Germania inferior: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Theoria Romana
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (Caesar-Link angepasst)
 
(11 dazwischenliegende Versionen von 5 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
== Daten & Geografie ==
+
[[Kategorie:Provinz]]
 +
== Lage und Geografie ==
 +
Die Provinz ''Germania inferior'' (dt. "Niedergermanien") war die nordöstlichste römische Provinz auf dem europäischen Festland. Sie bestand im Wesentlichen aus einem schmalen Landstreifen zwischen ''Mosa'' (heute Maas) und ''[[Rhenus]]'' (heute Rhein), der vom ''Mare Germanicum'' (heute Nordsee) bis zum Vinxtbach reichte. Südlich davon grenzte ''[[Germania superior]]'' an, westlich ''[[Gallia Belgica]]''.
  
 +
=== Grenzen ===
 +
Die detaillierte Grenzziehung folgte landschaftlichen und politischen Gegebenheiten. Im Norden bildete der ''Rhenus'' beim Kastell ''Lugudunum'' (heute Katwijk-Bittenburg) eine Barrieren gegen [[Chauken]] und [[Friesen]]. Wie heute hatte der Rhein drei Mündungsarme, deren Verlauf jedoch von den heutigen Gegebenheiten abweicht. Als nördlichster Arm mündete der ''Flevum'' wahrscheinlich nördlich von Velsen und ist entweder mit der Vlie oder der Ij identisch. Der zweite Mündungsarm behielt mit ''Rhenus'' den Flußnamen und war damals viel breiter als heute. Er liegt unmittelbar nördlich des Kastells ''Lugudunum''. Der größte Mündungsarm ''Helinium'' ist jedoch der südlichste der drei Arme und verband in seinem Delta Waal, Maas und Striene.
  
Das linksrheinische Germanien bildete seit [[Caesar]] einen Teil [[Gallia]]s. [[Augustus]] setzte um 13 v.Chr. eine eigene Militärverwaltung ein. Bis in die Regentschaft [[Domitian]]s gab es nur eine germanische Provinz. Seit 83/84 n.Chr. taucht die Unterscheidung zwischen [[Germania superior]] und Germania inferior auf. Das Gebiet von Nieder- oder Untergermanien blieb in der Folgezeit unverändert und wurde auch nicht geteilt. Die diokletianische Reichsreform brachte lediglich eine Umbenennung in Germania secunda. Der Sitz der Militärverwaltung war anfangs Vetera (Xanten-Birten); die Hauptstadt der Provinz befand sich in Colonia Claudia Ara Agrippinensum (Köln).
+
Weiter nach Süden bildete grundsätzlich der Rhein die Grenze nach Osten, wobei auch das östliche Ufer unter römischer Kontrolle stand. So standen nicht nur die Friesen, sondern auch die [[Ampsivarier]] unter römischem Einfluss. Weiter südlich wurde der Drachenfels auf dem östlichen Rheinufer bei ''Bonna'' (heute Bonn) genutzt sowie nicht näher zu lokalisierende ''tegularia transrhenana'' (Ziegeleien jenseits des Rhein).
  
Die römische Herrschaft erstreckte sich von etwa 55 v.Chr. (Eroberung durch [[Gaius JuliusCaesar]]) bis etwa 459 n.Chr. (Eroberung Kölns durch die Franken); in Summe ca. 515 Jahre. Römische Gebiete rechts des Rheins blieben nach der [[Varus-Schlacht]] auf das Land der [[Friesen]] an der Küste beschränkt, das aber unter [[Claudius]] ebenfalls aus dem Staatsverband ausschied.
+
Ähnlich stellt sich das Bild an der Westgrenze der Provinz dar, wo die Maas auch nicht die direkte Grenzlinie bildete, sondern Teile des Südufers ebenfalls noch zur Provinz gehörten. Die Grenze begann im Mündungsgebiet der ''Scaldis'' (heute Schelde) und verlief nach Osten durch das heutige Noord-Brabant Weiter östlich schloss die Grenze noch das Sumpfland des heutigen "Groote Peel" ein und bog dann nach Süden am, um dem linken Flussufer der Maas zu folgen. Nicht eindeutig geklärt ist, ob die ''civitas Tungrorum'' mit ihrem Hauptort ''Aducatuca'' (heute Tongeren) noch zur Provinz gehörte oder die Grenze schon vorher nach Südwesten abbog und die Maas überquerte. In jedem Fall schloss die Grenze in ihrem weiteren Verlauf da Hohe Venn aus und führte in einem sanften Bogen durch die Eifel nach Süden. Der südlichste Grenzpunkt dürfte südlich von ''Icorigium'' (heute Jünkerath) beim ''[[vicus]] Ausava'' (heute Oos) gelegen haben, während als sicherer Grenzpunkt ''Obrincas'' (bei Brohl-Lützing) an der Mündung des Vinxtbaches in den Rhein angenommen wird.
  
