[Casa Mamilla] Was später geschah

  • Zwei weiße Schwestern und ein Liktor >>>


    War eine Vestalin schwer krank, so wurde sie nicht in das Atrium gebracht, sondern in die Obhut einer sittenstrengen älteren Matrona gegeben.

    Zwar waren das über die Schwesternschaft hereingebrochene Ereignis noch tragischer als Krankheit, doch in der Nähe des Mercatus lag die ehrwürdige Casa Mamilla.

    Dorthin geleitete Valeria Maximilla die Sänfte mit der Toten. Mater Familias war die ältere und sehr zurückgezogen lebende Sentia Tigellina, die schon manchmal schwer erkrankte Vestalinnen gepflegt hatte.


    Einer der Sklaven klopfte, und der dortige Ianitor rief sofort seine Herrin heraus.

    „Unsere geliebte Virgo Vestalis Maxima ist gerade in meinen Armen verstorben.Sie hatte zu viel Blut verloren und ist nicht mehr aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht.“, sprach Maximilla mit Tränen in die Augen:

    „Ich bitte dich um deine Gastfreundschaft und deinen Beistand.“

    Sentia Tigellina gewährte dies und wusste, was zu tun war.


    Bedienstete aus dem Atrium kamen wenig später zur Casa Mamilla, um die geliebte Verblichene herzurichten und sie in lange weiße Leinenbinden zu wickeln. Außerdem nahmen sie ihr einen Wachsabdruck ihres Gesichtes ab.

    Ihr Bildnis würde gemeinsam mit dem ihrer Vorgängerinnen im Atrium Vestae aufbewahrt werden, so lange Roma bestand und die göttliche Vesta verehrt wurde.


    Während allerseits Wehklagen begann, kehrte Schwester Valeria in einer Kutsche mit Liktor in das Atrium Vestae zurück.

    >>> Exedra

  • Das Szenario:

    Der Leichnam der Virgo Vestalis Maxima war gewaschen, mit wohlduftenden Harzen parfümiert, in blendend weiße Gewänder gehüllt und mit den Füßen in Richtung der Tür in dem Cubiculum aufgebahrt worden, in das man sie zunächst gebracht hatte.

    Nach der Abnahme des Wachsabdruckes legte man ihr nach griechischer Sitte eine Münze unter die Zunge. Hier war es ein römischer Denar aus der Zeit der Republik  mit der Abbildung des Atrium Vestae .

    Die Totenwache, die durch die Hausherrin und ihre Frauen gehalten wurde, das rituelle Klagen und Weinen, dauerte sieben Tage an. Danach würde die Priesterin - die Vestalinnen hatten das Recht, innerhalb des Pomerium bestattet zu werden - in einem pompösen Leichenzug in die gemeinschaftliche Grabkammer überführt werden. *

    An der Porta der Casa Mamilla waren zum Zeichen, dass darin eine Totenwache stattfand, Zweige von Immergrün und Stechpalmen aufgehängt.

    Die Urbaner und andere Amtspersonen würden sich jedoch unter den wachsamen Augen der Matrone Tigellina und deren Ehemann, dem schon greisen Mammius Planta, frei bewegen und alle ihre notwendigen Untersuchungen anstellen können.**




    Sim-Off:

    ** dürfen alle mitgespielt werden

  • Cornicularius Octavius Räusperte sich. "Könnte ich bitte das Messer in dem ungesäuberten Zustand erhalten. Ferner wird unser Medicus, Sisenna Iunius Scato vorbeikommen und sich den Leichnam anschauen."

    Der Octavier würde die Leiche nicht berühren und dies Scato überlassen.

  • Bevor sich jemand über die Frage von Cornicularius Octavius wundern konnte, nickte Herminia nach allen Seiten, bückte sich und zog den geflochtenen Korb unter der erhöhten Bettstatt heraus. Darin befand sich das Messer. Die Aeditua hoffte nur, der Soldat würde diesen unheiligen Gegenstand nicht sofort herausholen.

    Mammius Planta, der Herr des Hauses, gab seine Zustimmung zu des Urbaners Worten, obwohl seine Gattin über die Ankündigung, dass profane Soldatenhände den Leichnam der Obervestalin berühren wollten, die Stirn runzelte . Aber sie war eine im traditionellen Geiste erzogene Matrona und hätte nie ihrem Gatten in der Öffentlichkeit Widerworte gegeben.


