​praehistoria - iter mārci rōmam (Vorgeschichte - die Reise des Mārcus nach Rom)

  • caput prīmum

    Gādēs Malacam

    Gut über 2 Tage dauerte die Fahrt von Gādēs nach Malaca, so das er in der letzten Hälfte des lichten 3ten Tages im Hafen der Stadt von Bord gehen konnte. Zeit für ein Bad verblieb nicht. Sobald der Ladevorgang abgeschlossen ist würde es weiter gehen, ob er nun an Bord sei oder nicht, da hatte der gubernātor (Steuermann) des Handelsschiffes mehr als deutlich drauf hingewiesen.


    Es reichte grade so für einen Schwenk in eine caupōna im Hafen zur Stärkung. Mit einem kleinen Lederschlauch voll Mulsum und einem Laib Brot unter dem Arm geklemmt, bestieg er erneut das Schiff, murmelte eine kurze Grußformel einem der Besatzungsmitglieder zu, um als Dank einen Ballen Stoff in den Rücke gedrückt zu bekommen, da er nicht schnell genug war, den Platz frei zu machen.


    Könnte es schlimmer kommen?


    Malaca Carthāginem Novam


    Die Fahrt von Malaca nach Carthago Nova dauerte gute 2 Tage. Das Wetter war für die Jahrezeit entsprechend gut und die küstennahe Fahrt hatte zumindest den Vorteil wenigsten die Küstenlinie und so auch den ein und auch anderen Seevogel erblicken zu können. Um genau zu sein, wünschte sich Mārcus, die Besatzung würde mehr im Verhalten der Vögel entsprechen und weniger durch unflätiges und dispektierliches Verhalten glänzen. Und die nahe Küstenlinie ließ zumindest die vage Hoffnung erhalten, falls das Schiff sich entschließen sollte sich von Neptūnus umarmt zu lassen, wenigstens an Land schwimmen zu können.

    Schwimmen konnte er ja. Schließlich ist er mit seinen beiden Brüdern häufig im Meer schwimmen gewesen und wieder gekommen.


    Kurz vor der Einfahrt in den Hafen von Carthago Nova schien es, als wollte Neptūnus die Gemütslage des Mārcus heben, wurde doch der gubernātor durch einen wohlplatzierten Treffer eines Vogelschieß bedacht. Mārcus mußte grinsen und seine Laune stieg deutlich an.

    Carthago Nova konnte kommen.

  • Carthago Nova


    Es herrschte reges und geschäftiges Treiben im Hafen der Stadt. Händler und Seefahrer verwandelten neben den hier wohnenden Bürgen und Reisenden die Straßen und Hafenanlagen.

    „Meretrīcis Filius“ schimpfte ein Mann einen dreckig aussehenden Jungen an, der ihm anscheinend seine Bekleidung mit Abwasser aus der Straßenrinne beschmutzt hatte. Die Reinigung konnte schon kostspieliger werden. Und so flog nicht nur die Beschimpfung durch den Raum sondern auch auch schallende Backpfeife folgte darauf, was den Jungen aufschreien ließ. Bevor das Ganze jedoch zu einem nicht ungewöhnlichen Menschenauflauf und Handgemenge ausartete, wurde der Junge von hinten
    von einer Frauenhand an seiner Tunica packend und unter Abhandlungen von Triaden fortgezogen.


    Mārcus eilte schnell zu einer caupōna unweit des Kais, wo sein Schiff fest vertäut lag und in hektischem Treiben Waren ausspuckte und neue aufnahm. Davor, wie immer, die üblichen Gespräche über Bezahlung, Bruch, Menge, Flüche und Beschimpfungen.

    Seevögel trieben im Hafen ihren Schabernack und vor der caupōna bot ein junges Ding grell geschminkt und sehr leicht bekleidet die Verzückungen ihres Körpers an. Reisende als bevorzugte Zielbegierde, jene armen alleingelassenen Männer, und auch Frauen, die doch dringend der zärtlichen Umarmung einer jungen Venusanhängerin bedürfen.

    Jedenfalls stellte sie sich so Mārcus vor – Anhängerin der Venus.

    Die Aufmachung und Verhalten ließen Mārcus mehr als nur zweifeln und ihre Ausprache war östlich angehaucht. Im Grunde wäre er ja derartiger Kurzweil nicht abgeneigt, zumal man über die 4 asses nicht klagen konnte. Doch war er ans Schiff gebunden und die strengen und beobachtenden Augen ein verschroben wirkenden Mannes mit phrygischer Kopfbedeckung, der das Ding, und so auch nun ihn, scharf beobachtete, versprach ihm eher Ärger denn Entspannung und ließ sie auf das reduzieren, was sie anscheinend war:

    eine Sache, zwar eine sprechende und recht gutaussehende, aber dennoch eine Sache.

    Mit freundlichen aber bestimmten Worten wies er sie ab und betrat die caupōna, um sich einzudecken.


    Mit neuer Reiseverpflegung ging er zurück und begab sich zu seinem Platz. Er wollte etwas kosten, was er sonst so nicht findet, das Mālum Persicum (Pfirsich). Er hoffte, das viele Geld war das Obst wert.


    Carthago Nova Diānium Saguntum


    Nachdem das Schiff die Hafenausfahrt passiert hatte, ging es weiter nach Diānium, knapp über eine Tagesreise entfernt. Das mūnicipium war auch ein Flottenstützpunkt und Mārcus hatte nicht wirklich Lust und Laue sich diesem Ort auszusetzen und war froh, als es endliche weiter ging Richtung Saguntum, einen halben Tag entfernt. Er hatte schon Geschichten über diese Stadt gehört.

  • Saguntum - prīma pars (*1)

    Mārcus stand an Deck des Schiffes und blickte Richtung Hafeneinfahrt. Eine leichte Brise, aus Osten vom Meer kommend, spielte mit seinen Haaren und mit 17 Grad war auch die Temperatur angenehm zu ertragen. Es waren zahlreiche Schiffe im Hafen zu erkennen, und das Stimmgewirr der dortigen Menschenansammlungen schien sich schon von Ferne anzudeuten, Schließlich war Saguntum eine sehr wohlhabende Handelsstadt. Wie bei eigentlich jeder Hafenstadt waren auch hier erneut eine große Schar Seevögel unterwegs und erfüllten die Luft mit ihrem Geschrei.


    Keine 60 pedes (Fuß) entfernt schwammen zwei Jungen neben einem kleinen Boot, während ein ältere Mann in diesem stehend lautstarke Verwünschungen den beiden entgegenschleuderte. Anscheinend haben die beiden, die jetzt lachend sich dem Boot schwimmend näherten, zuvor Unsinn angestellt. Mārcus beobachtete die Szene noch einen Augenblick und sah, wie die beiden sich wieder ins Boot zogen. Er fand es doch noch zu frisch, um im Meer zu schwimmen, obwohl er das dringende Bedürfnis hatte, sich frisch zu machen. Die ganze Zeit schon unterwegs.


    Hui! Male olēs Cōnservātor.“(*2), rief ihm ein Seemann zu, bevor er einen Klapps auf seine rechte Schulter vom Sprecher bekam. Mārcus schüttelte sich die Hand von der Schulter und versuchte den Vorfall zu ignorieren und flehte inständig zu den Göttern, in Saguntum ein Bad nehmen zu können. Noch war er auf diese Halunken von Besatzung angewiesen, aber er hatte gehörigen Respekt vor der offenen See. All die Geschichten von den Seevorfällen, die in jeder besseren und schlechteren caupōna (Schenke, Wirtshaus) einer Hafenstadt zum Besten gegeben werden, haben ihn daran gehindert, einen direkteren Seeweg zu nutzen. Und über Land wäre die Wegstrecke noch um einiges länger ausgefallen. Er atmete langsam aus.

    "Warte nur ab.", dachte er sich. Instinktiv achtete er mehr auf seinen Geldbeutel, der an seinem Gürtel hing.


    Das Schiff hatte mittlerweile die Einfahrt des Hafens passiert und er bemerkte Kinder auf der einen Seite am Ende der Mole, die den vorbeifahrenden Schiffen zuwinkten. Mit jedem passus (Schritt) mehr nahm auch die Lautstärke des Stimmengewirrs zu und man konnte schon viele Menschen unterscheiden. Cōnservātor!, wir bleiben hier für einen halben Tag liegen. Doch spätestens zur 10ten Stunde (17 Uhr) legen wir hier wieder ab. Wenn du nicht wieder an Bord bist, dein Problem. wurde Mārcus unsanft aus seinen Beobachtungen gerissen.


    Und nun war es soweit. Das Schiff berührte mit seiner Bordwand den Kai, so dass ein Zittern das ganze Schiff durchfuhr und Mārcus instinktiv sein Gleichgewicht ausglich. Zwei Seeleute sprangen an Land und nahmen die zugeworfenen Taue auf, und vertäuten das Schiff an den Poldern.
    Unmittelbar veränderte sich die Szene, denn Hafenarbeiter, eine bunte Mischung aus servi, līberti und operārii (*3) näherte sich mit ihren Transportkarren dem Schiff. Es schien dringlichst erwartet worden zu sein. Oder die Eilenden waren äußerst arbeitssam. Doch all dies interessierte ihn in diesem Moment nicht.

    Mārcus sprang nur kurze Zeit nach den Seeleuten auf den Kai und begann im Treiben der Stadt unterzugehen. Er hatte 5 Stunden, die mußte er nutze


    Sim-Off:

    *1 : Saguntum - Erster Teil
    *2 : Hey! Du stinkst, Conservator.

    *3 : Sklaven, Freigelassenen und Arbeiter/Tagelöhner

  • Saguntum – secundis pars (*1)


    Er ließ den Portus Sagunti (*2) hinter sich, indem er der Straße in Richtung Forum folgte. Auch hier herrschte Leben und Betriebsamkeit und beide Straßenseiten waren eingesäumt mit Tabernae und Caupōnae.


    Es war nicht verwunderlich, dass die ersten Tabernae der Straße durch die Nähe zum Hafen von Piscātōres (*3) belegt waren. Hier lag ihr Tagesfang in Behältern zur Ansicht durch potentielle Kunden in der Auslage.Jedenfalls hoffte Mārcus, dass es sich um den Tagesfang handelt. Einer der Taberna Piscātōria (*4) wollte wohl auch verdeutlichen, dass es nur bei ihm frischen Fisch gab, da er lebende Fische in mit Meerwasser gefüllten Behältern zeigte, die dort hin und her zogen. Dem entsprechend hatte er auch seine Preise angeschlagen. Frische kostet halt mehr. Die sich dort den Fang ansehende und begutachtende Kundschaft war schon an ihrer Bekleidung anzusehen, dass sie die Preise nicht abschreckt. Viele hatten auch einen Sklaven oder Sklavin dabei, die bei erfolgreichem Handelsabschluß den Fisch aus den Meerwasser Behältern entnahmen und in einen Weidenrutenkorb legten.


