Zurück vom Spaziergang

  • Ich musste immer noch über einen Scherz von Sophus lachen, als wir durch die Tür der Villa traten. Ich drückte Eirene meine palla in die Hand und spürte plötzlich die Leere in meinem Magen.


    „Eirene ich falle um vor Hunger. Hast du schon was vorbereitet?“


    Hoffnungsvoll lugte ich um die Ecke. Eine Tonschale mit Brot stand auf dem Tisch und ich riss mir sogleich ein kleines Stück davon ab. Schnell verschwand es in meinem Mund.


    'Wie unschicklich', dachte ich schmunzelnd und schüttelte über mich selbst den Kopf.


    Kauend blickte ich zu Sophus, der gerade ein Schreiben entrollte.

  • Nachdem er das Schreiben gelesen hatte, musste sich Sophus erst einmal setzen. Sein alter Waffenbruder Commodus war also ein Aurelier!


    "Eirene! Eirene! Wo bleibt denn das Essen? Und vor allem der Wein...?"


    Mit einem Blick auf Deandra stellte er fest, dass er diesen jetzt dringend nötig hatte. Welch ein verrückter, anstrengender und gleichzeitig glücklichsterTag!


    Sophus's Stimme nahm den befehlsgewohnten Ton eines Centurio an.
    "Eirene! Eirene! Wird's bald?"

  • „Wenn das in unserem Leben so aufregend weiter geht, brauchen wir gute Nerven“, sagte ich mit einer Art Galgenhumor, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte.


    Ich ließ mich einfach auf die Liege fallen und saß kurze Zeit völlig apathisch da. Dann schaute ich zu Sophus.


    „Wie lauten deine Nachrichten?“, fragte ich vorsichtig.

  • Sophus runzelte dir Stirn.


    "Och, nichts Besonderes.", sagte Aurelius zynisch. "Lediglich ist dein Bruder von den Toten auferstanden."


    Er lachte kurz auf.


    "Es ist Appius Tiberius Commodus. Nach all den Jahren...er hat hier alles niedergeschrieben."


    Sophus reichte Deandra den Brief des Commodus.


    "EIRENE! DER WEIN!"

  • Verständnislos schaute ich Sophus an und ließ auch den Blick nicht von ihm, als ich längst den Brief in den Händen hielt. Dieser Tag würde in die Annalen der Familie eingehen. So viel stand fest.


    Während ich las, schüttelte ich mehrmals ungläubig den Kopf.


    „Commodus – ich traf ihn doch gerade erst als Pater der Tiberier. Genau der Commodus ist jetzt mein Bruder?“
    Ich suchte in Sophus’ Gesicht zu lesen, so als ob dort meine Antwort stand.


    „Ja gut, er war mir mehr als sympathisch von Anfang an, aber solche Erklärung für meine Sympathie hätte ich nimmer erwartet.“
    Meine Hand sank mit dem Brief nach unten.


    „...und doch ist es eher eine gute Nachricht. Die meine hingegen – von Cadior überbracht – war eine schlechte.“


    Ich stockte kurz und überlegte, ob wohl Sophus den Kopf frei für meine Sorgen hatte. Er wirkte etwas abgespannt.

  • "Genau der Commodus.", bestätigte Sophus nachdenklich.


    Endlich kam Eirene, welche einige Speisen auftischte und ihrem Herren etwas Wein reichte.


    "Welche Nachricht wurde dir zuteil?", fragte Sophus besorgt und musterte Deandra. Er wusste nicht so recht, was er von dieser pikanten Situation halten sollte.

  • „Cadior brachte mir eine Nachricht über Vibullius. Er wäre in das Exil gegangen so sagte er mir. Vibullius stand vor Gericht“, erklärte ich Sophus, der das nicht wissen konnte. Schließlich traf er erst vor Stunden hier in Rom ein. Stunden, in denen so viel passierte, wie sonst in Wochen oder gar Jahren.


    „Ich schickte ihm einen Brief nach Ostia indem ich ihm mitteilte, …“
    Ich brach mitten im Satz ab. Ich machte mir Vorwürfe. Gut möglich, dass meine Entscheidung für Sophus mit ein Grund für den Entschluss Vibullius' war. Traurig blickte ich Sophus an. Ich konnte es nun nicht mehr ändern und selbst wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, meine Entscheidung bliebe die Gleiche.


    „Können wir den Abend noch mit etwas Angenehmeren ausklingen lassen?“
    Irgendwie war mir plötzlich der Hunger vergangen und ich wünschte mir nur etwas Ablenkung und Trost.

  • Sophus war viel zu müde und gestresst, um weiter über die Worte Deandras nachzudenken.