    "Der Cornicularius weiß genau, was zu tun ist.", sagte Herminia Tarpa schnell:

    "Wenn der Medicus kommt, schickst du bitte die Klageweiber aus dem Zimmer. Doch ich werde bei der Untersuchung dabei bleiben, damit der Anstand gewahrt wird."

    Das nichts, was innerhalb der Casa geschah, deren Mauern verließ, war selbstverständlich, nicht umsonst war Sentia Tigellina mit der Pflege der Priesterinnen betraut gewesen. Und ob Herminia Tarpa wirklich bei der Obduktion dabei sein würde, war zweitrangig. Wichtig war nur, dass es jeder für wahr halten würde.

  • Der Ianitor der Casa Mamilla öffnete die mit Immergrün und Zypressenzweigen geschmückte Porta und wusste sogleich, wer der Besucher war, weil ihn sein Dominus oben auf die Liste der Personen gesetzt hatte, die ungehinderten Zutritt zur collocatio funebris der Obervestalin hatten: "Salve, tritt ein Dominus Octavius".

    Er schickte einen Jungen auf Grunde der Abwesenheit des Pater Familias zu seiner Herrin Tigellina, und diese ließ Herminia Tarpa, die die öffentliche Aufbahrung beaufsichtigte, herbei holen.

    Auch die Aeditua nickte mit dem Kopf zur Begrüßung. Sogar ein scheues Lächeln wagte sie, da der umsichtig vorgehende Cornicularius ihr Vertrauen gewonnen hatte. Mittlerweile existierte aber auch eine pontificalische Anordnung, mit den Cohortes Urbanae zu kooperieren:

    "Salve Cornicularius Octavius", sprach Herminia Tarpa:"Kann ich dir weiter helfen? Hast du denn den Medicus mitgebracht?"

    Die ärztliche Untersuchung der Verblichenen war angekündigt gewesen, und sie schaute hinter den Octavius.

  • „Salve Herminia Tarpa, der Miles Medicus Iunius Scato, wird noch vorbeikommen und ich bitte darum ihn in aller Ruhe alleine ungestört arbeiten zu lassen.

    Ich selber würde gerne mit der Virgo Valeria Maximilla und Liktor Caius Lucceius Aterianus sprechen. Es wäre sehr hilfreich, wenn die beiden zeitgleich hier erscheinen würden. Ein Raum in dem wir ungestört sprechen können
    steht uns dann doch bestimmt zur Verfügung?"

    Der Octavier schaute Herminia freundlich an, so wie sie sich bis jetzt verhalten hatte, würde sie bestimmt dafür

    sorgen, dass alles wie gewünscht ablief.

  • „Das werden wir einrichten, wir schicken die Klageweiber und Besucher fort, wenn der Miles Medicus eintrifft.“, versprach Herminia Tarpa: „Und den Liktor Caius Lucceius Aterianus kann ich sofort rufen lassen. Der Hausherr hier stellt dir ein Officium zur Verfügung und einen Sklaven vor die Tür, der dafür sorgt, dass du in allem ungestört bist.

    Doch mit der Virgo Valeria wirst du kein Gespräch führen können, Cornicularius Octavius. Wir fanden sie stumm wie eine Statue vor. Wir wissen nicht, ob Vestas Hand auf ihr liegt oder ob sie gar gefrevelt hat und bestraft wird
    oder...“,
    nicht alles, was an Seltsamen geschah hatte einen übernatürlichen Ursprung, dies war der Aeditua auch bewusst:

    “….ob ihr Gemüt krank wurde, und sie sich mit Ruhe und Pflege durch die Matrona Tigellina wieder erholt.

    Wenn du es wünschst, kannst du ihr freilich Fragen stellen, und sie antwortet dir auf einer Wachstafel. So hält sie es gerade mit uns allen.

    Möchtest du denn hier warten, bis der Liktor eintrifft, Cornicularius Octavius? Dann bitte ich Tigellina gleich um die Räumlichkeit."

  • Frugi versuchte sich den Schrecken über den Zustand der Vestalin nicht anmerken zu lassen.

