Wagenrennen: Unterschied zwischen den Versionen

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Autor: E. Kures
 
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© ExpeditionZone 1999-2003
 
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Version vom 22. Mai 2005, 04:00 Uhr

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Ein sonniger Nachmittag im alten Rom. Die vier Pferde wiehern, bäumen sich auf, treten erregt gegen das hölzerne Gittertor der Startbox. Pompeius Musclosus weiß, daß sie jetzt das Rennfieber gepackt hat und er hält die Hengste mit eiserner Hand im Zaum. Der Lärm der 150.000 Zuseher draußen läßt nach. Alle starren nur noch gebannt auf die Startboxen. Gleich werden die Tore aufspringen - und zwölf der weltbesten Gespanne hervorpreschen. Das Zeichen fällt. Das Rennen beginnt. Musclosus übernimmt vom Start weg die Führung. Schnaubend donnern die Pferde über die Sandbahn. Ein Blick über die Schulter. Der Maure Crescens rückt näher und näher. Der Sieg ist in Gefahr. Doch in der Kurve bringt Musclosus das Gespann des Rivalen mit einem geschickten Manöver zum Kippen. Und peitscht Sekunden später seine Quadriga als Sieger über die Ziellinie. Die Menge springt auf, brüllt, jubelt. "Wieder Musclosus!"

Pompeus Musclosus und seine Gilde der Wagenlenker waren gefeierte Sportidole und die absoluten Stars der Antike. Bis heute bleibt Pompeus Musclosus mit 3.559 Siegen der größte Rennfahrer aller Zeiten.


Die Rennregeln

Alle Zirkusse im Römischen Reich wurden auf dieselbe Art befahren: Die katapultbetriebenen Starttore sprangen gleichzeitig mit lautem Knall auf und die Rennwägen schossen in voller Fahrt auf die rechte Fahrbahn zu. Dabei mußten sie bis zu deren Beginn den am Boden markierten Fahrspuren folgen, "damit sie dem Publikum nicht mit Massenkarambolagen schon beim Start den Großteil des Spektakels rauben", wie ein zeitgenössischer Beobachter seinen griechischen Landsleuten berichtete. Dann waren ohne weiteres Reglement sieben Runden um die Barriere zu fahren, die die beiden Rennbahnen voneinander trennte. Das Ziel war eine Kalklinie in der Mitte der - vom Start aus gesehen - rechten Bahn. In den größten Zirkussen des Reiches, so auch im Circus Maximus von Rom, kam man auf eine Gesamtstrecke von gut 4 km. Ein Rennen dauerte also etwa fünf Minuten.


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Unfälle

Fahrfehler waren die häufigste Unfallursache. Am kritischsten war die 14 mal zu meisternde Kurve nach links: Der Fahrer mußte die linken Pferde stark einbremsen, damit die rechten Tiere ihren längeren Weg schaffen. Am Ende der Wende sollten dann möglichst schnell wieder alle dasselbe Tempo erreichen. Gelang dies nicht reibungslos, stürzten die Tiere. Verhängnisvoll für den Fahrer waren auch oft die Zügel, die in einem Stück von den beiden linken Pferden um seine Taille herum zu den rechten Pferden führten. Nur so konnte er zum Bremsen und Lenken genügend Kraft einsetzen - aber diese Zügel rissen ihn bei einem Sturz mit und fesselten oder würgten ihn. Falls er noch Zeit hatte, konnte er sie mit einem sichelförmigen Messer durchtrennen, das in einer Brusttasche für diesen Zweck bereitgehalten wurde. Geriet ein Fahrer unter die Hufe oder Räder eines Verfolgergespanns, schützen ihn auch gepolsterte Kleidung und sein Lederhelm nicht mehr.


Taktik und Strategie

Am häufigsten waren Einzelrennen: Jeder der vier üblichen Rennställe setzte nur einen Fahrer ein. Der konzentrierte sich auf die günstigste Linie, schnelle Wenden, Abwehr von Überholversuchen und vor allem darauf, die Kräfte seiner Pferde zu schonen. Bei Doppel- und Dreifachrennen (mit je drei Rennwägen von vier Rennställen eine vollgestopfte Bahn) war es üblich, daß jeder Stall einen ausgezeichneten Fahrer starten ließ, während der oder die anderen Lenker als "Wasserträger" fungierten. Sie hatten nicht auf Sieg zu fahren, sondern sollten ihrem Chef den Rücken freihalten, die Gegner auf alle möglichen Arten zu stören, zur Kräfteverschwendung zu verführen, oder gar in Unfälle zu verwickeln.


Die Rennfahrer

Die meisten Fahrer waren von Geburt Sklaven, wurden aber im Laufe ihres Lebens freigelassen - je nach persönlichem Verdienst oder Laune des Besitzers. Der Rennfahrerberuf bot bei höchstem Risiko die größten Chancen, einem Sklavendasein zu entfliehen. Es gab tausendfache Sieger, die Preisgelder in astronomischer Höhe gewannen, vergoldete Ehrenstatuen und Ruhm im ganzen Reich.

