Klientel: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | In der Kaiserzeit wandelte sich das Klientelwesen, nicht zuletzt durch die faktische Abschaffung der republikanischen Verfassung und den damit einhergehenden Machtverlust des Senatorenstandes. Je mehr die Institution an politischem Gewicht einbüßte, um so stärker verlagerte sich der Schwerpunkt auf die gesellschaftliche Seite. Aus den ''clientes'' wurden mehr schlecht als recht bezahlte Trabanten, die sich um ihren ''patronus'' scharen und diesem somit zu mehr gesellschaftlichem Einfluss zu verhelfen. Der Klient in der Kaiserzeit wurde zu einer Art prestigefördernden Appendix ihres Herrn, ohne selbst davon zu profitieren. Im Gegenteil, das Ansehen des Klienten sank dramatisch und viele Patrone arbeiteten darauf hin, dass dieses Ungleichgewicht sich noch mehr verschärfte. So begangen sie auch, auf ihre Klienten verächtlich herabzusehen und der Klient selbst diente in der unüberschaubaren ''grex togatus'', „eine Eskorte von Togaträgern“ (''grex'' ist jedoch viel drastischer als „Eskorte“, man verwendete es als „Herde“), als Mitglied einer amorphen Masse, ohne eigenen Willen und in der sich die Individualität des Einzelnen verliert – als Statussymbol des ''patronus''. | ||
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+ | Die „tausend Mühen“ eines Klienten bestanden zum einen in einem frühmorgendlichen Anmarsch zum Haus des ''patronus'', welcher schon häufig in tiefster Dunkelheit begann. Bevor dieser Marsch anfangen konnte, musste man eine Untergrenze von einer halben Stunde für das Anlegen der Toga ansetzen, deren Stofffülle zu allem Übel in der Kaiserzeit noch zunahm und die Falten richtig sitzen mussten. Das Anlegen der Toga war Pflicht, denn natürlich machte es einen größeren Eindruck, wenn die Klienten zu ihrem ''officium antelucanum'', „Vorlicht-Pflicht“, in Togen gehüllt erschienen, der Patron ''togati'', „Togaträger“, um sich hatte, als wenn sie alle ihre Alltagkleidung trugen. Aus Sorge er könne zu spät kommen und das Heer der Besucher habe seinen Kreislauf schon vollendet, machte sich so mancher Klient spätestens beim ersten Hahnenschrei auf den Weg. Die einzigen, die um diese Tageszeit außer den Klienten unterwegs waren, waren Bäcker, Schulkinder und Nachtschwärmer auf dem Heimweg. Wenn ein Klient ungünstig wohnte, musste er auch einen Fußmarsch von ein bis zwei Stunden einrechnen. Schmutzige Straßen, garstiger Nordwind, Regen- und Hagelschauer und selbst Schneefall waren kein Hinderungsgrund bei der ''salutatio'' des Patrons zu fehlen. Aus der Sicht des müden, vom Wind gepeinigten und durch das Geldgeschenk kaum motivierten Klienten war diese Plackerei unnütz, trug aber dem ''patronus'' zusätzlich Sozialprestige ein: Denn seine Klienten trotzten jeder Witterung, um ihm ihre Aufwartung zu machen. Durchnässte, vom Straßendreck beschmutzte Klienten-Togen waren so gesehen ein besonders aussagekräftiges Statussymbol, die Demonstration von Macht und die Stärkung des Selbstwertgefühls des Patrons. | ||
+ | Nachdem man nun am Haus des Patrons angekommen war und zu den engeren Klienten zählte (wenn es zu viele gab, so musste man vor dem Haus die ''salutatio'' des Patrons begehen und bekam diesen draußen fast nie zu Gesicht) wurde man in das Atrium vorgelassen, wo der Patron sie dann mit einem müden „''Ave''“ bemerkte und wieder verschwand. Doch die Mühen sollten nicht vergebens gewesen sein, denn nach der ''salutatio'' konnte ein Klient, auch die, die draußen stehen mussten, auf eine ''sportula'', „Körbchen“ oder die Einladung zur ''cena diserta'', „dem eloquenten Mahl“ mit dem Patron, hoffen. Die ''sportula'' konnte in Form von Naturalien, Nahrungsmitteln über Kleidung bis hin zu – in extrem seltenen Fällen – Übertragungen von Immobilien dargebracht werden. | ||
