Officium | MFGM et Seius Ravilla

  • Der Ianitor führte den Seius in das prachtvolle Anwesen, vorbei an den Büsten der flavischen Imperatoren im Atrium hinein in ein Officium, nicht jedoch in das Tablinium, wo wiederum nicht Manius Flavius Gracchus, sondern lediglich Manius Flavius Gracchus Minor ihn erwartete.

    "Salve, Seius, ich bin Manius Flavius Gracchus Minor. Mein Vater ist gerade außer Haus, wird jedoch in Kürze zurückkehren und verhoffentlich noch zu uns stoßen. Acanthus berichtete, dass Pontifex Valerius dir empfohlen hat, bei uns vorzusprechen. Worum handelt es sich denn?"

    Es war nicht selten, dass Manius Minor Manius Maior vertrat, wenn dieser nicht fähig oder nicht gewillt war, gewissen Obliegenheiten sich persönlich zu widmen, sodass der Senator routiniert jenen angekündigten, doch zeitlich nicht terminierten Besuch empfing. In der Tat erweckte indessen die extravagante Aufmachung des Gastes, dessen Name ihm derart ungeläufig war, durchaus seinen Vorwitz, selbst wenn er das Schreiben des Valerius nicht selbst hatte gelesen, obschon dieses seine Freude auf das Gespräch zweifelsohne noch gemehrt hätte.

  • <-- RE: Die Porta


    Fast schon verzückt betrachtete Ravilla den kleinen, fülligen Mann mit dem zarten Gesichtchen, welcher sich als Manius Flavius Gracchus Minor vorstellig machte. Der optische Unterschied zwischen ihnen beiden hätte größer kaum sein können. Der kleine Mann war ausgesprochen modisch gewandet, infolgedessen Ravilla sich ein Kompliment verkneifen musste. Dies würde er sich für einen späteren Zeitpunkt sparen, da ihm bewusst ward, dass man ihn sonst für einen schmeichlerischen Heuchler halten könnte in jenem frühen Moment, selbst wenn die Worte ehrlichen Herzens gesprochen waren.


    "Salve, Flavius! Der edelmütige Valerius Flaccus durfte die von göttlicher Hand gefügte Freude genießen, mir vor Kurzem in der Taberna Palindromos zu begegnen, was mir wiederum die außerordentlich erfreuliche Gelegenheit verschafft, dich heute hier zu treffen. Ein sehr gebildeter und kultivierter Mann, dieser Valerius. Wir führten ein interessantes wie aufschlussreiches Gespräch, in welchem er deinen Namen positiv kontextualisierte."


    Er folgte dem Gastgeber, vorbei an zahlreichen Büsten, und erfreute sich an der schönen Innenarchitektur des Anwesens und seiner wohnlichen Gestaltung.


    "Du musst wissen, dass ich den Cursus Honorum zu beschreiten intendiere. Jedoch fehlt mir auf diesem steilen wie steinigem Wege gegenwärtig etwas sehr Wichtiges: ein Patron." Zwar konnte der Flavier sich den Grund des Besuchs nun denken, doch war Ravilla kein Freund indirekter Fragen und versteckter Bitten, sodass er explizit sich an den Gastgeber nun wandte: "Womöglich könnten wir Gefallen aneinander finden zum gegenseitigen Nutzen in jener Angelegenheit?"

  • Als der Bittsteller eintrat, erblickte Manius Minor in dem jungen Mann zunächst nichts weiteres als einen jungen Mann aus gutem Hause. Recht bald in dessen verschwommen das Bild des Gastes zu einem jener vertrauten Schemen, zu denen vor den Augen des Flavius dank seiner Hypermetropie jeder Mensch wurde, der näher zu ihm trat.


