Minerva

Aus Theoria Romana
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Minerva
Alternative Namen-
Griechische EntsprechungAthene
FunktionGöttin der Handwerker, Künstler und Lehrer; Stadtgöttin Roms
Symbole / AttributeLanze, Schild, Rüstung; Eule
Typische Farbe der Opfertiereweiß

Minerva (grch. Athene, etrusk. Menrva, Menerva) ist eine alte italische Göttin von wahrscheinlich etruskischem Ursprung. Bei der neueren kapitolinischen Göttertrias stand ihr die cella zur Rechten des Iuppiters zu (Iuno links). Ihre Funktionen wurden nach und nach der griechischen Athene angeglichen.

Bedeutung

Sie war Schutzherrin der Handwerker, der Zünfte und Gewerbe, ebenso wie der Künstler, Lehrer und Ärzte. Grundbedeutung lag auf der göttlichen Macht des Verstandes, des sinnigen Denkens und Erfindens. Schon im etruskischen Kult galt sie als blitzschleudernde Göttin der Höhen und aller sinnreichen Erfindungen, namentlich auch der gottesdienstlichen Flötenmusik. Zwar kannte Rom auch die blitzschleudernde und die kriegerische Minerva, die griechische Pallas, doch herrschten ihre friedlichen Eigenschaften vor, bis Minerva schließlich ganz einseitig die Göttin aller Erfindungen und aller Kunst und Wissenschaft geworden ist. Sie brachte den Menschen darüber hinaus die Webkunst, den Wagenbau, Egge und Pflug. Ebenso galt sie als Stadtgöttin Roms.

Die Minerva schien insbesondere auch mit dem Meer verbunden. Dies zeigte sich beim ersten lectisternium (Götterbewirtung) von 217 v. Chr., wo sie gemeinsam mit Neptun auftrat. Minerva war nicht nur per Schiff nach Italien gelangt, sondern hatte mit der Argo auch das erste Schiff erbaut. Kaum verwunderlich sind deshalb Darstellungen, die die Göttin im Zusammenhang mit dem Schiffbau (besonders bei den Segeln) zeigen.

Herkunft

Varro rechnet die Minerva zu denjenigen Gottheiten, die die Römer von den Sabinern übernommen haben. Auf dem Burghofe der sabinischen Stadt Orvinium soll sich ein uralter Minerven-Tempel befunden haben. Jedoch gibt es kaum weitere Hinweise auf die sabinische Herkunft des Minervakultes. Allgemein gibt es nur spärliche Hinweise auf die Verehrung der Minerva in Italien. Ein angeblich von Odysseus gegründetes Minerven-Heiligtum in Bruttium war griechischer Herkunft und dasselbe gilt von dem ebenfalls auf Odysseus zurückgeführten Tempel bei Surrentum in Kampanien. Die sehr zahlreichen inschriftlichen Belege für ihre Verehrung in Latium und Unteritalien gehören durchweg der Kaiserzeit an und verraten römischen Einfluss. Es gibt dann noch Hinweise auf einen Minerva-Kult in Eturien, wo sie eine Rolle in der etruskischen Blitzlehre spielte.

Die Überlieferung geht von einer Herkunft der Minerva aus Falerii aus, einer Stadt, die infolge der Lage und Geschichte ein Vermittlerstellungen zwischen etruskischer und latinischer Kultur einnahm. Auch ist die Verehrung der Minerva für Falerii in sehr früher Zeit belegt. Minerva hat wahrscheinlich ihren Einzug in Rom durch faliskische (oder südetruskische) Handwerker gefunden. Zu der Annahme, dass diese Anschauung von der Göttin bereits unter dem Einflusse griechischer Vorstellungen sich gebildet habe, liegt kein Grund vor, vielmehr wird die Ähnlichkeit dieser Handwerksgöttin zur Gleichsetzung von Minerva mit Athene geführt haben.

Attribute

Symbole der Göttin waren die Eule, Schlange und der Olivenkranz bzw. der Olivenbaum. Da für einen Feldherrn im Krieg die List und die Klugheit ebenso wichtig waren wie Mut und Ausdauer, pflegte man die Minerva auch mit Helm, Schild und Panzer darzustellen. Besonders die Eule repräsentierte die Weisheit der Göttin. Häufig wird sie auch mit erhobenem rechten Arm dargestellt. Sitzbilder der Minerva sind seltener, aber dennoch verbreitet. Das bekannteste Abbild der Minerva stand in einem unbekannten stadtrömischen Tempel und besteht aus lusensischem Marmor und einem Gewand aus rötlich-gelbem Alabaster; die Haare wurden aus schwarzem Basalt gefertigt. Die Statue aus der frühen Kaiserzeit repräsentierte den friedlichen Teil der Minerva, denn für den Aufbau des Imperiums waren zahlreiche Handwerker von Nöten. Die bildende Kunst hat die römische Minerva nie zu einem eigenen Typus gemacht, sondern es sind durchgehend Darstellungsformen der griechischen Athena, die ohne besondere Modifikationen auf sie übertragen wurden.

