Der Götter Wege sind unergründlich

  • Nach einer recht belanglosen Sitzung des Senates strömten die Senatoren an diesem Tage aus der Curia Iulia, manch einer weiteren Aufgaben entgegenstrebend, manch einer zweifelsohne auch dem Müßiggange, denn der späte Sommer bescherte Rom an diesem Tage laue Temperaturen, welche geradezu dazu einluden, sie mit einem Training auf dem Sandplatz zu verbringen. Flavius Gracchus stand der Sinn weniger nach Staub, Öl und Schweiß, als mehr nach dem Duft seines Hortus, doch seine Pflichten waren für diesen Tage noch nicht erledigt. Ob dessen eilte er seinen Schritt, um Senator Claudius auf den Treppenstufen noch zu erreichen.

    "Senator Claudius, binden dich anderweitige Pflichten oder kannst du ein wenig Zeit erübrigen? Nachdem wir keine Gelegenheit fanden, die Causa der neuen Statio während Seius' Cena zu erörtern, möchte ich dies gerne na'hholen."

    Gracchus Minor hatte das Thema am Abend jener Cena in Aussicht gestellt, doch letzendlich hatten die Themen der bevorstehenden Wahlen die Gespräche derart lange gebunden, dass die beiden Senatoren die Causa hatten vertagt - oder auch schlichtweg vergessen.

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  • Stufen, Toga und älter als sechzig Jahre erwiesen sich seit längerem als eine heikle Kombination. Eine galante Wendung bekam Menecrates in seinem Alter nicht mehr hin, aber in diesem Fall wurde sie auch nicht von ihm verlangt, weil Senator Flavius nicht aus der Ferne rief, sondern sich bereits neben ihm befand. Einen Seitenblick vermied der Claudier trotzdem, bis sie auf ebenem Boden standen.

    "Deine Frage nach der Pflichtbindung kann ich eigentlich nur mit einem 'ja' beantworten", erwiderte er lächelnd. Zum einen erheiterte ihn seine Antwort, denn er tat gut daran, sein Aufgabenprogramm mit Humor zu sehen. Zum anderen schmunzelte er, weil schon wieder vor der Problematik stand, eine passende Anrede für Gracchus zu finden. Ja, sie befanden sich in der Öffentlichkeit und Menecrates zog dort die offizielle Anrede einer befreundeten vor. Eingebunden in ein Zweiergespräch bevorzugte er allerdings die vertraute Anrede, die er für seinen Umgang mit Gracchus auf jener soeben erwähnten Cena mit dem Cognomen festgelegt hatte. Er entschied, im Moment keine Anrede zu benutzen, und stattdessen die restliche Frage zu beantworten.

    "Diese Erörterung fällt allerdings in Gänze in meinen Aufgabenbereich, insofern habe ich selbstverständlich Zeit." Sein Lächeln versiegte, denn die Angelegenheit erforderte Konzentration und außerdem eine gewisse Kraftanstrengung seinerseits. Er fühlte sich nicht wohl, weil er die Möglichkeit nicht ausschließen konnte, dass Staat, Regierung und er selbst von Priestern in die von ihnen gewünschte Richtung gelenkt wurden. Er fürchtete das von Gracchus Minor erwähnte Gutachten, was er würde hinnehmen müssen, ohne sich mit eigenem Auge bei einer für alle Laien sichtbaren Götterbotschaft ein eigenes Urteil bilden zu können. Gleichzeitig wusste er nicht einzuschätzen, wie Priester zu einem solchen Gutachten gelangten.


    "Es würde mir entgegenkommen, wenn wir in Richtung meines Amtssitzes schlendern. Allerdings weiß ich nicht, ob sich dies mit deinen nachfolgenden Pflichten vereinbaren ließe." In den Tagesablauf eines Pontifex pro Magistro besaß Menecrates keinerlei Einblick. Er wartete daher auf die Antwort, bevor er den Weg fortsetzte.


