Genius

Aus Theoria Romana
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Die Römer waren überzeugt, dass jeder Mann einen Genius besaß, der seine Persönlichkeit und speziell die ihm innewohnende Kraft zur Zeugung der Nachkommenschaft repräsentierte. Moderne Begriffe wie Seele oder Leben sind dem Genius nicht verwandt. Er ist jedem Mann eigen, d.h. man kann ihn auch nicht verkaufen oder sonst wie verlieren. Er erlischt lediglich mit dem Tod. Die Frauen hatten keinen Genius sondern eine persönliche Iuno, so wie Iuno Lucina, die Göttin der Mütter war.

Die beste Beschreibung für Genius lautet "inneres Wirkungsprinzip". Dies deshalb, da nicht nur Einzelpersonen sondern auch kollektive Einrichtungen, das sind in der Regel Personengruppen wie Truppenteile oder Kollegien, einen Genius besitzen konnten. Später wurde der Begriff auch auf Örtlichkeiten ausgedehnt. Gröber gefasst bezeichnet man alles, was durch seinen Genius existiert: Personen, Gruppen, Städte und deren Viertel, Märkte sowie Bauwerke. In diesem Fall handelte es sich um eine Dublette, einen Schutzgott.

Den Genius stellte man im Lararium als Schlange oder togatragenden Mann dar, der ein Füllhorn und/oder eine Opferschale trug. Ihm wurde im Haus das im Atrium stehende lectus genialis (Ehebett) geweiht.

Ansehen und Macht des Genius des pater familias (Familienoberhaupt) waren so gross, dass alle Sklaven und sonstigen Hausangestellten diesen verehrten und bei ihm schwörten. Auf dieser Sitte aufbauend entwickelte sich die Verehrung des genius Augusti (Genius des Kaisers). Somit ist der Eid auf den Kaiser nicht eine auf seine Person, sondern auf seinen Genius gerichtet; Meineid damit auch ein Majestätsverbrechen im religiösen Sinn.

Das Bedürfnis nach Schutz von Person und Familie ließ die Römer ihre Genien als Schutzgeister auffassen. Auch der Genius loci, die einem Ort innewohnende Wirkungskraft, ist in diesem Sinn als Wirkung und Schutz zu interpretieren. Im Gegensatz zu den Laren, denen keine "geniale" Wirkung innewohnt.

Das Fest des Genius wurde am Geburtstag seines Besitzers begangen und der Kult bestand im wesentlichen in der Opferung von Kuchen, Wein oder Blumen. Auch Göttern war ein Genius zugedacht, der ebenfalls nur seine Zeugungsfähigkeit repräsentierte. Der Genius von bedeutenden Männern wurde in die Nähe der Genien der Götter gerückt. Auch daraus erklärt sich die Verehrung der Genien der Kaiser der mit dem Kult der Lares Compitali vermischt wurde.

Die höchste Ausprägung des Geniuskultes war der Genius Urbis Romae (Genius von Rom) und der Genius Populi Romani (Genius des römischen Volkes). Der Historiker Cassius Dio erwähnte für diese einen Tempel in Rom und am 9. Oktober schien für sie im Kalender ein Opferfest auf. Die Akten der Arvalbrüder reihten den Genius des römischen Volkes unter die Götter. Im 4.Jh.n.Chr. wurden am 11. und 12. Februar ludi Genialici (Spiele zu Ehren der Genien) gefeiert.

Die Auffassung, wonach der Genius ein ausserhalb des Menschen existierender Schutzgeist (vgl. Schutzengel) sei, dürfte erst in nachantiker Zeit entstanden sein. Klar ist, dass der Genius mit einem Menschen verbunden, jedoch nicht mit ihm ident ist. Die antike Auffassung dürfte so davon ausgegangen sein, dass das Leben durch die Hinzunahme des Genius entstand und er es auch bis zum Tode erhält. Trotz mancher Wandlungen in der Verehrung und Konkurrenz anderer Kulte blieb der Genius ein waches Element der römischen Religion. Dies zeigt sich auch darin, dass Kaiser Theodosius 392 n.Chr. die Verehrung der Hausgötter (Genien, Laren, Penaten) explizit verbieten musste.

In der Kunst und auf Münzen war der Genius ein beliebtes Motiv. Zumeist wurde er bärtig dargestellt; in späterer Zeit auch jugendhaft. Stets mit freiem Oberkörper (im Gegensatz zu den Laren) hielt er in der Regel ein Füllhorn linkerseits und eine Opferschale rechterseits. (Der Genius des Hausherrn wurde wie bereits erwähnt anders dargestellt.) Gerne wurden ihm auch die Gesichtszüge seines Besitzers gegeben. Zur Darstellung des genius loci bevorzugte man eine Schlage.