    Mārcus ließ die Piscātōres (*3) hintersich liegen und folgte weiter der Straße. Er erblickte eine Taberna Unguentāria (*5), wo in kleinen Gefäßen unterschiedlichste Unguenta (*6), Sēplasia (*7) und Odores (*8) von einer Unguentāria (*9) feilgeboten wurden. Neben ihr befand sich eine Taberna Tōnsōris (*10) und in diese entschied sich Mārcus spontan einzutreten. Er fasste sich mit seiner linken Hand an sein Kinn und strich von dort links und rechts hoch, er brauchte wirklich dringend eine Rasur. Ein innerlicher Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm, als er sah, dass es noch einen freien Platz gab. Mit etwas schnellerem Schritt steuerte er auf diesen zu, bevor noch irgendein anderer diesen belegte, und ließ sich nieder.


    Barbam mē tondē!(*11) und deutete dabei mit dem Zeigefinger seiner linken Hand in sein Gesicht.
    Ita statim, domine!(*12), kam die Antwort und ein Schatten huschte schnell zu ihm hin.


    Er spürte einen nassen warmen Stofflappen, der sich um sein Gesicht und Kinn legte und zwei Hände begannen nun durch den Lappen die Feuchtigkeit in sein Gesicht zu massieren. Mārcus kannte die Prozedur seit er das erste Mal rasiert wurde. So wurden die Barthaar weicher und leichter zu entfernen – vorausgesetzt die Rasierklinge war scharf genug dafür.

    Nach diesem Vorgang nahm er im Augenwinkel die Lichtreflexion von Metall war und nun blieb nur noch zu hoffen, dass der Barbier eine scharfe Klinge hatte. Er spürte, wie die Klinge angesetz wurde … und rssscht, neues Ansetzen … rssccht … rssccht … rssccht …. Ein letztes Mal entfernte das Rasiermesser seine Barthaare bevor erneut ein nasses, diesmal kühleres, Tuch auf sein Gesicht gelegt wurde. Dort verbleib es eine kurze Zeit und wurde im Anschluß entfernt. Mārcus strich sich mit der Linken über die Wange, den Hals und das Kinn und besah sich danach seine Hand. Er war zufrieden. Keine Spuren von Blut an den Fingern und das Gesicht war wieder ordentlich glatt. Er schmunzelte.


    Quanti hoc stat?(*13), fragte er den nun an seiner linken Seite stehenden Mann.
    Tres asses, domine.(*14) , antwortete dieser ihm.


    Mārcus ließ drei Asse in die offene und ausgestreckte Hand des Mannes fallen, stand auf und verließ den Laden wieder. Nach dieser Stunde Aufenthalt fühlte er sich fast schon wie neugeboren. Jetzt fehlte nur noch ein Bad und saubere Kleidung. Seine Laune begann sich wieder zu heben.



    Sim-Off:

    *1) secundis pars - Zweiter Teil
    *2) Portus Sagunti - Hafen von Saguntum
    *3) Piscātōres - die Fischer (piscātōr – der Fischer)
    *4) Taberna Piscātōria - Fischladen
    *5) Taberna Unguentāria - Salbenladen
    *6) Unguenta – Salböle, Fette (unguentum - Salböl, Fett)
    *7) Sēplasia – Salben (sēplasium - Salbe)
    *8) Odores - Parfüm
    *9) Unguentāria - Salbenhändlerin
    *10) Taberna Tōnsōris – Barbierstube, Friseurladen
    *11) Barbam mē tondē! - Rasiere mir den Bart!
    *12) Ita statim, domine! - Ja sofort, Herr!
    *13) Quanti hoc stat? - Wieviel kostet dass?
    *14) Tres asses, domine – Drei Asse, Herr.

  • Saguntum – finalis pars (*1)


    Als Mārcus durch den Eingang der Taberna Tōnsōris (*2) wieder auf die Straße nahm er seine ursprüngliche Rinchtung zum Forum wieder auf. Auf seinem Weg passierte er einen Vīnārius (*3) mit seiner Taberna der in verschiedenen Weinamphoren seine flüssige Ware lagerte. In seinem Lokal war ebenfalls ein Theke vorhanden. Ein typischer Einbau mit Öffnungen auf der Oberseite. Hier wurde der Wein aus seinen Amphoren in die Gefäße der Kunden durch ein Sieb abgefüllt. Dazu brauchte man nur seinen eigenen Behälter unter das Sieb halten, welches durch eine vorne eingelassene Öffnung zugänglich war. So konnten auch unterschiedliche gewürzte Weine zusammengestellt werden. Mārcus ließ den Vīnārius auf seiner Linken liegen lief weiter. Hier mal einer stehenden Gruppe schnatternder Frauen ausweichend, die sich über den neuesten Tratsch unterhielten und dort einem stark betrunkenem Mann, dessen Kumpel sich versuchte im schwankenden Zustand zu kümmern.


    An der Straße reihten sich die Geschäfte und er besah sich kurz die Auslage eines Faber Marmoris (*4), der neben seiner Tätigkeit in diesem Gewerk auch handlichere Angebote offerierte. Vielleicht würde er auf dem Rückweg hier noch einmal anhalten und etwas erwerben. Während er weiter seinem Ziel entgegen ging, fiel ihm eine Taberna eines Faber Ferrārius (*5) ins Auge, der anscheinend ein wohl sortiertes Sortiment an Haushaltswaren feilbot. Neben den üblichen Produkten, wie Ōllae (*6), Patinae (*7), Īnstrūmenta Ēscāria (*8), Cultri (*9) und Cultri Vēnātōrius (*10), bemerkte er auch Pūgiōnes (*11).

    Er bleib stehen, um genauer wahrzunehmen, ob es einen gibt, der für ihn in Frage kommen könnte, denn er hatte immer häufiger den Eindruck, sehr unbekümmert die Reise angetreten zu sein und zumindest eine eigene gewisse Wehrhaftigkeit kann nicht schaden. Zwei Stücke kam für Mārcus in die engere Auswahl. Der eine hatte sehr schöne Einlegearbeiten und einen versilberten Handgriff. Besonders das Haupt der Medūsa mittig der Scheide als Silbereinlage gefiel ihm besonders. Auf der anderen Seite würde dieser Pūgiō wohl für mehr Aufsehen sorgen und Probleme anziehen, denn abwehren. Er dachte kurz nach, seufzte leicht und entschied sich für den anderen, eigentlich zu schlichten. Dieser würde seinen Zweck erfüllen ohne Aufsehen zu erregen. Mārcus drückte das Geld dem Verkäufer in die Hand und steckte sich den Pūgiō in den Gürtel, bevor er von dannen ging.


    Er passierte auf seinem weiteren Weg noch zwei, drei Tabernae Sūtōrius (*12), und in ein Faber Tīgnārius (*13) war in seiner Taberna damit beschäftigt seine Kraft und Geschicklichkeit am Holz auszuprobieren, so genau hatte er nicht hingesehen. Er blieb kurz stehn ohne sich zu vergewissern, was hinter ihm vor sich ging, und prompt lief ihm eine Person von hinten in den Rücken.


    Stulte! Animum attende!(*14), sagte Mārcus, wobei er sich umdrehte und einen abgehetzten kleinen Jungen erblickte, der ihn verwirrt ansah, so, als ob er gerade aus seinen Gedanken gerissen worden wäre.


    Mē īgnōsce, domine! mea culpa. dēlīberābundus eram domine!(*15) und versuchte auf die Straße zu treten und so Mārcus auszuweichen. Mārcus packte den Jungen am Kragen seiner Tunica und zog ihn wieder auf den Gehsteig. So leicht wollte er ihn nun nicht davon kommen lassen.


    Jetzt pass mal gut auf, du Flegel. Danke den Göttern, dass ich ein nachsichtiger Mensch bin. Du wirst so noch in dein Unglück rennen.“ Er besah sich den Jungen von oben und unten. Er strotzte vor Dreck und wirkte verängstlich.


    Kommst du von hier?
    Ja, Herr. Ich bin hier geboren.

    So, so. Hier geboren und bald hier gestorben, bei deiner Achtsamkeit.

    Der Junge zuckte zusammen, sein Blick viel auf den Pūgiō, den er in Mārcus Gürtel stecken sah. Gleichzeitig dachte Mārcus kurz über seine Möglichkeiten nach. Seine Reise war bis jetzt weniger erbaulich als angenommen und es sind nun schon einige Tage vergangen. Da kann eine Menge passiert sein.


    Du bist dreckig wie ein wilder Esel! Hast du wenigstens Geschäftssinn in deinem Kopf oder haben dich die Göttern nicht nur mit Unachtsamkeit, sondern auch mit Blödheit gestraft?
    Der Junge war nun vollends verwirrt und starrte Mārcus mit großen Augen an.


    Ich bin schon länger unterwegs und meine Reise wird noch dauern, daher unterbreite ich, trotz deines Fehlverhaltens ein Angebot.“ fuhr er weiter fort.
    Der Junge führte intuitiv seine rechte Hand an seinen Hintern und rieb seine Pobacke, wobei er leicht sein Gesicht verzog.

    Mārcus bemerkte die Bewegung und Richtung des Jungen und mußte laut auflachen.


    Nein, nicht das. Suche dir dafür jemanden anderen. Ich schlage dir ein Tauschgeschäft vor. Du erzählst mir alle Neuigkeiten der letzten Tage, was alles vorgefallen ist und ob es Gerüchte, auch politischer Art, gibt und dafür zahle ich dir den Badbesuch. Ich brauche Gesellschaft und Kurzweil und im Moment bist du, Schutzfink, mir lieber als meine Reisebegleiter.
    Oh!? Herr … ich weiß nicht, ob ich alles mitbekommen habe.

    Gut, hören kannst du mich, bist also nicht taub. Dann wird schon das eine oder andere bei dir angekommen sein. So, und nun los, meine Zeit ist knapp bemessen.

    Damit packte Mārcus den Jungen erneut am Kragen und steuerte so mit ihm Richtung Bad, das seine Werbung an eine Häuserwand gekritzelt hatte.

