• Genauer gesagt war es die Straße von Satala nach Melitene, wo die XII Fulminata ihren Standort hatte, die sanierungsbedürftig war. Im unmittelbaren Umfeld von Satala war die Straße in Ordnung, bis zum zweiten Meilenstein jedenfalls – danach war der Zustand nur noch... mäßig. Schon älter und oft repariert, aber nicht so oft und gründlich wie es wohl nötig gewesen wäre. Hadamar vermutete, dass da wahrscheinlich einfach von der Provinzverwaltung gespart worden war, und jetzt durfte die Legio sich mal wieder drum kümmern. So oder so: anstatt sie ein weiteres Mal zu reparieren, was wahrscheinlich auch nicht allzu viel gebracht hätte auf Dauer, war nun offenbar beschlossen worden, doch etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen und sie jetzt vernünftig zu sanieren, mitsamt der darunter liegenden Schichten, damit man ein paar Jahre wieder Ruhe damit hatte.


    Als sie beim zweiten Meilenstein angekommen waren, war bereits zu sehen, dass mit den Arbeiten auch schon begonnen worden war. Sehr gut. Sollten seine Leute ruhig sehen, dass dafür eigentlich schon andere Milites eingeteilt gewesen waren und sie das jetzt tatsächlich nur abkriegten, weil ein paar von ihnen sie in die Scheiße geritten hatten.


    Sie machten also da weiter, wo die Kameraden tags zuvor aufgehörten – Kameraden, die jetzt gerade wahrscheinlich am Jubeln waren, dass sie vom Straßenbau erlöst waren. Hadamar teilte seine Leute ein, schickte ein Contubernium voraus, um zu prüfen wie weit die obere Schicht der Straße schon aufgerissen war, die nächsten hatten sich um die abgedeckten Steine zu kümmern, die kaputten beiseite schaffen, die vernünftigen ordentlich zu lagern, weitere sollten den Untergrund prüfen, und die, die für all das hier erst verantwortlich waren, bekamen die schönste Aufgabe: Ausgraben der unteren Schichten, wo es nötig war, und Erneuern. Und weil das die waren, denen er am meisten auf die Finger schauen wollte – und er gleichzeitig fand, dass er die Plackerei selbst irgendwo verdient hatte, auch wenn er das vor seinen Männern nicht laut sagen würde, die sollten ruhig glauben er machte das, damit sie sich auch ja keinen Schlendrian erlaubten – war auch klar, wo er die meiste Zeit sein würde.


    Sie waren schon einige Stunden am Schuften, und trotz des Wetters, das eindeutig vom kommenden Winter kündete, schweißüberströmt, als Hadamar von seinem Optio gerufen wurde. Er schwang sich aus dem Graben heraus und ging auf den Mann zu – nur um neben ihm einen Zivilisten zu sehen. Sklave, wenn er die Aufmachung richtig deutete, aber mit römischem Sklaventum und was zumindest manche darunter verstanden hatte Hadamar noch nie sonderlich viel anfangen können. Für sich schob er das immer in die Kategorie Muntlinge, von denen seine Familie in Germanien auch einige hatte, und ging entsprechend mit ihnen um – Bedienstete halt, wenn auch von der Art, dass sie ohne Einwilligung des Muntherrn nicht einfach so die Arbeitsstelle wechseln konnten, dafür aber im Prinzip oft Teil der erweiterten Familie waren. „Ja?“
    „Aleksan ist mein Name. Ich komme von der Verwaltung und bin beauftragt, die Arbeiten zu überwachen.“
    Hadamar verengte die Augen. Irrte er sich, oder klang der Kerl amüsiert? Er wechselte kurz einen Blick mit seinem Optio und wiederholte: „Überwachen.“
    „Überwachen“, wiederholte der andere nickend, und sah dabei so aus, als könne er sich ein Grinsen nur schwer verkneifen, und ergänzte in gespielt hilfreichem Tonfall: „Ich kann es auch buchstabieren, wenn es dem Verständnis dienlich ist.“
    Hadamar starrte ihn. „So einer bist du also.“
    Aleksan setzte eine unschuldige Miene auf. „Ich weiß nicht, was du meinst, Centurio.“


    Für einen winzigen Moment war Hadamar versucht, ihm jetzt schon ein paar Takte zu erzählen. Wie das hier laufen würde, und vor allem, wie es nicht laufen würde. Dass er nicht die geringste Lust darauf hatte, sich jetzt auch noch mit jemandem wie ihm rumzuschlagen. Er kannte solche Sklaven. Sirius, der Sklave seines Vetters, war so einer von der Sorte – der zwar, nach allem was Hadamar mitbekommen hatte, Alrik treu ergeben war, aber auch immer ausgenutzt hatte, dass Alrik ihn nie wirklich als Sklaven gesehen hatte, sondern halt als: Muntling, und ihm für römische Verhältnisse daher viel hatte durchgehen lassen. Oder Linos, der Sklave des Legatus Legionis der II, damals, als er dort Tiro und Legionär gewesen war. Meine Fresse, wenn er nur daran zurückdachte wie der Kerl es damals geschafft hatte, ihn quer durchs Castellum zu jagen auf der Suche nach sämtlichen Tesserarii, und das abends bis in die Nacht hinein, wo er von den meisten eins auf den Deckel gekriegt hatte wegen der Störung. Und das, nur um bei der Berichterstattung danach, die durch Zufall der Legat persönlich entgegengenommen hatte, zu erfahren, dass Linos das eigentlich selbst hätte machen sollen. Für die Aktion hatte er Linos wirklich Respekt gezollt, so was musste man erst mal hinkriegen. Stinksauer war er trotzdem gewesen. Nicht zuletzt, weil der Legat ihn trotzdem noch losgeschickt hatte, um einen weiteren Tesserarius zurück ins Lager zu holen, der Ausgang gehabt hatte, und den er – wegen Linos – unbedingt hatte persönlich sprechen wollen. Als Hadamar in jener Nacht ins Bett gekommen war, war es fast schon wieder Morgen gewesen.

