Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    "Es ist alles verständlich", bestätigte Sabaco, "aber wirr. Das liegt nicht an deiner Erklärung, sondern am Konzept, ein und dieselbe Sache unnötig aufzusplitten. Das ist nicht effizient und Missverständnissen sind Tür und Tor geöffnet. Entweder ist hier unsere Sprache unpräzise oder unser Denken. Sei es drum. Ich bin froh, dass wir das in der Praxis alles nur Gesetz zu nennen brauchen und fertig."


    Er war als Soldat gewohnt, die Dinge zu nehmen, wie sie ihm präsentiert wurden, auch wenn manches ihm unlogisch erschien oder er meinte, das alles hätte besser entscheiden können. Trotzdem bekam er leichte Kopfschmerzen von dem Definitionschaos. Die Erklärung zum Artikel IIII der Lex Aquilia hingegen erschien ihm angehm klar und schlüssig.

    "Zur Hälfte richtig. Aber noch nicht vollständig. Eques Seius Iunianus Fango! Erhelle uns." Sabaco machte eine einladende Geste zum Zeichen, dass der Schütze vortreten durfte. Zur Abwechslung würde heute mal jemand anderes einen Monolog führen dürfen. Er wusste aus leidvoller Erfahrung, dass Fango unwahrscheinlich gern klugschiss. Heute würde er das ganz offiziell dürfen, ohne damit jemandem auf den Schal zu treten.

    Ihre Worte bedeuteten ihm viel. Er schloss die Augen, als sie sie sagte, spürte ihre Nähe und die Wärme ihres zarten Körpers, die sie verlassen würde, wenn sie zu lange hier draußen standen. Doch so lange Sabaco sie hielt, würde sie nicht frieren. Er hatte genug Hitze für zwei. "Dir das Wort verbieten? Wo denkst du hin. Ich möchte, dass wir ehrlich zueinander sind. Lügen sind keine Basis ... zumindest für nichts Gutes."


    Er öffnete die Augen wieder und grinste etwas. "Was willst du denn hören?" Als er aber sah, dass ihre Augen glänzten, dass sie gerade genau so glücklich war wie er selbst, aber es viel tiefer und ehrlicher zeigen konnte, nahm er sich ein Herz und hörte auf, sich nichtsahnend zu stellen. "Wenn es Liebe gibt, dann ist sie das. Daran gibt es keinen Zweifel. Ich liebe dich", sagte er ernst, während er ihr in die Augen sah.


    Er erwiderte ihr Lächeln, spürte dabei inneren Schmerz, obwohl er gerade rundum glücklich war, oder vielleicht genau deswegen. Angst und Verbitterung waren keine guten Begleiter, er würde sie fern halten von Matidia, so gut er es vermochte. Sie brauchte nicht seine Schatten zu sehen, es genügte, wenn er es war, den sie jagten.

    Als Tacitus sich nach Fragen erkundigte, hob Sabaco die Hand. "Erstmal danke für die ausführliche Erklärung. Das ist ja ein umständliches Hickhack mit den Befugnissen, aber vielleicht blicken wir am Ende des Cursus Iuris da durch. Ich bin jedenfalls froh, dass wir jetzt hier sitzen. Sich allein da einzuarbeiten, bricht einem vermutlich das Genick. Eine Frage hätte ich noch dazu: Was ist denn der Unterschied zwischen Gesetz, Edikt und Dekret? Gibt es da überhaupt einen, der für uns von Interesse sein muss?"

    Auch mein Hauslehrer war sehr unglücklich über mich. Es wird hoffentlich nicht der selbe alte Knabe geswesen sein.

    "Wohl kaum", brummte Sabaco. "Ich würde dich kennen." Sabaco war in seiner Jugend sehr umtriebig gewesen, hatte als Jugendlicher ein kleines Netzwerk kommandiert und nur wenig war seinen Augen und Ohren in Tarraco verborgen geblieben. Er folgte nach diesem kurzen Einwurf wieder aufmerksam dem Advokaten. Das war viel. Er schrieb sich mit:


    Definition Gesetz


    • Lex = Festlegung von Regeln


    • wird durch eine dazu bevollmächtigte Person dem dazu von der Verfassung des Staates vorgesehenen Gremium (Senat), vorgelegt und durch eine verfassungsgemäße Stelle (Kaiser), beschlossen.


    • Staatsverfassungen können unterschiedlich sein und deshalb auch unterschiedliche Gremien und Stellen vorsehen.