    "Dann ist Ostia ohne Führung. Und das in diesen schlimmen Zei..."


    Aurelius brach abrupt ab. Nicht vor Deandra!


    "Ach, wieder einmal hast du recht: Lass uns den Rest des Tages mit angenehmeren Dingen zubringen."


    Lächelnd nahm er sie bei der Hand und flüsterte ihr zwinkernd in's Ohr:
    "Ich habe etwas für dich." ;)

  • Wie schnell doch ein paar Worte die Sorgen wegwischen konnten…


    Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht und voller Neugier blickte ich Sophus an.


    „Was ist es?“, flüsterte ich zurück und gab ihm einen kleinen lautlosen Kuss auf sein Ohr.

  • Lächelnd führte er sie im Schein einer Öllampe in den Garten der Villa, wo neben den gepflegten Sträuchern und Wasserbecken zahlreiche Blumenknospen nach der Frühlingsluft strebten.


    Er eilte zu einem der Beete und reichte ihr ein junges, verletzliches Pflänzchen.


    "Hier, das ist für dich. Noch ist dies Pflänzlein jung und verletzlich, niemand kennt seine Gestalt, wenn einige Wochen vergangen sein werden. Behüte es gut, wie unsere junge Liebe, und es wird eine Zierde deines Gartens sein, an der sich dein Herz noch lange erfreuen wird."


    Sopus legte das schmächtige Grün in ihre zarten, warmen, jungen Hände.

  • „Du hast daran gedacht?“


    Tief berührten mich seine Worte. Da war so viel Wärme zu spüren, dass mir schon fast wieder Tränen in die Augen stiegen. Ganz ergriffen schaute ich auf die zarte Pflanze in meinen Händen. Eine Schönere konnte es für mich nicht geben.


    Ich kniete mich hin und was ich sonst nie im Leben getan hätte, für dieses Pflänzchen tat ich es. Ich schob mit bloßen Händen die Erde beiseite und setzte es vorsichtig in das Loch. In einer Tonschale holte ich etwas Wasser und gab es dazu. Anschließend füllte ich die Erde wieder auf und drückte sie vorsichtig an.


    Zufrieden betrachtete ich dieses für mich so wertvolle Geschenk.


    „Ich werde gut für dieses Pflänzchen sorgen. Ich selbst und niemand sonst.“


    Mit völlig schmutzigen Händen und auch die Tunika etwas befleckt, stand ich vor Sophus. Ich war tief gerührt und noch so viele Worte hätte doch nicht ausdrücken können, was ich gerade in diesem Moment empfand.


    „Du bist mein Leben. Ich wusste das schon immer, aber nie spürte ich es so stark wie jetzt. Und weil das Glück gerade so groß ist, fühle ich auch die Angst, dass es uns wieder verlässt.“

  • "Ängstige dich nicht. Ein Menschenleben ist so kurz, so ernst, dass es ein Fehler wäre, sich das Herz nun schwer zu machen. "


    Sophus überlegte einen Moment, ob er Deandra von der misslichen Lage ihres Bruders erzählen, ob er berichten sollte, wie ernst es in Wahrheit um Rom stand. Als er sie jedoch dabei beobachtete, wie sie glücklich das kleine Pflänzlein eingegraben hatte, war jener Gedanke in weite Ferne gerückt.


    Lächelnd schaute er in den Sternenhimmel über dem Garten.


    "Wusstest du, dass einer unserer Vorfahren, seines Zeichens ein großer und bedeutender Astrologe, schrieb, dass die Sterne Lichter glücklicher Menschen seien, welche selbst noch im Tode ihre Freude ausstrahlen und dadurch die Gemüter der irdischen Menschheit zu erhellen suchen? Glaubst du, es wird einmal für uns einen Platz dort oben geben?"

  • „Ein wundervoller Gedanke. Mein Gemüt erreicht jedenfalls das Sternenlicht“, erwiderte ich ganz versunken und blickte ebenfalls nach oben.


    „Ich denke schon, dass auch wir eines Tages dort oben einen Platz finden werden und wenn später nur diejenigen Menschen als Sternenlicht erstrahlen, die ihr Leben lang glücklich sind, dann will ich unser Leben auch nicht mit meiner Sorge beschatten.“


    Was für eine schöne Vorstellung. Nie mehr wieder würde ich ohne diesen Gedanken einen Sternenhimmel betrachten können.


    „Ich hoffe sehr, unserer beiden Sterne liegen dann nah beieinander, damit ich dich auch noch nach dem Tode in meiner Nähe habe.“


    Ich überlegte kurz. „Weißt du ob unser Vorfahre auch eine Erklärung für herabstürzende Sterne hatte?“ Manchmal, in klaren Sommernächten, konnte man solche fallenden Sternen sehen.