    Die Worte, die jedoch er an ihn richtete, differierten doch sichtlich von jenem sprachlichen Einheitsbrei, den man für gewöhnlich auf den Straßen Romas vernahm, bediente der Jüngling sich doch eines recht blumigen, ja gerade hin schwülstigen Redestiles. Ein wenig amüsiert lauschte Gracchus Minor den Worten daher, selbst wenn vieles von dem, was Ravilla mit großer Nonchalance erwähnte, bestenfalls ihm peripher war bekannt, da er Tabernae nicht zu frequentieren pflegte und auch der wortreich gepriesene Valerius nicht mehr für ihn repräsentierte als einen Collega seines Vaters, mit dem noch nicht einmal er ein Gastmahl gepflegt hatte, sodass einen Augenschlag er argwöhnte, der Seius verwechsle ihn mit seinem Vater.


    Die formulierten Pläne waren hingegen äußerst konkret und nicht unprätentiös, wenn man bedachte, dass dieser Jüngling dem Flavius bisherig keinerlei Begriff war, noch nicht einmal der Angustus Clavus des Ritterstandes seine Tunica zierte und er nicht weniger anstrebte als den Aufstieg in die höchsten Ämter Roms!

    "Du wünscht also in den Senat aufzusteigen und was dir fehlt, ist ein Mentor, der dies dir ermöglicht."

    , resümierte Minor mit einem sublimen Lächeln und einem Hauch von Ironie in der Stimme.

    "Ich fürchte, mehr als ein Mentor wird dafür vonnöten sein, daher sage mir doch: Woher kommst du? Welchem Geschlecht gehörst du an und verfügst du über die Mittel und Kapazitäten, um diesen steinigen Weg zu beginnen?"

    Der Kreis des Senates war äußerst exklusiv und die Väter des Staatswesens pflegten nur jene unter sich zu akzeptieren, die von ähnlichem Vermögen, Bildung und idealerweise nobler Abstammung waren. Zwar gelang seine Jahrhunderten zunehmend Parvenüs aus den niederen Ständen und gar dfn Provinzen der Aufstieg bis an die Spitze des Staatsschiffes, doch beargwöhnten selbstredend alteingesessene Geschlechter wie die Flavii derartige Entwicklungen. Dennoch: das Auftreten wie die Chuzpe seines Bittstellers imponierte Minor und erweckte seinen Vorwitz.

  • "Mir fehlt ein Mentor ebenso wie ein Patron", ließ Ravilla verlauten und vermochte nicht, das Bedauern aus seiner Stimme zu tilgen. Diese Amtsperiode hatte er vergebens anvisiert. Sicher war das Ziel zu hoch gesteckt gewesen für den kurzen Zeitraum, der zwischen Entschluss und Kandidatur gelegen hatte. Ein Fehler, der seine Tatkraft indes nicht zu mindern vermocht hatte.


    "Womöglich könnte man beides verbinden in deiner erlauchten Person? Was den finanziellen Aspekt meines Ziels anbelangt, so kann ich deine Frage bejahen, war meine Mutter doch die Nachfahrin eines Tempelfürsten, dessen Name in Cappadocia nicht ganz unbekannt ist: Lycomedes, Priester der Ma in Komana."


    Er hob den Finger zum Zwecke des Dozierens, doch nicht die Stimme, sich darauf besinnend, dass sein Gegenüber zwar beeindruckt werden, jedoch nicht das Gefühl aufgedrängt bekommen sollte, man würde ihn übertrumpfen wollen. Das war mitnichten der Fall, doch zu dünn aufzutragen wäre fataler noch.


    "Wer sich mit der kappadokischen Geschichte befasst hat, weiß, dass der Priester der Ma in Komana nach dem König der zweite Mann in Cappadocia war und auch mit diesem in verwandtschaftlicher Beziehung stand. Mit Absetzung des letzten Königs steht nun nur noch der Augustus über ihm. Seine wirtschaftliche und lokalpolitische Macht ist geblieben. Davon darf ich nun ebenso profitieren, wenngleich nicht direkten Anteil daran haben als Spross einer Tochter des fürstlichen Hauses."