    Am Eingang des bades entrichtete Mārcus für beide die Entgelte und es ging in den Umkleideraum Einige der anwesenden Besucher guckten die beiden Neuankömmlinge schräg an, ließen sie jedoch in Ruhe. Als beide sich ihrer Kleidung entledigt und in den über den Bänken angebrachten Regalkästen abgelegt hatten, betraten sie das Bad.




    Sim-Off:

    *1) finalis pars – Endteil
    *2) taberna tōnsōris – Barbierstube, Friseurladen
    *3) vīnārius - Weinhändler
    *4) faber marmoris – Marmorkünstler / -handwerker
    *5) faber ferrārius – Schmied
    *6) ōllae – Töpfe (ōlla - Topf)
    *7) patinae – Pfannen (patina - Pfanne)
    *8) īnstrūmenta ēscāria - Besteck
    *9) cultri – die Messer (culter – das Messer, Schlachtmesser)
    *10) cultri vēnātōrius – die Jagdmesser
    *11) pūgiōnes – Dolche (pūgiō – der Dolch)
    *12) Tabernae Sūtōrius - Schusterläden
    *13) Faber Tīgnārius - Zimmermann
    *14) stulte! animum attende! - Narr! Pass auf! (stultus – Narr / animum attendere - aufpassen)
    *15) Mē īgnōsce, domine! mea culpa. dēlīberābundus eram domine!
    Verzeih mir! Meine Schuld, ich war in Gedanken versunken, Herr!

  • Saguntum Tarracōnem (*1)


    Auf seinem Rückweg zum Schiff war er doch nicht mehr beim faber marmoris (*2) eingekehrt, sondern direkt weiter zum Hafen gegangen, wo er sich mit einem Laib Brot und einer lagoena (*3) mit Olivenöl versorgt hatte, bevor er das Schiff betrat.

    Nun saß Mārcus auf einer Kiste und aß etwas Brot mit Olivenöl, während das Schiff Richtung Tarraco segelte. Sein in Saguntum erworbener Pugiō steckte in seinem Gürtel und gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Er dachte nach und ging im Kopf alles nochmal durch, was der Schutzfink, wie er den Jungen in seinen Gedanken abgelegt hatte, ihm im Bad erzählt hatte.

    Er hatte die Zeit im Bad genossen und fühlte sich wie neugeboren – vor allem frisch und sauber.


    Eine leichte Meeresbrise zauste seine Haare und die Stimmen der Seeleute klangen wie durch Stoff dumpf in seinem Ohr. Er nahm sie kaum wahr, wollte seinen zufriedenen Zustand sich nicht durch die notwendige Anwesenheit der Besatzung stören lassen. Die Fahrt verlief, was die Verhältnisse auf See betraf, angenehm ruhig und zügig. Neptūnus schien ihm wohlgefällig zu sein. Immerhin hat er ein Dankesopfer versprochen, wenn er seinen Zielhafen sicher und wohlbehalten erreichen würde. Dies betraf jedoch nur die See und nicht Widrigkeiten menschlicher Ereignisse.


    Er saß so da, kauend und in Gedanken versunken, die Meereswellen sorgten für ein angenehmes, leicht rauschendes Geräusch, wie wenn im Bad Wasser an eine Wannenwand gewogen wird. Es wirkte fast schon zu beruhigend, aber wohl immer noch besser als tosende See. Er begann in Gedanken ein Lied zu trällern.


    gādibus virgō mea
    convenīebam lecto eam


    etiam mater virginis nitida erat
    sed sua lecto se dedēbat


    patri virginis meae
    virgō gādibus mea
    (*4)




    Sim-Off:

    *1) Saguntum nach Tarraco
    *2) faber marmoris - Marmorkünstler / -handwerker
    *3) lagoena – Flasche, Krug
    *4)
    Mein Mädchen aus Gades
    das traf ich einst im Bett
    des Mädchen Mutter war auch nett
    doch ergab sie sich in ihrem Bett
    dem Vater meines Mädchen
    mein Mädchen aus Gādēs

  • Tarraco
    Tarraco urbs est in his ōris maritimarum opulentissima (*1)


    Das Schiff, mit dem Mārcus seine Reise angetreten hatte, näherte sich der Hafeneinfahrt der Stadt. Auf der Landseite, die in einer seichten Krümmung einen flachen Viertelkreis bildete, standen die Lager- und Warenhäuser, und zahlreiche Schiffe, die hier lagen, wurden gelöscht oder beladen. Es herrschte rege Betriebsamkeit im Hafen. Der Hafen selber wurde auf zwei Seiten eingefasst.

    Wenn man, so wie Mārcus, vom Meer blickend auf den Hafen schaut, dann lag zur Rechten eine lange Mole, an derem Ende ein pharus (*2) stand und so den Schiffen Orientierungshilfe bot. Die Mole selber ruhte auf Rundbögen, die nur mit ihrem oberen Bogenteil aus dem Wasser ragten. Sie war gute 20 pēdes (*3) breit und in der Mitte ihrer Länge standen zwei große Säulen, die je mit einer Statue ausgestattet waren. Die Mole endete landseitig an der, die Stadt umfassenden Stadtmauer, und wurde durch ein verschließbares Tor von der Stadt getrennt.

    Wenn man seinen Blick dann zu seiner Linken führt, so wie er es tat, konnte man die zweite Hafeneinfassung erblicken, die als Kai angelegt worden war. Hier befanden sich auch zusätzlich Lastkräne zum Be- und Entladen der Schiffe und am Kaiende, meerseitig, ruhte eine große Statue des Neptūnus auf einem hohen, großen Sockel. Auf diesem waren die Gründe und Stifter eingetragen, für alle erkennbar. Eine angemessene Würdigung für ihr Engagement für die städtische Gemeinde. Der Kai endete landseitig in einem Bereich mit vielen Lagerhallen und Gewerbe, die sich schon außerhalb der Stadtmauern befanden. Somit lag auch ein gutes Drittel des Hafen außerhalb der Mauern.

    Tarraco wuchs über ihren Kern hinaus und strotzte vor Leben und Geschäftigkeit. Begünstigend kam hinzu, dass sie auch Verwaltungssitz der Prōvincia Tarracōnēnsis war und somit auch die Verwaltung hier ihren Sitz hatte. Dies gab Tarraco eine besondere politische Bedeutung.


    Mārcus sehnt sich danach, endlich an Land gehen zu können, seine Glieder zu strecken und zu bewegen, über die begrenzten Möglichkeiten des Schiffes hinaus. Gar etwas warmes verspeisen und dem Herzschlag der Stadt lauschen.

    Attendite!(*4) vernahm er den lauten Ausruf desjenigen Seemanns, der darauf achtete, dass das Schiff in angemessenem Winkel und Geschwindikeit sich dem Kai näherte. Dann verspürte er schon den dumpfen Stoß des Schiffes gegen den Kai, gefolgt vom üblichen Prozedere des Vertäuens und Festzurren des Schiffes an seiner Anlegestelle.


    Er verließ das Schiff kurz darauf ebenfalls und ging schnellen Schrittes in Richtung des theātrum (*5), in desse Nähe sich üblicherweise auch Imbissstuben befanden. Er wollte doch einmal wieder etwas warmes essen. Nachdem er sich für eine caupōna entschieden hatte – diese hatte den Vorzug in einem Eckgebäude zu liegen und zu ihrer, vom theatrum aus gesehen, Linken an einen Tempelbezirk zu liegen und gegenüber den Blick auf das theatrum frei zu geben – bestellte Mārcus einen Caccabinam minorem (*6) und dazu eine pōsca. Hier hatte er nicht nur sein ersehntes warmes Essen, sondern auch einen guten Blick auf das Stadttreiben.





    Sim-Off:

    *1) Tarraco urbs est in his oris maritimarum opulentissima - Tarraco ist die reichste Hafenstadt an dieser Küste - Pompōnius Mela
    *2) pharus - Leuchttrum
    *3) 20 pēdes - 20 Fuß, ca 6 m (pēs – Fuß, Längenmaßeinheit, ca 0,3 m)
    *4) Attendite! - Achtung!, gebt Acht!
    *5) theātrum - Theater
    *6) caccabinam minorem – kleiner Eintopf

  • in morte nēmō nostrum sōlus est (*1)


    Mārcus hatte sich nach seiner Mahlzeit noch etwas an seinem Platz aufgehalten und in Ruhe seine pōsca getrunken, da viel sein Augenmerk auf eine vierköpfige Männergruppe, die sich im Schattenwurf des Theaters dicht an der Wand aufhielt. Die einzelnen Gesichter waren im Schatten nur schwer zu erkennen, doch sah man wie einer der vier mit wilden Gesten versuchte, den anderen etwas zu vermitteln. Dabei deutete der Mann mehrfach in die Richtung einer Gruppe von drei Frauen, die gerade aus dem Tempelbezirk kamen. Sie Sonne hüllte die Frauen in ihr wärmendes Strahlenkleid und erlaubte so eine guten Blick. Mārcus sah ebenfalls zu den Frauen herüber, wobei er sich einen Schluck der pōsca gönnte und obwohl reges Treiben herrscht hatte er das Gefühl, das eine Menschenmenge auch gefährlich sein kann. Hast du etwas vor, begehe es in der Öffentlichkeit und keiner wird dich beachten kam ihm in den Sinn. Es stammte aus einem Gespäch mit seinem Vater, der ihn darauf hinweisen wollte, dass das Offensichtliche häufig am ehesten übersehen wird.


    Die Gewänder der Frauen wurden von einer leichten, vom nahen Meer kommenden Brise erfasst und sanft bewegt, so dass der Stoff je nach Wurf unterschiedliche Konturen ihrer Körper anliegend betonte. Zwei der Frauen unterhielten sich lebhaft, während die dritte etwas nach hinten versetzt folgte. Augenscheinlich eine Dienerin, oder ein junges Familienanhängsel, so genau war es nicht zu erkennen. Jedenfalls wirkte die Dritte gedankenverloren und der Abstand zu den beiden anderen Frau viel mit jedem zweiten Schritt größer aus.