    Dann blätterte er durch die Lex Aquilia de Imperio. Beim Anblick des gigantischen bürokratischen Textblocks bereute er kurzzeitig, sich für den Cursus gemeldet zu haben. Er biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich. Vor Anstrengung schlug seine Stirn Falten. Er lauschte der Antwort von Secundus und der Erwiderung des Advokaten. "Die Lex Aquilia de Imperio ist ein Anhang des Codex Universalis", sortierte er langsam seine Gedanken, während er noch einmal den endlosen Textblock überflog. "Alle Paragrafen der Lex beschreiben jeweils eine Vollmacht des Kaisers. Jetzt muss ich noch die finden, in der es darum geht, dass der Kaiser Gesetze beschließen darf ..."


    Er nahm den Finger zur Hilfe, als er suchte. Zwei Paragrafen fand er, die er der Fragestellung zuordnen würde, nämlich IIII und VIIII. Aber er entschied sich für den Spannenderen. "Die IIII zum Beispiel." Seine Vier schrieb er immer al IV, aber die andere Schreibweise entsprach vielleicht irgendeiner altmodischen Tradition, wie bei der Legio VIIII Hispana, die nicht IX Hispana hieß. "Ich zitiere: Er hat das Recht Verträge im Namen des Senats und des Volkes von Rom zu schließen, so wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war." Er blickte auf. "Ich würde es so deuten, dass diese Verträge auch einer Art Gesetz gleichkommen. Indem er Verträge im Namen des Senats und des Volkes von Rom beschließt, haben sie bindende Wirkung für alle und kommen damit de facto Gesetzen gleich."


    Er war gespannt, ob seine Mutmaßung stimmte.

    "Wir kommen nun zum Bogenschießen", verkündete Sabaco überflüssiger Weise und nicht ohne Stolz, denn der Schütze gehörte zu seiner Turma. "Ich werde etwas zur Theorie erzählen, dann leitet euch Eques Seius Iunianus Fango durch die Praxis." Da nun niemand mehr schoss, nahm er seinen Platz vor den Rekruten wieder ein und begann einen weiteren seiner Monologe:


    "Da Tiro Germanicus Pilius gefragt hat: Die Ausrüstung unseres Strohmanns stammt von einem germanischen Überfall, an dessen Abwehr ich beteiligt war. Damals noch als Suboptio der Classis Germanica ... auf der Navis lusoria Keto." Falls sich jemand gefragt hatte, warum ihr Decurio unter seiner Reiterrüstung die blaue Tunika der Classis trug, wusste er es nun. Sabaco ging langsam an dem gespickten Strohgermanen vorbei.


    "Unsere Gegner sind elende Schweine, die es seit Jahren gewohnt sind, Zivilisten abuzuschlachten und ihre Häuser zu plündern. Um das zu ändern, seid ihr hier. Das kann so nicht angehen. Die Ala stockt auf und die Strategie hat sich von der Defensive in die Offensive verlagert. Die meisten von uns werden mit Hasta und Spatha kämpfen. Doch wir haben auch einen Trupp Schützen in unseren Reihen. Warum sind die Bogenschützen separat? Tiro Germanicus Pilius?"

    Sabaco ließ sich nicht zwei Mal bitten. Er zog Matidia an sich und drückte seine narbigen Lippen auf ihren zarten Mund. Sie hatte Ja gesagt, ohne Ja zu sagen. Zwischen ihren Brüsten spürte er ihren Herzschlag und sein Körper brannte vor Verlangen. Seine rauen Hände strichen über ihren Rücken, über die Kurven ihrer Flanken und ja, er musste auch ihre Brüste durch seine Finger gleiten lassen, ihr Gewicht und ihre Weichheit spüren.


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    Sein Herz raste und er fühlte sich geladen wie ein Torsionsgeschütz. Er war es nicht gewohnt, so lange abstinent zu leben und es machte ihm überhaupt keinen Spaß, doch wie es schien, würde der Lohn nicht ausbleiben, keine anderen Gedanken als den an Matidia zuzulassen, wenn das Verlangen wuchs. Die letzte Etappe würde er auch noch durchziehen. Er wollte diese Frau. Er würde der Mann sein, den sie verdiente und nicht der Hallodri von einst.


    "Jetzt weißt du, was ich fühle. Ich wollte es dir mit einem Gedicht sagen, aber sie geraten immer so düster." Er küsste sie noch einmal, diesmal nicht ganz so wild. "Dann lass uns heiraten, Matidia. Ich werde dein Mann von ganzem Herzen sein. Du wirst auf mich zählen können - in guten wie in schlechten Zeiten. Und das ist die große Kunst, auch in schlechten Zeiten zueinander zu stehen." Diese Worte klangen nicht heißblütiger als die vorherigen, obwohl Sabacos Körper in Flammen stand. Sein Panzer saß fest, auch in der Liebe.