    Dass die Finanzen stimmen mussten, stand außer Frage - Wahlkampf war teuer und hatte so manch guten Mann in den Ruin gestürzt. Was Ravilla anbelangte, so brauchte er sich um die Finanzen keine Sorgen zu machen und konnte väterlicherseits wie mütterlicherseits auf Vorfahren zurückblicken, deren Namen den gebildeteren Schichten nicht gänzlich unbekannt waren. Das war noch kein Garant für Erfolg, insbesondere, da sein eigener Zweig trotz der großen Namen seiner Ahnen etwas kümmerte, aber zumindest schuf es ihm eine Basis, mit der sich arbeiten ließ.


    "Und wie der Name sagt, entstamme ich väterlicherseits dem Hause Seia, welches seit der späten Republik verschiedene Magistrate hervorgebracht hat. Möchtest du etwas Bestimmtes wissen, das für dich von Interesse ist?"


    Dabei blickte er aufmerksam aus seinen dunklen Augen den kleinen Mann an. Ravilla wollte er sein Gegenüber nicht mit Details der Familienhistorie langweilen, welche dieses nur rudimentär tangierten, doch war gern bereit, die Erzählung bei Interesse zu vertiefen.

  • "Entstammst du immediat einer dieser Familien?"

    , fragte er, da neben zweifelsohne zahllosen unbedeutenden Zweigen zumindest eine auch im ritterlichen Range karrieriert hatte. Selbstredend bedurfte ein Flavius aber grundsätzlich keinerlei Nachhilfe in der römischen Historie, doch fehlte ihm, obschon sein Vater als Pontifex in kultischen Belangen weitaus erfahrener war als jeder mediokre Senator, selbstredend die Kenntnis über sämtliche religiösen Sitten in fernen Provinzen, selbst wenn er memorierte, dass sein Onkel Aristides einst während der Parthischen Kampagne des Divus Iulianus jene Region hatte bereist, wobei indessen seine Berichte diesbezüglich kulturelle Fragen weitgehend hatten ausgespart, da doch das Interesse an den Belangen der Unsterblichen in jener Generation recht eindeutig war verteilt. Insofern halfen die Ausführungen des Seius durchaus, den jungen Kandidaten einzuordnen, war es doch keine Seltenheit, dass Eliten ferner Provinzen den Aufstieg im Zentrum des Imperium ebenfalls versuchten, selbst wenn beiweitem nicht jedem dies gelang. Die Abkunft aus aristokratischem Hause wie die augenscheinliche Bindung an religiöse Fragen mit einem Hauch von Exotik waren insgesamt aber geeignet, Manius Minor (und zweifelsohne auch Manius Maior) dem Jüngling gewogen zu machen, weshalb kurzum er beschied:

    "Wir könnten zumindest es gemeinsam versuchen. Ich kandidiere, wie dir womöglich bekannt ist, für das Aedilat und so du wünscht, könntest du ein Tirocinium fori bei mir absolvieren."

    Dies war eine spontane Eingebung, doch lag es wohl auf der Hand, dass Ravilla bisherig keine derarte Edukation hatte genossen, sodass dies ein willkommener Weg würde sein, die Qualitäten des Seius zu erproben und zu erfahren, wofür er sich eignete.

    "Ob du das Patronat meines Vaters erlangen kannst, obliegt letztlich diesem, doch könntest morgen du zur Salutatio erscheinen und ich würde vorherig ihn zu deinem Fall präparieren."

  • "Elektra ist der Name meiner geliebten Mutter. Ich entstamme mit ihrem Blut dem Hause des Lycomedes."


    Und einiger anderer Namen, die einen Stadtrömer jedoch eher mäßig interessieren dürften, sofern er keine detaillierten Interessen in Cappadocia verfolgte. Das System der Priesterdynastien - die oft keine tatsächlichen Dynastien waren, weil sie nur eine Generation gedauert hatten, ehe man sie absetzte, was teils mehrmals hintereinander geschehen waren - bildeten ein schwer zu durchschauendes Geflecht.