    "Gut dann warte ich zuerst auf den Liktor hier und später werde ich dann nach der Virgo Valeria schauen. Auf jeden Fall muss ich mich selber überzeugen, denn auch ich muss Rechenschaft ablegen. Wie sieht es mit den Sklaven aus? Natürlich haben die nur Befehle ausgeführt, doch Tatzeugen sind sie bestimmt. Es ist doch bestimmt kein Problem sie hierher zu rufen? Oder?"

  • Herminia nickte, und sie sagte einer Sklavin leise Bescheid, und das Mädchen ging und kurze Zeit später wurde eines der Officia geöffnet: Ein eher schlichter Raum mit einem Schreibtisch, hinter dem ein Stuhl mit einer Lehne, vor dem zwei metallene Klappstühle standen.

    Der Vorteil dieses Officiums bestand in seiner Lage abseits vom Kommen und Gehen der Hausbewohner und Besucher. Nur ein einziges vergittertes Fenster führte auf das Peristyl hinaus; und wenn man die massive Tür zuschloss, war man nahezu unsichtbar.

    Auf Octavius´ Frage nach den Sklaven antwortete Herminia Tarpa:

    „Die Virgo Vestalis Maxima und Discipula Valeria waren ganz ohne Sklaven unterwegs. Ich kam erst dazu, als Schwester Valeria nach mir schickte. Ich brachte vier Sänftenträger und zusätzlich vier Haushaltssklaven mit an die Stelle. Eigentlich unterstehen die Sklaven Cominius Sporus, der für die groberen Arbeiten zuständig ist. Aber er lieh sie mir aus.

    Wir alle jedoch haben den Mord an der Obervestalin und was darauf folgte, nicht mit eigenen Augen gesehen."


    Herminia Tarpa schluckte. So sehr sie es sich auch gewünscht hatte, hatte die göttliche Vesta das Los nie auf sie fallen lassen und sie als ihre Priesterin erwählt. Sie war jedoch jungfräulich geblieben wie eine der Virgines Vestales und diente den Priesterinnen mit großer Ergebenheit. Ja, jeder war Gehorsam schuldig denen, die über ihm standen. Auch ein Cornicularius war da keine Ausnahme und musste Rechenschaft ablegen, wie er gerade selbst gesagt hatte.

    Nun übernahm die Aeditua die Verantwortung für ihre Anordnung:

    „Da wir beschlossen hatten, Cornicularius Octavius, vorläufig geheim zu halten, was geschehen war, war ich es ganz allein, die befohlen hat, alle Spuren des Geschehenen zu beseitigen.

    Den Leichnam der teuren Maxima nahmen wir mit uns. Die Leiche der Mörderin konnten wir schlecht mitnehmen, sie hätte jeden verunreinigt, der mit ihr zu tun hatte.

    Also räumten die Arbeitssklaven auf, so gut sie es verstanden und bestreuten die Blutflecke mit Sand, bis deine Männer und du sie bei ihrem Tun unterbrachen.“


    Das sie versucht hatten, die Mörderin der Maxima in seinem Sack zu entsorgen, erwähnte Herminia Tarpa nicht noch einmal:

    „Natürlich kannst du jederzeit über die vier Sklaven des Atriums verfügen. Wohin möchtest du sie haben?“

    Etwas bekümmert schaute sie drein ob dem, was den Unfreien während eines Verhörs drohen konnte, aber der Befehl des Kaisers, den Urbanern in allem Unterstützung zu gewähren, war eindeutig.


    Wenig später traf Liktor Caius Lucceius Aterianus ein. Wie fast alle, die mit den Vestalinnen zu tun hatte, war er ein reifer Mann, grauhaarig und zurückhaltend. Er kannte den Urbaner schon von der Befragung im Atrium. Wenn er erstaunt war, weshalb er noch einmal vorsprechen sollte, zeigte er es mit keiner Regung.

    „Salve Cornicularius Octavius“, grüßte er und blieb in angemessenem Abstand stehen.


    Herminia Tarpa, die ihm das Officium gezeigt hatte, zog sich zurück.

  • „Ja es muss sein, die Sklaven zu sprechen gehört dazu. Ob jeden Einzeln oder sie gemeinsam entscheide ich noch,“ antwortete der Cornicularius. Dankend nickte er Herminia zu, als der Liktor den sorgfältig ausgesuchten Raum betrat.