    Als die Frauengruppe sich auf Höhe der geraden Sichtlinie von Mārcus Sitzplatz zum Theater befand, war die dritte Frau schon gute 18 pēdes (*2) hinter den beiden, in einem lebhaften Gespräch vertieften beiden Frauen entfernt. Deutlich konnte er die anmutenden Figuren der beiden ersten Frauen sehen, gekleidet in guten Stoffen die bis zu den Knöcheln reichten, wo sich bunte offene Schuhe an ihren Füßen schmiegten. Die Gürtel der beiden war reich verziert und so ein gutes Indiz für den Reichtum der Familie, der sie angehörten. Sein Blick ging zur zurückliegenden Frau, die auf ihn als die jüngste der Gruppe wirkte. Auch sie hatte sich gut gekleidet, vielleicht einen hauch zu eng anliegend für seinen Geschmack. Sie wirkt, als ob sie erst seit wenigen Jahren die Blüte ihrer Weiblichkeit erfahren hat. Das Gesicht weiß gehaucht, und jung, ihr Blick wirkte abwesend und Gedanken verloren. Der Stoff zeichnete ihre Brüste deutlich genug ab, dass keiner sich wirklich Gedanken machen mußte, was er denn entkleiden würde.


    ita puella, artior tunica - artior palla (*3), dachte sich Mārcus. Wärest du meine Tochter, ich würde dir deinen Hintern versohlen, wenn du so heraustreten wollen würdest.


    In diesem Moment seiner Gedanken bemerkte er wie sich die Männergruppe aus dem Schatten löste und in zwei … drei …. langen Sätzen sich dem Mädchen von schräg hinten näherten. Arme und Hände streckten sich vor, den Mund des Mädchen verschließend, andere griffen sich die Arme, und noch bevor das strauchelnde arme Ding vollends durch das verlorene Gleichgewicht den Boden berührte fassten andere Hände ihre Beine. Es war alles so schnell gegangen, dass die beiden vorgehenden Frauen nichts mitbekommen hatten und andere Passanten waren mit sich selber beschäftigt oder wollten nicht hineingezogen werden. Die Männer verschwanden mit der jungen Frau hinter einem, nun von Mārcus aus gesehen, rechts neben dem Theater gelegenen länglichem Gebäude, gegenbüber des Tempels. Die Rückseite des Gebäudes schien dicht an den steilen Abhang gebaut worden zu sein und nur eine kleine Mauer trennte Personen vom Absturz. Ein idealer Platz für allerlei sich ausgedachter Dinge.


    Mārcus legte den für sein Essen und Getränk vom Wirt veranschlagten Betrag auf seinen Platz, und rief das dem Wirt zu, so dass er dafür Sorge tragen konnte an sein Geld zu kommen. Dann verließ er den Ort und ging schnellen Schrittes über die Straße, Teile der Tempelplatzecke streifend, in Richtung des Durchganges zwischen Theater und dem Gebäude, hinter welchem die Männer ihren Fang geschleppt hatten.


    "… nōn! ... n ō n! ... s ū ē s ! … nōn! ... sīcāriī! … n ō n ! ..." (*4) quollen die Worte der jungen Frau zwischen den Fingern des Mannes, der ihren Mund umschloß, dumpf heraus. Sie hatte begonnen sich zu wehren, doch all ihre Versuche, mit ihren Beinen zu strampeln und ihre Arme frei zu bekommen, scheiterten an der schieren Gewalt und Kraft der Männer. In deren Augen begann sich Begierde, gar Lust abzuzeichnen.

    "hanc grandi pecuniā vendemus." (*5), sagte der älter der Männer, "aut in ūsu prīvāto erimus." (*6) ein Jüngerer.


    Mārcus beschleunigte seine Schritt und erreichte die hintere Gebäudeecke gerade noch, um zu sehen, wie einer der vier begann seine Tunca hochzuziehen, während die drei anderen die junge Frau auf dem Boden festhielten. Zwei kümmerten sich um die Beine, der dritte kniete mit seinen Beinen auf den Schultern. Dieser war auch der einzige, der den um die Ecke kommenden Mārcus hätte rechtzeitig gewahr werden können, doch er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich an ihrem Opfer zu ergötzen.


    impudīci mentulaeque! virginem violātis!(*7), schrie er die Männer laut an, während er in einen Sprint verfiel und so den Abstand auf wenig pēdes verringerte.


    Das plötzliche und unerwartete Auftauchen des für die vier Männer völlig unbekannten Mārcus sorgte für erschrockene Verblüffung, so fixiert waren sie auf ihr am Boden fixierten Opfer. In dem Moment, wo sich der vierte Mann mit der nach oben gehobenen Tunica mit dem Kopf Richtung Mārcus umzudrehen begann, bemerkte derjenige, der die Schulten mit seinen Knien niederdrückte ein kurzes Aufblitzen, und noch bevor er erfassen konnte, dass es sich um die Sonnenreflexion auf einer Klinge handelte, stieß Mārcus seinen auf den letzten pēdes gezogenen pugiō bei seinem letzen großen Sprungschritt dem sich zu ihm drehen Mann mit dem unteren Tunicasaum in seiner Linken halten in den Hals unterhalb des Kehlkopfes. Röchelnd und mit einem entsetzten Gesichtsausdruck sank der Getroffen nieder, sein Blut färbte seine Tunica und begann schon auf sein junges am Boden befindliche Opfer zu tropfe.


    Mit einer geschickten Bewegung hatte Mārcus nach dem Stoß seinen pugiō aus seinem ersten Ziel entwendet und führt seine führende Hand, mit dem pugiō in dieser, in einer schneidenden Bewegung einem zweiten Mann, der sich um eines der Beine kümmerte, von oben durch das Gesicht, so dass diese vor Schmerzen schreiend von der am Boden liegenden abließ.

    Der Schulter haltende Mann schien wohl wieder halbwegs seine Sinne gesammelt zu haben, und versuchte sich von unten kommend auf Mārcus zu stürzen, erwischte ihn an der Hüfte und brachte so Mārcus dazu, nach hinten zu straucheln, Gleichgewicht haschend. Noch bevor es der fremde Vergewaltiger mit erneuter Kraft schaffen konnte, stach Mārcus seinen Dolch dem Mann von oben in den Nacken, so das dieser erschlaffend nach unten fiel und in kurzzeitiges Zucken verfiel, gleich einem geköpften Huhn, dessen Reflexe noch aktiviert sind.


    Während sich der Mann mit der Schnittwunde immer noch vor Schmerzen auf dem Boden wälzte, sprang der letzte verbliebene Mann auf, im Versuch seinem Schicksal zu entgehen. Mārcus und er trafen sich aufprallend in der Nähe der kleine Mauer am Steilhang und es entbrannt ein kurzer, aber heftiger Kampf, der beiden an den Kräften zehrte. Der Mann versuchte mir aller Kraft Mārcus pugiō von sich fern zu halten und umklammerte daher Mārcus Hand, während er mit seiner freien bemüht war, Mārcus an die Kehle zu gehen. So ging es für Mārcus eine gefühlte Ewigkeit, bis es ihm gelang seinen Angreifer mit letzter Kraft über die kleine Mauer zu drücken, so das dieser, seinem Gleichgewicht beraubt, darüberfiel und in die Tiefe stürzte und sich unten den Hals brach.


    Mārcus schnaufft kurz durch, bevor er sich dem letzten und verletzten Mann zuwendete, der mittlerweile begriffen hatte, das sein Schmerz und seine Verwunderung ihn daran gehindert hatten, den Ort des Grauens zu verlassen - als er noch Zeit hatte.

    Nun erreichte Mārcus den am Boden liegenden und bevor er den Versuch unternehmen konnte aufzustehen, beugte Mārcus sich zu ihm hinab: "in morte nēmō nostrum sōlus est." sagte er zu dem Mann und sein pugiō beendete des Mannes Leiden und Leben durch einen starken und harten Stoß in den seitlichen Nacken.


    Als er sich zu der jungen Frau umdrehen wollte, um zu sehen wie es ihr geht und ob er er weiterhelfen kann, fand er ihren Platz verlassen vor. Wie es schien hatte sie die Gunst der Stunde genutzt und während des Kampfes den Ort verlassen und sich in Sicherheit gebracht. Bestimmt war es ihr äußerst peinlich und beschämend. So blieb Mārcus nichts anderes übrig, als seinen pugiō an der Tunica eines Toten abzuwischen und selber den Ort zu verlassen und sich möglichst schnell wieder zum Schiff zu begeben. Er wollte nicht noch durch irgendwelche Ordnungskräfte und stundenlange Fragen und Antworten an seiner Weiterreise gehindert werden.




    Sim-Off:

    *1) in morte nēmō nostrum sōlus est - Im Tod ist keiner von uns allein.
    *2) 18 pēdes - 18 Schritt, ca 5,40 m
    *3) ita puella, artior tunica - artior palla - ja Mädchen, zu enge Tunica, zu enges Obergewand
    *4) … nōn! ... n ō n! ... s ū ē s ! … nōn! ... sīcāriī! … n ō n ! ... - nein ... nein ... Schweine ... nein ... Banditen
    *5) hanc grandi pecuniā vendemus - diese verkaufen wir für viel Geld
    *6) aut in ūsu prīvāto erimus - oder wir nutzen /f*ck*n/ sie privat (Achtung Wortspiel ūsus bedeutet auch Geschlechtsverkehr)
    *7) impudīci mentulaeque! virginem violātis! - Lustmolche und Schwänze! Ihr schändet/vergewaltigt die junge Frau!

  • Tarraco Barcinem


    Die Reise von Tarraco nach Barcino war eine recht ungemütlich für Mārcus. Nicht so sehr das Wetter zerrte an ihm, sondern der Vorfall in Tarraco. Jener Handelsstadt keine Vierteltagesreise zurückliegend entfernt, wo er vier Männer getötet hatte. Nun saß er an Bord, in einer Ecke des Schiffs und ging in Gedanken alles nochmals durch. Er hatte nicht ein Gefühl Unrecht begangen zu haben, vielmehr war es ein innere Unruhe. Ein Unruhe, die wohl jeden zu besuchen scheint, wenn er das erste mal einen anderen Menschen getötet hatte. .......


    Eilig war er in Tarraco auf das Schiff gekommen und seine Kleidung wirkte zerzaust. Er merkt gar nicht, wie mitgenommen er gewesen ist, sonst wäre ihm wohl auch der Blutfleck auf seiner Tunica augefallen - da wo bei Männern ihr Geschlecht zu hängen pflegt. Und weil die Besatzung ihn irgendwie seit Reiseantritt auf dem Kieker hatte, dauerte es auch nicht lange bis sie Bemerkungen absonderten. Um genau zu sein, die Zeitspanne betrug drei Schrittlängen, vom Kai auf das Schiff.


    "Hey, du! Seit wann bist du eine Frau? Du hast Blut im Schritt. Frauen bringen Unglück!"
    Mārcus sah für den Augenblick verwirrt hinüber anschließend an sich herunter, da machte sich ein weiterer Seemann bemerkbar.

    "Māgnus, der ist keine Frau oder hast du Titten gesehen? Dem hat man bestimmt seinen Schwanz abgeschnitten, so bleich sieht der aus!" Ein lautes Gelächter bildete die höchste Form des Lobes seiner Kameraden.


