Acca Larentia

Aus Theoria Romana
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Acca mit dem Beinamen Larentia/Larentina ist die Heldin einer an das zu Ehren der Totengöttin Larenta oder Larunda am 23. Dezember gefeierte altrömische Fest der Larentalia anknüpfenden aetiologischen Sage, welche in der von Varro überlieferten Form folgendermaßen lautet. Unter der Regierung des Königs Ancus fordert der Tempeldiener des Hercules in der müßigen Langeweile eines Feiertages den Gott auf, mit ihm ein Spielchen zu machen unter der Bedingung, dass der Verlierer dem Gewinner eine gute Mahlzeit ausrichten und ein hübsches Mädchen zuführen solle. Das Spiel geht von sich, indem der Küster mit der einen Hand für sich, mit der anderen für die Gegenpartei würfelt. Das Glück begünstigt den Gott und getreu der Abmachung richtet ihm der Verlierer auf dem Altar eine Mahlzeit an und schließt die damals am meisten gefeierte Hetäre Roms, Acca Larentia, in den Tempel ein, sie dem Gotte so zur Verfügung stellend. Die Speisen werden von einer, aus dem Altar hervorbrechenden Flamme verzehrt, das Mädchen aber träumt, der Gott wohne ihr bei und verspreche ihr, dass sie durch den Mann, der ihr am nächsten Morgen zuerst begegne, den Lohn für die Nacht erhalten werde. Es begibt sich, wie Herkules vorausgesagt: beim Verlassen des Tempels trifft sie einen reichen Jüngling Namens Tarutius, der, von ihrer Schönheit gefesselt, sie heiratet und später als Erbin eines großen Besitzes hinterlässt. Diesen vermacht sie testamentarisch dem populus Romanus, welcher aus Dankbarkeit ein alljährlich am 23. Dezember an ihrem Grabe im Velabrum durch die Pontifices und den Flamen Quirinalis darzubringendes Totenopfer anordnet. In ihren Grundzügen ist diese Geschichte jedoch weitaus älter als Varro; Jedenfalls kannte bereits Cato das Vermächtnis der Acca Larentia an das römische Volk, er führt sogar die Grundstücke an, die Acca Larentia der römischen Gemeinde hinterlässt: agros Turacem, Semurium, Lintirium et Solinium.

In der jüngeren Annalistik, insbesondere bei Licinius Macer, aber auch bei Valerius Antias erfährt die Erzählung insofern eine tiefgehende Umgestaltung, als Acca Larentia in die römische Gründungssage verflochten und zur Gemahlin des Faustulus und Nährmutter des Romulus und Remus wird. Sie ist früher eine öffentliche Dirne, nach vulgärer Bezeichnung eine lupa, gewesen und aus einem Missverständnisse dieses Namens sollte die ältere Sagenform von der Ernährung des Zwillingspaares durch eine Wölfin entstanden sein. Nach dem Tod des Faustulus schließlich heiratet Acca Larentia den Tarutius und setzt bei ihrem Tode ihren Pflegesohn Romulus zum Erben ihres Vermögens ein. Masurius Sabinus schließlich, der bekannte Jurist aus der Zeit des Tiberius, verlegt das Verhältnis der Larentia zu Romulus in ein späteres Lebensalter und gibt sie für die Mutter von zwölf Söhnen aus, die nach dem Tode des einen den Romulus an dessen Platz aufgenommen habe; Romulus nennt sich und die elf Ziehbrüder fratres Arvales und richtet den Arvalenkult ein.

Die beiden Hauptfassungen der Acca Larentia, einerseits als Dirne und Geliebte des Herkules, andererseits als Pflegemutter des Romulus werden von Verrius Flaccus einfach nebeneinander registriert, während andere zwei verschiedene Personen, von den Römern göttlich verehrte Personen des Namens Acca Larentia zu trennen versuchten, indem sie der Geliebten des Herkules das Dezemberfest, der Ziehmutter des Romulus eine angeblich in den April fallende Festfeier zuwiesen. So unterscheidet Plutarch zwischen zwei Frauen dieses Namens: Der einen, Fabola Larentia, der als Herculis scortum (Dirne/Hure des Herkules), bezeichneten Erbin des Tarutius bringen die Römer im Monat Dezember Totenopfer dar. Die andere, Acca Larentia mit Namen, gilt als Amme des Romulus und wird im Monat April ebenfalls durch Trank-/Totenopfer, die nach Plutarch „ho tou Areos hiereus“, also vermutlich der flamen Quirinalis leistet. Der Kultakt wird auf dem Velabrum vollzogen, wo sich auch das Grab einer Larentia befindet. (vgl. Cato, Varro, Macrobius, Plutarch) Tatsächlich werden jedoch wohl eher zwei Feste ein und derselben Göttin zu unterschiedlichen, aus den Vorgängen ihres Aufgabenbereiches her verständlichen Terminen stattgefunden haben. Als Träger des Kultes gelten die Pontifices, sowie vor allem der flamen Quirinalis.

Bedeutet "Larentia" schließlich "das Grünen" so ist auch ihre Verbindung mit Iuppiter am 23. September (Fast.Praenest.: feriae Iovi) äußerst plausibel. Jedoch kann noch einen Schritt weiter gegangen werden, denn der Name der im Arvalenkult verehrten Dea Dia ist in dieser Form relativ jung. (vgl. dea Tacita, dea Roma u.a.) Dia allein ist kein selbstständiger Name, sondern eine adjetkivische nähere Bestimmung eines Gottesnamens, die die Zugehörigkeit zu Iuppiter zum Ausdruck bringt. Es kann also hypothetisch eine ursprüngliche Göttin Larentia Dia, "Larentia, die im Bereiche Iuppiters wirkt", vorausgesetzt werden, für die das kalendarische Nebeneinander der "(feriae) Larentinae" und der "feriae Iovis, quae Larentinalia apellantur" (Macrob. sat. 1,10,11) am 23. Dezember Zeugnis ablegt. Vergleichbar ist Lua (=chloe) Saturni, wenngleich hier natürlich nicht das "Grünen" (d.h. Larentia) zum Himmelsgott, der Sonne und Regen schickt (Iuppiter), sondern vielmehr das "Grün" (d.h. Lua) zu dem mit der Saat befassten Saturnus in Beziehung gebracht wird.

Literatur:
Georg Wissowa (Hrsg.), Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 1978.
Gerhard Radke, Acca Larentia und die fratres Arvales. Ein Stück römisch-sabinischer Frühgeschichte in Aufstieg und Niedergang der römischen Welt I, 2, 1972.