Neues Leben: Die Namensfrage

  • Am zweiten Tag nach der Geburt betrat Witjon am frühen Vormittag das Zimmer, in dem Octavena und ihrer beider Tochter sich von den Strapazen der Geburt erholten, um eine offene Frage zu besprechen. Marcus hatte Zweifel gesät, ob die Namenswahl, die Octavena getroffen hatte, passend war. Witjon wollte jetzt nochmal genauer nachhaken, wie seine Frau darüber dachte.


    Behutsam öffnete er die Tür zu dem Cubiculum und schenkte seiner Frau sogleich ein liebevolles Lächeln. "Hallo meine Lieben", begrüßte er Frau und Tochter und ließ sich langsam auf der Bettkante nieder. Er berührte zärtlich Octavenas Wange. "Wie geht es euch beiden heute?"

  • Octavena erwiderte strahlend das Lächeln, mit dem Witjon sie bei seinem Eintreten bedachte, wobei sie nicht einmal mit ihrer guten Laune übertreiben musste. Nach bereits einem Ruhetag fühlte sie sich langsam, aber sicher wieder munterer und sie war auch der Überzeugung, dass es nicht mehr lange dauern würde bis sie wieder ganz die Alte war. Auch wenn ihre Tochter sie in der letzten Nacht eine ganze Weile wach gehalten hatte, so fühlte sie sich - den Umständen entsprechend - erstaunlich gut.


    "Uns geht es wunderbar", gab Octavena also auf die Frage ihres Mannes zurück und sah schmunzelnd auf ihre Tochter in ihren Armen herab, "Nur an Schlaf war letzte Nacht nicht so sehr zu denken."

  • Octavenas Strahlen erfüllte Witjon mit echtem Glück. Er konnte sich gar nicht satt sehen an seiner - zugegeben noch etwas abgekämpft aussehenden - Frau und seiner Tochter. Seine Gesichtszüge ließen Mitgefühl erkennen, als Octavena von ihrer schlaflosen Nacht berichtete und Witjon streichelte lächelnd ihre Wange. "Ich bin sicher das ist sie wert, hm?", schmunzelte er und nahm nun die winzigen zarten Finger seiner Tochter, deren schwacher Greifreflex ihn erneut faszinierte. Sein Zeigefinger war schnell der Gefangene eines kleinen Händchens.


    "Dein Onkel...", begann Witjon dann etwas zögerlich. "Ich glaube er hält nichts von deiner Namenswahl." Mit hochgezogenen Augenbrauen warf er seiner Frau einen neugierigen Blick zu und sagte weiter: "Er hätte offenbar lieber einen traditionelleren Namen aus eurer Familie."
    Witjons Stimme war dabei deutlich anzumerken, dass er nicht unbedingt begeistert von der Einmischung des Hausherrn war. Er hatte vor dem Schlafengehen nochmal lange über diese Frage nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Octavena jeden erdenklichen Namen wählen können sollte, der ihr gefiel. Immerhin hatte er selbst ja auch den germanischen Namen ihrer Tochter nach eigenem Gutdünken ausgesucht. Dennoch, er wollte Octavenas Meinung dazu hören, denn ihre Überlegungen dazu interessierten Witjon.

  • Fragend zog Octavena die Brauen zusammen und legte so kritisch die Stirn in Falten.
    "Ach ja?", fragte sie vorsichtig und ohne Frage mäßig begeistert nach, "Hat er das gesagt?"
    Nicht, dass sie es sich nicht hatte denken können, dass der alte Crispus am liebsten einen Namen mit petronischer Tradition gesehen hätte, aber dass er sich scheinbar entgegen ihrer eigenen Wahl aktiv einmischen würde, damit hatte sie dann doch nicht gerechnet. Genauso wenig wie ihr der Gedanke gefiel. Denn der Name ihrer Tochter, das war etwas, das - wie Octavena fand - ihren Onkel nichts anzugehen hatte. Besonders nicht, nachdem Witjon ihrem Vorschlag ja auch zugestimmt hatte.
    Octavena sah ihren Mann fragend an, der einen ähnlich begeisterten Eindruck wie sie selbst machte. "Findest du, er hat recht?"