    Für einen winzigen Moment also war Hadamar versucht, gleich Tacheles zu reden. Aber wenn Aleksan sich so entpuppte, wie er es befürchtete, würde das nichts bringen – außer, dass er erst recht versuchen würde ihn zu ärgern, ohne dafür belangt werden zu können.


    Was Hadamar also machte, am Ende eines kurzen Schweigens: zähneknirschend Achseln zucken. „Na dann. Überwach.“ Sprach’s, und sprang wieder in den Graben zurück. Das würde noch lustig werden... nicht.


    Sim-Off:

    Mag wer?

  • Den faulen Pansa im Schlepptau schlenderte Stilo über die frisch renovierte Straße. Über den frühen Feierabend war niemand böse. Die meisten waren in den Thermen oder im Goldenen Gockel in Satala verschwunden, aber sie beide wollten noch ein wenig frische Luft schnappen, um in Ruhe zu plaudern. Bald erreichten sie die Kameraden, die sich mit der Strecke abmühten, an der sie selbst zuvor noch gearbeitet hatten.


    "Sieht doch ganz ordentlich aus", meinte Pansa, während die nagelbeschlagenen Sohlen seiner Caligae über die frischen Früchte anderer Menschen Arbeit klapperten.

    "Japp", fand auch Stilo, der neben ihm schlenderte. Es gab keinen Grund zur Eile. Sie grüßten die Offiziere und machten es sich dann in einer guten Zuschauerposition am Rand bequem. Während Pansa einen Schluck kalte Posca aus einer handlichen Amphore genoss, saß Stilo so, dass er mit den Offizieren plaudern konnte - falls einer die Luft dafür hatte.


    "Na?! Was habt ihr ausgefressen?", erkundigte er sich schließlich. Ah, sieh an. Der Centurio der abgestraften Einheit war dieser Duccius Ferox. Mit dem hatte er bisher nicht viel zu tun gehabt und konnte ihn daher nicht einschätzen, aber das würde sich nun zumindest teilweise ändern.

  • Hadamar hatte Recht behalten: Aleksan war einer von der Sorte. „Hrhrm“, hörte er mehr als nur einmal, gefolgt von einem: „Die Schicht hier ist zu fest“, oder einem „Dort ist es nicht tief genug“, oder einem „Ist dir eigentlich aufgefallen, dass die Kante da zu schräg ist?“ Der Kerl hatte eindeutig Spaß daran, und weil Hadamar nicht ganz so gut darin war, sich einfach nichts anmerken zu lassen, merkte der andere auch, dass er durchkam mit seinen Frotzeleien. Spätestens, als Hadamar endgültig die Nase voll hatte, seine Tunika mit einer Hand an der Brust packte und ihn so dicht zu sich zog, dass ihre Nasen sich fast berührten. „Das ist nicht mein erster Straßenbau“, knurrte er ihn an.
    „Verzeih, Centurio.“ Die Worte standen etwas in Kontrast zu dem leicht süffisanten Grinsen, das der andere zur Schau trug. „Aber die Arbeiten hier waren mit anderen Offizieren abgesprochen. Die Verwaltung legt daher besonderen Wert darauf zu achten, dass alles so läuft wie vereinbart. Centurio.“
    Hadamar hielt ihn noch kurz, aber er wusste, dass er ihm keine reinschlagen konnte, so gern er das gerade auch getan hätte. Der Grund war nur vorgeschoben, da war er sich ziemlich sicher – der Kerl hätte versucht jeden hier zu ärgern –, aber das änderte nichts daran, dass er ihn wohl oder übel würde aushalten müssen. Eins konnte er allerdings tun: ihn zumindest für ein paar Momente jemand anderem aufhalsen. Also ließ er ihn wieder los, strich betont höflich die Tunika wieder glatt, und setzte ein Lächeln auf, das mehr ein Zähnefletschen war. „Dann leg doch mal besonderen Wert darauf, den vorderen Abschnitt der Arbeiten zu prüfen, Aleksan. Optio Matius, du begleitest ihn und siehst zu, dass seine... Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden. Wenn sie sinnvoll erscheinen.“ Matius hatte sich sowieso zu sehr ein Grinsen verbeißen müssen, seit der Verwaltungsheini aufgetaucht war. Jetzt sollte er selbst mal zusehen, wie das war.

    Kaum waren die beiden losgestiefelt, wurde Hadamar von der Seite angesprochen. Er hatte gar nicht so recht mitbekommen, dass sie inzwischen Zuschauer bekommen hatten, aber ein paar von denen, die einfach nur Straße nutzen wollten, waren geblieben – anstatt entweder schweigend oder motzend, dass sie neben der Straße gehen mussten, vorbeizuziehen. Hadamar musterte den Mann kurz, der die Frage geäußert hatte. Er kannte ihn vom Sehen, ein Optio, die Centurie konnte er gerade nicht zuordnen, aber er war sich relativ sicher, dass es die gleiche Cohorte war. Offensichtlich gerade nicht im Dienst. Sein Blick schweifte kurz über die Männer, die mehrere Schritt entfernt im Graben arbeiteten. „Zu viel Spaß, das hatten wir“, brummte er. „Das braucht dann immer was zum Ausgleichen.“ Er sprach bewusst von wir. Er hielt nicht viel davon, seine Leute bloßzustellen vor anderen. Baute einer aus einem Contubernium Mist – badeten es alle aus, aber sie hielten zusammen. Er wusste das besser als viele andere, immerhin war er mal einer der Mistbauer gewesen, als Tiro. Und so ging es halt weiter. Bauten zu viele einer Centurie Mist – badeten es auch alle aus. Aber sie hielten zusammen. Das schloss den Centurio mit ein, fand er. Er warf dem Optio einen erneuten Blick zu, diesmal mit einer leicht hochgezogenen Augenbraue und, wenn man genau hinsah, ein bisschen Schalk im Augenwinkel, und fragte beiläufig: „Das die Art, mit der du deinen Centurio auch ansprichst?“

  • "Ich hatte korrekt gegrüßt, aber vielleicht ist es untergegangen im Lärm. Ich kann es auch noch ein zweites Mal tun, wenn du wünschst." Er blinzelte freundlich, er war da unkompliziert und wenn er zehnmal grüßen sollte, dann tat er das und hatte hinterher immer noch gute Laune. "Ihr hattet zu viel Spaß, - in Satala? Das muss man erstmal hinkriegen." Er stellte sich vor, wie eine betrunkene Centuria die winzige Taberna "Zum goldenen Gockel" auseinandernahm.