    "Gegenwärtig herrscht mein Großvater Cleon über Comana und seine Ländereien; eines der beiden Zentren des Ma-Kults. Ihm verdanke ich einen gewissen Wohlstand."


    Besser gesagt, Cleons kinderlos verstorbenem Sohn ... dass dieser frühzeitig verschieden war, sorgte dafür, dass Ravillas Mutter ein opulentes Erbe zugefallen war. In Gram versunken musste der arme Cleon sich nun fragen, wer dereinst in seine Fußstapfen treten sollte, wenn der Sohn seiner Tochter lieber dem Ruf des römischen Blutes folgte. Nun, es war nicht Ravillas Problem, wenn Cleon nur zwei Kinder gezeugt hatte und nun die Aasgeier über seinem Tempel kreisen sah.


    Ravilla neigte ein wenig das Haupt zum Zeichen der Dankbarkeit, während sein Herz vor Freude einen schnelleren Takt schlug. "Ein Tiricinium fori in deinem schillernden Nimbus wäre vortrefflich!

  • Weder Elektra, noch Lycomedes oder Cleon waren dem Flavius ein Begriff, der niemals Asia hatte besucht und wenig Aufmerksamkeit den Kulten jener Lande hatte geschenkt, insoweit sie von den klassischen griechischen Divinen differierten, weshalb Ma ihm selbstredend ebenfalls unbekannt war. Doch würde sich dies womöglich ändern lassen, nachdem der Seius sich geneigt zeigte, das Tirocinium in seinem Umfeld zu absolvieren, selbst wenn ihm die Zuweisung eines "schilldernden Nimbus" doch ein wenig übertrieben erschien.

    "Nun, dann wollen wir es miteinander versuchen."

    , konfirmierte er daher seine Offerte, um sodann doch ein weiteres Mal auf seine Rückfrage zu insistieren, die augenscheinlich ein wenig falsch war interpretiert worden:

    "Und welcher Linie der Gens Seia entstammst du nun? Und was vermagst du mir zu deinem Werdegang zu berichten?"

    Selbstredend würde er eine gewisse Kenntnis über seinen Klienten und Tiro fori benötigen, um korrekt ihn zum Einsatz zu bringen und zu fördern.

  • "Ich freue mich sehr, werter Flavius! Du wirst mannigfaltige Vorteile spüren, die meine Gegenwart und Zuarbeit mit sich bringen. Sag mir nur, wann es losgeht und wo ich erscheinen muss, damit ich in meine Aufgaben eingewiesen werde. Ebenso, ob ich etwas mitbringen soll an Materialien, oder ob alles gestellt wird. Darf beispielsweise mein Leibsklave meiner Arbeit beiwohnen oder ist dies unüblich?"


    Er würdigte Anaxis bei dieser Frage keines Blickes. Da er den Perser bei sich hatte, war offensichtlich, dass dieser die benannte Funktion ausübte.


    "Ich entstamme der kappadokischen Linie der Gens Seia." Ravilla neigte kaum merklich das Haupt. "Jener, welcher sich zur Zeit des Seianus in Sicherheit brachte und untertauchte, bis die Reinigung vorüber und der Zorn gegen unseren Namen abgeflaut war. Mein bisheriger Werdegang vollzog sich ausschließlich in meiner Heimatprovinz. Ich erhielt Einblick in die Arbeit meiner peregrinen Verwandten, ebenso wie in jene der römischen Verwandten. Mir sind beide Seiten bekannt."


    Ein Umstand, den er nicht für einen Nachteil hielt.