+ | Ein weiterer Indikator für die gesellschaftliche Stellung des Patrons war die Anzahl der Klienten. Denn natürlich wollte der Patron eine ordentliche ''turba togata'', „in die Toga gehüllte Menge“, im Atrium vorfinden, als ein halbvolles oder gar leeres. Lieber nahm man ein überfülltes – einschließlich der Flüche, gegenseitigen Beschimpfungen und Ellbogenstöße – Atrium in Kauf, als in den falschen Ruf zu geraten und von der Gesellschaft belächelt zu werden. | ||
+ | Nach der ''salutatio'' waren die Verpflichtungen nicht zu ende. Denn wenn sich der Patron für einen begnadeten Dichter hielt und die Öffentlichkeit mit seinen Rezitationen beglücken wollte, so fehlte es ihm nie an geduldigen Zuhörern und der Applaus der Klienten war ihm stets sicher. Das Gleiche geschah vor Gericht, denn auch dort brachten manche ''patroni'' ihre Klienten für den Applaus mit – gelegentlich noch mit gemieteten Beifallklatschern verstärkt. Selbst wenn der Patron ins ''lupanar'' ging, die Klientenschar musste ihm überall hin folgen. | ||
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+ | Die Klientel der Kaiserzeit hatte sich zu einer Institution der privaten Prachtentfaltung entwickelt. Nicht nur die alten Adelsfamilien gingen mit der Zeit, indem sie die ihnen seit alters verbundenen Klienten-Netzwercke zum Schauobjekt ihrer Selbstdarstellung ohne angemessene Gegenleistungen missbrauchten, auch soziale Aufsteiger konnten sich dieses Statussymbols bedienen. | ||
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+ | ''Quelle:'' Karl-Wilhelm Weeber, ''Luxus im alten Rom'', 2003 |
Version vom 22. Juli 2006, 17:52 Uhr
Republik
Eine Besonderheit der römischen Gesellschaft bildeten die Clientel. Ein Client war ein römischer Bürger, der sich unter den Schutz eines ranghohen Aristokraten begab. Zu den Clienten gehörten Bauern, Handwerker, ganze Dörfer und Städte.
Zwischen Patron und Client bestand am Anfang der Republik ein persönliches Verhältnis. Der Patron kannte seine Clienten und hatte auch einen direkten Kontakt zu ihnen. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit zum Patron musste nicht unbedingt vorhanden sein.
Der Patron sorgte für die wirtschaftliche und soziale Sicherheit seiner Clientel. Er unterstützte seine Clienten bei Gericht oder sorgte für dessen gesellschaftlichen Aufstieg. Der Patron förderte auch Dörfer und Städte, indem er z.B. öffentliche Gebäude finanzierte oder den Ortschaften in juristischen Auseinandersetzungen mit anderen Gemeinden beistand.
Der Client unterstützte seinen Patron vor allem auf politischem Gebiet, indem er seine Stimme dem Patron gab. Die Clienten unterstützten ihren Patron auch finanziell, falls dieser in eine wirtschaftliche Krise geriet. Dieses gegenseitige Verhältnis wurde fides genannt. Wer gegen die fides verstieß, wurde sozial geächtet, egal ob er Patron oder Client war. Es gab aber keine gesetzlichen Bestimmungen für dieses Verhältnis.
Die Clientel entstanden wahrscheinlich schon in römisch-etruskischer Zeit. Die Patrizier Roms waren die einzigen die Rechtsgeschäfte abschließen durften. Die rangniederen Bürger konnten das nicht. Sie benötigten dazu die Unterstützung durch einen Patrizier. Außerdem waren viele Römer wirtschaftlich von den Patriziern abhängig. Besonders eng verbunden waren die Freigelassenen, die weiter eine enge Bindung zu ihrem ehemaligen Besitzer hatten.