Kult

Minerva.jpg
Ausschnitt der Minerva aus Andrea Mantegnas
Gemälde "Sieg der Tugend über die Laster"

Wirkliche Aufnahme fand Minerva in den römischen Staatskult wohl erst in Form der capitolinischen Trias. Zumindest ist ein höheres Alter eines gesonderten Minerva-Kultes in Rom nicht nachweisbar. Auf dem Capitol befand sich ihre Cella zu Rechten des Iuppiter. Dass diese auf dem Capitol vorzugsweise das geistige Prinzip, Intelligenz und Erfindsamkeit vertrat, sieht man aus dem Gebrauch, den Jahresnagel in der Wand zwischen ihrer und Iuppiters Cella einzuschlagen, weil die Zahl als eine Erfindung der Minvera galt.

Aus dem Ritual des Minervendienstes sind Einzelheiten nicht bekannt. Nach einigen Angaben wurden ihr Kälber geopfert. Minerva war wie Diana eine jungfräuliche Göttin (grch. Athena Parthenos) und bestrafte alle gnadenlos, die dieser Jungfräulichkeit zu nahe traten. In einer von Männern dominierten Religion spielte sie für die Frauen eine wichtige Rolle. Zahlreiche Funde legen weibliche Pubertätsriten nahe. In diesem Sinne wachte sie auch über Recht und Ordnung. Der republikanischen Zeit gehört der Kult der Minerva Medica und ihr Heiligtum auf dem Esquilin an. Die Vorstellung sie als Heilgöttin zu sehen ist wohl rein auf italisch-römischen Boden entstanden und hat mit ihrer Funktion als Schutzgöttin der Ärzte zu tun, die sie gleich selbst zur Heilgöttin werden ließ.

Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. erfuhr die Minerva eine durchgreifende Hellenisierung. Bei dem großen Lecisternium des Jahres 217 v. Chr. erscheint Minerva, wie erwähnt, zum ersten Male, und zwar nach griechischer Art, mit Neptunus-Poseidon gepaart.

Im Gegensatz zu anderen alten Gottheiten in Rom besaß Minerva ursprünglich keinen flamen (diesen erhielt sie erst mit Augustus). Dies deshalb, da die Göttin nichts mit der alten Bauernreligion der Ureinwohner Latiums zu tun hatte. So verwundert es auch nicht, dass Minerva nur mit einer einzigen Pflanze in Verbindung gebracht wird: dem Ölbaum. Dieser wurde erst unter den Tarquiniern in Rom eingeführt. Zahlreiche Olivenölgefäße aus jener Zeit trugen mit Pallas Athene das Wappen Athens (importiertes attisches Qualitätsöl). Wie bei manchen Kultbildern der Hera oder der Artemis wurden auch ihre Statue an Feiertagen mit entsprechenden Zweigen geschmückt.

Pompeius weihte der Minerva ein Heiligtum, in dessen Weiheschrift er prunkend seine Kriegsflotte darstellte, fast sie also als die siegbringende Göttin auf. Varro bezeichnet Minerva als Schützerin des Ölbaumes. Cicero verehrte Minerva als Schützerin der Stadt und stiftete nach seiner Verbannung das Bild dieser Göttin aufs Capitol.

Domitian, der sich der ganz besonderen Gunst der Minerva rühmte, beging die Quinquatrus alljährlich auf seinem Albanum durch ein prächtiges Fest, an dem außer venationes und Gladiatoren- und Bühnenspielen auch Wettkämpfe von Dichtern und Rednern stattfanden. Als Frevel wurde es jedoch empfunden, dass sich Domitian auch den Sohn der Minerva nannte, einer Göttin, deren Jungfäulichkeit stets betont wurde. Domitian ließ darüber hinaus zahlreiche Altäre für sie errichten. Das von seinem Nachfolger Nerva vollendete Forum war ihr ebenfalls geweiht. Die Beliebtheit schien auch auf die Bevölkerung übergeschwappt zu sein, denn es traten vermehrt Bildnisse (z.B. auf Ziegeln) in Erscheinung.

Im Heiligtum der Vesta auf dem Forum Romanum wurde mit dem Palladium (dt. Palladion) ein angeblich aus Troja stammendes Kultbild der lanzentragenden Athene aufbewahrt. Das Bild sollte für die Sicherheit des römischen Staates bürgen. Im Gegensatz zu den meisten anderen archaischen Götterdarstellungen war das Palladium nicht einfach eine starre Figur, sondern wirkte durch Bewegung und wehendes Gewand.