Die Nachbarprovinzen waren im Westen [[Gallia Belgica]] und im Süden [[Germania superior]]. Nordwestlich über die Ausläufer des Oceanus Britannicus (englischer Kanal samt irischem Antlantik) bzw. das südliche Mare Germanicum (Nordsee) konnte man nach [[Britannia]] gelangen. Im Osten lag das freie Germanien.
+
=== Landschaftsbild ===
 +
Alle Mündungsgebiete des Rheins standen unter dem Einfluss von Ebbe und Flut mit in Richtung Osten abnehmendem Gezeitendruck. [[Tacitus]] nennt hier die ''insula Batavorum'' (Insel der [[Bataver]]), die heute identisch ist mit der Landschaft Betuwe. Hier war die Landschaft zwar immer noch moorig, dennoch siedlungsfreundlicher da man hochwasserfreie Flächen einrichten konnte. In römischer Zeit waren hier vor allem Laubwälder mit Buchen und Eichen anzutreffen, die erst mit planmäßigen Rodungen zur Gewinnung von Siedlungsland vernichtet wurden.
  
Die politischen Grenzen folgten im wesentlichen den landschaftlichen Gegebenheiten. Im Norden schufen die Küstenlinien natürliche Barrieren gegen [[Chauken]] und [[Friesen]]. Letztere standen bis zum Rückzug des Statthalters Gnaeus Domitius Corbulo (auf Befehl von Kaiser [[Claudius]]) unter römischer Herrschaft. Seit 47 war der Rheinlauf bei Katwijk die Nordgrenze der Provinz. Gleichfalls bildete der Rhein mit seinen Nebenarmen einen natürlichen Grenzverlauf.
+
Weiter nach Südosten folgt das Niederrheinische Flachland, das ebenfalls mit Laubwäldern bedeckt war, bevor mit der Niederrheinische Bucht mit seinen Lössböden zwischen Neuss, Bonn und Aachen der Kern der Provinz erreicht war. Dieses Gebiet war schon seit der Jungsteinzeit besiedelt und daher weitgehdn waldfrei. Der fruchtbare Lössboden und die günstigen klimatischen Verhältnisse brachten eine reiche Getreideernte hervor.  
  
Im Süden und Westen lassen sich die Provinzgrenzen schwerer ausmachen. Die westlich der Scheldemündung gelegenen Menapier gehörten schon zur Provinz [[Gallia Belgica]]. Von dort verlief die Grenze durch Noord-Brabant. Eine genaue Grenzziehung ist nicht mehr ersichtlich, möglicherweise lag sie dort wo die Flußmarsch der Maas nach Süden in die Geest übergeht. Die Maas selbst bildete nicht die Grenze, dies ist inschriftlich und literarisch gesichert. Ein Teil des Südufers gehörte noch zur Provinz.
+
Noch weiter nach Süden folgte die Eifel, die gemeinsam mit den Ardennen und dem Hohen Venn bildeten sie wiederum ein großes zusammenhängendes Waldgebiet, das ''silva Arduinna'' (Ardennenwald) genannt wurde und dessen größter Teil zur Provinz ''Gallia Belgica'' gehörte. Es hatte raues Klima, viele Niederschläge und eignete sich vor allem für Wald- und Weidewirtschaft, während Landwirtschaft kaum Erträge brachte. Wichtig waren aber die Bodenschätze wie Eisen, Blei, Zink, Tuff- und Kalkstein, sowie die großen Wasserreserven, die durch den Bau von Wasserleitungen zur Versorgung der Provinzhauptstadt erschlossen wurden.
  
Südwestlich von Cuijk bog die Grenze nach Süden ab und folgte ab hier dem Maastal. Dort befindet sich auch „de Peel“, ein ausgedehntes, schwer passierbares Sumpfland, das schon in römischer Zeit eine natürliche Barriere zwischen den Stämmen Niedergermaniens und der [[Belgica]] bildete. Die Grenze verlief am linken Ufer der Maas, auf dem sich die Fernstraße von Ulpia Noviomagus (Nijmegen) nach Traiectum ad Mosam (Maastricht) entlangzog. Nicht eindeutig geklärt ist bis heute der Provinzstatus von Civitas Tungrorum (Tongeren), die hier zu Niedergermanien gerechnet wird, da sie im Zuge der Diocletianischen Provinzteilungen zu Germania secunda gehörte.
+
Zu ''Germania inferior'' gehörte schließlich auch ein kleiner Teil des Mittelrheingebietes im Bereich des Durchbruchs durch das Schiefergebirge.
  
