Tauglichkeitsprüfung

  • Ob das heute nochmal ein Ende nimmt, schimpfte ich gedanklich. „Gut dann eben das auch noch. Dann ist aber Schluss mit lustig und der Bas ist dran.“ Nach einem kurzen Blick zu den Schnipseln musste ich
    grinsen. „Es wäre doch wirklich schön wenn die Amphore in echt mit Wein gefüllt vor uns stände. JA und der Kerl da mit seinem Weib würden uns Gesellschaft leisten. Das darunter sollen dann wohl
    Insekten sein, die auch was ab haben wollen. Oder? Ne ich glaube, das eine ist eine Eule. Aber die anderen.... keine Ahnung.“

    Der lässt mich doch wohl deshalb nicht durchfallen. Den Fliegenschiss kann man aber wirklich nicht erkennen.

  • Selten erschien jemand mit einer derart großen Klappe. Der Medicus zeigte sich erleichtert, nicht ausbilden, sondern nur die Tauglichkeit überprüfen zu müssen. Da er aber über einen respektablen Rang verfügte, konnte er sich unmöglich das Auftreten gefallen lassen.

    "Wann Schluss ist, sage immer noch ich." Es ließ sich denken, dass nun eine Zusatzaufgabe folgte, die nicht normaler Bestandteil der Tauglichkeitsprüfung war. Die Sehschärfe reichte aus und das Bildchenraten strengte nicht zu sehr an, also musste eine körperliche Anforderung herhalten. Der Medicus blickte sich um, bis sein Blick an einem Hocker hängenblieb. Er stand auf und stellte ihn unmittelbar vor Milon ab.

    "Ihr müsst später viele Treppen steigen und dürft nicht im ersten Stockwerk bereits schlapp machen. Zeig mir, dass du zwanzig Mal in schneller Folge hoch und wieder runtersteigen kannst. Zehnmal steigt das rechte Bein, zehnmal das linke. Dann wären wir fertig und Rekrut Bas ist dran." Der Medicus grinste. Jeder Rekrut musste von Anfang an lernen, dass immer der Ranghöhere das letzte Wort hatte.

  • Oh ihr Götter warum konnte ich nicht einfach mein Maul halten. Es war immer das Gleiche, war ich aufgeregt, dann fing ich an zu reden. Ich redete und redete. Um Kopf und Kragen würde ich mich noch mit meinem sinnlosem Gequassel reden. Was sich jetzt wieder einmal bewiesen hatte. Da nutzte auch kein flehentlicher Blick zu Bas, der konnte mir nicht helfen.

    Ich warf einen wütenden Blick zu dem Hocker, der ja beileibe nicht Schuld an meiner Misere war. Noch einmal, dachte ich und blies in die Baken und begann mit meinem seltsamen Gehopse, wie es verlangt wurde. Mein Herz hämmerte wie wild. Dies aber nicht nur vor Anstrengung, sondern auch aus Furcht ich könnte nun versagen.

    Mit allerletzter Anstrengung schaffte ich den letzten Aufstieg. Nun merkte ich wirklich meinen Hunger, denn in den letzten Tagen hatte ich außer Wasser nichts mehr zu mir genommen. Den aufkommenden
    Gedanken, gleich wieder um Essen zu bitten unterdrückte ich krampfhaft.

  • Wieder einmal bestätigte sich, dass vorlaute Rekruten und Tirii den vorlauten Mund hielten, wenn man sie nur ausreichend beschäftigte. Vielleicht würde sich der Medicus doch zum Ausbilder eignen, aber er liebte seinen Posten sehr und würde ihn nicht freiwillig abgeben. Ein angehobener Mundwinkel zeigte, wie viel Spaß er hatte.

    An Milons Leistung gab es nichts zu mäkeln, daher trug er die letzten Anmerkungen auf der Wachstafel ein und legte sie zur Seite.


    "Geschafft, Rekrut Milon. Wie es weitergeht, erkläre ich, wenn wir wissen, was dein Freund Bas leisten kann." So oft, wie Blickkontakt getauscht wurde, musste es sich bei den beiden um Freunde handeln.


    "Vortreten, Rekrut Bas." Er wartete, bis der nächste Anwärter in Bereitschaft stand, dann kam er mit einer Überraschung um die Ecke, die indirekt noch einmal den vorlauten Milon treffen sollte. "Für den Fall, dass du keine Widerworte, unerwünschte Anmerkungen oder anmaßende Beschwerden für mich hast, könnte ich bei dir die Kurzfassung einer Tauglichkeitsprüfung vornehmen. Dein Körper erscheint mir trainiert. Ich bräuchte allerdings deine mündliche Versicherung, dass dir keine körperlichen Gebrechen oder Einschränkungen bekannt sind."

  • Seine Gesichtsfarbe wurde immer fahler je länger Milon sein Können beweisen musste. Im Normalfall schrecke ihn Sport nicht, aber seine Lunge schmerzte noch immer. Insgeheim bewunderte er den Freund. Er selbst würde das Programm heute nicht schaffen, so viel stand fest. Dementsprechend zuckte er auch zusammen, als sein Name fiel und die Rede darauf kam, er sollte zeigen, was er leisten kann.