    „Salve Liktor Caius Lucceius Aterianus“, grüßte er zurück. „Du wirst dich wundern über die nochmalige Befragung, doch dies muss sein. Du warst Begleiter der Vestalinnen, als diese den Markt besuchten? Warum waren sie dort? Nicht jeder Einwohner oder Besucher Roms erkennt Vestalinnen, damit wären sie nicht vor Berührungen sicher. Davor mag einer alleine sie doch nicht beschützen können. Zumal in einem solchen Gedränge was dort meist herrscht. Ist das der normale Verlauf eines solchen Besuches? Wer bestimmt, wer und wie viele Beschützer solch einen Einkauf begleiten?
    Musste ausgerechnet die Virgo Vestalis Maxima den Einkauf selber tätigen? Warum? Hatte sie kein Vertrauen zu
    anderen Vestalis?“
    Aufmerksam hatte der Octavier den Liktor bei seinen Fragen beobachtet.

  • Lucceius Aterianus nickte:

    „Ja, das ist richtig, Cornicularius. Ich bin einer der Liktoren, die dazu auserwählt sind, die Vestalischen Jungfrauen zu geleiten.

    Nicht jeder Einwohner in Roma erkennt die Vestalinnen, hast du gesagt?",er seufzte leicht:

    „Dann hat sich das geändert in den letzten Jahren. Aber es gibt ja mittlerweile genügend Fremdländer und Barbaren hier in der Urbs, die nichts von dem Mos Maiorum wissen und noch weniger davon halten.

    Die heilige Schwesternschaft der göttlichen Vesta besteht doch schon mindestens so lange wie unser Roma Aeterna.


    Wenn die Priesterinnen in die Öffentlichkeit treten, tragen sie blendendes Weiß, ihre Suffibula, die langen viereckigen Schleier, die Kopfbinden und eine weiße Stola. Sie gehen immer paarweise, und vor ihnen schreitet ein Liktor her.

    Die Bürger machen ihnen für gewöhnlich Platz. Man schreibt den Vestalinnen auch bestimmte Kräfte zu: Jemand, der unter der Sänfte einer Vestalin durchgeht, muss sterben, beispielsweise.*

    Wir Liktoren sind heutzutage jedoch keine wirklichen Leibwächter mehr. Da wären Praetorianer sinnvoller, würde ich meinen. Wir tragen das Rutenbündel als Zeichen der Macht. Wir gehen Amtsträgern voraus und machen den Weg frei und verschaffen Respekt, aber eigentlich vertrauen wir darauf, dass uns die Bürger freiwillig aus dem Weg gehen.

    In den alten guten Zeiten haben wir zuweilen mit Riemen zugeschlagen, aber auch das war lange nicht mehr notwendig.

    Niemand hat mir bisher Vorwürfe gemacht, doch ich selbst mache sie mir. Ich konnte das Leben der Oberpriesterin nicht beschützen, so sehr ich es mir gewünscht hätte.

    Welch großes Unglück.“

    Er seufzte wieder betrübt, während er überlegte, um die Fragen des Urbaners korrekt zu beantworten:

    "Nun, jede Vestalin hat das Ehrenrecht auf einen Liktor. Schwester Valeria ist allerdings erst eine Schülerin, daher kann es sein, dass Sporus nur an einen dachte. Der Aedituus Titus Cominius Sporus teilt uns zum Dienst ein.

    Ob und warum die Vestalis Maxima den Einkauf selbst tätigen musste...es tut mir Leid, in religiösen Fragen bin ich nicht bewandert. Das muss dir jemand anderes beantworten, Cornicularius Octavius."


    Der Liktor fasste sich nun an den Kopf und schüttelte ihn dann:

    "Dies hier ist nicht mehr das Rom meiner Jugend. Wie sehr muss man unsere Götter hassen, um eine Vestalische Jungfrau zu töten! Ich kann es immer noch nicht fassen."


    Sim-Off:

    * Nach Plutarch, Numa

  • "Wäre es nicht sinnvoll, wenn wie du sagtest, die Priesterinnen paarweise hinter dem Liktor schreiten, auch hinter den beiden ein Liktor geht? Denn gerade Angriffe, besonders feige, werden doch von hinten ausgeführt. Zumindest würde es doch abschrecken. Das nur aus meiner Sicht betrachtet. Mit einem liegst du sicher richtig, das Leben in Rom hat sich bestimmt verändert, es ist bestimmt der Preis für das Wachstum des Imperiums.