  • Octavena schien die Meinung ihres Onkels nicht zu schmecken. Witjon konnte das gut verstehen. Er zuckte mit den Schultern und sagte: "Naja, er hat nicht direkt gesagt, dass ihm der Name nicht gefällt. Aber er hat ganz offen gefragt, ob wir nicht einen traditionelleren Namen wählen wollen."


    Als Octavena ihn nun mit fragender Miene anblickte und ihn um seine Meinung bat, schüttelte Witjon schnell den Kopf. "Nein", beteuerte er lächelnd. "Ich finde, du hast gut gewählt." Er nahm ihre Hand und drückte sie leicht, um ihr seine Unterstützung zu verdeutlichen. "Unsere Tochter wird Duccia Camelia heißen, egal ob dein Onkel - und er ist ja sogar 'nur' dein Großonkel, wenn ich mich nicht täusche - etwas zu meckern hat." Er zwinkerte seiner Frau schelmisch zu. "Von Marcus' Gemaule habe ich mich früher im Ordo Decurionum schon nicht beeindrucken lassen, also tue ich es jetzt erst recht nicht."


    Dann fiel ihm noch etwas ein, was er sogleich loswerden wollte: "Ach, ich gehe dann die Tage übrigens mal bei Susina Alpina vorbei, um ihr unseren Dank für ihre Arbeit auszusprechen. Ich dachte mir ich biete ihr meine Unterstützung für ihre Taberna Medica an, damit sie auch weiterhin als Hebamme tätig sein kann." Damit war die Namensfrage für Witjon dann auch schon abgehakt. Dass Alpina abseits davon gern zum dies lustricus erscheinen wollte, konnte er zu diesem seinem Besuch vorgelagerten Zeitpunkt zwar noch nicht wissen. Trotzdem fragte er schonmal: "Hast du eigentlich bestimmte Wünsche, wen ich zur Feier des dies lustricus alles einladen soll?"

  • Witjons Antwort entlockte Octavena ein breites Grinsen und sie konnte spüren wie sich eine wohlige Wärme in ihrer Brust ausbreitete. Sie war froh, dass er in diesem Fall auf das Gerede ihres Onkels, wobei er ja auch recht hatte, genau genommen war Crispus ja auch nicht ihr direkter Onkel, genauso wenig wie sie selbst gab.
    "Das ist auch gut so", gab sie zurück, wobei sie auch gleichzeitig den sanften Druck seiner Hand erwiderte, "Auch wenn er es wahrscheinlich im Grunde nur gut meint: Das ist nicht seine Angelegenheit."


    Auch die Idee, dass Alpina in Zukunft auf duccische Unterstützung bauen konnte, gefiel Octavena. Die Hebamme hatte ihr nicht nur aus rein medizinischer Sicht bei der Geburt geholfen, sondern war auch seelisch eine so große Stütze gewesen, dass Octavena ihr wohl bis in alle Ewigkeit dankbar sein würde. "Tu das. Sie hat es auch verdient, so gute Arbeit wie sie geleistet hat."
    Sie hielt inne, als ihr eine weitere Idee kam, auch wenn sie noch nicht wissen konnte, dass diese Bitte sich selbst erübrigen würde. "Ach, und wegen des dies lustricus: Grundsätzlich vertraue ich dir da, dass du niemanden vergessen wirst, den wir beide da haben wollen, aber wenn Alpina nicht von sich aus fragt, könntest du sie dann bitte einladen?"

  • "He he, dann hätten wir das ja geklärt", beendete Witjon grinsend die Namensfrage, die ihn bis hierhin geplagt hatte wie ein Brombeerdorn im Sitzfleisch.


    "Na, wenn du so zufrieden bist mit ihrer Arbeit, dann lade ich sie erst recht ein", versicherte Witjon seiner Frau, woraufhin er seiner glucksenden Tochter einen liebevollen Blick schenkte, die noch immer seine Finger gefangen hielt. "Und wie feiern wir am besten den dies lustricus? Mit einer Cena? Oder mit einem etwas ungezwungeneren Zusammentreffen ohne Clinen?" Er fühlte sich bei diesen Fragen einen Moment etwas ahnungslos.