Diesseits der Maas verlief die Grenze in west-östlicher Richtung, umging die zur [[Belgica]] gehörende Hohe Venn und führte in sanftem Bogen quer durch die Eifel nach Süden. Der südlichste Grenzpunkt dürfte südlich von Icorigium (Jünkerath) bei Vicus Ausava (Oos) gelegen sein. Ein sicherer Grenzpunkt ist Obrincas (bei Brohl-Lützing) an der Mündung des Vinxtbaches.
+
== Vorrömische Geschichte ==
 +
Die Besiedlung des späteren Provinzgebietes reicht bis in die Jungsteinzeit zurück und breiteten sich zunächst vor allem an den Wasserwegen aus. Der Rhein wurde vermutlich spätestens in der Bronzezeit als Handelsweg erschlossen. Insbesondere kam es entlang seines Verlaufes zu einer Vermischung von [[Kelten|keltischen]] Einflüssen aus dem Westen und [[Germanen|germanischen]] Einflüssen aus dem Osten. Beide Kulturen waren im Wesentlichen Bauernkulturen, die sowohl Gehöfte als auch kleine Dörfer mit Befestigungen und Friedhöfen anlegten. Spätestens im letzten Abschnitt der vorrömischen Eisenzeit ist eine deutliche Trennung kaum möglich, auch wenn das Provinzgebiet allgemein wohl dem keltischen Kulturkreis in ''[[Gallia]]'' deutlich näher stand.
  
Der Rhein zwischen Vinxtbachmündung und Katwijk bildete spätestens seit 17 die West- und Nordgrenze der Provinz. Hier ist aber eher von einem Grenzraum, denn von einer Linie zu sprechen, da selbst nach dem Rückzug hinter den Rhein 47 sowohl [[Friesen]] als auch [[Ampsivarier]] direkt unter römischem Einfluss standen. Im konkreten bedeutet dies, dass zwischen Katwijk und Remhagen ein grosser Landstreifen rechtsrheinisch zur Provinz gehörte. Auch die weiter südlich liegenden Uferstreifen am rechen Rheinufer unterstanden römischer Kontrolle. Aus diesem Gebiet sind aus trajanischer Zeit sogar Tegularia Transrhenana (Ziegeleien jenseits des Rheins) überliefert. Dies alles dürfte vor allem aus wirtschaftlichen Überlegungen (zahlreiche Steinbrüche, Weideland) geschehen sein.
+
Ersten Kontakt mit den Römer hatte das Gebiet durch die Eroberungen [[Gaius_Iulius_Caesar_(2)|Gaius Iulius Caesars]], der zwischen 58 und 51 v. Chr. ganz Gallien unter römische Kontrolle brachte und bis an den Rhein vorrückte. Mindestens zweimal (55 und 53 v. Chr.) überquerte er dabei auch mit Brückenschlägen im heutigen Neuwieder Becken den Rhein, um das östliche Ufer unter Kontrolle zu bringen oder zumindest die römische Macht zu demonstrieren. Aus römischer Sicht bildete der Rhein die natürliche Grenze zwischen Gallien und Germanien und Caesar versuchte zeitweise, alle linksrheinisch siedelnden Germanen zu vernichten, da sie in seinen Augen offenbar ein großes Gefahrenpotenzial darstellten. Ambitionen, die Grenze des römischen Reiches über den Rhein hinaus zu schieben, hatte er jedoch nicht.
  
Gemessen an [[Provinzen]] vergleichbarer Größe ist die Zahl der Städte in Niedergermanien sehr gering geblieben. Es gab nur vier Kolonien bzw. Munizipien: Colonia Claudia Ara Agrppinensium (kurz CCAA genannt, gegründet 50, Köln), Colonia Ulpia Traiana (kurz CUT, gegründet vermutlich 98, Xanten), Municipium Batavorum (zuvor Ulpia Noviomagus Batavorum genannt, Marktrecht seit [[Trajan]], Erhebung zum Municipium gegen Ende des 2.Jh.n.Chr., Nijmegen/NL) und Municipium Aelium Cannanefatium (kurz MAC, zuvor Forum Hadriani genannt, Marktrecht seit [[Hadrian]], Erhebung zum Municipium spätestens 162, Voorburg-Arentsburg/NL).
+
Mit dem erfolgreichen Abschluss der Eroberung Galliens wurde ''Germania inferior'' zunächst Teil der Provinz ''[[Gallia Belgica]]'' und bildete lediglich einen schmalen Militärbezirk, in dem ein konsularischer ''legati Augusti pro praetore exercitus Germanici inferioris'' das Kommando über die römischen Truppen führte.
  