    Du hast also nichts von dem Angriff auf die Virgo Maxima mitbekommen? Doch bestimmt davon wie es zum Tode der mutmaßlichen Attentäterin kam. Wurde er von der Vestalin Valeria durchgeführt? Ob ihre Tat Schuld an ihrer plötzlichen Verstummung ist? Was bei dem was geschehen und sie gerade gesehen hatte verständlich wäre. Eine
    Reflexhandlung oder eine Schutzhandlung, weil sie vielleicht Angst um ihr eigenes Leben hatte? In meinen Augen wäre es eine menschliche Reaktion.“

    Nachdenklich schaute Frugi ins Leere. Alles wäre so möglich gewesen. Es wäre gut wenn Minerva ihn erleuchten würde, damit er die richtigen Fragen stellte.

  • „Dein Vorschlag ist sogar sehr sinnvoll, Cornicularius.“, erwiderte Liktor Lucceius:

    „Ein Liktor im Rücken und womöglich auch Praetorianer in Zivil an den Seiten. Das wird die Zukunft werden. Der verehrte Kaiser hat uns bereits welche zugesagt.

    Wir werden auch am und im Atrium Vestae selbst Wächter brauchen. Bisher hatte jeder Bürger bis Sonnenuntergang freien Zutritt.

    Ein Angriff auf die Vestalinnen ist ja nicht nur ein Angriff auf irgendwelche Jungfrauen, sondern auf das römische Reich selbst. Der symbolische Schutz von togatragenden Männern mit Rutenbündeln über der Schulter ist zu wenig, das haben wir auf bittere Weise erfahren. So etwas funktioniert nur, wenn alle die Symbole verstehen und respektieren.“

    Wieder überlegte er und antwortete:

    "Ich kann nur die gleiche Auskunft geben wie schon damals im Atrium: Ich schritt voraus, und die Sacerdos Maxima ging neben ihrer Discipula und redete mit ihr. Ich drehte mich erst um, als ich an einer Bewegung spürte, dass etwas nicht in Ordnung war, denn niemand hatte einen Laut von sich gegeben. Die Obervestalin lag am Boden, die Discipula kniete bei ihr, und die Frau, die zugestochen hatte, stand vor ihr und hielt das Messer in der Hand. Schwester Valeria erhob sich, forderte die Waffe ein und bekam sie für einen Moment. Dann machte die Angreiferin eine rasche Geste auf sie zu, und ich musste sie aufhalten, dabei habe ich sie getötet.

    Das hört sich an wie eine Ewigkeit, aber praktisch geschah alles innerhalb weniger Augenblicke. "


    Die Mörderin war eben nicht direkt nach der Tat getötet worden.

    Schwester Valeria hatte erstaunlicherweise die Nerven behalten, behauptet, die Obervestalin habe nur einen Schwächeanfall und äußerlich äußerst gefasst darauf gewartet, dass die Sklaven mit der Sänfte, Herminia Tarpa und weitere Sklaven herbei eilten.

    Erst dann hatte Schwester Valeria Lucceius zugenickt, in Einverständnis, die Frevlerin zu richten.


    Wie gesagt, Lucceius wollte Valeria Maximilla schützen, denn ihre Schuld hätte in seinen Augen nichts mehr an der Sache geändert. Wenn wirklich die göttliche Vesta sie mit Stummheit geschlagen hatte, war sie gestraft genug:


    „Die Schülerinnen bleiben am Anfang ihrer Lehrzeit im Atrium. Ich glaube, es war das erste Mal, dass sich Schwester Valeria in der Öffentlichkeit präsentierte."

    Hier irrte er, da Maximilla zuvor die Erlaubnis erhalten hatte, an der Hochzeitsfeier von Iulia Stella teilzunehmen. Aber auch hier waren sie zu zweit gewesen und nur sehr kurz geblieben:

    „Ich habe selbst Töchter in dem Alter. Die wären auch versteinert vor Schreck, hätte man ihre Lehrerin vor ihren Augen erstochen. Die junge Vestalin Valeria hat niemanden eigenhändig getötet, das nehme ich auf meinen Eid. Ich bin es gewesen, weil ich nicht wusste, was die Mörderin noch vorhatte. Sie hätte noch weitere Waffen dabei haben können.

