[Forum Boarium] Das Schiff des Tarkyaris

  • Das Schiff des Tarkyaris

    Am Ufer einer flachen Stelle des Tiber lag der Viehmarkt. Schlamm und zertrampelte Ausscheidungen bildeten zusammen einen braunen Untergrund, der den gesamten Markt bedeckte. Jetzt im Winter war der Gestank erträglich und es schwirrten keine Fliegen, doch leider reichte die Kälte nicht aus, den Boden gefrieren zu lassen. Tarkyaris vermied es, diesen widerlichen Untergrund zu betreten. Er hatte das Oberdeck seines Schiffs selbst zur Schaltzentrale seiner Verkäufe gemacht, während seine Handlanger auf dem Forum Boarium einige der berühmten kappadokischen Pferde verkauften. Von robusten Wildpferden bis hin zu hochgezüchteten Rennpferden hatte er alles dabei. Nicht die allerbesten Pferde und optisch selten paradetauglich, aber es waren doch brauchbare bis gute Tiere dabei, die einen durchschnittlichen Bürger vollauf zufriedenstellen konnten. Auch einige Esel fanden sich in seinem Repertoire, die sich vor allem aufgrund ihrer interessanten Färbung vom hiesigen Schlag unterschieden.


    Viel einträglicher für sein Geschäft waren jene Dinge, die er unter der Hand abwickelte und für die der Pferdeverkauf nur ein lukrativer Deckmantel war. Auf seinem Schiff traf er sich zu vermeintlichen Verkaufsgesprächen bezüglich der Pferde in Wahrheit oft zu ganz anderen Gesprächen, traf alte Kontakte oder verlud Hehlerware im vollgeramschten Unterdeck. Tarkyaris verhalf auch mal dem ein oder anderen Verbrecher aus Rom zur Flucht in die Ferne, wenn die Summe nur stimmte.


    Und so saß Tarkyaris auch heute an Bord seiner Corbita, bequem in der Kajüte, während er einigen Papierkram erledigte und sein Handlanger Tigranes entschied, wer zu ihm durfte und wer nicht.

  • Castor schleppte ihren Schuldner bis zum Schiff das am Ufer des Tiber lag. Der Gestank der Tiere und des Unrats war bei der Kälte nicht annähernd so schlimm wie üblicherweise. Allerdings störte sich Castor nicht daran, in der Subura hatten sie ganz andere Dinge gerochen und ihr Gast hatte einen Sack über dem Kopf. Gemeinsam mit seinem Bruder und seiner schweren Last kämpfte sich der Zwilling den Steg zum Schiff hinauf und hielt nach einem Ansprechpartner Ausschau.


    "Kundschaft!", rief Castor und lief ächzend weiter. Der Bursche wurde von Schritt zu Schritt schwerer.

  • Tigranes trat in die Kajüte, um Tarkyaris über die Ankunft der Zwillinge zu informieren, die draußen herumplärrten. So schickte er Tigranes wieder nach draußen und ließ sich von seinem Sklaven einkleiden und vorzeigbar zurechtmachen, ehe er sich aufs Deck begab, eingehüllt in einen knielangen gesteppten Mantel und mit einer Pelzmütze auf dem Kopf. Ihn empfing eine eiskalte Nacht. Dass es in Italia dermaßen kalt wurde, hatte er auch noch nicht erlebt. Es war stockfinster und das Forum Boarium voller Leben, weil sich hier mehrere Hauptstraßen kreuzten, auf denen jede Nacht zahllose Handelskarren mit klappernden Hufen und brüllenden Fahrern entlang donnerten. Zwischendurch muhten die Ochsen und kreischten die Maultiere.


    "Castor und Pollux. Wie schön, euch beide zu sehen." Tarkyaris log sogar bei der Begrüßung. Als er lächelte, vertieften sich seine Augenringe. "Was habt ihr da für mich?" Interessiert betrachtete er die Gestalt auf Castors Schultern, die noch zu leben schien, dem Sack über ihrem Kopf nach zu urteilen. Gepflegt, von ansehnlicher Statur ... auf den ersten Blick wirkte der Bursche vielversprechend genug, um ihn einer näheren Betrachtung zu unterziehen. "Bringt ihn an Bord in meine Kajüte, setzt ihn dort auf den Boden. Beeilt euch und hört auf, Lärm zu machen, ich kann hier keine Vigiles gebrauchen. Tigranes, du kommst auch mit."

  • Pollux half seinem Bruder, das lebende Riesenbündel an Bord der Corbita zu schaffen. Fast bedauerte er, dass sie den Burschen verkauften - er hatte ihnen viele Scherereien gemacht, aber eine ausführliche Bestrafung seiner Missetaten wäre sicher lustig gewesen. Castor und Pollux nannten das "zerspielen", denn hinterher war oft nichts Lebensfähiges mehr übrig, je nachdem, in welcher Stimmung sie sich befanden. Für den Mann, den sie verkaufen würden, war es Glück, denn Tarkyaris teilte den Spieltrieb der Zwillinge nicht, sondern war ein langweiliger Händler mit einem Schnurrbart, der in Rom schon vor fünfhundert Jahren aus der Mode gewesen war.