Die Ausweitung des römischen Machtbereichs führte dazu, dass immer mehr Menschen das römische Bürgerrecht erhielten. Unter diesen Umständen verlor das Verhältnis zwischen dem Patron und seinen Clienten den persönlichen Charakter. Gleichzeitig errangen die Clienten die privatrechtliche Gleichstellung mit den Patriziern. Die Patrone mussten deshalb auch um Clienten werben, die sich ihrerseits auch neuorientierten. Bedeutende Persönlichkeiten, die sich durch besondere Leistungen auszeichneten, konnten von den Clienten als Patron auserkoren werden.
Ein enges Abhängigkeitsverhältnis zum Patron behielten weiterhin die freigelassenen Sklaven. Hier regelte das Patronatsrecht die Beziehungen. Ein Freigelassener konnte immer noch vom Patron gezüchtigt werden, und der ehemalige Sklave war auch zu Dienstleistungen verpflichtet.
Die Verbindungen der Clienteln zu ihrem Patron konnte mehrere Jahrhunderte überdauern. Die Clientel erlosch nicht mit dem Tod des Einzelnen, sie wurde weiter vererbt. Die traditionelle Clientel zerfiel erst mit dem Ende der Republik. Es entstanden neue, mächtige militärische Clientel.
In der Anfangszeit wurden die Bauern im Kriegsfall ins Heer gerufen. Im Herbst wurden die Soldaten in der Regel wieder entlassen und kehrten auf ihre Höfe zurück. Als Lohn erhielten sie Anteile an der Beute. Mit der Entstehung großer Landgüter verloren zahlreiche Bauern ihren Lebensunterhalt und konnten nicht mehr ihre militärische Ausrüstung selber finanzieren.
Die Heersführer warben deshalb landlose Bürger mit dem Versprechen an, nach dem Krieg Land zu erhalten. Der Heerführer wurde zum Patron des neuen Clientel. Seine Soldaten folgten ihm bedingungslos, und der Heerführer sorgte für das Auskommen seiner Soldaten.
Die militärische Macht in den Händen Einzelner führte nicht nur zum Untergang der Republik, auch die traditionellen Clientel zerbrachen.
Kaiser Augustus schuf später eine militärische und eine zivile Clientel, mit sich an der Spitze. Um andere Clientel zu verhindern, verbot Augustus den Senatoren, durchs Land zu reisen. So sollten sie keine engen Verbindungen zur Bevölkerung aufnehmen können.
Quelle: Jochen Bleicken - Die Verfassung der römischen Republik
Kaiserzeit
In der Kaiserzeit wandelte sich das Klientelwesen, nicht zuletzt durch die faktische Abschaffung der republikanischen Verfassung und den damit einhergehenden Machtverlust des Senatorenstandes. Je mehr die Institution an politischem Gewicht einbüßte, um so stärker verlagerte sich der Schwerpunkt auf die gesellschaftliche Seite. Aus den clientes wurden mehr schlecht als recht bezahlte Trabanten, die sich um ihren patronus scharen und diesem somit zu mehr gesellschaftlichem Einfluss zu verhelfen. Der Klient in der Kaiserzeit wurde zu einer Art prestigefördernden Appendix ihres Herrn, ohne selbst davon zu profitieren. Im Gegenteil, das Ansehen des Klienten sank dramatisch und viele Patrone arbeiteten darauf hin, dass dieses Ungleichgewicht sich noch mehr verschärfte. So begangen sie auch, auf ihre Klienten verächtlich herabzusehen und der Klient selbst diente in der unüberschaubaren grex togatus, „eine Eskorte von Togaträgern“ (grex ist jedoch viel drastischer als „Eskorte“, man verwendete es als „Herde“), als Mitglied einer amorphen Masse, ohne eigenen Willen und in der sich die Individualität des Einzelnen verliert – als Statussymbol des patronus.