    "Ich hatte im Vorfeld eine ausgiebige Unterhaltung mit deinem Sohn", begann er trotz des Abwartens, die Wegrichtung betreffend. "Ich werde mich, was die rituelle Rahmung betrifft, ganz nach deiner Expertise richten. Gleichzeitig hat mich eine, der von deinem Sohn angeführten Möglichkeiten, seither nicht mehr losgelassen."

  • "Gewiss"

    , stimmte Gracchus dem Spaziergang zu ohne auf seine eigenen Pflichten einzugehen, denn schlussendlich erwartete er nicht, dass sie meilenweit würden gehen, und wo auch immer ihr Gespräch endete wären die Sänftenträger in gebührendem Abstande ihnen gefolgt. Ein wenig umständlich war es zwar mit den Togen, welche wenig mehr als Schlendern zuließen, doch letztlich galt ihre Konzentration ohnehin der Konversation, und da sie beide bereits in gesetztem Alter waren, würden sie wohl ebensowenig ohne die Togen zu einem Spurt ansetzen - Gracchus zumindest konnte sich nicht dessen entsinnen, zu welchem Anlasse er überhaupt zuletzt gerannt war, während er Menecrates durchaus zutraute, noch immer regelmäßig zu sprinten.

    "Minor hat bereits einige Andeutungen erwähnt, doch allfällig könntest du das Vorhaben und seine Notwendigkeit noch einmal grob erläutern?"

    Der Flavier wollte schlussendlich seine Beurteilung nicht auf Annahmen stützen.

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  • Während sich Menecrates in Gang setzte, realisierte er, wie vortrefflich - nahezu genial - der Zeitpunkt für dieses Gespräch war. Er entrichtete einen stummen Dankesgruß an die Götter, die ihm vortrefflich immer wieder Gründe geliefert hatten, dieses Gespräch hinauszuzögern. Was hätte er vor der Audienz beim Kaiser auch an Erläuterungen abgegeben können? Nur vage, mehr nicht. Nun, wo der Kaiser Menecrates' Konzept kannte, es auch nicht ablehnte, konnte der Präfekt die selbst auferlegte Geheimhaltung aufgeben. Erläutern musste er ohnehin, denn Minors Andeutungen hätten nicht ausgereicht. Gracchus' Sohn kannte auch nur die Hälfte aller Vorhaben.

    "Im Ergebnis des Conventus, bei dem es um die Bekämpfung der Kriminalität ging, habe ich vom Kaiser den Auftrag bekommen, ein Konzept zur Befriedung der Subura vorzulegen. Wie notwendig das ist, zeigen nicht nur der Sklavenaufstand, eine niedergebrannte Urbanerstation, diverse geschändete Tempel und erst kürzlich der Todesfall." Er stockte und blickte zur Seite, um zu erkunden, ob Gracchus verstand. Die um eine Nuance angehobenen Brauen verliehen ihm einen fragenden Gesichtsausdruck.

    Kurz darauf fuhr er fort. "In Rom siedeln sich jede Menge Fremdländer an und die Subura ist das größte aller Sammelbecken. Wir sind jedes Mal zu spät vor Ort, um Eskalationen und größere Schäden zu verhindern. Kriminelle Strukturen können unbemerkt Brandanschläge oder Tötungsdelikte planen. Wir brauchen Soldaten in der Stadt, um nicht ganz die Kontrolle zu verlieren." An dieser Stelle vermied er den Blickkontakt. Er konnte sich ausrechnen, dass Gracchus wenig Begeisterung für diese Notwendigkeit empfand.

    "Geplant ist neben dem Wiederaufbau der ersten Station am Nordzipfel der Subura die Errichtung einer weiteren in diesem Viertel, aber zum einen viel näher an den Foren und zum anderen in Kombination mit einer Feuerwache."

    Da er sich für die Meinung des Pontifex interessierte, legte er eine Pause ein, obwohl er reichlich Stoff besaß, um den Monolog weiterzuführen.