Die Zahl der Einwohner kann nur andeutungsweise geschätzt werden. Ausgehend davon, dass Agrippina (Köln) nicht mehr als 50.000 Einwohner hatte und damit alle anderen Siedlungen und Lager dementsprechend weniger, so kommt man auf eine Zahl die wohl eine halbe Million nicht überschritten haben dürfte. Zum Vergleich: [[Britannia]] war viermal größer mit ca. 2 Millionen Einwohner Ende des 2.Jh.n.Chr.
+
== Römische Geschichte==
 +
Unter [[Augustus]] wurden massive Bestrebungen unternommen, das rechtsrheinische Gebiet unter römische Kontrolle zu bringen und die Provinz im Idealfall bis zur Elbe zu erweitern. Nach Feldzügen von [[Drusus]] 12-9 v. Chr. und [[Tiberius]] 4-6 n. Chr., in deren Zuge unter anderem die [[Sugambrer]] nahezu vernichted und ihre Reste links des Rheins angesiedelt wurden, galt das freie Germanien östlich des Rheins auch tatsächlich als weitgehend befriedet. Mit der verheerenden Niederlage des Statthalters [[Publius Quintilius Varus]] in der sogenannten [[Varusschlacht]] 9 n. Chr. stellte sich diese Einschätzung jedoch als Irrtum heraus. Der germanische Aufstand unter Führung des [[Arminius]] überraschte die Römer und der Verlust dreier [[Legion]]en stellte für das Reich einen schweren Schock dar. Schreckensszenarien eines großen germanischen Einfalls nach Gallien oder sogar Italien bewahrheiteten sich jedoch nicht, so dass trotz der hohen Verluste von einem lokalen Aufstand ausgegangen werden muss, der jedoch einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Provinz ''Germania inferior'' hatte.
  
Das wichtigste Gewässer der Provinz war - neben dem Meer - der Rhenus (Rhein). Andere Flüsse waren Mosa (Maas), Obrincas (Vinxtbach), Scaldis (Schelde) und Vahalis (Waal).
+
Rom verlegte sich von nun an weitgehend auf die Defensive, sicherte die Rheingrenze und ließ lediglich durch [[Germanicus]] die Legionsadler wiederbeschaffen, die in der Varusschlacht verloren gegangen waren. Das östliche Rheinufer wurde lediglich soweit kontrolliert, dass es frei von germanischen Siedlungen blieb und bei Bedarf als Aufmarschgebiet oder als Weideland genutzt werden konnte. Lediglich die Friesen im Norden der Provinz blieben bis etwa 47 n. Chr. unter direkter römischen Kontrolle.
  
Schon damals hatte der Rhein drei Mündungsarme, die jedoch anderes als heute verliefen. Der nördlichste hieß Flevum, mündete wahrscheinlich nördlich von Velsen und ist entweder mit der Vlie-Mündung, wahrscheinlicher jedoch mit der Ij identisch, die bei Ijmuiden ins Meer fliesst. Der zweite Mündungsarm behielt mit Rhenus den Flußnamen. Tacitus berichtet von seinen starken Strömungen. Dieser Mündungsarm war damals viel breiter als heute und liegt unmittelbar nördlich der heutigen Stadt Katwijk. Seit Mitte des 1.Jh.n.Chr. bildete er die Nordgrenze der Provinz. Der größte Mündungsarm wurde Helinium genannt und verband in seinem Delta Waal, Maas und Striene. Caesar behauptete, dass die Schelde in die Maas münde. Wahrscheinlich gab es damals eine intakte Nebenflußstrecke zum Helinium.
+
Abgesehen von den ''[[Chauci]]'', die mit schnellen Schiffen gelegentlich das Küstengebiet unsicher machten, blieb ''Germania inferior'' eine vergleichsweise ruhige Region. Als jedoch ein Teil der Besetzungsmacht im Zuge des [[Vierkaiserjahr]]es 69 n. Chr. nach Italien abzog, erhoben sich die Bataver unter [[Iulius Civilis]], riefen ein eigenständiges ''Imperium Germaniarum et Galliarum'' aus und überrannten innerhalb kurzer Zeit alle Legionslager der Provinz. 70 n. Chr. konnte der Aufstand jedoch durch Hinzuziehung weiterer Truppen (''[[legio VI Victrix]]'' aus [[Hispania]]) unter Kaiser [[Vespasian]] niedergeschlagen werden. Als Folge tauschte Vespasian zahlreiche der als unzuverlässig eingestuften aufständischen Hilfstruppen aus. Danach setzte eine weitere Friedenszeit ein, die etwa 200 Jahre andauerte.
  