    ‚Bloß nichts anmerken lassen!‘ Die Devise lautete: nicht auffallen. Keinesfalls auffallen wie Milon und genauso keine Schwäche erkennen lassen.


    Er trat vor und nickte zum Gruß, weil er nicht wusste, was er sonst machen sollte. Falsch konnte es nicht gewesen sein, denn er erhielt ein Geschenk.


    „Keine Widerworte, keine Anmerkung. Ich bin trainiert und habe keine Auffälligkeiten bemerkt.“ Die Worte sprudelten voller Energie und mussten eigentlich überzeugen, auch wenn sie vor allem der Erleichterung entsprangen.

  • "Na bitte, geht doch." Die Freude stand dem Medicus ins Gesicht geschrieben. Schließlich konnte er sich nicht mit jedem Rekrut so lange aufhalten wie mit Milon.

    "Deinen Gleichgewichtssinn muss ich allerdings auch überprüfen, also Augen zu und entlang der weißen Linie." Er zeigte auf den Boden und während Rekrut Bas lief, hängte er eilig die Papyrusschnipsel unten um und in der Mitte neue auf. Die beiden mittleren Schnipsel zeigten Frauenperücken mit ähnlichen Frisuren. Den Haken hier stellten die verschiedenen Haarfarben dar, was die Farbtauglichkeit prüfte, sofern der Kandidat diesen annähernd einzige Unterschied überhaupt bemerkte. Es stellte eine Fangaufgabe, ähnlich einer Fangfrage dar.


    "Sehr schön", kommentierte er den Balancelauf mit geschlossenen Augen. "Jetzt noch der Sehtest. Was erkennst du auf den Bildern?"

  • Das Gleichgewicht zu halten, sollte kein Problem darstellen, also schloss Bas im Überschwang der Freude die Augen. Nun allerdings merkte er das flaue Gefühl im Magen, mit dem Milon ebenfalls kämpfte. Kurzzeitig wanke er, dann hatte er sich im Griff. Er atmete zweimal durch und hielt anschließend die Luft an, um sich auf den sicheren Gang zu konzentrieren. Nicht schnell, aber gefühlt ohne kippeln kam er am Ende an, und weil sogleich die nächste Aufgabe erteilt wurde, traute er sich, die Augen zu öffnen. Er blickte zunächst nach unten, um zu kontrollieren, wie weit er von der Linie wegstand. Er fand den Abstand gering.

    „Äh, Amphore.“ Er grinste und sah kurz zu Milon.

    Ein Blick auf die Schnipsel verriet, dass Man und Frau weg waren. Er sah zwei Perücken und weil es eben zwei waren, kratzte er sich am Kopf. An liebsten hätte er Milon um Rat gefragt, denn die Bilder sollten ja verschieden sein, aber ein Irrtum lag offensichtlich nicht vor.

    Er zuckte die Achseln.

    „Perücken.“ Wieder zuckte er mit den Schultern, ließ aber keine Pause zu, sondern sprach sofort weiter.

    „Ein Vogel, ein Raubvogel und ein Nachtvogel.“ Vielleicht beeindruckte das den Prüfer.

  • Während der Tauglichkeitsprüfung rührte sich Optio Gurges nicht vom Fleck. Er würde die beiden Experten in Empfang nehmen, weil sie ihm bei der Aufdeckung von Unzulänglichkeiten helfen sollten. Die Überprüfung hingegen dauerte ungewöhnlich lange. Entweder lag es daran, weil sie zu zweit geprüft wurden, oder einer genügte den Anforderungen nicht. Möglicherweise fielen beide durch, wobei dieser Fall kaum vorkam.


    Gurges harrte weiter aus - breitbeinig aufgestellt, die Arme vor der Brust gekreuzt und den Blick auf die Tür gerichtet.

  • Der Medicus verschmerzte die ausbleibende Feststellung der verschiedenen Perückenfarben, nachdem die kleinsten Bildchen korrekt benannt wurden.

    "Prima, so schnell kann die Tauglichkeitsprüpfung auch gehen." Er sah kurz zu Milon, dann setzte er im Eilverfahren die Haken bei Bas und gab diesem die Wachstafel zurück.


    "Glückwunsch, ihr habt beide bestanden. Ihr müsst noch euren Eid im Fahnenheiligtum leisten, dann seid ihr Tirones. Eure Cohors", er zog sich die Listen heran, die Auskunft über die Mannstärke der einzelnen Einheiten gaben, "hmmm, ich belasse euch hier in Regio VIII, Cohors VI. Ein späterer Wechsel ist unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Hier wird momentan jedenfalls der meiste Nachschub benötigt."