    Mārcus bemerkte, wie Zorn in ihm aufzusteigen begann. Mit zwei, drei Schritten stand er beim letzten Sprecher und packte mit seiner Rechten an die Kehle des selbigen. Immer weiter ging er nach vorn, dabei die Kehle fester und fester zuschnürend und den Seemann, überrascht von der Reaktion, weiter vor sich herdrückend.

    "Halt die Fresse, du stinkender Fischkopf! Halt die Fresse, sonst mache ich dich hier vor deinen Leuten zum Eunuchen, du Arschgefickter!" (*) Dabei ging seine Linke zum Dolch, wie um seine Drohung zu untermauern.


    "Hey! HEY! Aufhören! …. ich sagte aufhören!" Der gubernātor stand auf einmal neben ihnen. "Du, Mārcus, laß meinen stinkenden Fischkopf los!" - die Formulierung schien ein beschwichtigendes Zugeständnis an Mārcus zu sein - "Und du, Piscus, laß unseren Gast zufrieden! ER ZAHLT für seine Passage." Es gelang ihm, durch welche Hilfe der Götter auch immer, die beiden Streithähne zu trennen und in eine jeweils andere Richtung zu schieben.


    Piscus grollte noch einige Verwünschungen vor sich hin, entfernte sich aber in die Richtung, die der Navigator ihm vorgegeben hatte. Mārcus wurde in seine Richtung mit den leise zugeflüsterten Worten des Navigators entlassen.
    "Sieh dich vor, Mārcus, sonst nimmt das hier ein böses Ende."


    Nun saß er also in seiner Ecke auf einer Kiste und focht einen inneren Kampf mit seinen Dämonen aus. Der nächste Hafen lag nicht mehr weit entfernt, bis dahin mußte er mit sich irgendwie im Reinen sein.


    Barcino


    In Barcino verließ Mārcus das Schiff nur kurz. Er verspürte zur Zeit kein Verlangen in das bunte Leben der Stadt einzutauchen. Er wollte nur eine neue Tunica, um endlich die alte wegschmeißen zu können und hoffte so auch darauf, Tarraco wegzuschmeißen. "Ja, und etwas zu essen, etwas gutes. Wein, ja auch Wein. Nicht viel, nur ein wenig für die Weiterfahrt.", sprach Mārcus in Gedanken zu sich selber und begab sich auf die Suche nach einem Händler für Bekleidung, um im Anschluß sich Essen und Wein zu kaufen.



    Sim-Off:

    (*) Erläuterung:


    In der römischen Welt waren homoerotische Handlungen nicht unüblich, sind jedoch von den Varianten des hellenischen Kulturkreises zu unterscheiden. Dennoch gab es auch Beleidigung in die selbe Richtung. Das hat mit dem Verständnis von vir (Mann) <-> mulier (Frau) und dem virtūs (Mannhaftigkeit) zu tun.
    Männern wurde eine aktive, also penetrierende Handlung zugestanden. Ein vir durft alles penetrieren (Menschen) und er galt gesellschaftlich immer noch als Mann. Ist er jedoch der passive, also penetrierte Part, besaß er keinen virtūs, daher kann er auch kein vir sein, obwohl er dem geschlechtlich zugehörig ist. Er wurde so in der Gesellschaft zur mulier (Memme).

  • Barcino Emporiās


    Eingedeckt mit genug zu Essen und noch etwas mehr zu Trinken kam Mārcus noch rechtzeitig genug an, um seine Mitfahrgelegenheit zu betreten und sich wieder auf seinen Platz zu begeben. In Barcino hatte er sich nicht nur eine neue Tunica gekauft und die alte blutverschmierte entsorgt, sondern versuchte auch seine innere Unruhe durch ein wahrlich ungezügeltes Intermezzo bei einer lupa abzubauen.

    Wie es schien, hat er dabei etwas über die Strenge geschlagen, jedenfalls behauptete das der Besitzer der Lupa in lautem Geschrei. Er hielt die Lupa am Haarschopf seitlich versetzt vor seinen Körper, ohne dabei besonders rücksichtsvoll zu sein. Das Ding konnte grade noch so mit den Zehen den Boden berühren.


    "Was hast du getan? Das war nicht vereinbart, du Esel. Das kostet mich viel Geld und sie muß bestimmt vier Tage ruhen. Scheiße, du Spinner!" brüllte er Mārcus an, während die Lupa vor Schmerzen vor sich hin schluchzte. Ob es daran lag, dass sie an den Haaren hochgezogen wurde, oder an der blutigen Lippe und den sich beginnenden abzuzeichnenden Flecken an Armen und Beinen, schien nicht wirklich von Belang.


    "Dafür mußt du extra zahlen, das ist sonst Sachbeschädigung und ich rufe die Marktaufsicht!", droht der Besitzer des lupānar. Sein anklagendes Beweisstück warf er im selben Augenblick von sich auf den Boden und zischte ein "jetzt verpiss dich wieder rein" hinterher.

    Mārcus ware die ganze Zeit still, er wußte, dass er die Vereinbarung etwas überzogen hatte, aber gleich die Marktaufsicht zu rufen. "Zahlst du nun oder nicht?" , fragte der Besitzer, diesmal in einem fast schon anbiedernden freundlichen Ton. Hinter ihm kroch die Lupa über die Schwelle zurück in das Lupanar.


    "Ja, schon gut. Ich gebe etwas oben drauf. Aber bilde dir nicht ein, sie wäre ihr Gewicht in Gold wert. Da hast du noch viel Erziehungsarbeit vor dir, wenn sie jetzt schon aufgiebt. Hole dir Bessere beim nächsten mal.", sagte Mārcus zum Besitzer und gab ihm neben dem vereinbartem Preis die gleiche Summer nochmal in die Hand.

    "Sind wir jetzt durch, oder brauchst du mich noch?" , fragte er.

    "Nein, wir sind uns einig. Jetzt stimmt der Preis.", lächelte der Besitzer ihn an. Dann drehte er sich um, um ins Lupanar zurückzugehen, während Mārcus das gleiche tat, nur in die Richtung des Hafens. Er war keine drei Schritte weit gekommen, da hörte er den Besitzer wieder brüllen.


    "Du Miststück, ich werde dich lehren, so mit guten Kunden umzugehen. Was beschwerst du dich, nur wenn dich mal einer härter anpackt. Ich sollte den den Gladiatoren zur Unterhaltung nach den Spielen zu einem Sonderpreis anbieten. Dann, ja dann kannst du rumflennen, weil die dich so rannehmen, dass selbst Kriechen für dich zu schwer fallen wird." Mārcus konnte hören, wie irgendwelche Gegenstände den Boden berührten, er begann seine Schritte zu beschleunigen. Sein Ziel war erreicht, die Unruhe fort. Für seine Gedanken würde er sich Wein mitnehmen.


    Knapp über einen Tag waren sie unterwegs gewesen, sein Wein war ausgetrunken und zumindest für jetzt seine inneren Dämonen gebändigt. Während der Fahrt kam es auch zu keinen im Gedächtnis hängen gebliebenen Ereignissen mit der Besatzung, was Mārcus als ungewöhnlich aber nicht Besorgnis erregend empfand. Es tat gut einfach eine Teilpassage ruhig hinter sich zu bringen.

    Die Küste in Sichtweite bewegte sich in der selben Geschwindigkeit wie das Schiff, nur in entgegengesetzter Richtung. Als sie sich dem Hafen näherten, den man schon sehen konnte, passierten sie zwei Fischerboote, deren Personen ihnen zuwinkten. Auf Mārcus hatte dies eine beruhigende Wirkung, vielleicht ein Zeichen, dass von nun an die Weiterfahrt angenehmer werden würde.

  • Emporiae


    Emporiae hatte seine besten Zeiten schon hinter sich und bot nur wenig Kurzweil für ihre Besucher und die Einwohner schlugen sich mehr schlecht als recht durch ihren Alltag. Es schien, als ob nur eine vexillātiō legiōnis VII geminae, einer legiō des Galba, die 821 a.u.c. aufgestellt wurde, die Stadt am Leben erhielt. Die Via Domitia, die ebenfalls Emporiae passierte, konnte den sich verlandenden Hafen der Stadt durch den Fluß Fluvia nicht wirklich kompensieren.


    Mārcus ging, nachdem das Schiff angelegt hatte, von Bord und bewegte sich durch das, was einmal eine prosperierende Stadt war, auf eine caupōna zu, wo er sich einen Eintopf und einen Krug Wein bestellte. An einem benachbarten Tisch gesellten sich Männer, die durch das beständig Erklingen ...tack...tack...tack... ihrer benagelten Sohlen schon als mīles zu erkennen waren. Mārcus hob kurz seinen Kopf, um die Eintretenden kurz zu betrachten und ja, seine Annahme bestätigte sich. Drei Männer traten lachend und scherzend in die caupōna. Alle waren bis auf wenige Kleinigkeiten sehr ähnlich gekleidet. Ihre Tunica wurde vom cingulum mīlitāre gehalten, an dem nur der pugiō hing, das gladius war wohl in ihren Stuben verblieben. Ihre Auftreten nahm Raum, nicht weil sie viel Platz benötigte hätten, denn sie waren durchtrainiert, doch sie strahlten diese Selbstsicherheit aus, die verkündete, paßt auf, wen ihr anpissen wollt. Sie scherzten und lachten laut, typische Redewendungen und jene soldatisch-herzhafte Käbbelei, die nur zwischen Menschen stattfinden kann, die gemeinsam vieles erlebt hatten – Gutes wie Schlechtes.


    Mārcus wandte sich wieder seinem Mahl zu und trank zum Schluß seinen Wein aus, bevor er der Bedienung das Geld für seine Mahlzeit in die Hand gab. Er bestellte bei ihr noch einen großen Krug Wein, und merkte an, diesen der Gruppe Soldaten auf den Tisch zu stellen, und legte ihr das zu zahlende Geld dafür auf die Theke.


    Dann wandte er sich dem Ausgang zu, wobei er in der Nähe der Soldaten vorbei kam und rief:
    "legiō victrīx, mīlites.(*1) Die Bedienung bringt euch gleich ein großen Krug Wein an euren Tisch. Das geht dann auf mich." Er grinste die drei an, die ihn zuerst etwas verwundert ansahen, dann aber in laute Dankessagungen verfielen.