    Er musterte den Sklaven, dessen freche Körperhaltung ihm auffiel, besonders liebenswürdig, während er ihm gedanklich einen Tritt ins Gesäß verpasste, der ihn im hohen Bogen zurück zu seinem Herrn fliegen ließ. Er war nicht ganz sicher, ob es der gleiche war, mit dem er sich auch schon herumgeärgert hatte, aber wahrscheinlich kam er zumindest aus dem selben Nest.


    "Und ihr kommt hier gut zurecht?!", erkundigte er sich bei Duccius, weil er plaudern wollte. Er versuchte, sich auf den neuesten Stand zu bringen, was die Gerüchteküche betraf: "Ansonsten dienstlich alles gut so weit? Kein Ärger mit Barbaren oder üblen Vorgesetzten?" Freilich würde er sich auf Nachfrage für erwiesene Auskünfte ebenso revanchieren ...

  • „Lass mal“, winkte Hadamar ab und grinste flüchtig. Er sah keinen Grund, dem Optio nicht zu glauben – es gab so Kandidaten, bei denen waren Zweifel angebracht, aber erstens wirkten die anders und zweitens wurden sie nicht zum Optio befördert. Naja. In der Regel, jedenfalls, und wenn sie es doch wurden, blieben sie es nicht lange, wenn sie sich nicht spätestens dann am Riemen rissen. Und nachdem er nicht bewusst mitbekommen hatte, wie der Mann hier angekommen war, konnte das gut sein, dass er den Gruß überhört hatte. Vermutlich hatte er sich gerade mit diesem Aleksan herumschlagen müssen, der sich gerade mit Matius auf und davon machte in die andere Richtung, und von seinem Optio hoffentlich schön lang und ausführlich beschäftigt wurde. „Muss ich überhört haben vorhin. Wie ist dein Name?“

    Der Optio schien sich unterhalten zu wollen, und Hadamar kam das ganz gelegen. Sie schufteten schon eine ganze Weile, und reihum wurde immer mal wieder in passenden Abständen Pause gemacht – langsam konnte er sich so eine auch mal gönnen. „So lange genug Alkohol fließt, ist es egal, wie groß das Kaff ist.“ Wieder ein flüchtiges Grinsen, das aber an Humor etwas verlor, als er die unfertige Straße vor sich betrachtete und an die nächsten zwei Wochen dachte, während er sich etwas abseits zu dem Optio stellte. Er wusste gar nicht so genau, wo die zwei Contubernia gesoffen hatten, aber er nahm mal stark an, dass sie sich einfach irgendwo billigen Fusel organisiert und an ein einsames Fleckchen zurückgezogen hatten. Oder wahlweise in die Hütte einer Lupa oder so. Vielleicht sollte er seinen Optio darauf nochmal ansetzen, das herauszufinden... andererseits: wenn aufgrund der Sauferei seiner Leute irgendwo in Satala etwas zu Bruch gegangen wäre, eine Prügelei stattgefunden hätte, was auch immer – dann hätte er das längst mitbekommen. Schon allein, weil er dann der erste gewesen wäre, der eine Abreibung bekommen hätte... und er wiederum hätte andere Geschütze aufgefahren als nur Straßenbau. „Man muss nur wissen, wo man den herbekommt.“ Und das, davon war Hadamar überzeugt, wusste zumindest in der Theorie so ziemlich jeder Soldat. Es gab so einige, die mal einen über den Durst tranken. Die Kunst war, sich nicht so sehr zu betrinken, dass es auffiel – oder sich nicht erwischen zu lassen.


    Wo er gerade dabei darüber nachzudenken, merkte er, dass er selbst Durst hatte, griff nach einem Trinkschlauch mit Posca und nahm einen kräftigen Schluck. „Ist nicht der erste Straßenbau“, wiederholte er, was er schon zum Sklaven zuvor gesagt hatte, aber wesentlich freundlicher diesmal, und nickte in die Richtung, in die sein Optio mit Aleksan gegangen war, „so lange der Kerl da mir nicht zu sehr auf die Nerven geht, wird das hier ruhig laufen. Ich seh zumindest nichts bis jetzt, wo’s Probleme geben könnt.“ Die Straße war einfach sanierungsbedürftig, aber es war nirgendwo ein Erdrutsch oder sonst was passiert, was für Schwierigkeiten hätte sorgen können. Bei der nächsten Frage zuckte Hadamar mit keiner Wimper. Er hatte es noch nie gemocht, wenn Römer andere Stämme außerhalb ihres Reichs als Barbaren bezeichneten, weil die meisten es bewusst abwertend meinten. Er stammte selbst von einem solchen Stamm ab, all seine Ahnen waren nichts anderes als eben das, worüber Römer sich oft abfällig äußerten. Und das, ohne dass die meisten von ihnen überhaupt eine Ahnung hatten, wovon oder von wem sie da sprachen. Aber Jahre in der Legion hatten ihn auch darin geschult, darauf einfach nicht mehr zu reagieren. Was hier freilich auch leichter war, als es in Germanien gewesen war.