    "Wir züchten in der Gegend um Caesarea große Reitesel und Brieftauben, letztere vorrangig für die Armee zur zeitsparenden Nachrichtenübermittlung, aber wir verkaufen auch an Privatpersonen. Zu meinen Aufgaben gehörte es, den Interessenten die Tiere und Zuchtanlagen zu zeigen und ihnen die Vorteile eines Kaufes bei uns vor Augen zu führen. Dabei arbeiten wir eng mit dem Gestüt Umbrena zusammen, welches sich auf die Zucht von Kriegspferden spezialisiert hat. So stellen wir ihnen auch Zuchtesel für die Produktion von Maultieren für die Legio zur Verfügung, welche imperiumsweit verschifft werden. Darauf sind wir stolz, ist dies doch der Beweis, dass wir auf höchste Qualität setzen, denn das Leben der Reiter und die Sicherheit des Imperiums hängt von unseren Tieren ab. Dafür haben sie natürlich ihren Preis. All diese Dinge wollen koordiniert und mit den Partnern und Kunden besprochen werden. Teamfähigkeit erachte ich daher als eine meiner zahlreichen Stärken."


    Bescheidenheit hingegen weniger, jedoch war nach Ravillas Dafürhalten ohnehin fraglich, ob diese Charaktereigenschaft tatsächlich als Stärke gewertet werden konnte. Bescheidenheit war der beste Weg, jeglichen Ehrgeiz schon im Keim zu ersticken.

  • "Nun, du kannst morgen hier in der Villa erscheinen, alles wessen du bedarfst, erhältst du selbstredend, sofern du nicht deinen eigenen Stylus präferierst. Und selbstredend darfst du deinen Sklaven ebenso mit dir bringen. Das heißt: Sofern du keine Unterkunft in der Stadt hast, wäre es mir auch eine Freude, dich als Gast hier im Hause wohnen zu lassen."
    , replizierte der Flavius auf die Frage Ravillas, wobei mit Schaudern er daran dachte, wie hilflos er selbst ohne seinen Patrokolos nur wäre. Die Wohnstatt im Hause des Patrons hätte für letzteren auch den Vorzug, dass der Tiro fori jederzeit ihm zur Hand würde sein und somit auch auf spontane Termine ihn würde begleiten.


    Sodann lauschte Minor der Narration seines Lehrlings in spe ein wenig weitergehender, wobei die noble Abkunft von jenem berühmten Seianus selbstredend ihm imponierte, die Funktion des Jünglings als Viehhändler ihn hingegen ein wenig befremdete, da doch niemals er ihm selbst wäre in den Sinn gekommen, die reichen Erträge der flavischen Güter mit eigener Hand zu vertreiben, was der Arca des Hauses zweifelsohne auch nicht zum Nutzen hätte gereicht. Indessen verfügte er über hinreichend Kontakte mit fremden Kulturen (insonderheit durch seine alexandrinische Periode), dass er dafürhalten konnte, dass derartige Gebräuche, sich als Spross nobler Familien als Krämer zu verdingen, in anderen mochte nicht ehrenrührig sein, sodass Ravilla daraus keine Falle war zu spinnen.

    "Nun, dann hoffe ich, dass du nicht gedenkst im Senate Maultiere anzupreisen."
    , bemerkte lediglich er mit einem ironischen Lächeln, wobei die Worte halb im Jux, halb als Warnung waren gesprochen, jene orientalischen Gebräuche nicht hier in der Urbs einreißen zu lassen.

  • Ravilla lachte herzlich über den Scherz, bis er des spöttischen Zugs um den Mund seines Gegenübers gewahr wurde, und sein Lachen verebbte etwas kläglicher, als es begonnen hatte und schloss mit einem Räuspern. Ravillas Miene wurde ernst, er hob die penibel manikürten Finger in einer vornehmen Geste. Wie es schien, hatte der kleine Herr eine sehr spezielle Vorstellung vom Tätigkeitsfeld Ravillas, welches nicht zwangsläufig mit der Realität zur Gänze deckungsgleich war.


    "Ich habe nicht mit den Füßen im Mist gestanden und mit Bauern um Klepper und Schindmären gefeilscht, verehrter Flavius, sollte mein Wortlaut dies suggeriert haben. Wir verkaufen sehr gute Tiere an vornehme Menschen und beliefern die Legio mit Exemplaren, welche der Armee des Augustus würdig sind. Bei Geschäftspartnern wie den unseren schickt man keinen Freigelassenen zum Gespräch. Zumindest ist dies nicht unsere Art. Mein Vater hielt es für eine gute Idee, wenn ich dies übernehme, um mich den Umgang mit Menschen zu lehren, die auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und diesen mit den raffiniertesten Mitteln durchzudrücken versuchen."