    Tausendfach hat es das Weib verdient, dass ich es dort hingeschickt habe, wo es herkam: In den Orcus.


    Nur dass ich sie euch Urbanern zum Verhör nicht ausliefern konnte, das bedaure ich im Nachhinein sehr. Ich weiß, dass ihr oder die Schwarzen sie zum Sprechen gebracht hättet. So weiß leider keiner, ob es eine verwirrte Frau war, die der nackte Wahnsinn jagte oder ob es noch mehr von ihrer Sorte gibt."


    Herminia Tarpa klopfte an die Porta des Officiums, und sie sagte durch die geschlossene Tür:

    "Cornicularius Octavius, die von dir angeforderten Sklaven sind da."

    Sie befahl den vieren, vor der Tür zu warten.


    Der Liktor Lucceius jedoch horchte auf. Die Sklaven kannten den genauen Ablauf der Ereignisse. Er wollte nur darauf hoffen, dass sie so ergeben und treu waren, dass sie lieber sterben würden als eine ihre Herrinnen ins Zwielicht zu setzen. Dann fiel ihm ein: Es waren vier eher schlichte Gemüter. Daher der Sack und das Entsorgen im Tiber. Sie würden die Wahrheit sagen, so weit sie sie wussten.

  • Interessiert hörte Frugi den Ausführungen des Liktors, über das Leben einer Vestalin zu. Als normaler Bürger machte man sich meist nur wenig Gedanken über ihr Leben. Man wusste über ihre Bedeutung und achtete sie, doch mehr war meist nicht zu erwarten.

    Ja, bei der Toten konnte er nichts mehr zu dem Tat Hergang erfahren. Trotzdem, für den Octavier hörte sich alles zwar schlüssig an, dennoch hatte er Zweifel. Er gestand die Tat bestimmt nur, um die Vestalin Valeria zu schützen, was in seinen Augen nur zu verständlich. Der Liktor nahm seine Aufgabe sehr ernst. Seinen gerechten Zorn, über die schändliche Tat, konnte Frugi auch nachvollziehen, doch da waren eben die restlichen Zweifel.

    „Gut, ich möchte zunächst die Sklaven sprechen“, meinte er zögernd „würdest du bitte draußen warten, es könnte sein, dass ich weitere Fragen habe. Schicke mir die Sklaven herein.“

    Den Liktor warten zu lassen schien ihm wichtig, er wollte auch damit noch Einflussnahme von außen verhindern.


    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Verhör der Sklaven


    Aufmerksam schaute der Cornicularius die Sklaven der Reihe nach an. Wie sie so vor ihm aufgebaut da standen, sah er ein Häufchen Sklaven, wie sie über all im Reich zu finden waren. „Wie lange steht ihr schon im Dienst der Vesta?
    Wem untersteht ihr? Wer hat euch gerufen um Ordnung zu schaffen? Wer von euch hat das Messer weggenommen und wem dann gegeben.“

    Schnell hintereinander ließ der Cornicularius die Fragen auf die Sklaven niederprasseln. Er hatte schon auf dem Marktplatz bemerk, sie waren ängstlich. In ihrer Panik wäre es möglich, dass sie einander widersprachen.

  • Nun trat der Liktor aus der Tür. In seinem Herzen war er froh, soviel Verständnis bei dem Urbaner gefunden zu haben. Denn wer, wenn nicht sie alle, waren Rom?

    Die einzige Bitterkeit, die er fühlte, war die, die Maxima verloren zu haben. Cornicularius Octavius hatte Recht. Die Zeiten änderten sich. Lucceius wusste nur nicht, ob er diese neuen Zeiten haben wollte. Nur die Zeiten würden ihn nicht danach fragen, ob er sie wollte, nahm er an.


    Er bedeutete den vier Sklaven, in das Officium einzutreten.