  • In ihrem gemächlichen Schritte vorangehend staute sich an mancher Engstelle alsbald der Fluss der stets Getriebenen, dass weiter hinter den beiden Senatoren bisweilen unzufriedenes Gemurmel und Geschimpfe ausbrach, etwa dass die Schnecken doch auf den Feldern außerhalb der Stadt sollten verbleiben. Näher um sie her verstummte dies jedoch, waren sie doch unschwer als Senatoren zu erkennen, welchen ein jeder in Rom Respekt zollte - zumindest öffentlich und augenscheinlich. Zudem taten auch die Leibwachen und Sekretäre zwischen ihnen und dem Volk ihr übriges, um das Gespräch von aller Hast abzuschirmen, während Gracchus' pontifikaIer Liktor ihnen voraus genügend Raum bahnte. Nicht genügend Raum indes für Geheimnisse, ob dessen der Flavier den fragenden Blick Menecrates' ob 'des Todesfalles' nur mit einem wissenden Nicken quittierte.

    "In der Tat scheint es, dass diese Vorfälle sich häufen. Die Fremden bringen nicht nur ihre Träume mit nach Rom, sodern oft auch Gebräuche, welche mit den unseren nicht vereinbar sind - oder auch untereinander. Zudem bisweilen gar wenig Ver..ständnis für unsere Gesetze, welche nun einmal den Gegebenheiten und Bedingungen einer großen Stadt, respektive eines fortschrittlichen Imperium genügen müssen, und nicht nur einer Ansammlung von Hütten in einem Sumpf am Ende der Welt"

    , warf er seine Gedanken zur Subura ein, denn wiewohl Gracchus sie nicht direkt erwähnte, so war er sich doch mit Claudius darin einig, dass vorwiegend dieser Stadtteil inmitten Roms die Fremdländer anzog.

    "Eine verstärkte Präsenz der Stadteinheiten scheint daher nur angemessen."

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  • Die Kommunikation zum heiklen Todesfall verlief reibungslos - trotz dürftig gesetzter Worte. Menecratres registrierte Gracchus' Nicken, bestätigte seinerseits mit niedergeschlagenem und anschließend gehaltenem Blick, dass er verstand, und sah wieder nach vorn. Er dachte flüchtig an mögliche Auswirkungen auf Rom, die er als Praefectus Urbi nicht abschätzen konnte, konzentrierte sich dann aber auf Gracchus Ausführungen zur Einschätzung der Lage in Bezug auf die Fremdländer. Wenn die Thematik nicht so ernst wäre, hätte er wegen der Formulierungen schmunzeln müssen. Alles, was er hörte oder las, bildete sich vor seinem geistigen Auge ab und gerade sah er einen Sumpf. Es gab Pfade und Inseln, auf denen zottige Wilde in Bretterbuden residierten.

    Das abschließende Resümee des Flaviers holte ihn auf Roms Straße zurück, denn es erstaunte ihn, obwohl er es gleichzeitig absolut richtig fand. Erst jetzt merkte er, mit welcher Kampfesbereitschaft er in das Gespräch gestartet war. Er rechnete ursprünglich mit erheblichem Gegenwind - ungeachtet der bedenklichen Lage. Nach zwei Schlenderschritten vergewisserte er sich durch Seitenblick, dass Gracchus ohne Zweifel eine ernsthafte Miene machte.

    "Angemessen ja. Gibt es ein 'aber'?"


    Er ließ Raum für eine Antwort, bevor er - mit Blick nach vorn - weitere Erläuterungen folgen ließ. "Ich weiß nicht, welche kultischen Maßnahmen notwendig sind, um zusätzliche Soldaten im Pomerium stationieren zu können." Er wollte nochmals hervorheben, dass es sich um eine Stationierung und nicht um bloßen Streifendienst handelte. Zugegeben, die Mehrzahl der Männer wären Vigillen, aber es betraf auch Urbaner.
    "Auspicia haben wir eingeholt und eine Grundstücksweihe soll es ebenfalls geben. Der Kaiser ist über das Konzept informiert.
    Er wird das Vorhaben noch dem Senat vortragen. Dein Sohn sprach aber noch von einem Gutachten oder Bescheid, was Angelegenheit des Collegium sei."
    Wie ein solches Gutachten zustande kam und was es beinhaltete, entzog sich Menecrates' Kenntnis.