    Und Ravilla hatte nicht den Eindruck, dass ihm diese Aufgabe geschadet hatte. Die Zeiten, da seine Familie im Senat saß, war eine Weile her, doch wenn man den Erzählungen glauben durfte, ging es in den Hallen der Curia Iulia mitunter nicht viel anders zu als im Geschäftsleben, denn letztlich war auch Politik ein Geschäft - bisweilen schmutziger, als jeder Viehmarkt es sein konnte. Dass Ravilla seinen Ruf würde verteidigen und den Namen der Familie neu aufbauen müssen, wurde ihm bewusst und der Spott tat ein wenig weh, doch niemand hatte je behauptet, es würde leicht werden.


    "Das Angebot, dein Gast zu sein, nehme ich selbstredend gern an."


    Diese Wohnstatt wäre doch etwas repräsentativer als das Residieren in der Casa Leonis, wenngleich er die Gastfreundschaft der beiden Hausherren und die Fürsorge ihrer Sklaven sehr zu schätzen wusste. Doch hier ging sein Ziel vor. Zudem sah auch er die praktischen Vorteile, die sich daraus ergaben.

  • Augenscheinlich derangierte der süffisante Ton seines Scherzes den jungen Seius ein wenig, sodass sogleich er sich zu rechtfertigen geneigt fühlte.

    "Ich verstehe."

    , erwiderte er daher gnädig, obschon er selbst nicht den Hauch einer Erfahrung mit jedweden Handelsgeschäften besaß und folglich mitnichten Verständnis für das Tagewerk eines Klein- oder Großhändlers, respektive die Differenzen zwischen beidem imstande war aufzubringen. Indessen beschied er, dass die Zucht von Maultieren durchaus als jenes ehrenwerte Gewerbe war zu ästimieren, welches auch einem Senator war gestattet, und dass folglich auch deren Vertrieb nicht als ehrenrührig war zu verstehen.

    "Womöglich wird mir deine Erfahrung in derlei Belangen von besonderem Nutzen sein, da ich selbst wenig von diesen Dingen verstehe."

    , war somit sein Fazit.


    Der Umstand, dass weder väterlicherseits, noch mütterlicherseits ein Anwesen hier in der Urbs existierte, konfirmierte seine Vermutung, dass der Jüngling über wenige Relationen hier verfügte, was jedoch für einen Anverwandten des einst gefürchteten, letztlich jedoch der Damnatio memoriae anheimgefallenen Seianus nicht ungewöhnlich mochte erscheinen.

    "Patrokolos, sorge für ein adäquates Zimmer für unseren neuen Klienten."

    , wies er schließlich sogleich seinen Leibsklaven an.

    "Wenn es dir beliebt, werden wir heute Abend zusammen speisen. Ich hoffe, mein Vater wird sich zu uns gesellen."

  • "Es wäre mir eine Ehre", sprach Ravilla erleichtert, der schon gefürchtet hatte, seine Zukunftspläne ruiniert zu haben mit seinem wohl ungeschickt geratenen Gesprächszug. "Ich bin sicher, wir werden uns gegenseitig von Nutzen sein."


    Denn wenngleich Ravilla auf dem politischen Parkett noch einem unbeschriebenen Blatte glich, so war er doch vom Ehrgeiz getrieben, diesen Umstand zu ändern und bereit, hart dafür zu arbeiten und seine zweifellos vorhandenen Talente in die Waagschale des Manius Flavius Gracchus Minor zu werfen.


    Er blickte in Richtung des benannten Sklaven Patroklos, ob dieser Anstalten machen wollte, ihn hinauszugeleiten.

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