    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Verhör der Sklaven



    Die vier Sklaven des Atrium waren Männer, die aussahen wie viele Servi Publici; sie trugen verwaschene, jedoch saubere Tunikas und waren ausnahmslos kräftig. Der Älteste von ihnen hatte schon einmal mit dem Cornicularius gesprochen. Er hieß Dacus. Da das Schicksal sie zu den Vestalinnen geführt hatte, fühlte sich zumindest Dacus selbst ein wenig auserwählt. Ansonsten hatten sie am liebsten in der Stille des Atriums gewerkelt, und vor der Wucht der Ereignisse, in die sie gezogen worden waren, fürchteten sie sich.


    Dacus neigte den Kopf und gab dem Urbaner eine von Herminia Tarpa beschriftete Wachstafel, auf der ihre Namen standen:

    Die Sklaven: Dacus, 42 Jahre, Medus 33 Jahre, Lacedaemonius 30 Jahre, Fronto,17 Jahre



    „ Ich stehe nun im fünfzehnten Jahr im Dienste der Vestalinnen, Dominus Miles.“, antwortete Dacus, der meist für die Gruppe sprach, weil er der Dienstälteste war: “Die anderen.“,er wies auf sie in der Reihenfolge seiner Worte: „ Zehn, sieben und fünf Jahre. Wir unterstehen dem Aedituus Vestae, Dominus Cominius, der auch den Zutritt in das Atrium regelt und die Liktoren einteilt.

    Es war an jenem Unglückstag, als Dominus Cominius vier von uns zu sich rief. Wir sollten sofort mit Domina Herminia Tarpa mitgehen. Sie nahm eine Sänfte und vier Träger, und wir folgten ihr zu Fuß.

    Aber ein Messer, nein, das haben wir nicht angefasst!“, mit großen Augen schauten nun alle drein: „Wir wissen doch, dass uns Waffen verboten sind!“


    „Wir kamen an, und da standen drei Personen: Schwester Valeria, der Liktor Lucceius und eine Unbekannte, so ein altes Weib. Und die Vestalis Maxima lag am Boden. Erstmal hat Domina Herminia befohlen, ihr zu helfen, sie in die Sänfte zu schaffen. Sie war ja zusammengebrochen, hieß es.

    Als wir damit fertig waren, befahl sie uns, so aufzuräumen, dass keine Spur mehr von irgendetwas zu sehen wäre.

    Jetzt sahen wir erst das ganze Blut.

    Und die Alte lag mittlerweile auch auf dem Boden. Ich horchte noch einmal an ihrer Brust. Mausetot.

    Die Sacerdos Valeria und Herminia sind dann mit der Obervestalin mitgegangen, und wir blieben alleine zurück. Natürlich führten wir den Befehl von Domina Herminia aus.", fuhr Dacus fort und etwas grimmig: „Wärst du nicht dazwischengetreten, Dominus Miles, hätten wir unseren Auftrag ordentlich erledigen können.“


    Die anderen Sklaven schauten nicht sehr glücklich drein, aber sie nickten: „Wir tun ja nur was man uns befiehlt. Aber wir haben noch nie jemanden Toten aufräumen müssen. Wenn die nicht ordentlich begraben werden, kommen sie wieder als Plage...“

    „Doch nicht wenn eine der Vestalinnen das befohlen hat, dann ist es der Wille der Göttin!“, sprach Dacus mit gewissem Stolz.


    Etwas ungläubig blickte der Jüngste der Gruppe, ein breitschädliger Jüngling, der deshalb Fronto gerufen wurde, hoch. Er sah aus, als würde ihm gleich übel werden, ganz blass um die Nase.:

    „Aber wir Jungs haben aufräumen müssen und wussten echt nicht, was tun. Wir wollten keinen Ärger, und haben die Leiche in einen Müllsack gestopft. Und dann ab in den Tiber. Und jetzt haben wir Ärger. Du weißt schon, dass wir verkauft werden?! Oder Schlimmeres. Wir sind für das Atrium nicht mehr tragbar hieß es."


    „Sowas würden die Priesterinnen uns nie antun.“, widersprach Dacus: „Und ich weiß nix von einem Messer, ich schwöre es bei dem Genius des Dominus Cominius.“

    Der Breitschädlige war aber anderer Meinung, er flüsterte: „Es gab ein Messer, Dacus. Wir hatten es nicht in unseren Händen, das ist richtig. Ihr habt es nicht gesehen, weil ihr die Domina Vestalis Maxima getragen habt, aber ich blieb zurück, weil ich mir einen Bändel schnüren musste. Wenn ich alles sage, was ich gesehen habe, passiert uns doch nix, Dominus Miles?"