    Sim-Off:

    *1) legiōn victrīx, mīlites - siegreiche Legion, Soldaten

  • Emporiae Nārbōnem


    Als das Schiff mit Mārcus den Hafen von Emporiae verließ stand die Sonne schon hoch am Himmel. Es war die sechste Stunde des Tages (*1) und die See versuchte sie durch ihren ruhigen Wellengang und dem leicht glitzernden Lichtreflexionen auf der Wasseroberseite zu betören. Ein Handvoll Seevögel begleitete ihre Ausfahrt und Marcus drehte sich noch einmal kurz zum Hafen hin um. 'Kein Grund dem Ort nachzuweinen.', dachte er sich.


    Nachdem die Stadt hinter ihnen im Horizont verschwunden war kramte er sich ein Stück Brot aus seinem Reisebeutel und schnitt sich davon ein größeres Stück ab. Den Rest packte er wieder zurück und stellte sich danach beim Bug auf die der Küste zugewandten Seit, die in einiger Entfernung sichtbar war. 'Es ist immer gut, wenigstens Land im Blick zu haben.', dachte er so vor sich hin und begann dann, nach Fischen Ausschau zu halten, Manchmal konnte er einen im Wasser erkennen, doch sorgte die leichte Bugwelle dann dafür, dass dieser wieder in den Tiefen verschwand.

    Mārcus hing dabei seinen Gedanken nach. Was würde ihn am Zielort seines ersten Reiseabschnittes erwarten? Und was würde dann seine Weiterfahrt ihm bringen und Fortūna für ihn bereit halten?


    Gegen frühen Abend, es war kurz nach der ersten Abendstunde (*2), erreichten sie Nārbō. Nārbō, die Hauptstadt der prōvincia nārbōnēnsis und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Neben dem Hafen und der via domitia, die die Stadt durchquert und weiter in die Tarracōnēnsis führt und so das Kernland Italien mit der iberischen Halbinsel verbindet, beginnt hier die via aquītānia, welche das mare nostrum mit dem prosperierenden Wirtschaftsraum und der Stadt Burdigala am mare atlanticum verbindet.

    Nārbō, eine pulsierende, lebendige, mit prächtigen Bauten ausgestattete Stadt. Eine Stadt, wo einige ihre Unschuld verlieren, andere schuldig gesprochen, wenige sehr reich, die meisten jedoch ganz gewöhnlich ihr Leben verbringen werden. Hier nun, wo der prōcōnsul seinen Hauptsitz hat, das Provinzgericht tagt, in dieser Bürgerkolonie, die unter dem Namen Colōnia Nārbō Mārtius 635 a.u.c.gegründet wurde, fährt Mārcus ein. Das Amphitheātrum und den großen Haupttempel des Forum konnte er schon von weitem sehen, genau so, wie die vielen Frachtschiffe, die den Haden ansteuerten oder verließen und vertäut an den Kaimauern lagen.


    Sein Herz begann etwas schneller zu schlagen. Er war leicht aufgeregt, denn es wäre seine erste wirklich größere Stadt, die er zu sehen bekommt. Dagegen wirkte Gādēs eher wie ein Dorf. In seinen Vorstellungen sprangen Bilder von Galieren, Römern und allen anderen Völkern, soweit er sie durch Erzählungen seines Vaters kannte im Kopf hin und her.




    Sim-Off:

    *1) sechste Tagesstunde - 13.00
    *2) erste Abendstunde - 20.00

  • Nārbō - pars prima


    Mārcus verließ das Schiff, nachdem es angelegt hatte, mit einem Sprung auf die Kaimauer und Mole und ging Richtung Hafenviertel. Hier herrschte rege Betriebsamkeit, Lastenträger, die Waren von den Schiffen holten und auf Karren packten, andere die zu befördernde Fracht auf die Schiffe brachten und dort unter Anleitung verstauten und sicherten. Direkt am Hafen gelegen, die zahlreichen caupōnae und tabernae, wo Seeläute und Händler ihr Geld verspeißten und versoffen, begleitet und umschwirrt von jenen, die nur zu gerne das Geld jener durch sexuelle Dienstleistung abschöpfen wollten. Freiwillig oder weil sie mußten war nicht immer auszumachen. Daneben konnte man auch Männer finden, die dem Glücksspiel fröhnten und bei der ein und auch anderen Tischrunde kam es schon mal zu Handgreiflichkeiten, weil sich einer betrogen fühlte. Nicht, dass dies nicht vorgekommen ist, nur Alkohol und Glückspiel führen bisweil in unrechten Moment zu abrupten Emotionsausbrüchen.


    Häufig beruhigte sich die Lage nach Austausch von Unnettigkeiten durch den beherzten Eingriff des Schankwirts oder einer seiner, wenn vorhanden, Sklaven, manchmal kamen auch die städtischen Sicherheitsorgen hinzu, wenn ein Gast durch ausgeführte Schnitt- und Stichtests die Funktionsfähigkeit seines Messers oder Dolches vorgeführt hatte. Der Tetsprobant hatte dann immer ein größeres Problem, es soll auch schon zu Todesfällen gekommen sein. Die Sicherheitsorgane kamen dann meistens in einer Gruppe in die betreffende Lokalität und droschen mit ihren Knüppel auf alles und jeden ein, der nicht rechtzeitig aus dem Dunstkreis der Streithähne verschwand, was wiederum zu weiteren körperlichen Blessuren bei unfreiwilligen Probanden führte, doch sei es drum. Hier also, in den im Hafen befindlichen Geschäften tobte der Bär, pulsierte das Leben in all seiner Farbenpracht.


    Wenn man nun diesen Ort der friedlichen Koexistenz hinter sich läßt und weiter in die Stadt gehen will kommt man über den cardō maximus unweigerlich auf das Forum zu mit dem Capitōlinum und passiert dabei das horreum mit seiner Bewachung, welches als cryptoporticus errichtet wurde. Damit hatte man im Grunde das Herz der Stadt Nārbō und somit auch der prōvincia nārbōnēnsis erreicht- Hier fanden sich neben den einzelnen Geschäften im Erdgeschoß, die unterschiedlichsten Amtsstuben in den oberen Galerien, die für eine Verwaltung der Stadt und zum Teil auch der Provinz von nöten waren. Was nicht in den Akten steht ist nicht existent., erinnerte sich Mārcus an die Worte seines Vaters auf die Frage, warum dieser immer so penibel über seine Geschäfte Rollen führte, in diesem Fall durch seine Frau, Mārcus Mutter, führen ließ. Man meldete die Geburt seiner Kinder, Ehen, Scheidungen, Steuern, Feiertage, Testamente, eigentlich das ganze Leben bei diesen fleißigen Bienen in den Amtsstuben und ihren diversen Ablegern und Institutionen.


    Das Nārbō qua Status als Provinzhauptstadtt auch noch zahlreiche notwendige Verwaltungsebenen für eben diese bereit- und unterhielt, bedarf nicht wirklich einer Erwähnung. Allein schon die zahlreichen Menschen, die sub aquila ihren Dienst in der Stadt verrichteten, waren an ihrem cingulum mīlitāre, dem beständigen klack klack klack ihrer caligae und der fōcāle zu erkennen. Sie bildeten das Gerüst jener gut geschmierten Verwaltung, welches das größte Reich aller Zeiten zu jener Effizienz führten, welche die Barbaren schon immer beneideten. Jedes klack klack verkündete die Macht und den Erfolg Rōmae, die wirtschaftliche Potenz seines Trägers und verspach somit auch allen andern Einkommen und Sicherheit. Sie waren Rōma, sie waren Imperātor Augustus, jeder einzelne von ihnen.


    Auf seinem Weg über den cardō maximus hörte Mārcus im Stimmengewirr der vielen Menschen, viele unteschiedlichen Sprachen und Dialekte, wobei manch Dialekt sich auch als Sprache verstand und wehe man sag was anders. Neben dem Lateinischen und dem Keltischen Sprachdialekt der Region waren auch zahlreiche exotischere Sprachen zu vernehmen. Das Knaksende Sprechen eines aus Germanien stammenden Händlers mischte sich mit dem seines Gesprächpartners, der einen punischen Zungenschlag mitbrachte. Der dritte im Bunde wirkte Thrakisch und seine Zunge unterstich den Eindruck. Alle drei schienen sich über eine Handel einigen zu wollen und sprachen in Latein, wobei das eine und auch andere Wort in Koine genutzt wurde, beim Thraker mehr denn beim Germanen. Das im Gespräch auch über einen Vertrag und seiner Hinterlegung gesprochen wurde verdeutlichte nochmals die ungeheuere ordnende Kraft, die Rōma mitgebracht hatte, als es der Dunkelheit Licht brachte.


    Eine Gruppe von gut gekleideten Frauen quatschte über das bevorstehende Theaterstück, aufgeführt von einer in der regions sehr bekannten Gruppe von Darstellern und man ertappte sich beim Zuhören dabei, dass anscheind einer aus der Gruppe nicht nur durch seine schauspielerische Darbeiten zu gefallen wußte, sondern auch durch Darbietung körperlicher Art. Die Schlußfolgerung, dass jene Dame dann ebensolche schauspielerischen Höchstleitungen darzubringen hätte, falls eine Lendenfrucht die Einwohnerzahl des Reiches um eins erhöht, kam Mārcus in den Kopf, bevor er sich in einer caupōna niederliess, um sich etwas zu essen zu bestellen.

  • Nārbō – pars secunda


    Nachdem Mārcus sich einen freien Platz ergattert hatte rief er die weibliche Bedienung zu sich und erkundigte sich nach den heute angebotenen Mahlzeiten und entschied sich, nachdem er die gewünschte Information erhalten hatte für einen deftigen Eintopf mit Speckeinlage. Dazu bestellte er einen regionalen Landwein und den obligatorischen Krug Wasser. Wer will schon zu dieser Tageszeit als Säufer durchgehen. Und überhaupt, das Schiff will auch noch gefunden sein – vor seiner Weiterfahrt, sonst würde Mārcus Reise schon hier vor ersten ernsthaften Schwierigkeiten stehen.