Alle Mündungsgebiete des Rheins sind Ästuare (Einfluss von Ebbe und Flut) Richtung Osten mit abnehmendem Gezeitendruck. Tacitus nennt hier die Insula Batavorum (Insel der [[Bataver]]), die heute identisch ist mit der Landschaft Betuwe. Hier war die Landschaft zwar immer noch moorig, dennoch siedlungsfreundlicher da man hochwasserfreie Flächen einrichten konnte. In römischer Zeit waren hier vor allem Laubwälder mit Buchen und Eichen anzutreffen. Geändert hat sich dies erst mit planmäßigen Rodungen zur Gewinnung von Siedlungsland.
+
Unter Kaiser [[Domitian]] erhielt ''Germania inferior'' um 83 n. Chr. schließlich ein einges Provinzgesetz und damit den Status als eigenständige Provinz. Sitz des ''[[legatus augusti pro praetore]]'' wurde ''[[Colonia Claudia Ara Agrippinensium]]'' (heute Köln). Die Finanzverwaltung wurde jedoch weiterhin von einem ''procurator Augusti provinciarum Belgicae et utriusque Germaniae'' geführt, der seinen Sitz in ''Augusta Treverorum'' (heute Trier) hatte und dem jeweils ein ''subprocurator'' für jede der drei von ihm zu betreuenden Provinzen untergeordnet war.
  
Es folgt das Niederrheinische Flachland, das ebenfalls mit Laubwäldern bedeckt war. Den Kern der Provinz machte jedoch die Niederrheinische Bucht mit seinen Lössböden zwischen Neuss, Bonn und Aachen aus. Schon die Ackerbauern der Jungsteinzeit wussten diese Gegend für sich zu nutzen. Hier mussten die Römer nichts umholzen, das Land stand schon Jahrtausende unter dem Pflug. Der fruchtbare Lössboden und die günstigen klimatischen Verhältnisse brachten eine reiche Getreideernte hervor.  
+
Die lange Friedenszeit erlaubte auch eine Reduzierung der Streitkräfte in der Provinz. Von ursprünglich vier [[Legion]]en in den Doppellegionslagers ''Vetera'' (bei Xanten) und Köln blieben nach mehrfachen Verschiebungen unter [[Trajan]] schließlich nur zwei Legionen in ''Vetera'' und ''Bonna'' übrig.
  
Weiter im Süden ist die Eifel. Gemeinsam mit den Ardennen und dem Hohen Venn bildeten sie ein Silva Arduinna (Ardennenwald) genanntes, geschlossenes Waldgebiet, dessen größter Teil zur Provinz [[Belgica]] gehörte. Nur die nördlichen Gebiete gehörten zu Niedergermanien. Es hatte raues Klima, viele Niederschläge und eignete sich vor allem für Wald- und Weidewirtschaft. Landwirtschaft brachte kaum Erträge. Wichtig waren aber die Bodenschätze wie Eisen, Blei, Zink, Tuff- und Kalkstein. Lange Zeit unbeachtet wurde das Gebiet erst gegen Ende des 1.Jh.n.Chr. dichter besiedelt. Auch die großen Wasserreserven wurden damit zunehmend erschlossen.
+
Erst für das Jahr 256 n. Chr. sind Einfälle der [[Franken]] nachweisbar, wobei davon auszugehen ist, dass der Druck auf die Grenzte schon vorher zunahm und nur durch militärische oder diplomatische Einsätze gelindert werden konnte. Unter dem Eindruck der feindlichen Einfälle wurde 259 n. Chr. in Köln durch [[Marcus Cassianus Latinius Postumnus]] das ''[[imperium Galliarum]]'' ausgerufen, dass als abtrünniger Reichsteil etwa 15 Jahre Bestand hatte, in dieser Zeit aber tatsächlich für eine Entlastung an der Rheingrenze sorgen konnte.
  
Zu Niedergermanien gehörte auch ein kleiner Teil des Mittelrheingebietes, wo sich der Fluß zäh durch das Schiefergebirge gearbeitet hat. Die geografische Enge bewirkte geringe Besiedelung und nur die Gebiete von Remagen und an der Ahrmündung waren dichter bevölkert.
+
Unter [[Diokletian]] wurde die Provinz in ''Germania II'' umbenannt, in ihren Ausmaßen jedoch nicht verändert. Unter den Kaisers [[Konstantin I.]] und [[Valentinianus I.]] wurde eine Verstärkung der Rheingrenze durch den Bau kleiner Befestigungen (sogenannter ''[[burgus|burgi]]'') vorgenommen, die sowohl direkt an der Grenze als auch im Binnenland errichtet wurden. Ein konkretes Jahr für das Ende der Provinz kann nicht angegeben werden, da sich offenbar eher eine schleichende Vermischung der römischen mit der fränkischen Kultur ergab. Am ehesten kann noch die Eroberung Kölns durch die Franken 465 n. Chr. als Schlusspunkt angesehen werden.
  
