Auspicium

Aus Theoria Romana
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Auspicium war eine ritualisierte Form, den Willen der Götter zu erkunden. Hierzu wurden sie von einem Magistrat angeordnet und durch einen Auguren durchgeführt und gedeutet.

Geschichte

Wie alle antiken Völker teilten die Römer die Ansicht, dass die Götter ihren Willen durch bestimmte Zeichen und Hinweise kundtaten. Anders als die anderen jedoch misstrauten sie anfangs stark der Astrologie und Traumdeutung, sondern suchten die göttlichen Zeichen durch besondere Naturerscheinungen (prodigia). Zur Einholung der göttlichen Zustimmung zu politischen Entscheidungen hingegen wurden seit Gründung der Stadt auspicia eingeholt. Dies geschah – anders als bei den Griechen, die die Deutung des Vogelflugs ebenfalls kannten – nach überlieferten, festen Regeln. Auch war bei ihnen der höchste Staatsgott – Iuppiter Optimus Maximus – allein der befragte Gott. Bedeutend war außerdem, dass diese ursprüngliche römische Form der Zukunftsbefragung einzig Zustimmung oder Ablehnung Iuppiters erfragte und die Zukunft nicht vorhersagen konnte. Anfangs deuteten die Auguren als Interpreten der auspicia (daher auch teilweise als auguria bezeichnet) nur den Vogelflug, später wurden alle Himmelzeichen hinzugezogen. In den Anfangsjahren Roms hatten nur Patrizier das Recht, auspicia einzuholen und zu interpretieren. Dies taten sie bei jeder öffentlichen und privaten Aktion, insbesondere bei der Heirat. Nach und nach wurden die auspicia privata jedoch unüblich. Trotzdem hielt sich die Bezeichnung auspex für Zeugen der Mitgiftszahlung und zur Beaufsichtigung der verschiedenen Hochzeitsriten innerhalb patrizischer Familien. Sie arbeiteten somit als private Auguren und unterschieden sich damit von dem staatlichen Collegium Augurum. Das Recht auf auspicia publica wurde auf patrizische Magistrate für ihre Amtszeit übertragen. Gab es keinen patrizischen Magistraten, wählten die Patrizier einen Interrex, der Auspizien einholen konnte.

Formen

Es existierten verschiedene Formen von auspicia: ex caelo (aus dem Himmel), ex avibus (durch Vögel), ex tripudiis (durch die heiligen Hühner), ex quadrupedibus (durch Vierbeiner), ex diris (sonstige ungewöhnliche Ereignisse).

Das augurium ex caelo galt als die wichtigste Form und wurde auch als auspicium maximum bezeichnet. Hierbei wurden Himmelserscheinungen wie Blitze oder Donner gedeutet. So konnten die Comitia nicht stattfinden, wenn ein Magistrat feststellte, dass Iuppiter Donner oder Blitz geschickt hatte.

Das auspicium ex avibus hingegen konnte auf zwei verschiedene Arten eingeholt werden: Zum einen konnte der Gesang von Singvögeln (oscines), zum anderen der Vogelflug als göttliches Zeichen gedeutet werden. So galt das Erscheinen einer Krähe oder Eule zur Rechten als positives Zeichen (auspicium ratum). Ebenso wurde das Erscheinen eines Raben oder einer Henne zur Linken gedeutet. Der Flug von Adlern – als Tiere des Iuppiter – und Geiern wurde besonders gern gedeutet, aber auch der von Schwarzspechten, deren Gesang auch interpretiert wurde. Jede Bewegung und jeder Laut hatte je nach Umständen wie der Jahreszeit etc. eine andere Bedeutung, was erklärt, warum ein Collegium mit Spezialisten für diese Form der Zukunftsdeutung notwendig war.

Die Deutung ex tripudiis, die hauptsächlich für militärische Fragen angewandt wurde, fand mittels des Fressverhaltens von Vögeln, später fast ausschließlich von Hühnern, statt. Zu diesem Zweck wurden auf dem Capitol Hühner in einem Käfig gehalten – eigens von einem pullarius versorgt. Das auspicium lief in diesem Falle folgendermaßen ab: Der pullarius öffnete den Käfig und warf den Hühnern Puls oder Getreidekörner hin. Schrieen den Tieren , schlugen sie mit den Flügeln oder kamen nicht aus ihrem Käfig bzw. aßen sie nicht, galt das auspicium als negativ verlaufend. Pickten sie ihr Futter hingegen gierig auf, sodass Körner aus ihrem Maul fielen, sprach man von einem tripudium solistimum – die Götter stimmten zu. Festus erwähnt eine weitere Form des tripudium oscinum, bei dem wohl die Laute der Hühner oder des fallenden Futters interpretiert wurden. Dies ist jedoch sonst nicht bestätigt.