    „Wir hatten vermehrt Scharmützel an der Grenze bei unserm Dienst da in den letzten Wochen. Keine Ahnung, ob die auf der andern Seite gerade wieder nur ihre jungen Wilden rüberschicken, damit sie sich die ersten Sporen verdienen“, so ungefähr lief es jedenfalls oft bei den germanischen Stämmen jenseits des Limes, „oder ob sie irgendwas aushecken. Bericht liegt beim Tribun. Mal sehen was sie draus machen.“ Herauszufinden was da war, lag nicht in seiner Hand, so lange er nicht den Auftrag dazu bekam – auch wenn es ihn bei so was immer ein bisschen in den Fingern juckte. Aber nun ja, wenn letzteres der Fall war und sie tätig werden mussten, würden sie das früh genug erfahren. „Wie ists bei euch? Du bist erste... zweite? Centurie unserer Cohorte? Ihr seid neulich überfallen worden, hab ich gehört.“

  • "Optio Sisenna Seius Stilo", stellte er sich vor. "Zweite Centuria der vierten Kohorte. Unter Tiberius Coriolanus, wie man neuerdings munkelt, allerdings hat er seinen Dienst noch nicht offiziell angetreten. Ich denke ... hoffe ... das kommt noch. Sonst muss ich die Centuria weiterhin allein vertreten."


    Er zuckte entschuldigend mit den Schultern, obwohl es nichts gab, für das er sich entschuldigen musste. Es war eher stellvertretend für die Stabsebene. Jemanden, der gerade erst zum Optio befördert worden war, allein auf eine Centuria im Kriegsgebiet loszulassen, war nicht sehr freundlich. Er war froh über den Beistand von Centurio Bellatus als Mentor, ohne dessen Expertise der Übungsmarsch vermutlich fatal geendet wäre.


    "Uns haben die Steppenreiter eines unbekannten Stammes überfallen. Aber wir haben sie aufgerieben und ihren Anführer in die Hände bekommen. Er soll zeitnah verhört werden."


    Sein anfänglich triumphierendes Grinsen verrutschte bei der Erkenntnis, dass das Verhör Cimber oblag ... Duplicarius der langsamsten Turma von Roms Kavallerie. Sie würden das Ergebnis erst in einem Jahrzehnt erhalten oder Cimber wechselte zwischendurch die Einheit oder starb an Altersschwäche. Stilo runzelte gestresst die Stirn. In Cappadocia bedurfte es eiserner Nerven und einem Übermaß an Geduld.


    "Die Steppenreiter sind gut ausgerüstet gewesen, so dass ich nicht von wilden Jünglingen ausgehe, die sich die Hörner abstoßen wollen, sondern von einem Geldgeber. Die Truppe war altersmäßig durchmischt. Die meisten waren im besten Papa-Alter. Da käme ein bisschen Geld natürlich recht, um die hungrigen Mäuler zu stopfen. Arme Schweine."

  • Beim Namen Tiberius zog Hadamar eine Augenbraue leicht hoch. Sein Vetter Alrik war mit einer Tiberia verheiratet, und für einen kurzen Moment fragte er sich, ob da vielleicht eine Verwandtschaft bestand. Andererseits: ziemlich sicher nicht. Lucia stammte aus einer der angesehensten Familien Roms. Er konnte sich schwer vorstellen, dass ein Spross dieser Familie Centurio war statt mindestens Tribunus Laticlavius. Hatte bei ihm ja schon Ärger gegeben, dass er sich als simpler Soldat gemeldet hatte, und seine Familie mochte einen recht rasanten Aufstieg hingelegt haben innerhalb einer Generation, war aber nicht einfach nur plebejisch, sondern in den Augen vieler alteingesessener Familien nach wie vor ein Emporkömmling, nicht viel mehr als germanische Barbaren, zufällig ausgestattet mit dem Bürgerrecht. Gut, als er sich gemeldet gehabt hatte, hatte Alrik gerade erst angefangen, als erster ihrer Familie den Cursus Honorum zu beschreiten... trotzdem hatte er sich einiges anhören dürfen damals.

    Er schob die Gedanken allerdings ziemlich schnell beiseite. An Lucia zu denken, hieß an Alrik zu denken, und das wollte er nicht. Genauer: er vermied es, wo es nur ging. Der Tod war ein ständiger Begleiter, so sehr ihn die Nachricht von Witjons Dahinscheiden auch getroffen hatte. Alriks Schicksal dagegen... die Schicksalsweberinnen hatten schon einen sehr bitteren Sinn für Humor. Das, oder er hatte die Götter wirklich gegen sich aufgebracht. Hadamar sandte ein kurzes Stoßgebet zu den Göttern, dass ihm das niemals passierte, und räusperte sich. „Duccius Ferox“, stellte er sich vor, und ließ bewusst den Centurio weg, als Zeichen dass er nichts dagegen hatte, sich ein bisschen ungezwungener zu unterhalten. Dann grinste er. „Allein mit der Centurie also? War bei mir damals ähnlich, mein Centurio war gefühlt ständig irgendwo unterwegs. Aber manchmal ist es ganz gut, ins kalte Wasser geworfen zu werden.“ Ihm hatte es jedenfalls gut getan, rückblickend betrachtet. Er war sich nicht sicher, ob er sich dermaßen angestrengt hätte, wäre der Artorius ständig da gewesen. Er war sich nicht sicher, ob es ihm gelungen wäre sich selbst Respekt zu erarbeiten, hätte der Artorius ihm die ganze Zeit mit seiner Autorität den Rücken gestärkt... „Wenn du nen Rat brauchst, kannst gern zu mir kommen.“