Festtage

Das Fest Quinquatrus am 19. März war schon im vorcaesarischen Kalender mit dem Zusatz der Minerva versehen. Aus alten Kalendernotizen ist zu ersehen, dass die Göttin den Mars von diesem Tag verdrängt hat. Die Handwerker feierten das Fest am fünften Tag nach den Iden des März und hängten noch vier weitere Tage an, so dass die Feierlichkeiten bis zum 23. März dauerten. Als man diese Feierlichkeit zu einem fünftägigen machte, fanden an den späteren (nicht am eigentlich Feiertage) außer anderen Belustigungen auch seit Augutus Gladiatorenspiele statt. Dies waren auch die wenigen Ferien, die für Schüler und Lehrer galten. An diesem Tag erhielten die Lehrenden ihren Lohn. Ovid führte zahlreiche weitere Berufe an, die die Quinquatrus feierten: Woll- und Flachsspinnerinnen, Weber, Walker, Wäscher, Färber, Schuster, Zimmerleute, Ärzte, Maler, Bildhauer, Toreuten (Künstler, die Metall ziselieren und treiben) sowie Dichter und Schauspieler. Letztere durften erst seit 207 v.Chr. an den Feierlichkeiten teilnehmen als Danksagung für ein von Livius Andronicus komponiertes Chorlied zur erfolgreichen Versöhnung der Götter.

Minerva wurde auch besonders bei Zunftfesten geehrt, so bei Quinquatrus minusculae am 13. Juni.

Kultstätten

Ein erhaltener Altar bezieht sich auf die Einsetzung des Minervakultes durch Augustus. Die von ihm gestiftete Statue der Minerva stand vor dem Tempel auf einer Säule. Seit dem 1. Jh. n.Chr. wurde sie zum Bezugspunkt in Militärdiplomen. Viele dieser Urkunden wurden an einer Mauer in der Nähe der Statue angebracht. Die Nähe war sinnvoll, da sich zahlreiche Veteranen als Handwerker niederließen. Seit Nero wurde das congiarium (kaiserliche Getreidespende) in der Nähe einer Minervastatue (mit einem Kauz auf der rechten Hand) verteilt. Vielleicht handelte es sich um die gleiche Statue.

Östlich von Rom wurde ein Minervatempel ergraben, der bereits in der 2. Hälfte des 6. Jh. v. Chr. bestanden hatte. Aus diesem Tempel wurden zahlreiche bis lebensgrosse Terrakottastatuen aus dem 4. Jh. v. Chr. geborgen. Ein Minervabild von um 400 v. Chr. weist besonders furchteinflössende Züge auf. Eine dreiköpfige Schlange windet sich um den rechten Arm, ein viele Häupter zählendes Reptil um ihren Körper. Schlangen beherrschen auch Helmzier und einen Rundschild, der von einem tritonischen (Meeresgottheit) Dämon gestützt wird. Auch hier zeigt sich die Verbindung Minervas zum Meer.

Als Minerva Medica huldigten ihr auch die Ärzte in einem Tempel auf dem Esquilin. Als Stadtgöttin Roms hatte sie seit etruskischer Zeit einen Tempel auf dem Aventin; ganz in der Nähe des Dianaheiligtums. Der Tempel war das Hauptheiligtum, der in collegia organisierten Gewerbetreibenden. Augustus erneuerte ihn; vielleicht sogar durch einen Neubau. Seit dieser Zeit besaß die Göttin auch einen eigenen Flamen.

Ein sacellum der Minerva lag am unteren Abhange des Caelius, nach der zwischen diesem und den Carinae sich hinziehenden Ebene zu, welches wohl im Jahr 241 v. Chr. errichtet wurde, wahrscheinlich aufgrund der Einnahme Faleriis. Die Göttin auf dem Caelius führte den Namen Minerva Capta, dessen Bedeutung jedoch zweifelhaft war.

Die Nähe zu handwerklicher und künstlerischer Arbeit verdankt Minerva den Einzug in zahlreiche Lararien. Den Bronze- und Silberstatuetten der Kaiserzeit dürften in der Republik aus Holz (möglicherweise Ölbaum) geschnitzte Exemplare vorangegangen sein.


Literatur:
Aust, Emil: Die Religion der Römer, Müncher 1899.
Preller, Ludwig: Römische Mythologie, Berlin 1858.
Georg Wissowa: Minerva. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,2, Leipzig 1897, Sp. 2982–2992.
Wissowa, Georg: Religion und Kultus der Römer, München 1971.