Als auspicium ex quadrupedibus wurde das Passieren oder Auftauchen eines Fuchses, Wolfes, Pferdes oder eines anderen Vierfüßers an einem ungewöhnlichen Ort betrachtet. Diese Form fand nur im privaten Bereich Anwendung und wurde von den Auguren als „Nebengeschäft“ neben der Erfragung göttlichen Willens durch den Staat betrieben.

Alle übrigen Vorzeichen waren unter der Bezeichnung ex diris (oder auch ex signis) zusammengefasst. Hierunter fielen alle möglichen Zufälle wie Stolpern oder Niesen während Amtshandlungen.

Der Ablauf eines Auspicium ex caelo bzw. ex avibus verlief wie folgt: Zuerst zeichnete der Augur mit seinem lituus ein Rechteck in den Himmel (templum od. tescum), in dem er seine Beobachtungen machen wollte. Auch die Position, von der aus die Beobachtungen gemacht wurden, wurde durch eine feierliche Formel geheiligt und als templum bezeichnet. Innerhalb dieses templum wurde anschließend ein Zelt, das templum minor, aufgestellt. Dies geschah jedoch nur außerhalb des Pomerium – innerhalb wurde das auguraculum verwendet, das sich auf dem Capitol befand. Auch in römischen Lagern befand sich ein augurale, von wo aus derartige Beobachtungen gemacht werden konnten. Auf dem Marsfeld hingengen musste zu jeder Wahl das Auguren-Zelt errichtet werden, um die Zustimmung der Götter zur Volksversammlung zu erfragen. War das Zelt errichtet, galt es auf das erbetene Zeichen zu warten. Währenddessen hatte Ruhe zu herrschen – auch durften keine fehlerhaften Gegenstände oder Personen (Behinderte, Kranke etc.) anwesend sein. Nur wenn diese Regeln eingehalten wurden, konnte der Augur anschließend die nuntatio (positive Entscheidung) oder obnuntatio (negative Entscheidung) verkünden. Bei einer obnuntatio brach der einholende Magistrat für gewöhnlich die Amtshandlung bzw. Volksversammlung ab und vertagte sie („alio die“).

Bedeutung und Klassifizierung der Auspizien

Die Einholung von Auspizien (spectio) war an eine Magistratur gebunden, wurde jedoch von Auguren im Auftrag des jeweiligen Magistraten ausgeführt. War der Augur beauftragt, besaß er das Recht auf die Interpretation (nuntatio) unabhängig vom Magistraten. Damit fiel ihnen große Macht zu – nämlich die Möglichkeit, politische Entscheidungen durch Verkündigung der obnuntatio zu unterbinden, die mit der Formel "Vitium tabernaculum captum esse" verkündet wurde. Hielt sich der Magistrat nicht daran und seine Entscheidung war falsch, wurde er dafür hart bestraft. Diese Macht wurde jedoch dadurch beschnitten, dass der Augur erst durch den Magistraten „engagiert“ werden musste, ehe er ein auspicium durchführen und interpretieren konnte.

Die Prätoren und Consuln konnten Auspizien über ihren Amtsbereich hinaus anwenden und damit auch Entscheidungen anderer Magistraten ungültig zu machen, indem sie eine obnuntatio mit Hilfe eigener, erneuter auspicia feststellten. Das Recht auf kleine Auspizien (auspicia minora), das den curulischen Aedilen und Quaestoren vorbehalten war, wurde ihnen von den Imperiumsträgern (Praetoren, Consuln) übertragen, weshalb deren Auspizien als auspicia maiora bezeichnet wurde.

Zu bemerken ist darüber hinaus, dass auspicia nur für ganz bestimmte Umstände Gültigkeit hatten: Zum einen galten sie üblicherweise nur für den Tag der Einholung, also von Mitternacht bis Mitternacht, zum anderen konnten sie auch örtlich begrenzt sein (etwa nur für außerhalb des Pomerium oder nur auf einer Flussseite - verließ der Magistrat das Gültigkeits-Gebiet, mussten neue auspicia eingeholt werden).


Literatur:
Art. Augurium, in: Smith: A Dictionary of Greek and Roman Antiquities, London, 1875
RE