    "Die Götter sind wichtig, keine Frage. Darüber hinaus haben wir noch betroffene Soldaten, denen fortlaufend und nicht

    nur anfänglich die Gnade der Götter wichtig ist. Es sind Römer." Es mochte Unterschiede in der Gottesfurcht geben, aber mit einem Gott anlegen wollte sich vermutlich keiner.

    "Ich würde es gutheißen, gäbe es speziell für die Urbaner eine Formel zur alljährlichen Entsühnung." Auf die Antwort wartete er gespannt.

  • Ein schelmisches Schmunzeln umspielte Gracchus' Lippen und für einen Moment schlich ein belustigter Unterton sich in die Couleur seiner Stimme.

    "Selbstredend gibt es ein 'aber', letztlich gibt es im Leben doch nichts ohne ein 'aber'."

    Sie hatten wohl beide genug erlebt, um zu wissen, dass dies der Wahrheit entsprach. Seine Stimme nahm wieder den gebührend ernsthaften Ton an.

    "In diesem Falle ist es das Pomerium."

    Die Pläne des Praefectus - eine bewaffnete Einheit inmitten des Pomerium - hatten selbstredend die Aufmerksamkeit der Pontifices erregt. Schlussendlich waren sie unter anderem die Wächter und Bewahrer des Kultes, von welchem der heilige Bezirk der Stadt von alters her ein essentieller Teil war.

    "Der Frieden in Rom ist glei'hsam Gabe an die Götter, wie ihr Geschenk an Rom, sie sind Bewahrer, wie auch Benefizianten."

    Die Details dieses komplexen Wirkungsgefüges zu erläutern hätte zu weit geführt, wiewohl sie jenem Wissen zuzurechnen waren, welches das Collegium Pontificum ohnehin nur im kleinen Kreise weiter gab.

    "Darüberhinaus wurde das Pomerium einst geschaffen als sakrale Grenze der Stadt, um sie von ihrem Umland zu separieren, zu einer Zeit, in welcher dies auch gleichbedeutend war mit einer juristischen Grenze, und nicht nur, doch ebenso, um auf ganz profane Weise den Tod aus der Stadt fernzuhalten, um Pestilenzen abzuwenden, wiewohl um Frieden in Rom zu gewährleisten und gewalttätige Ma'htstreitigkeiten zu unterbinden. Diese Zeit ist längstens vergangen, gleichwohl wurde die Grenze bereits mehrmalig adaptiert, um dem Wachstum unserer Stadt und unseres Reiches Rechnung zu tagen, und etwa weiterhin die Toten aus ihren Kerngebieten fernzuhalten."

    Hätte Gracchus geahnt, wie sehr Menecrates die möglichen kultischen Einschränkungen umtrieben, so wäre er allfällig in Versuchung geraten, den Claudier noch ein wenig länger zappeln zu lassen. So indes fuhr er den Fakten folgend fort.

    "Das Pomerium dient Rom und muss sich darob seinem Wandel entsprechend adjustieren. Auch das Collegium Pontificum kann - und darf - sich diesem Wandel nicht verschließen. Rom ist zu groß geworden, zu unkontrollierbar, als dass eine sakrale Grenze, als dass selbst Gesetze Gewalt aus ihr fern halten könnten. Die Cohortes Urbanae tragen diesem Wa'hstum Rechnung, und die neue Statio wird zum Schutze und friedlichen Miteinander beitragen. Die Götter, welchen schlussendlich ebenso das Wohle der Stadt am Herzen liegt, haben bereits ihr Urteil gesprochen, daher stimmt auch das Collegium Pontificum diesem Unterfangen zu - allerdings nur unter vier Be..dingungen. Erstens, dies ist und bleibt eine Ausnahme, und kann nicht als Präzedenzfall herangezogen werden für weitere, ähnliche Unterfangen. Eine außerordentliche Weihung sollte dies kenntlich machen. Zweitens bis viertens leiten sich unmittelbar von den geltenden Gesetzen des Pomerium ab - kein Befahren des Geländes bei Tag, kein Pflügen des Bodens, und der Tod darf nicht dauerhaft Einzug halten. Ich schätze indes, dies ist kein Hindernis, ihr werde wohl weder einen Acker, noch ein Gräberfeld im Hinterhof der Station anlegen."