    Während er auf seine Mahlzeit wartete, beobachtete er seine Umgebung, wie die beiden Frauen, die an der Ausgabe zwei Krüge hinhielten, wohl in der Absicht, etwas von dem angebotenen Weinen für zu Hause zu erwerben, doch konnte Mārcus den Wortlaut nicht hören. Sein Blick ging von den beiden Frauen zur Straße, wo sich gerade eine Gruppe Kinder über die Straße entlang tollten, wobei einer mit einem Stock einen Reifen antrieb und die anderen ihn dabei anfeuerten, gleichwohl jeder gerne der Nächste sein wollte. Er kannte dieses Spiel auch aus seiner Kindheit in Gādēs. Dort war es ebenfalls ein sehr beliebter Zeitvertreib und Ziel war es, den Reifen, angetrieben mit einem Stock, in Bewegung zu bringen und zu halten, und zwar so lange wie möglich. Sollte der Reifen kippen und schlußendlich fallen, wäre der nächste Mitspieler dran. Gewonnen hat, wer den Reifen am längsten in Bewegung hält. Mārcus schmunzelte bei der Kinderschar und seinen Erinnerungen an seine Kindheit. Er fand er hatte eine tolle Kindheit gehabt, auch wenn er das früher als Jugendlicher nicht immer so gesehen hatte.


    Am Nachbartisch, der keine 5 pēdes entfernt stand, hatten sich zwei Männer niedergelassen, die durch die Bekleidung und ihren Habitus nach Mārcus Einschätzung ihren Lebensunterhalt als hier stationierte Soldaten verdienten. Dies war nichts ungewöhnliches, da das officium des Stadthalters von abkommandierten Soldaten verwaltet und betrieben wird, von der persönlichen Leibwache ganz zu schweigen. Die beiden Burschen saßen nun also an diesem Nachbartisch und ihre Gesprächsthema drehte sich um einen Händler, der dem officium wohl gehörig auf den Sack ging. Immer wieder stellte er andere Bittschriften, Ersuche und Forderungen, daß man sich insgeheim wünschte, Iupiters Blitze mögen ihn treffen.


    Während sich die beiden mīlitēs so am Tisch sitzend sich weiter unterhielten, aß Mārcus seine Mahlzeit und gönnte sich den bestellten Wein. Er streckte hin und wieder seine Beine aus, und führte seine Beobachtungen der Umgebung weiter, um so einen besseren Eindruck dieser Stadt zu erhalten. Geschäftig liefen servī durch die hiesige Straße und an ihrem jeweiligem Auftreten und zum Teil auch an der Bekleidung konnte Mārcus recht gut abschätzen, wie wichtig oder auch unbedeutend der jeweilige Besitzer war. Obwohl auch in Betracht kam, daß die zu erledigende Aufgabe eine gewichtige Bedeutung hatte oder eher zur schnöden Tagesroutine gehörte.


    Nachdem Mārcus aufgegessen hatte und den Wein geleert, beglich er seine Rechnung bei der Bedienung und verließ die caupōna wider. Sein Ziel war es, eine Unterkunft in der Stadt zu finden. Am besten eine mānsiō, die nicht mit zwielichtigen Gestalten überlaufen war. Weder wollte er sich zu viel Sorgen machen, noch sich dauernd über andere Gäste ärgern. Und dann war da noch ein Punkt: Sie sollte schon überschaubar nah am Hafen lokalisiert sein, so wäre der morgige Weg zu eben diesen nicht länger als notwendig. In Nārbō hatte er seinem Reisegefährt und der dazugehörigen Besatzung zu seiner eigenen, und vermutlich auch der anderen, Erleichterung den Rücken gekehrt. Von hier wollte er nun in einer direkten Schiffsreise nach Ōstia weiterreisen und sich die weiteren Anlaufpunkte seiner verlassenen Seeleute vermeiden.


    So ging er einige Zeit durch die verschiedenen Gassen und Straßen, und besah sich diejenigen mānsiōnēs, die er bei seiner Suche wahrnahm. Dabei näherte er sich beständig dem Hafen, was die Möglichkeiten, seine Vorstellungen anzutreffen, nicht verbesserte. Zu guter Letzt, als sich die Sonne schon mit dem Horizonts verlobte, fand er eine mānsiō, die zumindest über verschließbare Schlafräume verfügte. Daher ging er den Kompromiß des weniger erlesenen Publikums ein und bezog sein Nachtquartier. Der Inhaber, ein geschäftstüchtiger Mann gallischen Ursprungs, ließ sich den Vorzug der Verriegelung durch ein Schlüsselschloß auch angemessenen, um nicht zu sagen großzügig, bezahlen. Als Dank erhielt Mārcus nicht nur einen Schlüssel, nein besser, die Frau des Inhaber persönlich zeigte ihm sein Zimmerchen. Anscheinend besaßen die beiden keine Sklaven für diese Dienste. So blieb mehr Geld an ihren eignen Händen kleben.

    Und so folgte er der Hausdame, die zu allem Überfluß mit einer Oberweite gesegnet, oder je nach Ansicht gestraft, war, daß eine ganze Schafherde hätte dran gesäugt werden können. Jedenfalls wippten sie beständig im Rhythmus ihres Ganges und suchten nach Ausgängen aus der Bekleidung und Mārcus hatte zeitweise das Gefühl hier sollte noch etwas anderes angeboten werden. Natürlich zu angemessenen Preisen. Er schloß kurz die Augen, als sich die Frau zögerlich verabschiedete, als wäre sie in der Hoffnung, doch bitte zahlungspflichtig ins Zimmer gebeten zu werden. Mārcus bedankte sich und rückte ihr das zu entrichtende Unterkunftsgeld in die Hand. "Bring mir bitte noch einen Krug pōsca, ein Brot, sowie Oliven und Käse auf das Zimmer.", entließ er sie schlußendlich, bevor er die Tür schloß.

  • Nārbō – pars finis


    Die Nacht verlief doch angenehm ruhig, wenn man davon absieht, daß im benachbarten Raum wohl ein reisendes Paar Einzug gehalten hatte, oder fand die Hausherrin einen zahlenden Kunden für eine zusätzliche Dienstleistung? Es war im Grunde auch sekundär, da das Resultat das Gleiche war – Geräusche von menschlicher Lust und Leidenschaft drangen zu ihm ins Schlafgemach. Er hatte da Gefühl, auf einem der besseren Plätze im Theātrum zu sitzen und eine Aufführung zu sehen, in diesem Fall - eher als Blinder zu hören. Warum also nicht dabei auch etwas essen. Also brach er sich etwas vom restlichen Brot, schüttete sich den Becher voll und machte es sich auf seiner Schlafliege bequem und harrte der Aufführung. Ihr Ende vermengte sich in einem tosenden Sturm von bewegten Schlafstätten, menschlichen Rufen und Stöhnen und einer daran sich anschließenden Stille. Mārcus wollte schon obligatorischen Beifall klatschen und den Autor loben, besann sich aber rechtzeitig und machte es sich dann zum Schlafen bequem, bevor er die Augen schloß.


    Am nächsten Morgen, zur Zeit, als die Morgenröte sich aufmachte den beginnenden Tag anzukündigen, schob sich Mārcus aus dem Bett. Bevor er sich seine Tunica anzog, ging er zu der im Raum befindlichen Waschschüssel und goß aus dem daneben stehenden Krug Wasser in diese und begann, sich den Schlaf aus dem Gesicht zu waschen. Im Anschluß spülte er sich den Mundraum mit einem Essig-Wasser-Gemisch aus und begann danach seine Zähne mit Salbeiblättern zu reinigen, die er zuvor aus seiner kleinen Reisetasche geholt hatte. Dann erst ging er zu seiner abgelegten Bekleidung und machte sich für den kommenden Tag bereit.


    Er öffnete die Zimmertür, sah sich nochmal, im Türrahmen stehend, im Zimmer um, ob er etwas vergessen hatte, was er verneinen konnte. Er wandte sich dann dem Treppenabgang zu und ging hinunter, um den Schlüssel abzugeben und sich auf die Suche nach einer Reisepassage zu begeben.

    "Bist du gut ausgeruht?", fragte ihn der Inhaber, der den Schlüssel mit einem kaum merklichen Murmeln in Empfang nahm und aussah, als hätte ihn die Rinderherde des Sōl die Nacht persönlich überrannt.

    "Ita grātiās tibi, susceptor (*1,2). Vor allem nach der dargebotenen fābula togāta (*3), wobei ich nicht erkennen konnte, ob es sich um eine Komödie oder Tragödie handelte."
    Eine Blick seines Gegenübers wandelte sich von irritiert über beschämt bis hin zu gleichgültig "Ō, ita fābula togāta.", bemerkte er lakonisch. "hospitem proficīscentem vōtīs ōminibusque prōsequor." (*4)
    "certē sciō." (*5), erwiderte Mārcus, drehte sich um und verließ die mānsiō.


    Auf der Straße wandte er sich der Hafenrichtung zu und ging schnellen Schrittes diesem entgegen. Zu dieser Tageszeit, so um die 12te Stunde der Nacht (*6), erwachte langsam das Leben, doch war es noch recht leer auf den Straßen, so daß das Fortkommen für Mārcus erfreulich schnell und ohne Zwischenfälle ging. Im Hafen selber herrschte schon die rege Betriebsamkeit jener, die sich um den reibungslosen Vorgang der Beladung zu kümmern hatte – Sklaven und Tagelöhner, Seeleute und Händler. Ein Hafen kam nie wirklich zur Ruhe, wenn man von der Zeit der Dunkelheit einmal absieht.


    Mārcus steuerte auf ein Schiff zu, daß augenscheinlich mit Amphoren beladen wurde. Er besah sich die Verschlüsse und Plomben, die eingetragenen Etiketten, um von dem Inhalt auf das mögliche Ziel der Fracht zu schließen und wandte sich im Anschluß an eine gut gekleideten Mann, der den Beladevorgang akribisch beobachtete. Der Mann trug den ānulus equester (*7) und den clāvus angustus (*8), was ihn eindeutig dem ōrdō equester (*9) zuordnete. Er ging auf den Mann zu und nutzte einen günstigen Augenblick.
    "Salve, multam tibi salūtem impertiō." (*10), sprach er ihn an. Der eques sah hoch und Mārcus an. "Grüße ich auch.", murmelte er zurück, während er etwas in seiner Wachstafel änderte. "Welches Anliegen verdanke ich die Grüße? Willst du mir etwas verkaufen oder suchst du eine Tagesarbeit?"

    "Nein, ich frage, ob deine Ware, die Amphoren dort," er zeigte mir seiner ausgestreckten Linken auf die Amphoren, die er zuvor begutachtet hatte, "die mit Wein befüllt sind, nach Rōma verschifft werden. Ist dem so, so erfrage ich, ob eine Passage für mich ebenfalls möglich ist."


    Der eques sah ihn an und dann zu den Amphoren. Sein Blick ging weiter zu den Seeleuten und den Arbeitskräften, die eben diese Amphore begannen zu verladen. "Wer bist du eigentlich.", fragte er Mārcus.
    "Mein Name ist Mārcus Annaeus Cōnservātor aus Gādēs und auf dem Weg nach Rōma, um meinen Cousin Senātor Annaeus Flōrus Minor zu besuchen. Ich bin auf der Suche nach einer Überfahrt, da der Landweg doch länger ist und mein Anliegen dringender.", beantwortete er die Frage des eques.