 +
=== Militär ===
 +
[[Augustus]] konzentrierte nach der Niederlage des Varus insgesamt vier [[Legion]]en waren in ''Germania inferior''. Ihre Lager waren zunächst die Doppellegionslager in ''Vetera'' und Köln. Ob in ''Batavodurum'' (später ''[[Colonia Ulpia Noviomagus]]'', heute Nijmegen) eine weitere Legion stand oder es nur zeitweise als Lager einer Legion aus Vetera genutzt wurde, ist nicht klar. Mit der Abberufung des Germanicus von der Rheinfront wurde das Lager in Köln aufgelöst und die Legionen nach ''Novaesium'' (heute Neuss) und ''Bonna'' verlegt. Das Doppellegionslager in ''Vetera'' wurde nach dem Bataveraufstand aufgelöst und nun sicher eine Legion nach Batavodurum verlegt. Die zweite Legion verließ ''Vetera'' im Jahr 92 n. Chr. und wurde durch die aus ''Novaesium'' nachrückende ''legio VI Victrix'' ersetzt. Deren ehemaliges Lager wurde zum reinen Hilfstruppenlager. Schließlich wurde um 120 n. Chr. auch das Lager von ''Batavodurum'' aufgelöst.
  
 +
Zusätzlich zu den Legionen waren in Summe mindestens 20 namentlich bekannte ''[[ala]]e'' und 34 ''[[cohors|cohortes]]'' der [[Auxilia|Hilfstruppen]] in ''Germania inferior'' stationiert. Davon entfallen etwa 8 ''alae'' und 30 ''cohortes'' auf die Zeit des Tiberius. Zusammen mit den Legionen kann man von einer Truppenstärke von ca. 38.000 Mann ausgehen. Bei einer Grenzlinie von etwa 320 km bedeutet dies etwa 120 Soldaten pro Kilometer. Unter Vespasian sind 6 ''alae'' und 21 oder 22 ''cohortes'' bekannt, unter [[Hadrian]] 6 ''alae'' und 13 ''cohortes''. Zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. waren es immerhin noch 7 ''alae'' und etwa 15 ''cohortes''. Geht man davon aus, dass die Legionen zu dieser Zeit bereits nicht mehr mit der klassischen Sollstärke von 5.000 Mann operierten, ergibt sich damit einen nur noch halb so starke Besatzung wie zu tiberischer Zeit.
 +
Zusätzlich zu den Truppen ist noch die römischen Rheinflotte zu rechnen. Die ''[[classis Romana|classis Germanica]] hatte ihren Stützpunkt südlich von Köln. Weitere Basen waren ''Fectio'' (heute Bunnik-Vechten), ''Matilo'' (heute Leien-Roomburg) und ''Lugudunum''. Die Hauptaufgabe der Flußstreitkräfte bestand in der Gewährleistung der freien Schifffahrt auf dem Rhein und seiner Nebenflüße. Daneben führte sie zahlreiche Transportaufgaben aus, beispielsweise den Transport der Steine aus den Brüchen des Brohltales im Siebengebirge. Auch lebensnotwendige Güter, insbesondere Getreide, zur Versorgung der Truppen in den Legionslagern, wurden auf dem Wasserweg transportiert.
  
== Vorgeschichte ==
+
== Wirtschaftliche, strategische und kulturelle Bedeutung ==
 +
Die starke römische Truppenpräsenz macht die strategische Bedeutung des Militärbezirks und der Provinz ''Germania inferior'' deutlich. Mit der Aufgabe der Eroberungspläne für das freie Germanien wurde die Rolle als militärische Operationsbasis jedoch fortschreitend zurückgedrängt und durch wirtschaftliche Entwicklungen ersetzt. Gegenüber dem freien Germanien, in dem nur der Handel als gewinnbringend galt, hatte ''Germania inferior'' den Vorteil, dass sowohl Bodenschätze (wie Trachyt u.a. Steine) als auch Landwirtschaft und [[Viehzucht]] vorhanden waren. [[Gaius Plinius Secundus Maior|Plinius]] lobte etwa die Ubier für ihre Ackerbaukunst sowie die zahlreichen germanischen Gänse (Daunenproduktion).
  
 +
Zu Beginn musste noch vieles importiert werden, da die Siedlungen und Militärlager schneller wuchsen als die lokale Wirtschaft. Die Abhängigkeit von Gallien und Italien dürfte dann aber der Ansporn gewesen sein, den Bedarf aus eigener Produktion zu decken. Dies ging mit dem Ausbau der Verkehrswege einher. Nicht einmal ein Jahrhundert wurde benötigt, um die Importe maßgeblich zurückzudrängen und in einzelnen Bereichen sogar zu exportieren.
  