    Die Vorstellung eines Gemüsegartens als Teil der Station war durchaus amüsant, während Gracchus das Bild der Soldaten, welche Leichname der in den Carcern verblichenen Delinquenten im Hinterhof verscharrten, hastig wieder aus seinen Gedanken zu schieben suchte.

    "Darüberhinaus ist selbstredend auch die von dir angespro'hene Entsühnung der Soldaten wichtig. Ich werde die Causa einer adäquaten Formel zu jährlicher lustratio der stationierten Einheiten im Collegium thematisieren."

    Dies war indes nur eine Formalität und hatte immerhin noch mehr als ein Jahr Zeit.

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  • "So war es früher einmal", bestätigte Menecrates die Aussage, dass die Götter Rom Frieden schenkten, "aber…" Er schmunzelte nun seinerseits - nicht wegen des Themas, sondern weil er damit die Aussage bestätigte, dass es nichts ohne ein 'aber' gab. Schnell fand er zur Ernsthaftigkeit zurück.

    "Ich kann schon länger keinen ungestörten Frieden in Rom mehr erkennen, was für mich bedeutet, die Götter können die Aufgabe nicht mehr allein meistern. Das Ungleichgewicht haben die vielen Fremdländer nach Rom gebracht. Vor ihrer Aufnahme war das Wirken der Menschen und Götter austariert."

    Während Gracchus die ehemalige Funktion der sakralen Grenze aufzeigte, gab sich Menecrates Erinnerungen an selbst Erlebtes und - um ein Vielfaches mehr - an durch Schriften Erfahrenes hin. Ohne diese Vielzahl an Fremdländern und Freigelassenen konnte er sich Rom als friedliche Stadt vorstellen. Er genoss den Rückblick, während er weiter den Ausführungen lauschte. Sein Unbehagen in der Gegenwart hätte Nostalgie auslösen können, gäbe es die Möglichkeit zur Rückkehr in vergangene Zeiten, aber… Schon wieder stolperte er über dieses 'aber' und merkte auf. Gracchus hatte Recht, es gab immer ein 'aber'. Eine Wiederbelebung vergangener Zeit hielt er damit für unmöglich - zumindest im Hinblick auf den Frieden in Rom unter Beibehaltung der traditionellen Truppenstärke und Stationierung, und auch Gracchus kam zu diesem Schluss.

    .

    Weil er im Vorfeld mit einer gänzlich anderen Haltung des Pontifex gerechnet hatte und das bisherige Gespräch auch in unerwartet guter Atmosphäre verlief, blickte Menecrates - sich rückversichernd - zu dem neben ihm laufenden Senator. Er träumte nicht, es geschah. Am Ende der Aussagen folgte sogar die mündliche Zustimmung im Namen des Collegium Pontificum für Menecrates' Vorhaben.

    Bei der Ankündigung von Bedingungen winkte der Präfekt einen Sekretär heran. Sich die Dinge in etwa merken, gehörte nicht zu seinen Gepflogenheiten. Er liebte es präzise, nachlesbar und aktenkundig.

    Bedingung eins überraschte ihn. Obwohl er keine weiteren Vorstöße ins Pomerium plante, konnte er nicht von sich behaupten, in die Zukunft sehen zu können. Da er aktuell aber keine Schwierigkeit sah, sich darauf einzulassen, nickte er, weil er hoffte, die neue Statio würde den Frieden in Rom gewährleisten oder wenigstens das berüchtigte Viertel ausreichend unter Kontrolle bringen. Eine Weihung hatte er eingeplant, aber diesbezüglich gab es Nachfragen.

    Bedingung zwei bis vier überraschten ihn ebenfalls, aber dieses Mal wegen ihrer Selbstverständlichkeit. Er lachte auf und verneinte, als Gracchus von Feldern für Ackerfrüchte und Leichen sprach.


    "Zur Weihe habe ich eine Frage: Soll sie den Bauplatz betreffen, oder nach Errichtung die gesamte Station? Wer nimmt sie im Idealfall vor?" Die Bauplatzweihe der ersten Station hatte Menecrates als Bauherr selbst vorgenommen. Er vermutete, dass dieses Mal ein größerer Aufwand betrieben wurde und notwendig war.