    Die Mine des eques hellte sich etwas auf. Anscheinend kannte er den Namen und wer weiß schon, vielleicht auch durch persönliche Kontakte. Aber das war für Mārcus nicht weiter wichtig. "Hmm, also aus der Familie der gēns annaea. Gut, gut, ...hmm … mal sehen.", der eques dachte kurz nach, sah nochmals auf seine Schreibtafel und auf die zu verladene Ware und wandte sich dann wieder Mārcus zu. "Also gut, ich schlage dir einen ein Geschäft vor Annaeus Cōnservātor. Ich bin Lūcius Semprōnius Fēlīx und negōtiātor (*11) und mercātor (*12). Du hast ja schon gesehen, daß meine Fracht kostbar ist und mir einen guten Gewinn abwerfen wird. Doch, bei allen Göttern, ob ich mich auf die Besatzung verlassen kann? Eigentlich sollte einer meiner Sklaven mit auf die Fahrt, um ein Auge zu haben, er würde mir für andere Aufgaben fehlen, doch war es notwendig. Anscheinend haben mich die Götter erhört und dich zu mir geschickt. So sei dies mein Vorschlag an dich: Ich lasse dich die Passage nehmen, doch du wirst den Platz meines Sklaven einnehmen, für dessen Überfahrt ja schon gezahlt wurde. Du wirst auf meine Ware achtgeben, so daß nichts geschieht und du wirst die Entladung in Ostia bewachen und dir die rechtmäßige Übergabe quittieren lassen. Diese sendest du an mich, durch einen Boten, zurück. Für den Boten gebe ich dir etwas Geld mit. Das wäre mein geschäftlicher Vorschlag. Bist du einverstanden, Mārcus Annaeus Cōnservātor aus Gādēs, Cousin des Senātor Annaeus Flōrus Minor?"


    Mārcus dachte kurz nach, er hatte den Wink seines Gesprächspartners durchaus verstanden. Baute er Scheiße, würde es seine Cousin erfahren, wenn nicht, hatte er eine bezahlte Überfahrt und zumindest einen positiven Eindruck der gēns hinterlassen.

    "Ja, Semprōnius Fēlīx, ich nehme deinen Vorschlag an. Du kannst deinen Sklaven anderweitig einsetzen. Sobald das Schiff Ostia erreicht hat und alles zu deiner Zufriendenheit ausgeladen und übergeben wurde, werde ich dir dies durch einen Boten mitteilen lassen."

    Semprōnius Fēlīx schmunzelte zufrieden. "Gut hier hast du eine tabula mit meiner Anschrift. Die kannst du nutzen.", und er drückte Mārcus diese in die Hand.




    Sim-Off:

    *1) Ita grātiās tibi, susceptor – ja, danke dir, susceptor

    *2) susceptor – Aufnehmer (in sein Haus) , Herbergsvater, Unternehmer

    *3) fābula togāta - Lustspiel in römischem Kostüm und Ambiente

    *4) hospitem proficīscentem vōtīs ōminibusque prōsequor - wünsche meinem Gast eine glückliche Reise

    *5) certē sciō – ja, gewiß

    *6) ca 6 Uhr morgens

    *7) ānulus equester - goldener Ring des Ritterstandes

    *8) clāvus angustus - schmaler Purpursaum an der Tunika der Ritter

    *9) ōrdō equester - Ritterstand

    *10) multam tibi salūtem impertiō - grüße dich vielmals

    *11) negōtiātor - Großhändler

    *12) mercātor - Kaufmann

  • caput secundum

    Nārbō Ōstiam - pars prima


    Als das Schiff Nārbō verließ, beladen mit Weinamphoren, stand Marcus am Heck und winkte kurz eine Verabschiedung seinem neuen Gönner zu. Ja, er hatte eine Verpflichtung auf sich genommen für diese Passage, und wenn es schief läuft, tja, dann läuft es richtig schief und der gute Ruf seiner gēns würde leiden. So ging er nun im Anschluß in den Laderaum hinab und sah sich um, ob denn auch alle Amphoren ordentliche vertäut waren und das Gewischt der Ladung gut verteilt. Er machte sich keine große Sorgen, ob der Verschlüsse der Amphoren. Sie waren ja gerade erst dabei Nārbō hinter sich zu lassen und die Zeit war zu kurz für die Besatzung, um auf all zu dumme Gedanken zu kommen. Er würde das zu einem späteren Zeitpunkt ins Auge fassen.


    Er stand vorne am Bug des Schiffes, die Sonne neigte sich langsam, doch unaufhörlich ihrem Reiseende entgegen, bevor sie im Westen versank und die Nacht hereinbrechen wird. Mārcus beobachtete den Horizont, manchmal war ein Seevogel zu sehen, der seine Kreise zog, gar sich dem Schiff kurz näherte und wieder davon flog. Es waren nun schon einige Tagesstunden vergangen und alles ging einen eingespielten Gang. Die Besatzung war bei all ihren Tätigkeiten bemüht Marcus nicht zu sehr auf die Schuhe zu treten, ein Umstand, den er sehr zu schätzen wußte, vor allem da er noch seine vorherige Passage in Erinnerung hatte. Der Umstand dieser Rücksichtnahme, so war er sich sicher, verdankte er wohl Lūcius Semprōnius Fēlīx, für den er auf der Überfahrt eine wichtige Funktion erfüllte und da nun er an Stelle des Sklaven hier war, wurde vor der Abfahrt auch die Besatzung informiert. 'Es kommt immer auf das Netzwerk an', dachte Mārcus. Kurz bevor die Nacht zum Vorschein kam ging er in den Laderaum und begann die Amphorenverschlüsse zu prüfen. Akribisch schritt er die Reihen ab, tastete und beäugte die verschlossen und versiegelten Öffnungen, nur um sicher zu gehen, daß keine geöffnet worden war. Danach begab er sich zu seinem Platz, wo er sich eine Kleinigkeit zu Essen herrichtete, bevor er seinen Tag mit dem Schlaf tauschte.

  • Nārbō Ōstiam - pars secunda


    Das Schiff neigte sich sanft abwechselnd zu seinen Seiten und glitt seinem Ziel entgegen. Der Rudergänger stand an seinem Platz und sorgte dafür, daß das Schiff auf Kurs blieb. Die Nacht hüllte beide in das Gewand der Dunkelheit, nur durchbrochen von dem Licht der am Firmament stehenden Sterne und dem Mond. Nur das Geräusch des Wasser, das vom Bug geteilt wurde und entlang der Bordwände glitt, verhinderte Stille. Es wirkte friedliche und unaufgeregt, und barg doch so viel Gefahr in sich, dieses monotone Geräusch des Wasser, die Dunkelheit bei sanften Himmelslicht, frei von Geschäftigkeit eines Tages.


    Wenn man sich umsah, und versuchte eine Gefahr wahrzunehmen, kam man schnell an seine Grenzen. Was konnte schon drohen zu solchen Stunden? Seeräuberei? Nun, diese war in fernen Tagen, als die Republik sich dem Ende zuneigte und mächtige Parteien um Einfluß und Macht sich stritten, eine Gefahr. Und auch da eher im östlichen, denn im westlichen Teile des großen Sees, den man Mare Nostrum nannte. Doch diese Tage lagen weit, weit zurück. Es gab zwar immer noch vereinzelt einen Vorfall, doch Roms Flottillen und Flotten sorgten für eine noch nie zuvor gekannte Sicherheit.


    Was jedoch nicht beseitigt werden konnte waren Untiefen und Felsen, dicht unter der Wasseroberfläche, eher in küstennahen Bereichen vorkommend. Und wenn sich die Besatzung eines Schiffes nicht auskannte oder schluderte, konnten diese zu tragischen Folgen beitragen. Und dann gab es da noch die Jahreszeiten mit ihren Wetterlagen. Auch hier mußte man sich gut auskennen und abwägen wann denn die Fahrt losgehen kann. Eine frische, grade erst zusammengestellte Mannschaft, die das Meer nur vom Strand aus kannte, würde eher mit Neptūnus um die Wette schwimmen – in seinem Metier. Nun denn, wenn nun weder Piraten noch Unerfahrenheit als Gefahr einzubeziehen waren, was blieb?


    Genau!, die Dunkelheit mit ihrem Sternenlicht, die leichten Wassergeräusche, das sanfte Schaukeln des Schiffes. Und der Rudergänger, der zur besten Schlafenszeit in den möglichen Schlaf gewogen und gesummt wurde, dessen Augen schwer werden könnten, den Halt am Ruder lockernd und so dem willenlosen Treiben des Schiffs Raum gebend. Jede Schiffsbesatzung, die etwas auf sich hielt, jeder Schiffsbesitzer, der sein Eigentum erhalten wollte, sorgten daher vor, um dieses Risiko zu minimieren.


    Mārcus stand, nach einem erholsamen Nickerchen, zur zweiten Nachtwache auf und begann seinen überprüfenden Rundgang durch den Laderaum. Er kontrollierte die Ladungssicherung ebenso, wie die Siegel und Verschlüsse der Amphoren und begab sich im Anschluß daran zum gubernātor, der seinen ureigensten Kampf mit seinem Schlafbedürfnis hatte.

    "Salvē gubernātor. Ut valēs? Languēs, amīce?"
    "Ō cōnservātor. Bene me habeō, grātiās tibi. Nox sīderibus illūstris ac quiēta."
    "Optimē gubernātor." (*1)

    Mārcus sah geradeaus, in die Ferne, zur Seite des Steuermann stehend. Das Schiff glitt sanft durch das Wasser und versuchte durch die Monotonie des Augenblicks den Sieg über die Besatzung zu erringen. Mārcus begann ein Gespräch, zum Einen, um dem Steuermann zu helfen, nicht eingelullt zu werden, zum Anderen, um seine eigene Zeit zu vertreiben.



    Sim-Off:

    *1)
    "Salvē gubernātor. Ut valēs? Languēs, amīce?"
    "Ō cōnservātor. Bene me habeō, grātiās tibi. Nox sīderibus illūstris ac quiēta."
    "Optimē gubernātor."

    Grüß dich Steuermann . Wie geht es dir? Bist du erschöpft, Freund?
    Oh, Cōnservātor. Mir geht's gut, danke dir. Die Nacht ist sternenhell und ruhig
    Bestens Steuermann

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