[Agora] Der Geschichtenerzähler

  • Auf der Agora von Caesarea gab es außér Händlern auch vielerlei Volk, welches sich der Unterhaltung verschrieben hatte; die Leute hatten Handpuppen dabei oder abgerichtete Äffchen, machten Kunststücke oder tanzten, und einer von ihnen war ein Geschichtenerzähler.


    132-01e8853de1556ecacadd444e04aa16ec08ff27eb.jpgEr war ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann, der keine anderen Hilfsmittel benutzte, als die bezaubernde Kraft seiner Stimme.


    Er nannte sich Iambulos ho Nabataea. Und dieser Iambulos erzählte lange Geschichten so, als hätte er das Beschriebene in eigener Person erlebt. Er erzählte von einer Welt namens Meropis, die hinter dem Ozean noch hinter Hispania liegen sollte und auf der Menschen lebten, die doppelt so groß wie gewöhnliche Menschen waren.

    Eine andere Geschichte handelte von einer anderen Insel, die östlich von India sich befand, aber auch diese war ganz fruchtbar und paradiesisch und von den Göttern gesegnet. Dort sollten Menschen leben, die zwei Zungen besaßen und somit zwei Gespräche auf einmal führen konnten.

    Iambulos Geschichten hatten nicht viel Handlung, und die Zuhörer auf dem Platz winkten nach einer Weile lachend ab und gingen weiter oder forderten, dass wenigstens eine Liebesgeschichte, eine Entführung oder eine unheimliche Begebenheit eingeflochten werden sollten.

    Aber Tiberios faszinierten diese Reiseberichte so wie sie waren, sehr.


    Wenn der junge Sklave auf den Markt geschickt wurde, beeilte er sich, um wenigstens zehn Minuten Zeit zu finden, dem Nabatäer zu lauschen. Wenn Iambulos sich allerdings erhob, um ihm seine Schale vor die Nase zu halten, konnte er ihm immer nur wenig oder garnichts geben.

    Iambulos schien es nicht übel zu nehmen, er lächelte nur in sich hinein, kehrte auf seine geflochtene Matte zurück, die er auf dem Boden ausgebreitet hatte und begann eine neue Geschichte.

  • Parvus Domus Iunia >>>

    132-01e8853de1556ecacadd444e04aa16ec08ff27eb.jpgAls Tiberios am nächsten Morgen an Iambulos vorbei ging, um auf dem Markt zu besorgen, was ihm Domina Proxima aufgetragen hatte, sprach dieser ihn an:

    "Chaire mein Junge, heute so eilig? Keine Lust, einer Reisegeschichte zuzuhören?"

    Tiberios blieb stehen und grüßte höflich: "Nein, despotés, leider nicht heute. Ich soll Fettsalbe besorgen und später noch eine Tunika. Weißt du, an wen ich mich wegen der Fettsalbe wenden könnte?"

    "Fettsalbe hmm. Für die Herstellung eines Parfüms? Auf dem Markt gibt es eine Salbenhändlerin, die heißt Olympias. Frag nach ihr. Sie hat ein freundliches Gemüt."

    "Für alles mögliche, denke ich. Um es auf Wunden aufzutragen. Danke für die Empfehlung der Olympias."

    Iambulos ho Nabataea nickte: "Ja, Salben sind äußerst nützlich.", bestätigte er: "Für die Gesundheit taugt auch boutyron oder butyrum* , wie die Römer sie nennen. Du mischst sie mit cadmea**, aber ungesalzen, hörst du. Cadmea kannst du auch mit Olivenöl mischen, das ist sehr gut."

    Tiberios hörte aufmerksam zu und versuchte sich alles zu merken:

    "Bist du ein iatros, ein Arzt, despotés?", fragte er dann.

    "Nenn mich einfach Iambulos. Iambulos aus Nabataea werde ich genannt.", erwiderte der andere: "Ich bin kein Medicus, ich bin ein Reisender. Dafür ist solches Wissen auch nützlich."

    Er schaute Tiberios an: "Und du heißt?"

    "Tiberios"

    "Und deines Vaters Namen?"

    "Das habe ich nicht. Ich bin ein Sklave."

    "Du bist auch ein Reisender", Iambulos lachte leise: "Nun lauf, deine Herrin wartet bestimmt schon! Die Geschichte kann ja noch warten. Bald besuche ich dich einmal, du gehörst zur Taberna Aus der Hand von Schesmu, nicht wahr? Chairete."

    "Gerne, wir freuen uns über Gäste. Chairete", erwiderte Tiberios.


    Er gelangte auf den Markt und fand die Händlerin Olympias, die einen exaleiptron, einen Tiegel mit Deckel, Fettsalbe verkaufte, desweiteren für kosmetische Zwecke ein Döschen Cadmea als weißes Pulver, und von einem Schafhirten erwarb er ein Pfund frische, ungesalzene Schafmilchsbutter, dann kehrte er eilig zurück nach Hause.



    Sim-Off:

    *Butter ** Zinkoxid

  • Taberna "Aus der Hand von Schesmu">>>


    Auf der Straße nach Osten….


    Iambulos hieß Tiberios warten, dann machte er einige Besorgungen und holte auch einige Sachen, die er an einem geheimen Ort aufbewahrt hatte.

    Er gab dem Griechen einige unbeschriebene Schriftrollen aus einem Material, feste Tusche und einen Stilus. Das Schreibmaterial hatte der Scriba noch nie gesehen. Es war ganz leicht und doch kühl wie Marmor. Der Nabatäer lachte nicht unfreundlich über Tiberios Erstaunen: „Diese Schriftrollen werden aus der Rinde von besonderen Maulbeerbäumen, die in Asia wachsen, hergestellt“ sprach er:

    „Der Papyrus der Serer sozusagen. Sie bespannen auch Fenster damit, aber das wirst du selbst sehen. Du wolltest aufschreiben, was du zu sehen bekommen wirst. - Hier drin kannst du deine Aufzeichnungen aufbewahren.“

    Er gab ihm einen Wanderstab. Er hatte auch einen. Mit beiden hatte es ein besonderes Bewandtnis: Man konnte sie durch eine bestimmte ausgeklügelte Vorrichtung öffnen, und sie waren innen hohl. Hier versteckte Iambulos auch seine Goldmünzen.

    Tiberios sollte den Reisesack mit einigen Vorräten tragen; in einfache panuelae waren sie gehüllt, zu Fuß unterwegs; zwei Reisende von bescheidenem Stand, ein Herr und sein Sklave.

    Nebeneinander hergehend verließen sie Caesarea. Tiberios drehte sich noch einmal um. Im Süden sah der Argaios, der Heilige Berg der Cappadocier, auf sie herab; sie jedoch folgten dem Morgenrot, dem langen Weg, der sie in das ferne Seidenland führen sollte. Wie immer vertraute er auf Tyche.

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