Tribunus plebis
Das Volkstribunat ist mit Sicherheit eine der interessantesten und gleichsam sonderbarsten Repräsentanzen eines Volkes, die es je in irgendeiner Verfassung auf der Welt gegeben hat. Das Amt des tribunus plebis wurde im Jahre 491 v.Chr. als beständige politische Repräsentanz der Plebejer geschaffen. Zunächst gab es zwei, später fünf und schliesslich zehn Volkstribunen. Ihre Wahl erfolgte in der Volksversammlung, später vermutlich in den comitia tributa.
Die Tribunen genossen die potestas sacro sancta, d.h. sie waren unantastbar und wer gegen sie vorging war verflucht. Sie hatten die Interessen des Volkes zu wahren. Darum konnten sie unter ihrem Vorsitz die Volksversammlung einberufen. Durch ihr Widerspruchsrecht konnten sie alle Belange, sogar die des Senats blockieren. Für diesen Schritt benötigten die zehn Tribunen allerdings im Sinne der Kollegialität gegenseitiges Einvernehmen und mussten geschlossen auftreten. Gezielt eingesetzt, war es ihnen theoretisch möglich den gesamten Staatsapparat zum Stillstand zu bringen.
Jeder andere Magistrate (auch andere Volkstribunen) konnte durch einen Volkstribun an seiner Amtsausübung gehindert werden. Darüber hinaus erliessen sie Verordnungen für das Volk und konnten dieses unter ihren Schutz stellen. Die einzige Einschränkung lag in ihrem Amtsgebiet, das sich nur auf die Stadt beschränkte.
Im Laufe der Zeit näherten sich die Machtbefugnisse denen anderer hoher Magistrate an. Sie konnten ab dem 3.Jh.v.Chr. den Senat einberufen, den Auspizien vorstehen und bei schlechten Omen Beschlüsse der Comitien blockieren. Im Notfall konnten sie Zwangsmaßnahmen gegen jeden und alles anordnen. So wurde aus dem ausserordentlichen Amt eine Magistratur und seit 149 v.Chr. hatten sie das Recht in den Senat aufgenommen zu werden. Sulla versuchte die Rechte einzuschränken, doch hatte er nur vorübergehenden Erfolg, da sie später wieder hergestellt wurden.
Das Amt der zehn Volkstribunen war nur plebejischen Familien zugänglich. Patrizier konnten theoretisch dieses Amt übernehmen, wenn sie sich durch eine plebejische Familie adoptieren liessen und somit rein rechtlich zur Plebs gehörten. Dies war eine äusserst seltene und auch verpönte Vorgangsweise.
Mit der Errichtung des Kaiserreiches hatten die Volkstribunen keine Macht mehr. Ihre Befugnisse gingen durch Rechtsverleihung auf den Kaiser über wurden neben dem imperium zur wichtigsten Stütze der kaiserlichen Autorität. Die tribunicia potestas wurde den Kaisern jährlich erneut verliehen und in der Titulatur mit einer Ziffer versehen. Augustus hatte diese Methode gewählt, um der neuen Regierungsform des Prinzipats den Anschein republikanischer Tradition zu geben.