    Über das abschließende Angebot, die Entsühnungsformel im Collegium zu thematisieren, freute sich Menecrates. Er trug die Verantwortung für die eingesetzten Soldaten. Ihr Wohlergehen lag ihm besonders am Herzen. Gracchus' Angebot entlastete ihn und er gab die Last der Bewerkstelligung gerne in kompetente Hände ab.

  • Auch Gracchus konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen als Menecrates das 'aber' aufgriff. Im Senat waren sie nicht immer einer Meinung - wiewohl der Claudier allein ihres Standes wegen ihm politisch dennoch zumeist näher war als viele andere -, doch in den seltenen Aufeinandertreffen in Ausübung amtlicher oder gesellschaftlicher Pflichten war Menecrates ein überaus angenehmer Gesprächspartner, so dass Gracchus sich einerseits nicht wunderte, weshalb Minor ihn als Mentor und Freund schätzte, andererseits ein wenig die Distanz zwischen ihnen selbst bedauerte, gleichwohl er vermeinte die in der Vergangenheit liegenden Gründe dafür zu kennen, welche er nicht weniger bedauerte. In diesem Augenblicke indes suchte er die Last seines Lebens in die Tiefen der Erinnerung hinab zu drängen und sich gänzlich auf die Gegenwart zu besinnen - welche nicht gar so grauenhaft sich zeigte, dennoch bedenklich war für Rom.

    "Ich kann dir nur beipflichten, es sind die Fremdländer, welche das Ungleichgewi'ht bedingen. Sie nehmen aus der Waagschale der Annehmlichkeiten Roms, doch sie geben auf der anderen Seite nichts hinein - sei es aus Unwissenheit, aus geistiger Begrenzung oder aber Niedertracht. Die Unwissenden kann man lehren, ebenso die friedfertigen Beschränkten. Den Niederträ'htigen indes kann man nur Einhalt gebieten, doch je mehr ihre Zahl wächst, desto schwieriger wird dies. Es ist wahrhaft deplorabel, dass die Subura so zentral liegt und damit ein zentrales Problem erzeugt."

    Einen Augenblick fragte der Flavier sich, ob es nicht einfachere Wege gab, die Subura zu befrieden - Wohnverbote für Nichtrömer, oder gleich der Abriss des ganzen Viertels und eine Erweiterung der Foren.

    "Die Weihe des Bauplatzes stellt keine Besonderheit dar, letztendlich handelt es sich um ein profanes Gebäude, so dass der Bauherr dies übernehmen kann."

    Profan im Sinne der Kultgesetze, im Gegenzug zu einem sakralen Gebäude wie etwa einem Tempel, welcher den Göttern in ihren Besitz übergeben werden sollte.

    "Erst wenn das Gebäude mit einem Zweck angefüllt wird - der zwar noch immer profan ist, jedoch mit den stadtrömischen, sakralen Gesetzen in Konflikt gerät -, dann sind gesonderte Maßnahmen notwendig."

    Kurz sann Gracchus über die Frage des Claudiers nach, hatte er dies doch im Detail noch nicht durchdacht.

    "Da die Besonderheit das Pomerium betrifft, und das Collegium Pontificum für dieses zuständig ist, sollte die Weihe durch einen Pontifex geschehen. Ich werde dies im Collegium ankündigen, so dass wir vorbereitet sind."

    Zwar würde die Zeremonie nicht allzu außergewöhnlich werden, dennoch war es besser, dies zuvor zu prüfen. Der Weg vor ihnen nahm eine leichte Biegung, die Menschen um sie her waren noch immer zahlreich. Da sie noch immer ein gutes Stück von Menecrates' Amtssitz entfernt waren, die Angelegenheit der Statio Gracchus jedoch abgeschlossen schien, wechselte er das Thema - nicht ohne jedoch die Zustimmung seines Gesprächspartners zu suchen.