    Also stimmte das Gerede, nicht nur das über den Überfall, sondern auch dass es die erste und zweite seine Cohorte getroffen hatte. „Sehr gut“, nickte er anerkennend. Die Angreifer nicht nur zurückgeschlagen, sondern aufgerieben, und den Anführer gefangen genommen – das war mehr als nur ordentlich. Vor allem wenn man miteinbezog, was der Optio danach erzählte. Vermutlich lag es daran, dass seinem Gegenüber jetzt das Grinsen verging, bei ihm selbst war das jedenfalls der Grund. Gut ausgerüstet und altersmäßig durchmischt? Hm. „An der Grenze waren die Angreifer größtenteils jünger, aber gut ausgerüstet waren die auch. Deswegen meine Vermutung, dass sie von den Stämmen kamen – simple Plünderer waren’s jedenfalls nicht.“ Plünderer wurden oft von Verzweiflung getrieben, bei den Stammeskriegern dagegen gab es oft einen Zweck. So lange sie nicht eine in Ungnade gefallene Truppe in den kollektiven Selbstmord treiben wollten, rüsteten sie auch ihre Jungen aus, selbst wenn es nur darum ging, sich zu beweisen – sonst würden sie sie ja nur dem Löwen zum Fraß vorwerfen und sich selbst ihrer Zukunft berauben. „Es gibt einfachere Wege an Geld zu kommen, als zwei römische Centurien anzugreifen. Selbst wenn sie Erfolg gehabt hätten: die wissen doch, dass wir so was nicht ungestraft stehen lassen. Dass sie Gefahr laufen, nicht nur selbst draufzugehen, sondern auch ihre Familien ans Messer zu liefern. Dafür muss schon viel Geld dahinter stehen, wenn sie sich für so was haben anheuern lassen. Oder sie wurden aufgewiegelt.“ Von jemandem, der nicht nur ausreichend Geld hatte für Ausrüstung und trotz allem halbwegs solide Bezahlung der Kämpfer, sondern der Leidenschaft und Kriegslust und den Glauben daran, das Richtige zu tun, in ihnen entzündet hatte.

  • "Ich werde sicher darauf zurückkommen. Es gibt noch zu viele Situationen, in denen guter Rat teuer wäre. Bellatus ist ein viel beschäftigter Mann, da er den organisatorischen und logistischen Überbau beider Centuriae im Auge behalten muss, die Dinge, die ein Optio auch in Vertretung nach Möglichkeit eher nicht wahrnehmen sollte."


    Besonders, wenn er keine Einweisung erhalten hatte. Die Fehler, die Stilo in seinem Versuch, auch die Verwaltung zu stemmen, begangen hatte, passten auf keine Kuhhaut. Vermutlich war es Bellatus irgendwann zu bunt geworden. Das Angebot zum ungezwungenen Gespräch nahm Stilo ebenso gern an. Er wusste, wie öde Straßenbau sein konnte und ein Gespräch zwischendurch erhielt zwar nicht die Effizienz, aber die Moral.


    "Aber du hast Vergleichbares erlebt? Hier in der XV oder wo? Dein Akzent klingt eher nordisch." Im Gegensatz zu dem von Stilo, dessen Aussprache einen griechischen Klang hatte, da er in Cappadocia aufgewachsen war, wo nicht Latein, sondern Koine als Verkehrssprache galt. "Ich habe meine Grundausbildung in der IX Hispana gemacht, die gegen Ende meiner Zeit dort nach Germania inferior versetzt wurde. Ist das deine Ecke?


    Was unsere Räuber betrifft, teile ich deine Einschätzung. Dahinter steckt ein sehr dicker Geldesel. Vermutlich wieder mal einer der Fürsten. Das läuft jedes Mal so. Sie stänkern, bis Rom einen Gesandten mit einem dicken Batzen Geschenken schickt. Danach geht es wieder für eine Weile, irgendwoher muss ihr abartiger Reichtum in dieser kahlen Gegend ja kommen. Vermutlich hat Rom diesmal zu lange damit auf sich warten lassen."


    Er wies auf die Straße.


    "Daran sieht man es auch, wenn man mich fragt." Aber ihn fragte ja keiner. "Normalerweise sind die Tempelfürsten dazu verpflichtet, die Straßen warten zu lassen, wenn sie das Land schon unbehelligt weiter regieren dürfen. Ein bisschen Mitarbeit wird man ja wohl von ihnen erwarten können. Selten so arrogante Menschen erlebt. Die Barbaren in Germania inferior sind da ein ganz anderer Schlag Mensch, sie kämpfen offen. Wenn sie die Wölfe sind, die sich den Mond anheulend zur Jagd auf Rom versammeln, ist so ein Tempelfürst die Schlange, die nachts lautlos in Roms Bett kriecht, heimlich sein Blut trinkt und ihr Gift in seine Adern fließen lässt, ehe sie genau so lautlos verschwindet."


    So ähnlich wie Tribun Tuccius, aber das konnte Stilo unmöglich aussprechen.


    "Man kann sich aussuchen, was man bevorzugt."

  • Hadamar grinste etwas schief. Ja, das kam ihm bekannt vor, nur dass sein Centurio prinzipiell da gewesen war – und dass er trotzdem jede Menge von dem Verwaltungskram hatte übernehmen müssen. Was ein eher mieser Scherz der Nornen gewesen war, bedachte man, dass er sich zur Legio gemeldet hatte, um dem dräuenden Schicksal der Verwaltungsarbeit zu entgehen. „Aber Cornicularius, Tesserarius und so, die Posten sind schon besetzt bei euch, oder? Die haben mir damals ziemlich geholfen.“ Das hätte auch anders laufen können, das wusste er. Wenn die damals versucht hätten, ihn zu sabotieren, oder auch einfach nur nicht zu unterstützen, hätte er sich da kaum als Optio halten können.