Im Mesolithikum (8000 bis 4000 v.Chr.) zogen sich die Gletscher in die Gebirge zurück, was zu einem Anstieg des Meeresspiegels führte. Die Küstenlinien wanderten landeinwärts und legten ungefähr den noch heutigen Verlauf fest. Durch die Veränderung von Flora und Fauna (weniger Tiere mit Wandergewohnheiten) entsteht an den Küsten und großen Flüßen eine erste Siedlungstätigkeit. Die ausgedehnten Wälder bieten eine größere Artenvielfalt, als dies noch im Paläolithikum der Fall war. Dies führt zu einem ersten Anstieg der Bevölkerung. Manifestiert wird das ganze in der erstmaligen Anlage größerer Begräbnisplätze.
+
Ein wichtiger Bodenschatz war Blei, das zwischen Kommern, Mechernich und Keldenich in der Nordeifel gewonnen wurde. In der Nordeifel wurden zudem Rot- und Brauneisenstein im Tagebauverfahren gewonnen. Kupfer gab es in der Provinz keines, jedoch lagen Vorkommen rechts des Rheins bei Rheinbreitbach, wo Spuren römischen Abbaus gefunden wurden. Steinkohle gewann man zwischen Aachen und Eschweiler. Der Goldbergbau spielte nur eine geringe Rolle, etwa in der Hohen Venn westlich von Monschau/Eifel. Wichtiger war wohl das Rheingold, der schon damals als ''aurifer'' (goldtragend) galt.
  
Mit 4.000 v.Chr. kannten auch die Menschen in Deutschland und Frankreich Kupferwerkzeuge; doch überwiegen jene in Stein. Die Verbreitung dürfte im Zuge der Wanderung von Bauern der linienbrandkeramischen Kultur erfolgt sein. Auch entstanden erste Befestigungsanlagen von fast burgähnlichem Charakter.
+
Wichtige Baumaterialien wurden allesamt im Süden der Provinz gebrochen. Eine Ausnahme bildete der für Bauzwecke kaum verwendbare Kalksandstein am Liedberg bei Mönchengladbach. Das grobe Sedimentgestein Grauwacke fand man in der Nähe der Provinzhauptstadt gleich am Flußufer und wurde in grossen Mengen verschifft. Leicht gewinnbarer Säulenbasalt wurde in der Mittelrheinregion sowohl linkerseits als auch rechterseits des Rheins abgebaut. Das Vulkangestein Trachyt brach man am Drachenfels und am Rüdenet bei Königswinter. Das meistverwendete Baumaterial war Tuffgestein, welches im Brohltal und in der Pellenz nördlich und südlich des Laacher Sees in rauen Mengen gewonnen wurde. In der Nordeifel gab es zudem grosse Dolomitbänke, die eine industrielle Kalkgewinnung rentabel machten. Ergänzt wurde die Baumaterialgewinnung schließlich durch zahlreiche Ziegeleien.  
  
Im Zeitalter der schnurkeramischen Kulturen (2800 bis 2400 v.Chr.) kam es zu einem erhöhten Bevölkerungswachstum, da auch schlechtere Ackerflächen bebaut wurden. Typische Grabform war das Hügelgrab, das sich bis in römische Zeit halten konnte.
+
Das Wirtschaftszentrum der Provinz war Köln. Die dort ansässige keramische Industrie produzierte nicht nur für den lokalen Markt sondern auch für den Export. Bereits vor der Erhebung zur ''colonia'' im 1. Jh. n. Chr. gab es dort ein großes und vielfältiges Angebot an Geschirr und Lampen. Neben Gebrauchsgütern produzierte der Keramiksektor auch den Nachschub für einen ausgedehnten Devotionalienhandel mit kleinen Götterstatuetten. Auch die Herstellung von Theatermasken aus weissem Pfeifenton ist gesichert. Die agrippensischen Tonwaren erfreuten sich in der ganzen Provinz großer Beliebtheit und im Export gelangten sie hauptsächlich nach ''[[Britannia]]''. Der wichtigste Wirtschaftszweig der Provinzhauptstadt war jedoch die Glasherstellung, deren Erzeugnisse auch ins freie Germanien exportiert wurden. Der zur Herstellung nötige reiner Quarzsand wurde westlich von Köln in großen Mengen gewonnen.
  