    "Sofern diese Angelegenheit damit hinlänglich er..örtert ist, möchte ich gerne eine weitere ansprechen, sofern es dir recht ist, welche ebenfalls die Sicherheit der Stadt tangiert. Es geht um die Sekte der Christianer."

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  • Gracchus' Sichtweise, die verschieden gelagerten Fremdländer betreffend, fand Menecrates interessant. Derart detailliert hatte er diesen Bevölkerungsteil noch nie betrachtet. Er pauschalisierte sie häufig. Nur wenn er gezwungen war, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, machte er sich Gedanken und konnte die Einteilung sogar erweitern.

    "Obwohl ich es wie du sehe, dass sie fordernd die Hand aufhalten, aber nichts geben, habe ich im Zuge der Umsiedlungen für den Bau der ersten Station vereinzelt auch andere erlebt. Ein zugegeben kleiner Teil von Ihnen zog nach dem Verlust des Wohnraums oder auf unseren Aufruf hin in die Castra Vigilum. Rom bietet ihnen Möglichkeiten, etwas zurückzugeben, aber ein Auskommen auf der Basis illegaler oder krimineller Machenschaften scheint den meisten mehr zu liegen." Seine Mundwinkel zogen sich verächtlich nach unten, bevor er mit dem Anflug eines Grinsens weiter sprach.

    "Im Gespräch mit deinem Sohn habe ich geflachst und vorgeschlagen, statt das Pomerium mit Soldaten zu füllen, lieber sämtliche Fremdländer aus dem Gebiet zu schaffen. Meinetwegen könnten wir die straffällig gewordenen auch sofort eliminieren." Den letzten Satz meinte er ernst, das Grinsen war verschwunden.


    Die Bemerkung zur Bauplatzweihe quittierte er mit einem Nicken. Er musste an seinem bisherigen Vorgehen nichts ändern, was ihn beruhigte, wenn er an zurückliegende Grundstücksweihen dachte.

    Natürlich leuchtete ihm auch die nachfolgende Erklärung zur besonderen Weihe eines Gebäudes ein, das im Konflikt mit sakralen Gesetzen stand. Umso mehr freute ihn die Zusage, dass Gracchus das Collegium informieren und Vorkehrungen treffen wollte. An dieser Stelle konnte sich der Praefectus Urbi entspannen, was ein schöner Abschluss für die Erörterungen bedeutete. Er atmete einmal tief ein und fühlte sich entlastet.


    Als Gracchus eine weitere Angelegenheit in Bezug auf die Sicherheit der Stadt erwähnte, wandte Menecrates wieder den Kopf zu ihm, ohne den Spaziergang zu stoppen. Bisher war er dabei noch nie gestolpert, was hoffentlich auch so blieb.

    Die Aufklärung zum Thema folgte prompt und für Menecrates schloss sich damit der Kreis, was Gracchus nicht ahnen konnte. Ihr eingangs wortlos kommunizierter Mordfall ging mit immer größer Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf das Konto von Christen. Der Präfekt wandte den Blick wieder ab und musterte stattdessen das Pflaster, bevor er antwortete.

    "Ich hätte Lust, auch diese Plage aus unserer Stadt zu entfernen." Er fügte in Gedanken an: 'Dieses Mal vollständig und nicht nur partiell wie während meines Consulats.' Das Wort 'Christen' in den Mund zu nehmen, kostete Überwindung, also unterließ er es. Der Wind frischte auf, was seinem Gemüt gut tat.

    "Sie sind nicht nur lästig, sie sind auch kriminell - bestes Beispiel der Sklavenaufstand - und möglicherweise gehen noch mehr Taten auf deren Konto. Wir stecken mitten in Ermittlungen." Allerdings konnte er darüber nicht aufklären, zumal der Verdacht zwar erhärtet, aber noch nicht bewiesen war und die Entscheidung des Kaisers noch aus stand.

    "Sie lehnen unsere Götter ab und legen sich mit dem gesamten System an. Wir haben viel zulange zugesehen. Sie werden immer dreister."

    Nach einer Gedankenpause fügte er an: "Du wirst einen Grund haben, weswegen du mich ansprichst, und ich vermute, es geht dir nicht um meine Meinung zum Decretum."

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