    „So ähnlich jedenfalls. Bei mir war der Centurio schon da, aber das war der Primus Pilus, und der war oft unterwegs, Stabsbesprechungen und so. Da stand grad der Bürgerkrieg ins Haus, da hat er mich zwangsläufig viel alleine schmeißen lassen müssen. Und die Jungs der Prima wiederum hatten verständlicherweise wenig Lust auf nen Frischling als Optio, der noch keine 20 Sommer gesehen hat und nur wenige Dienstjahre aufm Buckel.“ Und ziemlich bald, nachdem er Optio gewesen war, waren sie denn auch schon marschiert, gen Norden, über die Alpen bis nach Rom. Hatten einen Bürgerkrieg bestritten. Kaltes Wasser, wie er schon gesagt hatte. Manchmal wurde man einfach reingeworfen. „Nicht hier, bei der II, in Mogontiacum. Germania Superior. Tiro, Miles, Optio, alles da gemacht.“

    Hadamar nickte, als der Optio über die Fürsten sprach. Flüchtig dachte er an seine Heimat und fragte sich, wie die freien Stämme wohl reagieren würden, würde Rom versuchen dieselbe Taktik mit ihnen zu fahren... was ihn beinahe kurz auflachen ließ. Konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das funktionieren würde. Aber hier tat es das offenbar, zumindest insoweit sich Rom das auch vorstellte – was auch immer diese Vorstellungen waren. Denn Stilo hatte vollkommen Recht damit, fand er, dass es hier, vor Ort, in mancherlei Hinsicht mehr schlecht als recht lief. „Immerhin, wenn’s tatsächlich das ist, lässt sich das ja schnell lösen, vorausgesetzt Rom bleibt bei der Vorgehensweise. Ist die Frage, ob man sich das auf Dauer gefallen lassen will, aber naja... wird auch seine Vorteile haben, schätz ich.“ Er zuckte die Achseln. „Anders sieht’s aus, wenn jemand versucht den Aufstand zu proben.“


    Und dann kam ihm doch ein Lachen über die Lippen, als der Optio anfing von den Germanen zu reden. „Bei mir ist ziemlich klar, was ich bevorzug.“ Das Wort Barbaren erneut geflissentlich überhörend, grinste er. Sogar bei dem Vergleich konnte er sich quasi direkt angesprochen fühlen, war das Symbol seiner Sippe, der Wolfrikssöhne, doch der Wolf. „Meine Familie ist germanisch. Ich bin einer der ersten, der mit Bürgerrecht geboren wurde, alle davor haben sich’s erst erarbeitet. Und die Verbindung zu den Stämmen und Sippen, sowohl diesseits als auch jenseits des Limes, ist immer noch da.“ Politische Verwicklungen, Handelspartnerschaften, Ehebündnisse... bis hin zu Zwist und Gegnern. Was so alles dazu gehörte. Hadamar konnte sich noch gut an das Thing erinnern, auf das Witjon ihn damals mal mitgenommen hatte, als Teil seiner Begleitung. Auch bei den Germanen gab es verschlagene Menschen, was sich vor allem bei Things manchmal zeigte, aber selbst das äußerte sich dann anders. Hadamar fragte sich nur, ob Stilo bewusst war, dass dieser Schlangenvergleich auch auf manchen Römer ziemlich gut zutraf. Da war so manches hochrangige Tier in der Legio – und dann waren da, vor allem, Politiker. Was Alrik manchmal erzählt hatte von seiner Zeit in Rom... „Die einfachen Kämpfer hier wie dort sind gar nicht so verschieden. Aber die Tempelfürsten hier haben definitiv ne andere Herangehensweise als die meisten Stammesfürsten in Germania.“

  • "Die Posten in der Verwaltung sind voll besetzt ... und die helfen durchaus." Stilo kratzte sich den Hals. "Aber die haben immer viel zu tun, auch ohne, dass der neue Optio ihnen mit seinen Geburtsschmerzen in den Ohren liegt. Ich versuche, so viel wie möglich selbst zu erledigen, um die Kameraden zu entlasten." So konnte man umschreiben, dass man Schiss hatte, als unfähiger Trottel dazustehen, wenn man fragte. "Du warst Optio unter dem Primus Pilus? Was ist dir lieber, Respekt oder Beileid" Er grinste. Die Primi Pili galten selbst für den Maßstab von Zenturionen als besonders verbissene Hunde.


    "Einer germanische Familie entstammst du, interessant. Welcher Stamm? Dann weißt du ja besser Bescheid über kleinliche Zwists zwischen den Einheimischen als jeder andere. Wenn du hier was zu melden hättest, was würdest du raten im Umgang mit unseren Steppenräubern?"


    Auf die Einschätzung vom Profi war er gespannt. Dass er den Centurio zuvor indirekt einen Barbaren genannt hatte, war Stilo hingegen so peinlich, dass er sich eine Entschuldigung verkniff und hoffte, der Patzer würde still und leise unter irgendeinem Teppich verschwinden.

  • Hadamar nickte und grinste schief. „Beides unnötig. Der Primus Pilus war mein alter Centurio, der ist kurz vor mir befördert worden – er hat mich dann nachgezogen. Hab ihn seit meinem ersten Tag gekannt...“ An dem er gleich mal einen kleinen Anschiss bekommen hatte, weil er keine Ahnung gehabt hatte wie die Meldung richtig ging. Oh, und weil er ungerüstet zum Antreten gekommen war, weil er auch das nicht gewusst hatte. Wenn Corvinus damals nicht gewesen wäre und ihm unter die Arme gegriffen hätte... „Was ihn angeht, wusst ich ziemlich genau was mich erwartet.“ Hart aber fair, so konnte man seinen alten Ausbilder beschreiben. Hadamar versuchte bis heute sich ein Beispiel daran zu nehmen, wenn er ehrlich war. „Nutz die ruhig. Dafür sind sie auch da. Mit Schreibkram sieht man immer wahnsinnig beschäftigt aus, aber das ist nicht immer auch der Fall.“ Wie bei allen anderen auch: es gab solche und solche. Und manche hatten es echt drauf, Arbeit vorzuschützen, obwohl sie gerade eigentlich nur den Stift von links nach rechts schoben. Hadamar fand, bei der Verwaltungsarbeit war das leichter als sonst wo – wenn seine Milites hier nachließen, sah er das einfach. So wie jetzt gerade. Er stieß einen scharfen Pfiff aus, der in den Ohren gellte, und brüllte: „HEY! CONTUBERNIUM SECHS, BISSCHEN MEHR TEMPO DA VORNE, SONST KOMM ICH VORBEI!“