  • Die Rahmenbedingungen für den dies lustricus, das gehörte zu den Dingen, über die Octavena noch gar nicht so richtig nachgedacht hatte. Das änderte natürlich nichts daran, dass Witjon recht hatte und sie besser früher als später darüber Gedanken machen mussten, aber im ersten Moment war sie spontan genauso ratlos.
    "Na ja, es hat beides seine Vor- und Nachteile..." Überlegend legte sie den Kopf schief und ging gedanklich die verschiedenen Szenarien einmal durch. "Eine Cena ist natürlich immer ganz schön, aber eigentlich fände ich ehrlich gesagt eine etwas gelöstere Atmosphäre fast besser... Aber das ist natürlich auch alles eine Frage der Größe der Runde und der Personen..." Sie biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. "Wahrscheinlich sollten wir da auch mit meinem Onkel sprechen. Schließlich wird er ja wohl auch der indirekte Gastgeber dabei sein..."

  • Entzückt betrachtete Witjon seine unterlippenkauende Frau. In Momenten wie diesem war er manchmal einfach unendlich froh, dass er der Heirat zugestimmt hatte, die Marcus ihm damals vorgeschlagen hatte.


    "Ich hätte tatsächlich auch nichts gegen eine gelöstere Atmosphäre einzuwenden. Zunächst wird ja ein Reinigungsopfer stattfinden, das kann man wohl am Hausaltar machen. Und anschließend die feierliche Namensgebung, wonach die Gäste unsere Kleine hier mit Geschenken wohl überschütten werden, fürchte ich." Er grinste schief, hoffte er doch, dass die Gäste wirklich so große Freude für dieses Kind empfanden und diese Freude - wie es zu dem Tag üblich war - durch Geschenke ausdrückten.


    "Jedenfalls, ähm ahja, ich werde außerdem dieses kleine Schutzamulett, Lunula, bei unserem Goldschmied in Auftrag geben." Witjon war sich sicher, dass Octavena darauf Wert legte und fand auch selbst, dass seine Tochter das Gegenstück zur männlichen Bulla tragen sollte. "So und deshalb wollte ich ja nun darauf hinaus, dass man danach nicht extra eine große Cena veranstaltet, sondern einfach einen großen Tisch mit Essen vollpackt, das man gut auf die Hand nehmen kann. Oder so." Fragend sah er Octavena an. Irgendwie hatte er seine Gedanken ziemlich verheddert vorgetragen, weshalb er sich nicht sicher war, ob er jetzt nicht einfach nur wiederholt hatte, was seine Frau sowieso schon gesagt hatte. Deshalb fügte er schließlich zur Sicherheit hinzu: "Aber du hast Recht, ich hole einfach mal Marcus her, dann können wir das gleich nochmal ansprechen... oder wenn es dir lieber ist, auch etwas später?" Vielleicht wollte Octavena ja nochmal etwas Schlaf finden oder würde gleich stillen müssen oder weiß der Hades, dachte Witjon bei sich. Er kam sich in solchen Momenten wirklich ziemlich ahnungslos vor.

  • Octavena nickte zustimmend, wobei sie sich einer gewissen überraschent Freude darüber nicht erwehren konnte, dass Witjon bereits ohne ihr Zutun die Lunula ansprach. Zwar hätte sie auch nicht damit gerechnet, dass er etwas dagegen gehabt hätte, wenn sie darum gebeten hätte, aber freuen konnte sie sich ja trotzdem.


    "Nein, wenn er jetzt Zeit dafür hat, dann reden wir am besten jetzt darüber." Als Witjon geendet hatte, schüttelte Octavena den Kopf und wies mit einem kleinen Grinsen auf das Baby in ihren Armen, das nach wie vor wach, aber ganz friedlich war. "Noch hat sie nicht beschlossen, dass meine Aufmerksamkeit wieder ganz ihr gehören muss."
    Und das galt es schließlich auszunutzen.

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