    Fronto rieb sich jetzt eine Träne aus dem Gesicht.


    "Domina Virgo Vestalis Valeria hatte einen Einkaufskorb dabei, Dominus Miles.*", sagte er mit fester Stimme: "Sie gab ihn Dominus Liktor Lucceius. Da lag wohl ein Messer drin. Denn er nahm den Korb, holte es heraus und hat das alte Weib abgestochen. Und dann hat er das Messer wieder zurückgelegt in den Korb und ihn Domina Valeria wieder gegeben."



    Sim-Off:

    * Das wird hier berichtet


  • Octavius schaute die Sklaven nochmal nacheinander prüfend an. So wie er das sah, sagten sie die Wahrheit. Es deckte sich mit den vorherigen Aussagen. Fronto, der Jüngste besaß den Mut und machte seine eigene Aussage, trotz seiner Angst. „Gut ihr könnt jetzt gehen, ihr habt das gemacht was man euch Auftrug. Ihr wart bemüht die Wahrheit zu sagen.“

    Er selber öffnete ihnen die Türe, schaute hinaus zu Liktor Lucceius. „Auf noch ein paar Worte.“


    Dem Cornicularius ging es nun darum, festzustellen wie verschwiegen alle waren, denn das war das Anliegen seines Praefecten. „Sag mir, die Sklaven werden die nach besonderen Kriterien ausgesucht, genau wie die Liktoren? Wie lange arbeiten sie im Dienst der Vesta? Kommt es oft zu wechseln?“

  • Die Sklaven neigten leicht die Köpfe, die Hände auf die Rücken gelegt. Fronto schniefte. Dann marschierten sie nach draußen, an Liktor Lucceius vorbei. Dieser trat ein und schaute den Urbaner trübsinnig an.


    "Die Sklaven verlassen normalerweise bis sie ernstlich erkranken oder sterben, das Atrium Vestae nicht.", antwortete er auf die Frage. Den Sinn dahinter verstand er:

    "Ihre Zucht ist streng. Einige von ihnen werden ....nun ja wunderlich. Von fanatischer Ergebenheit, da die Göttin Vesta sie ja auch ausgewählt hat. Ansonsten sprechen sie nie mit jemandem außerhalb des Atriums. Sie gehen nur nach draußen wenn sie einen Auftrag haben.

    Wenn du aber Sorge hast, sie könnten nicht verschwiegen sein, Cornicularius, könnte ich Cominius ausrichten, er soll den vieren die Zungen herausschneiden lassen. Das wäre dann eine Sorge weniger."


    Sein Blick wurde forschender. Er hätte gerne erfahren, was die Sklaven dem Cornicularius berichtet hatten. Aber es ging ihn nichts an.

    Sein Vorschlag war gar nicht grausam gemeint. Denn so könnten die Sklaven immer noch ihren Pflichten nachkommen und mussten nicht in die Fremde verkauft werden. Oder noch Unangenehmeres.

  • Sein entsetzen über das Angebot von Lucceius Aterianus, konnte Frugi verbergen. Es war nicht seine Aufgabe eine
    solche Strafe zu verhängen. Er hatte auch nicht die Befürchtung die Sklaven würden ihr schweigen brechen, so verängstigt wie die waren.
    „Die göttliche Vesta wird bestimmt selber über eine solche Vorsichtsmaßnahme bestimmen. Doch nochmal zu den Liktoren kommend. Du sagtest Aedituus Titus Cominus Sporus teilt die Liktoren ein. Wie ist das, Liktoren rekrutierten sich aus römischen Bürgern und vor allem Freigelassenen, braucht es nicht besonderer Auswahlkriterien für den Dienst im Tempel der Vesta? Wie kamst du selber dazu. War es dein Wunsch hier zu dienen? Wer nimmt einen Liktor hier auf?“

    Der Cornicularius stellte diese Fragen um sich abzusichern. Der Praefectus Urbi hatte einen scharfen Verstand und hinterfragte gerne alles. Er wollte so gut wie möglich gerüstet sein.

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