    Nahtlos wandte er sich danach wieder an den Optio. „Amsivarier. Aber der Stamm existiert nicht mehr. Keine Ahnung, ob sonst noch irgendwo versprengte Überlebende sind. Meine Sippe hat’s nach Mogontiacum verschlagen.“ Danach war er ein bisschen perplex, als der Optio kundtat, er müsse dann ja wohl hier Bescheid wissen. Tat er das? Die Einheimischen hier waren... naja, er hatte ja selbst gesagt: die einfachen waren gar nicht so anders. „Mh“, brummte er. „So wie’s jetzt ist: Demonstration der Stärke. Ich bezweifel, dass kurzfristig irgendwas anderes hilft, als ihnen zu zeigen, dass mit der Legio nicht zu spaßen ist – egal wer ihnen wie viel Geld dafür zahlt. Es lohnt sich einfach nicht, und ich hab nicht den Eindruck, dass ihnen das klar wär.“ Er kratzte sich am Kopf und machte eine kurze Pause, musterte den Optio für einen Moment abwägend, bevor er weitersprach. „Auf Dauer wird das allein aber nix ändern. Ich glaub womit Rom vor allem erfolgreich ist, in meiner Heimat jedenfalls, ist die Tatsache, dass es den Menschen, den einfachen, ein besseres Leben ermöglicht. Es gibt immer die Fanatiker, denen alles egal ist, die nur für ihre Sache leben, die dafür kämpfen und bluten und sterben, wenn’s sein muss. Aber der Rest...“ Er zuckte die Achseln. „Der Rest interessiert sich erst mal dafür, dass er was zum Essen aufm Tisch hat und nen halbwegs sicheren Platz zum Schlafen. Und dass er heut schon weiß, dass es morgen genauso ist. Hier dagegen...“ Er gestikulierte in Richtung Satala. „Die dort leben, profitieren von uns, aber es sind wenige, die das nutzen. Und so lang die Tempelfürsten genug Geld haben, um den Menschen hier das zu bieten, was Rom den Menschen in meiner Heimat bietet, bleibt das so. Die wissen hier genau, an wen sie sich wenden und was sie dafür tun müssen, um Essen und nen Dach überm Kopf zu bekommen. Für die meisten heißt das nicht, sich an die Römer hier zu wenden.“ Wo genau war er eigentlich dazu abgebogen, so ausführlich zu erklären, was er meinte? Aber wo er schon dabei war, konnte er seinen Gedanken auch zu Ende führen. „Das funktioniert halt, so lang die Tempelfürsten sich an ihren Teil der Abmachung halten. Aber wenn einer von ihnen das nicht mehr will, gibt’s erst mal effektiv nichts, was ihn daran hindern könnte für Rabatz zu sorgen. Geld ist genug da, und die Leute stehen dahinter, weil man nicht die Hand beißt, die einen seit Jahr und Tag füttert. Erst wenn der Preis dafür zu hoch wird... oder wenn sie realisieren, dass es tatsächlich eine Alternative gibt.“ Hadamar grinste flüchtig. „Und wenn Rom für sie nicht mehr der eine große, gemeinsame Feind ist, der sie zusammenschweißt, dann verzetteln sie sich in kleinlichen Zwists untereinander, und wir haben Ruhe.“

  • "Mogontiacum? Da war ich auch schon mal. Bisschen nass für meinen Geschmack, aber die Wälder in der Gegend haben was. Ich bin hier in Cappadocia aufgewachsen, ein römischer Sohn der Steppe und ich liebe es, trotzdem hat mir auch das viele Grün in Germania gefallen. Man müsste meinen, wenn man Germania vernünftig gesichert und verwaltet bekommt, müsste dort bei so viel Regen niemals wieder jemand Hunger leiden.


    Hm, deine Gedanken hören sich brauchbar an. Allerdings ist Satala nicht unter, äh, tempelfürstlicher Verwaltung ... das ist ein desorganisiertes Kaff, was sich hier nur gebildet hat, weil ein Militärlager hier herumsteht."


    Er wies, ohne hinzusehen, in die Richtung der Castra, die irgendwo weiter hinten entlang der staubigen, aber schön renovierten Straße stand.


    "Die Tempelfürsten hocken in ihren Heiligtümern in den wenigen fruchtbaren Schwemmtälern, die es hier gibt. Sie kontrollieren alle fruchtbaren Gebiete. Außerhalb ihrer Kontrolle haben die Cappadocis wenig Möglichkeiten, sich sinnvoll anzusiedeln ... manche sind Viehhirten, andere hausen in unterirdischen Städten, aber die sind halt Freiwild für die Räuber. In den Tempelstädten aber geht es ihnen doch recht gut. Die Fürsten sind raffinierte Schlangen, drum ließ Rom sie auch an der Macht.


    Vielleicht hast du recht ... man sollte einige dieser lästigen Störenfriede, die Rom ans Bein pinkeln, gegeneinander ausspielen. Dass sie hier alles verwalten, schön und gut, Stolz sei ihnen meinetwegen auch gegönnt, aber diese Arroganz gegenüber Rom! Diese dreiste Anmaßung! Und ich wette mit dir, dass einer der Tempelfürsten zahlungskräftig hinter den Überfällen steht, um zu stänkern, weil ihm das letzte Geschenk zu klein war!"


    Stilo war sichtlich empört. Für ihn war Rom das Nonplusultra, Rom war die Zivilisation, Rom war das Licht, Rom war die Welt. Und dann behandelte man sie so! Pansa neben ihm gluckste, sah aber dabei in eine andere Richtung. Trotzdem wusste Stilo genau, dass er es lustig fand, wenn der sonst so ruhige Stilo sich mal aufregte, und so bekam Pansa zur Strafe einen spitzen und harten Ellbogen in die Flanke gebohrt.