    Er blickte von Milon zu Bas und wieder zurück. "Bevor es losgeht, hier noch die übliche Belehrung." Das Nachfolgende brabbelte er schnell, weil er es schon unzählige Male heruntergeleiert hatte. "Die Vigiles gehören nicht zum Exercitus Romanus, unterliegen aber weitestgehend denselben Regeln. Ihr werdet zunächst als Tirones aufgenommen und erhaltet eine Grundausbildung, die insbesondere den Einsatz der Feuerlöschwerkzeuge beinhaltet, aber auch ein rudimentäres Kampftraining. Danach seid ihr ein vollwertiger Vigil und als solcher verantwortlich für Brandschutz, Brandlöschung, Verfolgung von kleineren Straftätern und entflohenen Sklaven, Nachtwache und Aufrechterhaltung des Kultes der Stata Mater."


    Er sah sich nicht genötigt, dies näher zu erläutern, dafür gab es die Ausbilder.

    "Es gibt drei Mahlzeiten am Tag und ihr wohnst in der euch zugeteilten Castra. In euren Fall also hier. Ohne Erlaubnis darf sich keiner von der Cohorte entfernen. Dies gilt insbesondere im Brandfall! Ihr habt sämtlichen Befehlen eurer Vorgesetzten ohne Widerspruch Folge zu leisten. Die Ausrüstung wird euch für die Zeit eures Dienstes gestellt. Wo ihr die bekommt, zeigt euch euer Centurio. Das ist", er suchte die Centuria mit dem größten Bedarf, "Centurio Ogulnius Simplex. Ihr verpflichtest euch für sechs Jahre zum Dienst. Dies ist kürzer als bei anderen Einheiten, allerdings haben die Vigiles auch das höchste Risiko für Tod, Verstümmelung, Erblindung und dergleichen durch Brand. Wenn ihr die sechs Jahre

    überlebt, erhaltet ihr die Möglichkeit, römischer Bürger zu werden, euch einen Gentilnamen zu wählen und in eine Bürgerliste eintragen zu lassen.

    Wenn ihr mit all dem einverstanden seid, geht ihr zum Fahnenheiligtum; ansonsten auf direktem Wege aus dem Haupttor wieder raus."

  • Ich fühlte mich Elend, geschwächt vom Hunger, von den Prüfungen. Sie hatten mir fast alles abverlangt, doch das alleine war es nicht. Wie in einem fernen Nebel hatte ich Bas Prüfungen mit bekommen. Die Prüfung von meinem Freund, dem ich nichts mehr gewünscht hatte, als
    das er sie bestehen sollte. Trotzdem etwas war da, etwas das tief in mir nagte. War ich betrogen worden?

    Die Worte des Medicus hörte ich, und auch wieder nicht. Hatte der eben unsere Freundschaft angegriffen? Mir ein Lächeln ins Gesicht zwingend schaute ich meinen Freund an. „Gratuliere, dann hast du es ja auch geschafft. Es bleibt doch dabei? Wir gehen zum Fahnenheiligtum und leisten den Eid?“

    Die Antwort wartete ich nicht wirklich ab, ging los und hoffte Bas würde mir folgen. Es würde noch ein wenig dauern, bis ich ihm wieder in die Augen schauen könnte. Fühlte sich so, Eifersucht an? Oder war
    es Neid.

  • „Hey, wir haben bestanden und bleiben zusammen.“ Vor allem das hörte Bas heraus und die Erleichterung stand ihm im Gesicht. Warum sich Milon nicht freuen konnte, verstand er nicht, aber es fiel ihm auf. „Danke man, ohne dich hätte ich es nicht geschafft! Klar bleibt es dabei, sonst wäre ja alles umsonst.“

    Er trottete Milon hinterher, stockte aber nach dem Passieren der Tür seinen Lauf. Da stand der Kerl, der sie von der Besenkammer zum Arzt gebracht hatte.

    „Wir müssen einen Eid leisten und haben gerade wenig Zeit.“ Einen Versuch, dem Kerl zu entkommen, war es wert. Hoffnung auf Erfolg hatte er wenig.

    Blitzartig kam ihm eine Idee, warum Milon so in sich gekehrt wirkte, und er freute sich plötzlich über den Kerl. „Kannst du uns vielleicht helfen? Meinem Freund geht es schlecht. Er hat großen Hunger und so ernst habe ich ihn noch nie gesehen. Hast du was zu essen für ihn? Es soll hier drei Mahlzeiten geben, aber ich fürchte, er hält nicht mehr lange durch.“

  • Wie es aussah, hatten die beiden nicht gelogen. Sie wollten sich hier bewerben und wer den Eid leisten sollte, hatte die Aufnahme bestanden. Seine Miene wurde freundlich, weil jeder potentielle Vigil gebraucht wurde.

    "Einverstanden, ich helfe euch und dann helft ihr mir. Wir müssen aber eine gewisse Reihenfolge einhalten. Zuerst den Eid, sonst gehört ihr nicht zur Truppe. Nur wer zur Truppe gehört, bekommt Essen. Nur wenn ich weiß, wo ihr stationiert seid, kann ich euch sagen, wo ihr das Essen bekommt. Also eins nach dem anderen. Hier entlang zum Fahnenheiligtum."

    Er schritt zügig aus, denn durch die ungeplanten Umwege innerhalb der Castra war er in zeitlichem Verzug.

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