    "Dort brennt der Feind. Das wird ihn eine Weile beschäftigt halten. Rom kennt viele Waffen. Ich habe die Flammen gesehen, sie sind hungrig trotz der Nässe, und finde, es ist ein guter Zeitpunkt, um heute mit dir hier zu sein." Er grub seine Nase in ihr Haar, das sich kalt anfühlte, und küsste es. Dann küsste er ihre Schläfe, während er seine Worte sortierte. "Ich möchte mit dir über etwas reden. Wir beide kennen uns schon ein bisschen und ich finde, wir verstehen uns bisher sehr gut. Ich würde dich gern noch besser kennenlernen und mehr mit dir teilen, als nur diesen kleinen Ausflug oder den wunderbaren Abend im Theater. Ich möchte um deine Hand anhalten, wenn auch du das möchtest."


    Das letzte Wort lag immer beim Vormund, aber Sabaco würde den Mann gar nicht erst fragen, sollte Matidia ihn abweisen. Er war Soldat doch es gab Dinge, um die er nicht kämpfen wollte. Es lief so harmonisch zwischen ihnen, das würde er nicht kaputt machen durch Zwang und Mitgiftsverhandlungen, als sei Ehe nur ein Geschäft, auch wenn sie wohl beide nicht die schlechteste Partie waren. Er wollte Matidia einvernehmlich heiraten oder er würde sie ziehen lassen, schweren Herzens, aber ohne Groll.


    Mit einem mulmigen Gefühl in der Herzgegend wartete er auf Matidias Antwort ...

    "Ich muss passen, Iunius Tacitus", gab Sabaco zu. Nicht sonderlich gern, doch der Advokat musste wissen, woran er war. "Ich kenne mich vor allem mit dem Militärrecht aus. Mein Hauslehrer war nicht glücklich mit mir, ich habe einiges nachzuholen." Das war sehr schonend umschrieben. Ob es für das geplante Format ein Problem war, wenn ein hochgebildeter Patrizier und ein Schulverweigerer im selben Unterricht saßen, oder ob sich daraus didaktisch irgendwas formen ließ, würde sich nun zeigen.

    Auch er verließ den Drillplatz, doch sein Feierabend würde zu einem anderen Zeitpunkt kommen. Theoretisch könnte er als Decurio jeden Abend in die Taberna gehen, dort was essen und trinken, aber praktisch ... Seit seiner letzten Beförderung fiel es ihm schwer, abzuschalten und nicht an den Dienst zu denken, und sei es für eine Stunde. Er hatte das Gefühl, wenn er wegsähe, würde alles schieflaufen und am Ende hätte er noch mehr Arbeit. Darüber hinaus machte es ihm Spaß, seinen Dienst zu verrichten, nur den Papierkram könnte man gern halbieren. Er kratzte sich den Hals und ging in Richtung seiner Unterkunft, die Wohnraum und Arbeitsraum in einem war, so wie auch Sabacos Privatleben und Dienstleben vollkommen verschmolzen waren.

    Das hatte er hören wollen. Der Bursche ließ sich nicht unterkriegen und das gefiel ihm. "Also dann - in Linie antreten!"


    Während die Soldaten sich formierten, wurde im Hintergrund von seinen Helfern ein wenig umgebaut. Eine mannshohe, feste Strohpuppe wurde aufgestellt, die im Inneren von einem Skelett aus Holzstangen gehalten wurde. Die Puppe trug abgewetzt aussehende germanische Kleidung mit braunen Blutflecken. Außerdem trug sie einen schartigen Rundschild, einen römischen Helm und einen Speer. Diese Ausrüstung hatte einst ein echter Mensch getragen, der jetzt nicht mehr lebte.

    Sabaco schaute bei der umständlich formulierten Frage ausdruckslos drein. Zu lang, zu abstrakt. Er erinnerte sich wieder daran, warum er seine Schulzeit gehasst und ständig geschwänzt hatte. Erst die Antwort von Secundus verriet ihm, worauf Tacitus mit seiner Bandwurmfrage überhaupt hinauswollte. Als er angesprochen wurde, wich die Ausdruckslosigkeit seines Gesichtes und er improvisierte eine Antwort nach seinem Verständnis.