  • "Ja, er dachte sich, wenn die Geister der Verstorbenen das Leben hier unten auf dem Erdenkreis beobachten, verlieren manche ihre ewige Glückseligkeit und fallen in einem hellen Feuerschweif hinab auf die Erde, wo auch jene ehemals strahlenden Gemüter den Weg in die finstere Unterwelt beschreiten.
    Finden aber wir beide dort oben einen Platz, so wollen wir versuchen, uns nicht um das Treiben der Lebenden zu scheren, um den unsterblichen Göttern gleich bis in alle Ewigkeit glückselig vereint zu sein."


    Müde betrachtete Sophus das Pflänzchen. Ob es wohl wachsen, gedeihen und irgendwann einmal Blüten tragen würde?


    Schließlich wandte er sich mit sanftem Lächeln an Deandra:


    "Auch wenn wir beide hoffentlich gemeinsam eine Ewigkeit durchschlafen werden, so sehnen sich meine müden Glieder doch nach einem Schlaf, der nur von Träumen über dich begleitet sein wird.
    Mein Herz, lass uns ruhen bis zum Morgengrauen und dann nach Ostia reisen..."


    Er küsste ihre schmutzigen Hände und verlor sich einmal mehr in ihren dunklen Augen...

  • „Dabei ist es doch so, dass zuerst der Geist eines jeden Toten in die Unterwelt eintritt und wohl erst danach gelangen einige von ihnen an den Sternenhimmel da oben“, sann ich weiter nach.


    Doch dann fiel mein Blick auf Sophus. Erst jetzt bemerkte ich die Müdigkeit auf seinem Gesicht und in seiner Haltung. Der Tag war vor allem für ihn sehr lang gewesen.
    Es rührte mein Herz, ihn so erschöpft zu sehen. Wäre Umarmen doch möglich gewesen …, aber meine Hände…. Es war schon beängstigend – wie sehr liebte ich diesen Mann.


    „Ja, begeben wir uns zur Ruhe und lass uns am Morgen dann unsere Träume austauschen. Ich bin mir sicher, Cupido schließt dich am heutigen Tage in meine Träume mit ein“, erwiderte ich leise als wir langsam zurück zur Villa gingen.

  • 'Verstehe einer die jungen Leute...', dachte sich Eirene, als ihr Herr mit Deandra zu dieser späten Stunde noch aus dem Garten zurückkehrten.


    "Herr, die Schlafgemächer sind gerichtet."

    ANCILLA


    Im Besitz von Claudius Aurelius Crassus

  • Sophus, der erst durch Eirenes Stimme davon abgehalten wurde, immerfort die Schönheit Deandras zu mustern, nickte zu den Worten der Haussklavin.


    "Eirene, wir reisen morgen früh nach Ostia. Gib unterdessen auf die Villa acht. In wenigen Tagen werden wir wieder hier sein."


    Sophus stand etwas verlegen in der großen Halle der Villa.


    "Liebste,...ich wünsche dir eine gute Nacht."


    Wenig später fiel er mit ihrem Bild vor Augen in einen tiefen Schlummer...

  • „Schlaf gut und träume was Schönes“, erwiderte ich lächelnd und sah Sophus etwas sehnsuchtsvoll hinterher als er ging.


    Doch schnell lenkte mich Eirene mit Neuigkeiten ab. Ein Brief von Commodus war in der Zwischenzeit eingetroffen. Gespannt rollte ich das Pergament aus und las.


    Liebste Schwester, sicherlich hast du schon von den erzwungenen Exil meines Neffen gehört. Nur so viel, es werden Köpfe rollen. Die Rache wird kommen, aber jetzt noch nicht. Noch nicht! Eigentlich wollte ich dir den letzten Wunsch von Vibi nennen, bevor er ging. Er möchte das du dich um unsere Parisaa kümmerst. Zurzeit ist sie wohl in Hispania, in der Villa Tiberia. Daher bitte ich dich das du dich um sie kümmerst. Für Vibi und mich ist sie so was wie eine kleine Schwester.


    Grüß mir meinen Cousin Sophus!


    dein Lucius


    Nachdenklich blickte ich auf und dachte an Parisaa. Die kleine Sklavin, die Cadior mit dem Gespann angefahren hatte und die mein Herz im Sturm eroberte. Über diese Angelegenheit würde ich morgen unbedingt mit Sophus sprechen müssen.


    Anschließend begab ich mich auf mein Zimmer, kleidete mich aus und sank auch ziemlich erschöpft auf das Bett.


    ‚Was für ein Tag’, dachte ich noch, dann glitt ich sanft in einem schönen Traum.

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