Noricum und den anschließenden Regionen keine zwanzig Leute.. was vor allem daran lag, dass die Legionen ihre Aufklärer in sieben Tagen Umkreis bei sich behielten um schnell genug reagieren zu können. Schnell genug reagierte man in ihrer Zeit, wenn man eine Woche vorher bescheid wusste von wo der Feind gerade kam.. und vorher eine ungefähr grobe Richtung hatte.
    Anzahl und Notwendigkeit, die sich irgendwie einander bedingten, führten dazu, dass die Späher in dieser Entfernung vom Hauptheer und damit auch ihren eigenen Turmae nur alle paar Tage ausgetauscht wurden... und die Informationen sich so entsprechend langsam gen Westen aufmachten. Bisher reichte das, denn Italia war noch weit.. aber auch hier kroch das Heer unaufhaltsam gegen Westen, so dass die Abstände, in der die Rebellen ihresgleichen trafen nicht mehr ganz so lang waren wie in den Tagen davor.

  • | Manius Laberius Maturus


    "Bei Hercules, verfluchtes Mistwetter!"


    brüllte Maturus, als er endlich in den Stadtpalast gestapft kam, der als Praetorium requiriert worden war. Der Besitzer des Hauses - der Duumvir oder irgendein städtischer Honorator - stand etwas verängstigt abseits, während Remmianus, der hier alles vorbereitet hatte, den General und seine Unterfeldherren in Empfang nahm.


    "Diese verdammten Rebellen müssen die Götter bestochen haben, sag' ich! Da führt man im größten Hochsommer Krieg und was kriegt man? Regen, Regen und nochmals diesen verdammten Regen! Tagelang!"


    klagte er weiter, während er seinen vollgesogenen Feldherrnmantel löste und dem Tribun in die Arme warf. Zwar gefiel es dem Hausherren überhaupt nicht, dass sich unter dem triefenden Kleidungsstück eine kleine Pfütze auf dem Marmorboden bildete, aber das war dem Laberier egal. Achtlos und ohne auch nur einen Gruß ging er weiter.


    "Wo machen wir die Lagebesprechung?"


    fragte er nur. Der Ostorier drückte das Paludamentum schnell einem seiner Helfer in die Hand und beeilte sich, dem rasch voranschreitenden Kommandeur zu folgen. Zugleich versuchte er hastig, ein paar Worte loszuwerden:


    "Das ist hier nicht so ungewöhnlich, Legatus. - und die Besprechung findet im Wintertriclinium statt, dort hinten links."


    Er deutete auf eine Tür, die vom Atrium wegging und klopfte sich dann auf den feuchten Fleck, den das Paludamentum auf seiner Tunica hinterlassen hatte.


    "Ach, das ist mir völlig egal! Die können hier so viel Regen abbekommen, bis sie schwarz werden! Aber nicht, wenn ich hier eine Armee durchschicken will! Da kann ich den verdammten Fluss auch nicht benutzen! Was ist mit der Versorgung?"


    Tatsächlich hatten heftige Regenfälle in den letzten Tagen nicht nur die Marschmoral der Truppe massiv gedrückt, sondern auch die Versorgungskäne in den Häfen gehalten - für diese Strömung waren sie nicht ausgelegt. Entsprechend kam die Armee trotz der Ebene, durch die sie marschierten, nur schleppend voran.


    "Unsere Kähne dürften morgen nachkommen. Heute hat es nicht ganz so schlimm geregnet, wie es scheint."


    "Ach, Papperlapapp! Ich bin kurz davor, die ganzen Viehherden hier zu requirieren und unseren Nachschub auf ihre Rücken zu laden! Die Rebellen haben schon ihren Marsch in die Alpen begonnen, sie können in ein paar Tagen in Italia stehen! Der Kaiser wird mehr als sein Gesicht verlieren, wenn diese Verräter sich durch Norditalia metzeln! Und nicht nur er!"


    Wie allen klar war, stand nicht nur für Salinator alles auf dem Spiel. Maturus war einzig und allein von dessen Gnaden in seine Position gekommen, genauso wie fast alle anderen Offiziere hier: Der junge Tribun war im Gefolge des Vesculariers nach Rom und in sein Tribunat gekommen, Vipstanus Sermo war ursprünglich sein Förderer gewesen, nun war er kaiserlicher Klient und Marius Pullo war ein alter Kampfgefährte. Sie alle würden eher sterben, als sich der Gnade dieser Truppe von Verrätern auszuliefern! Und auch ihre gemeinen Soldaten hatten oftmals noch unter dem Kaiser gedient und wussten, dass sie ihre bevorzugte Position auf dem Palatin nur mit einem Sieg über die Konkurrenz aus Ost und West behaupten konnten!


    "Naja, eine Alpenüberquerung wird auch kein Zuckerschlecken sein, denke ich..."


    gab Remmianus zu bedenken, doch der Oberkommandeur ließ sich davon nicht beruhigen. Er musste an seinen wunderschönen Plan denken, den er sich zurechtgelegt hatte, als er von der Aufteilung der Heeresgruppen erfahren hatte!


    "Wenn wir etwas schneller vorankommen würden, könnten wir diese Bastarde einzeln schlagen mit haushoher Überlegenheit! Aber wenn es so weiter geht, versumpfen wir noch total und müssen uns einem völlig ausgeruhten und an den Feldern Norditalias sattgefressenen Heer stellen!"




  • Ein Gardekurier, weitgereist und abgekämpft, stieß zu den Truppen der Donaulegionen und überbrachte dem Feldherrn eine Depesche aus Rom:


    Ad
    Legatus Augusti Pro Praetore
    M. Laberius Maturus
    Illyricum



    Salve Legatus,


    im Namen des Kaisers bitte ich dich um einen neuen Statusbericht deiner Truppenbewegungen. Der Imperator drängt zur Eile, denn neuesten Aufklärungsberichten zufolge sind die rebellischen Truppen, oder zumindest Teile davon, bereits in Italia angekommen.



    Im Auftrag der kaiserlichen Kanzlei
    Cnaeus Fabius Torquatus

    ´
    - Primicerius ab epistulis -


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    ROMA - ANTE DIEM XVIII KAL OCT DCCCLXII A.U.C. (14.9.2012/109 n.Chr.)





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