Beleidigungen und Schmährede im alten Rom

  • Zitat

    Dennis Pausch: „Die Meinungsfreiheit der Römischen Republik ging stets mit Schmähfreiheit einher“


    Von der Antike herrscht bis heute oft ein verklärtes Bild. Der Philologe Dennis Pausch zeigt in seinem neuen Buch jedoch, wie robust zu Ciceros Zeiten diskutiert und beleidigt wurde. Im Interview erklärt er, warum Beschimpfungen in Athen und Rom so allgegenwärtig waren – und welche bemerkenswerten Parallelen es dabei zur Gegenwart gibt.

    https://www.philomag.de/artike…stets-mit-schmaehfreiheit


    über Schmähungen, Inszenierungen, Rhetorik, soldatische Spottverse, sexuelle Beleidigungen und agusteische Zensur.

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  • Ja, der Ton war damals wesentlich rauher als wir es heute für angebracht halten. Ich meinerseits bin froh, dass wir hier zwar viel, aber nicht ganz alles historisch korrekt machen. Ich würde mich dabei nicht wohl fühlen.

  • Interessanter Artikel, danke! Eine aufschlussreiche Analyse des damaligen Zeitgeists.


    Der Verfasser verkennt jedoch, dass sich das politische Feld heutzutage kaum anders ausmacht - jedoch sehr viel eleganter beleidigt wird. Mich faszinieren die raffiniert in Höflichkeit und Doppelbödigkeit verpackten Beleidigungen der Moderne, um den Gegner unangefochten von der Justiz nach Herzenslust schmähen und demütigen zu können. Mit welcher Raffinesse offene Beleidigungen und Verleumdungen umschifft werden und dabei dennoch alles gesagt wird, ist ein wahres Zuckerschlecken. Auf Facebook politische Debatten zu verfolgen, in denen sich die Teilnehmer freundlich siezen, während sie den Opponenten öffentlich demontieren, stellt für den rhetorischen Gourmet wahres Festessen dar.


    Dagegen muten die gängigen Beleidigungen der Antike zwar kurzfristig recht witzig an, so lange man nicht der Geschmähte ist, aber auf Dauer langweilen sie in ihrer Plumpheit. Die Zuhörer stumpfen dagegen ab. Wenn ohnehin jeder politische Gegner (und sogar jeder Feldherr) eine "Schwuchtel" ist, welchen Effekt hat diese Bezeichnung dann überhaupt noch auf die Rezipienten? Ich vermute, dies wird einer der Gründe sein, warum diese uns so derb erscheinenden Beschimpfungen derart verbreitet waren - sie wurden ob ihrer Allgegenwart als nicht halb so vernichtend empfunden, wie das heute der Fall wäre.


    Das erinnert mich an einen Bekannten, der seine engsten Freunde zur Begrüßung mit "Hey, Arschloch" anbrüllte und sie dann liebevoll durchknuddelte. Er nannte nur die Leute "Arschloch", die ihm am Herzen lagen.

  • Wenn ohnehin jeder politische Gegner (und sogar jeder Feldherr) eine "Schwuchtel" ist, welchen Effekt hat diese Bezeichnung dann überhaupt noch auf die Rezipienten?

    Es war Teil eines Rituales. Wenn ein Politiker nicht derbe beleidigt wurde, war er nicht wichtig genug. Vielleicht hat diese Ritualisierung, das römische Dissen, aber gerade vor tiefen seelischen Verletzungen bewahrt, wie das heutzutage ja in den Social Media geschieht.

    (Oder die Römer waren da allgemein resilienter, scheint mir, wenn man sich betrachtet, was sie so unter "Unterhaltung" verstanden. )

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  • Ritualisierte Sprüche haben nichts mit oder verbalen Angriffen oder gar Mobbing zu tun. Man darf diese Dinge nicht miteinander vermischen. Siehe mein obiges Beispiel. Auch Leute, die in einem derben Umfeld aufwachsen, wissen einen tatsächlichen Angriff zu erkennen und zu bewerten. So wird es auch bei den Römern gewesen sein. Die vernichtende Rede des Cicero über Catilina hat diesen gesellschaftlich zerstört und am Ende umgebracht. Mit irgendwelchen Ritualen hatte das nichts zu tun.

  • Ja, stimmt, weshalb meine Sympathien auch immer bei Catilina lagen.=)


    Ich bezog mich auf das, was ich von dir zitiert habe, nämlich die Beleidigung als "passiver Homosexueller".

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  • Dito, nach der Rede erscheint Cicero wie ein übler Unsympath, auch wenn man im Hinterkopf behalten muss, dass es auch für ihn um Leben und Tod ging. Sein Wort war seine Waffe und er führte sie gnadenlos. Trotzdem ist es Catilina, der mein Mitgefühl und meine Sympathie genießt.


    Zitat

    Oder die Römer waren da allgemein resilienter, scheint mir, wenn man sich betrachtet, was sie so unter "Unterhaltung" verstanden.


    Ich finde, dass sich die blutige Form der Unterhaltung im Grunde nicht sonderlich von der heutigen unterscheidet ... Stichwort Skandaljournalismus, bei dem der Konsument durch das sehr reale Leid anderer Menschen ganz vortrefflich unterhalten wird. Etwas, das vom Großteil der Bevölkerung als normale, alltägliche Form der Unterhaltung wahrgenommen wird.


    Auch Youtube ist voll von Aufnahmen, die grausame Schicksale von Mensch und Tier zum Inhalt haben und die keineswegs der Information dienen. Schwere Unfälle, Todeskämpfe, Hinrichtungen ... alles online zu finden, wenn nicht auf YT dann anderswo. Jeder noch so abgründige Geschmack wird bedient. Was unterscheidet den modernen Menschen also vom Römer, der sich an den blutigen Darbietungen in der Arena ergötzt, außer die Tatsache, dass unsere Arenen uns virtuell ganztags zur Verfügung stehen?


    Wenn ich so darüber nachdenke, glaube ich, dass der durchschnittliche moderne Mensch sogar noch viel abgestumpfter ist als unsere Vorfahren in der Antike.

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