  • „Ja?“ Neugierig sah Hadamar den Optio an. „Während du in Inferior stationiert warst? Wann war das?“ Ihm war das in dem Moment selbst nicht so bewusst, aber allein die Aussicht, Neuigkeiten aus der Heimat zu hören, die jemand direkt aus eigener Erfahrung erzählen konnte – und in dem Fall zählte für ihn alles als Neuigkeit, was von jemandem kam der dort gewesen war, nachdem er Mogontiacum verlassen hatte –, ließ ihn auf mehr hoffen. Er hatte lange nichts mehr aus seiner Heimat gehört, abgesehen von den Briefen seiner Familie, und das war einfach etwas anderes, als jemandem zuzuhören, der tatsächlich davon erzählte. „In welchem Eck hier bist du aufgewachsen? Dann müsstest du dich ja eigentlich auch mit den Leuten auskennen.“


    Was der Optio danach auch direkt bewies, als er seine Einschätzung über die Gegend und die Tempelfürsten abgab. Bei dem Hinweis auf Satala nickte Hadamar. „Ja, das stimmt schon. Aber Mogontiacum ist auch nix anderes, eigentlich. Konnte sich nur ganz entwickeln als hier. Aber du hast schon recht, das mag alles leichter sein in einer Gegend, in der man zumindest in der warmen Jahreszeit keine Probleme hat die Mäuler zu stopfen.“ Er zuckte die Achseln. „Unterm Strich bleibt’s dabei, dass sich hier wahrscheinlich wenig machen lässt außer militärische Machtdemonstrationen, so lange die Bevölkerung weiß, dass die Tempelfürsten die sind, die für sie sorgen, während sie von Rom nicht viel haben und nicht viel sehen, außer uns vielleicht. Und die Fürsten wissen das offensichtlich sehr genau – und sehr gut für sich zu nutzen.“


    Als der Optio danach begann, sich etwas aufzuregen, musste Hadamar ein Schmunzeln unterdrücken, erst recht, als er das Glucksen hörte, das vom Begleiter von Seius kam. Diese Arroganz gegenüber Rom... Der Optio war von Rom eindeutig mehr eingenommen als er selbst es war. Hadamar sah das recht pragmatisch, im Grunde. Mogontiacum war seine Heimat, es lag in einer römischen Provinz, er war Germane und gleichzeitig römischer Bürger, seine Familie hielt die alten Traditionen hoch und ehrte ihre Ahnen, aber sie hatte sich auch viel in der römischen Provinz und mittlerweile Rom selbst eingebracht, und daher umgekehrt sehr von Rom profitieren können. Sein Herz hing trotzdem nicht an Rom selbst. Weder an diesem riesigen Reich noch an seinem Zentrum, das manche als den leuchtenden Mittelpunkt der Welt sahen. Es hing an seiner Familie und seiner Heimat... und davon hatte er nicht nur eine, sondern zwei, seit er in die Legio eingetreten war. Rom bedeutete für ihn also in erster Linie, dass seine Familie sich ein gutes Leben hatte aufbauen können, und in zweiter, dass er selbst eine zweite Familie gefunden hatte – das Militär, in dem er seit Jahren seinen Dienst versah, seine Centurie, seine Kameraden. Die, mit denen und für die er all die Jahre geschwitzt und geblutet hatte. „Wer weiß, vielleicht reicht’s schon wenn man ein paar gezielt bevorzugen würde... müssten halt die richtigen sein, die die nur aufs Geld aus sind. Ich bin ziemlich sicher, dass es nach wie vor auch welche gibt, die nicht einfach nur arrogant sind, sondern Rom als Feind sehen. Aber dafür braucht man Informationen. Einheimische, die in unserem Dienst stehen. Speculatores, die herausfinden können, wo man welchen Hebel richtig ansetzt. Ein Gefangener, der auch wirklich zum Reden anfängt...“ Jetzt ließ er sein Schmunzeln sehen. „Gut, dass ihr zumindest schon mal einen geschnappt habt.“

  • "Ich stamme aus Caesarea. Meine Gens hat dort ihre Casa, auch wenn sie im Moment etwas ruhig ist und nur von Libertini und Sklaven bewirtschaftet wird. Alle Vögelchen sind ausgeflogen. Mein Vater dient in Hispania, mein Bruder ist nach Roma gezogen, um Politik zu machen. Und ich bin hier in Satala. Aber das Personal kümmert sich um alles, jedes Mal, wenn ich schauen war, war alles in bester Ordnung. Unser Maiordomus ist ein fähiger Mann und hat die Sache gut im Griff."


    Er stand auf und streckte sich. Sein Hintern wollte nicht mehr auf den unebenen Steinen sitzen.


    "Deine Gedanken solltest du im Hinterkopf behalten, wer weiß, wann du danach gefragt wirst oder ob du mal persönlich das zweifelhafte Vergnügen mit einem von denen hast. Ich muss dann mal zurück, wir sehen uns."


    Er verabschiedete sich vernünftig und stapfte mit dem faulen Pansa zurück zur Castra, während hinter ihnen die Straßenarbeiten unvermindert weitergingen. Das Poltern der Steine und das Fluchen war noch lange zu hören.


    RE: Schwarzes Brett >>

  • Hadamar hörte interessiert zu – trotz der Jahre, die er mittlerweile hier war, hatte er von Caesarea noch nicht allzu viel gesehen. Es mangelte schlicht an Gelegenheit dazu, und bei den wenigen, die sich hin und wieder ergaben, wo er – meist aus dienstlichen Gründen, deutlich seltener privat – dorthin musste, da mangelte es an Zeit. Vielleicht traf er den Optio mal in gemütlicherer Runde wieder und konnte sich das ein oder andere erzählen lassen, aber hier war dafür kaum der richtige Ort. Seius kündigte schon an, zurück zu müssen, und auch Hadamar fand, dass es Zeit war auch wieder weiter zu machen. Das hier war für die ganze Centurie, und da gehörte er dazu. Also nickte er dem Optio noch mal zu und verabschiedete sich ebenfalls, bevor er sich wieder zu seinen Leuten gesellte und mit anpackte, während er sie gleichzeitig antrieb. So lange, bis er sie abends schließlich vollkommen erschöpft zurück in die Castra entließ... nur um am nächsten Morgen in alter Frische weiter zu machen, so wie am Morgen danach und danach, bis er den Eindruck hatte dass die Lektion angekommen war.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!