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Die Rennställe

Im gesamten Römischen Reich starteten bei jedem Rennen jahrhundertelang immer dieselben vier Rennställe: Die Grünen, Blauen, Roten und Weißen, deren Angehörige farbig entsprechend gekleidet waren. Die Ställe übernahmen die gesamte Abwicklung der Rennen. Sie besaßen eine große Zahl von Mitarbeitern - Stallburschen, Boten, Ärzte, Veterinäre, Fahrlehrer, Pferdetrainer, Wagner, Starter, berittene Helfer in der Arena, Kellermeister, Wasserschütter in der Arena - deren Aufgabe es war, die Pferde während des Rennens mit Duschen aus Amphoren zu erfrischen - bis hin zu den Fahrern, den absoluten Stars der Antike. Für Athleten und Management gab es komfortable Klubräume mit Weinkellern und anderen Vergnügungsmöglichkeiten. Profi-Rennfahrer wechselten gerne zwischen Rennställen, die Gründe dafür dürften - wie heute - wohl in Art und Höhe der Zuwendungen gelegen haben - pecunia non olet. Aber auch persönliche Antisympathien und sogar Pressionen seitens konkurrierender Ställe mögen öfters ausschlaggebend gewesen sein.


Finanzen

Die Rennen finanzierte jeweils ein hoher Beamter, der verfassungsmäßig dafür zuständig war. Der Eintritt war frei. Auch die Kaiser veranstalteten selbst Rennen, machten aber vor allem Druck, damit die Beamten ihren Pflichten nachkamen. Diese waren wenig begeistert über die horrenden Kosten, die sie im Dienst ihrer Karriere auf sich nehmen sollten. Der altrömische Adel ging daran in wenigen Generationen völlig bankrott.

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Brot und Spiele will das Volk

Die Anziehungskraft der römischen Wagenrennen war einzigartig. Sie waren das Tagesgespräch im alten Rom. Obwohl am Höhepunkt der Begeisterung im 4. Jh. n. Chr. an 64 Tagen im Jahr Wagenrennen abgehalten wurden, konnte man sich kaum daran satt sehen. Schlechte oder zu wenig Spiele durfte sich kein Kaiser leisten, der sich die Gunst des Volkes erhalten wollte. Im Zirkus wurden dem Publikum aber nicht nur Rennen, sondern auch weitere Attraktionen geboten, ein komplettes Rahmenprogramm, das allen Interessen gerecht werden sollte. Ein Programmzettel aus dem 6. Jh. n. Chr. lautet:

1. Wagenrennen - Prozession - 2. Wagenrennen - Die singenden Seiltänzer - 3. Wagenrennen - Gazelle und Jagdhunde - 4. Wagenrennen - Schauspieler - 5. Wagenrennen - Athletentruppe - 6. Wagenrennen.

Das Publikum wurde mit farbigen Tüchern und Eiern auf großen löffelförmigen Anzeige-Apparaturen über die Rundenzahl und die jeweiligen Teams informiert.


Das Zirkusgebäude

Der größte Zirkus Roms fasste 150.000 Personen - ein Mehrfaches des Kolosseums, des größten Amphitheaters, in dem Gladiatorenspiele, Seeschlachten und Tierhatzen stattfanden. Größe und Pracht des Circus Maximus, der seit ca. 100 n. Chr. gänzlich in weißem Marmor erstrahlt, wurden bewußt zur Imagepflege des Kaiserhauses und des Imperiums eingesetzt. Einladungen in den Circus waren fixer Bestandteil des Programms für hohe ausländische Besucher. Um alle Starttore gleichzeitig zu öffnen, wurde der letzte Stand römischer Technik eingesetzt. Am Zirkus von Leptis Magna an der libyschen Küste ist rekonstruierbar, daß ein Katapult mittels Seilen alle Riegel auf einen Schlag von den Toren riß. Dann schwangen die Torflügel auf, Torsionsbündel (auf Hochspannung eingedrehte Seile) zogen sie blitzschnell auf die Seite - und die Bahn war frei.


Curiosa

Es ist überliefert, daß Fans den Pferdekot berochen, um die Ernährung der Tiere zu überprüfen. Denn für das Wetten auf Pferde und Sieger begeisterte man sich schon damals. Auch um die Psyche der Pferde sorgte man sich. Wenn sein Lieblingspferd Incitatus vor einem Rennen stand, unterband Kaiser Caligula (gest. 41 n.Chr.) am Vorabend mit Soldaten rund um den Stall jede Geräuschentwicklung, damit Incitatus‘ Ruhe nicht gestört wurde. Die intelligentesten Rennpferde wurden links außen gebraucht, an der beim Wenden heikelsten Position. Diese Hauptpferde avancierten bisweilen zu Stars, erhielten Denkmäler und Ehrengräber. Caligula wollte seinen Hengst Incitatus sogar zum Konsul machen und Nero (gest. 68 n.Chr.) zahlte für seine besten Pferden hohe Renten. Einige Stadtviertel waren während der Rennen so menschenleer, daß Diebstähle und Überfälle zunahmen. Deshalb wurden an Renntagen eigene Wachmannschaften in den verwaisten Gegenden eingesetzt.

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Quellle: [1] Autor: E. Kures © ExpeditionZone 1999-2003