  • "Danke Tarkyaris, wenn Du weniger schwatzen und mal mit anpacken würdest, wären die beiden göttlichen Strahlenden auch etwas leiser. Es ist wirklich unhöflich solche Wesen wie uns derart schuften zu lassen. Wir kamen extra zu Dir und bringen Dir derart heiße Ware und Du hast nichts besseres zu tun, als Dich zu beschweren. Tarkyaris, Du wirst alt. Jedenfalls schimpfst Du schon wie die alten Männer, die bei jeder Bewegung einen Ton von sich geben müssen. Die Vigiles werden durch unseren Segen abgehalten, dass solltest Du wissen. Uns behelligen sie nicht. Sie wissen wer wir sind, jeder weiß das Tarkyaris, jeder", antwortete Castor und hob zwei Finger als wollte er Tarkyaris segnen, bohrte aber dann lachend in der Nase.

  • Tacitus unterdessen bekam von alledem so gut wie gar nichts mit. Das einzige was man von ihm vernehmen konnte war ein leises Wimmern. Noch immer befand er sich in seinem Fiebertraum, welcher ihn nicht loslassen wollte. Trotz der eisigen Kälte, welche die heutige römische Nacht durchdrang schwitzte er. Seine Stirn war schweißgebadet, der Schrecken war ihm in die Knochken gekrochen.


    In diesem Zustand war er aktuell zu keinem Widerstand in der Lage und er musste das abartige Gefeilsche um seine Person über sich ergehen lassen, ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte....

  • "Bringt ihn auf direktem Weg ins Unterdeck und schnüffelt nicht herum."


    Tarkyaris tat, als hätte er die Aufforderung zu helfen nicht gehört. Wo waren sie denn hier, dass er sich die Finger dreckig machte. Er arbeitete genau so viel, wie es ihm Spaß machte und war auf die Einnahmen nicht ernsthaft angewiesen. Was das Geschäft lohnenswert machte, waren die Kontakte, die sich daraus ergaben, und die Gefallen, die man unter der Hand erweisen konnte. Er kannte die dreckigsten Geheimnisse Roms und hatte inzwischen auch herausgefunden, dass der picklige kleine Nero ein Patrizier war. Ihm wurde jetzt noch schlecht, wenn er daran dachte, wie Castor und Pollux sich in dem Anwesen benommen hatten.


    Dumpf polterten die Schritte, als sie die Treppe hinab stiegen. Der Frachtraum im Unterdeck zeigte sich sehr geräumig. Es gab hier zahlreiche Ösen, an denen während der Fahrt die Pferde, Maultiere und Esel festgemacht waren, jetzt jedoch waren sie leer, weil alle Tiere auf dem Markt feilgeboten wurden. Die Ösen hatten aber noch einen anderen Zweck.


    "Tigranes!"


    Der stämmige Mann trat herbei und nahm Castor die menschliche Last ab. Er wusste, was nun zu tun war. Als erstes klackte das halsbandartige Halseisen mit einem endgültigen Klang. Die erbeutete Person hing nun an einer Eisenkette, die untrennbar mit einem der Balken verbunden waren. Tigranes zog ihm den Sack vom Kopf und begann ihn einer Untersuchung zu unterziehen, um den Wert abzuschätzen, während Tarkyaris sich den Zwillingen widmete.


    "Damit sind wir quitt. Ihr dürft gehen. Und ich rate euch, es schnell zu tun."


    Er selbst mochte wenig bedrohlich wirken, doch er hatte nicht vor, sich selbst zu schlagen. Mit Tigranes war nicht gut Kirschenessen und in seinem Schalgürtel steckte ein wuchtiger Knüppel. Zudem wuselten weitere Männer an Bord des Schiffes und draußen am Markt herum. Nicht viele, um Proviant und Wasser zu sparen, aber genug.

  • Castors Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, ehe er freundlich lächelte. Sein übliches, messerdünnes Lächeln, dass wie ein klaffender Riss in seinem Gesicht aussah.

    "Danke für Deine Hilfe Tarkyaris, wir werden uns erinnern und uns bedanken", quietsche Castor vergnügt hervor.


    Er packte seinen Bruder Pollux am Arm und rannte mit diesem zurück nach oben und hetzte vom Schiff dieses scheinheiligen Händlers. Der konnte was erleben, jetzt war es Zeit für die Rache der Göttlichen. Sie sollten keinen Lärm machen? Sie sollten keine Vigiles anlocken? Sie würden Tarkyaris die Urbaner auf den Hals hetzen, wie die Furien würden sie über ihn herfallen und sein Schiff versenken. Oder zumindest würden sie in befragen.

  • Es dauerte seine Zeit, bis das Schiff bereit zum Ablegen war. Tarkyaris trieb seine Männer zur Eile an, denn die Fracht, die er an Bord genommen hatte, war heikel. Er traute Castor und Pollux zu, ihm die Urbaner auf den Hals zu hetzen und so wollte er schnellstmöglich ablegen. Als sich hinter den Dächern auf dem Palatin der Himmel orange färbte und die Stadtore für die Karren geschlossen wurden, legte die Corbita ab. Mit geblähten Segeln glitt sie über den Tiber in Richtung Ostia, um von dort aus in den Ozean zu gelangen, der sie zurück in die Heimat tragen würde.


    Der erste größere Zwischenstop würde die berüchtigte Insel Delos sein.

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