Die „tausend Mühen“ eines Klienten bestanden zum einen in einem frühmorgendlichen Anmarsch zum Haus des patronus, welcher schon häufig in tiefster Dunkelheit begann. Bevor dieser Marsch anfangen konnte, musste man eine Untergrenze von einer halben Stunde für das Anlegen der Toga ansetzen, deren Stofffülle zu allem Übel in der Kaiserzeit noch zunahm und die Falten richtig sitzen mussten. Das Anlegen der Toga war Pflicht, denn natürlich machte es einen größeren Eindruck, wenn die Klienten zu ihrem officium antelucanum, „Vorlicht-Pflicht“, in Togen gehüllt erschienen, der Patron togati, „Togaträger“, um sich hatte, als wenn sie alle ihre Alltagkleidung trugen. Aus Sorge er könne zu spät kommen und das Heer der Besucher habe seinen Kreislauf schon vollendet, machte sich so mancher Klient spätestens beim ersten Hahnenschrei auf den Weg. Die einzigen, die um diese Tageszeit außer den Klienten unterwegs waren, waren Bäcker, Schulkinder und Nachtschwärmer auf dem Heimweg. Wenn ein Klient ungünstig wohnte, musste er auch einen Fußmarsch von ein bis zwei Stunden einrechnen. Schmutzige Straßen, garstiger Nordwind, Regen- und Hagelschauer und selbst Schneefall waren kein Hinderungsgrund bei der salutatio des Patrons zu fehlen. Aus der Sicht des müden, vom Wind gepeinigten und durch das Geldgeschenk kaum motivierten Klienten war diese Plackerei unnütz, trug aber dem patronus zusätzlich Sozialprestige ein: Denn seine Klienten trotzten jeder Witterung, um ihm ihre Aufwartung zu machen. Durchnässte, vom Straßendreck beschmutzte Klienten-Togen waren so gesehen ein besonders aussagekräftiges Statussymbol, die Demonstration von Macht und die Stärkung des Selbstwertgefühls des Patrons. Nachdem man nun am Haus des Patrons angekommen war und zu den engeren Klienten zählte (wenn es zu viele gab, so musste man vor dem Haus die salutatio des Patrons begehen und bekam diesen draußen fast nie zu Gesicht) wurde man in das Atrium vorgelassen, wo der Patron sie dann mit einem müden „Ave“ bemerkte und wieder verschwand. Doch die Mühen sollten nicht vergebens gewesen sein, denn nach der salutatio konnte ein Klient, auch die, die draußen stehen mussten, auf eine sportula, „Körbchen“ oder die Einladung zur cena diserta, „dem eloquenten Mahl“ mit dem Patron, hoffen. Die sportula konnte in Form von Naturalien, Nahrungsmitteln über Kleidung bis hin zu – in extrem seltenen Fällen – Übertragungen von Immobilien dargebracht werden. Ein weiterer Indikator für die gesellschaftliche Stellung des Patrons war die Anzahl der Klienten. Denn natürlich wollte der Patron eine ordentliche turba togata, „in die Toga gehüllte Menge“, im Atrium vorfinden, als ein halbvolles oder gar leeres. Lieber nahm man ein überfülltes – einschließlich der Flüche, gegenseitigen Beschimpfungen und Ellbogenstöße – Atrium in Kauf, als in den falschen Ruf zu geraten und von der Gesellschaft belächelt zu werden. Nach der salutatio waren die Verpflichtungen nicht zu ende. Denn wenn sich der Patron für einen begnadeten Dichter hielt und die Öffentlichkeit mit seinen Rezitationen beglücken wollte, so fehlte es ihm nie an geduldigen Zuhörern und der Applaus der Klienten war ihm stets sicher. Das Gleiche geschah vor Gericht, denn auch dort brachten manche patroni ihre Klienten für den Applaus mit – gelegentlich noch mit gemieteten Beifallklatschern verstärkt. Selbst wenn der Patron ins lupanar ging, die Klientenschar musste ihm überall hin folgen.
Die Klientel der Kaiserzeit hatte sich zu einer Institution der privaten Prachtentfaltung entwickelt. Nicht nur die alten Adelsfamilien gingen mit der Zeit, indem sie die ihnen seit alters verbundenen Klienten-Netzwercke zum Schauobjekt ihrer Selbstdarstellung ohne angemessene Gegenleistungen missbrauchten, auch soziale Aufsteiger konnten sich dieses Statussymbols bedienen.
Quelle: Karl-Wilhelm Weeber, Luxus im alten Rom, 2003