    "Ich beziehe mich auf das Militärrecht. Ein Gesetz ist, beim Wachdienst nicht schlafen zu dürfen. Eine Regel ist, sich beim Wachdienst auch nicht hinzulegen, nicht einmal im Wachzustand." Er überlegte. "Andererseits ist es Gesetz, dem Befehl seines Vorgesetzten Folge zu leisten. Wenn der Vorgesetzte sagt, es wird sich nicht hingelegt, sondern im Stehen Wache geschoben, dann ist das so. Die Regel wird damit zum Gesetz und die Nichteinhaltung mit der gleichen Härte bestraft."


    Das Thema wurde immer komplizierte, je länger er darüber nachdachte. Es war schwierig, beides voneinander abzugrenzen. "Ich würde sagen, ein Gesetz wurde irgendwann von einem Politiker geschrieben und die Einhaltung wird vom Staat überwacht. Eine Regel kann von jedem aufgestellt werden, der sich in der Lage sieht, sie durchzudrücken. Das ist der ganze Unterschied."

    Die Tirones hatten ihre Märsche vorbildlich erledigt. Sabaco war extrem zufrieden. Er ließ sie antreten, wartete, bis sie eine Linie bildeten. Das ging mittlerweile schnell und sah gut aus.


    "Rührt euch. Ihr habt die Märsche überstanden und habt nun Beine, die eines Soldaten würdig sind. Nun geht es an die nächste Etappe der Ausbildung ... ans Reiten. Es gab bisher kein Murren, kein Klagen und auch kein Versagen. Ich bin sehr zufrieden." Er ließ eine Pause, damit sie das Lob auf sich wirken lassen konnten. "Ihr erhaltet heute Abend Ausgang. Übertreibt es nicht, morgen früh geht es weiter, ich will niemanden sehen, der betrunken zurück in die Castra torkelt."


    Die Belehrung musste sein, aber mal sehen. Der Ausgang war auch eine Prüfung dessen, wie gut sie sich benahmen, wenn mal kein Offizier in der Nähe war. Doch seine neuen Rekruten hatten ihn bislang nicht enttäuscht. "Wegtreten."

    Er half ihr beim Ausstieg, dann standen sie mitten in der Winternacht. Kalter Wind fuhr in ihre Kleidung, als sie über die hölzerne Brüstung des Wehrganges blickten, der einmal um den Turm herumführte. Die wachhabenden Soldaten konnten und sollten ihren Posten nicht verlassen, aber sie hielten sich abseits, so dass Matidia und Sabaco ein wenig Privatsphäre hatten. "Schau", sagte er und legte einen Arm um ihren Rücken, um sie sanft an sich zu drücken. Dabei blickte er hinaus auf die germanische Seite. Dort loderte ein Feuer in der Nacht. Ein solcher Anblick bot sich einem nur selten. Man konnte es bis hierher riechen und der Himmel auf dieser Seite glomm rot, als würde der Sonnenaufgang nahen. Sabaco spürte einen Kloß im Hals, weil ihn der Anblick so bewegte, und weil er ihn mit Matidia teilen konnte.

    Sabaco nahm auf der gegenüberliegenden Seite Platz. Er war nicht berührungsscheu, aber er hatte gern alles im Blick. Die Selbstvorstellung des Advokaten war mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein vorgetragen. Respekt verdiente man sich. Aulus Iunius Tacitus hatte viel geleistet, um heute hier protzen und einen unmöglichen Bart tragen zu können. Auch Schrullen musste man sich leisten können, damit sie einem nicht auf die Füße vielen. Sabaco nickte ihm zu.


    Den Tribun Aemilius Secundus kannte er dem Namen nach und nickte ihm ebenfalls zu, als der sich vorstellte. Noch verband er dessen Namen nicht mit Heldentaten, doch das war bei den senatorischen Tribunen selten der Fall. Mal sehen, was die Zukunft brachte.


    Dann war er selbst an der Reihe. "Decurio Publius Matinius Sabaco von den Matiniern aus Tarraco." Sein hispanischer Dialekt war auch kaum zu überhören. "Turma Secunda, Ala I Aquilia Singularium." Seine Mundwinkel zuckten, dann zogen sie sich zu einem Grinsen auseinander und er griff die Aussage des Advokaten auf, dass der seit acht Monaten keinen Prozess verloren hätte: "Hab seit meinem Dienstantritt noch kein Gefecht verloren." Ernst fuhr er fort: "Falls für mich mal ein Ritteramt relevant wird", das des Subpraefectus Alae zum Beispiel, auf dem im Moment sein alter Rivale Germanicus Varro hockte, "kann der Cursus Iuris mir vielleicht helfen."