Entlang der grossen Wasserstrassen - wie dem Rhein - breitete sich die Glockenbecherkultur (2.500 bis 2.200 v.Chr.) aus. Kurze Zeit existierte sie neben der schnurkeramischen Kultur. Beisetzungen in Gräbern respektierten bereits bestehende Grabanlagen (Friedhöfe, Hügel).
+
Gemessen an Provinzen vergleichbarer Größe ist die Zahl der Städte in Niedergermanien sehr gering geblieben. Es gab nur vier ''coloniae'' bzw. ''[[municipium|municipia]]'': die Provinzhauptstadt ''Colonia Claudia Ara Agrppinensium'', die vermutlich 98 n. Chr. gegründete ''Colonia Ulpia Traiana'' (heute Xanten), die ''Colonia Ulpia Noviomagus'' und das ''municipium Aelium Cannanefatium'' (zuvor ''Forum Hadriani'' genannt, heute Voorburg-Arentsburg).
  
Die folgende Bronzezeit brachte bedeutende kulturelle Entwicklungen wie Pferdehaltung, Rad, Wagen, verbesserte Boote, Urbarmachung sandiger Gebiete und Tierzucht. Der Rhein wurde als Handelsweg erschlossen (Bernsteinstraße). Vermehrt entstanden nun Befestigungs- und Wallanlagen.
+
=== Religion ===
 +
Mit der Eroberung durch die Römer kamen auch deren religiösen Vorstellungen in die germanischen Provinzen. Die Methode, einheimische Gottheiten und Kulte dem griechisch-römischen Pantheon anzugleichen führte zu einem komplexen religiösen Gesamtbild.
  
Die keltisch-germanischen Kulturen der vorrömischen Eisenzeit waren Bauernkulturen mit Brandbestattung in manchmal großen Friedhöfen. Eine Trennung zwischen Kelten und [[Germanen]] ist im letzten Jahrhundert v.Chr. nicht möglich. Einen gewissen Unterschied gab es in der Siedlungsform, wo die Kelten durch das oppidium-System hervorragten. Das Gebiet der späteren Provinz Untergermanien stand dem keltischen Kulturkreis in [[Gallia]] sehr nahe.
+
Großer Beliebtheit erfreute sich [[Merkur]], da er zahlreiche Funktionen in sich vereinigte. So wurde er von den antiken Schriftstellern mit den unterschiedlichsten einheimischen Gottheiten (Wotan, Teutates, Esus, etc.) verschmolzen. Im Zweifelsfall kombinierte man einfach die Namen beider [[Götter]], wie bei Mercurius Gabrinius, einer Mischung aus Merkur und dem in der Bonner Gegend verehrten ''Gebrinius''. Mit [[Mars]], [[Victoria]] und [[Hercules]] wurde ähnlich verfahren, etwa als Mars Halamardus oder Mars Camulus, während Hercules bei den Germanen als römische Version des Donar galt. Hercules Saxanus (= der Felsenharte) war der Schutzpatron der Arbeiter in den Steinbrüchen. [[Apollo]] wurde vor allem als Heil- und Gesundheitsgott verehrt und verschmolz in dieser Funktion mit dem einheimischen Grannus, der schon Heilquellen seinen Namen verliehen hatte (''Aquae Granni''). Ihm zur Seite gestellt waren manchmal [[Sanus]] (Gesundheitsgöttin), [[Diana]] (als waldbetonte Jagdgöttin) und [[Silvanus]] (als Gott der Wälder und Fluren). Der Bärenfänger Cessorinius stiftete letzterem in ''Vetera'' (Xanten) eine Statue. Dem [[Volcanus]] entsprach ein lokaler Gott, der namentlich nicht überliefert wurde, den Attributen nach aber als Schlägel- und Hammergottheit bezeichnet wird. [[Fortuna]] wurde in zahlreiche Statuetten geformt und galt als Heilgöttin im Gefolge des [[Apollo]]. Sie beschützte in Untergermanien öffentliche Bäder. Der Schwerpunkt der [[Venus]]verehrung lag nicht in ihrer Funktion als Liebesgöttin, sondern in ihrem breiten einheimischen Bogen als Muttergottheit.
  
Als die Römer Bekanntschaft mit den [[Germanen]] machten, waren diese allesamt Bauern in Einzelgehöften oder kleinen Dörfern. Wertvolle Gebrauchsgegenstände aus Eisen und Bronze sowie Schmuck wurden größtenteils aus keltisch beeinflussten Gebieten importiert.
+
Die Zahl der einheimischen Gottheiten, die nicht mit dem römischen Pantheon in Verbindung gebracht wurde, blieb indes ebenfalls nicht unerheblich. Dies bedeutet aber zugleich, dass über ihre Namen und Funktionen kaum etwas überliefert wurde. Bekannt sind etwa Requaliuahanus, Varneno, Hludana, Hurstrga, Iseneucaega, viradegdis, Apadeua oder Sandravdiga. Für sie alle sind ''cultores templi'' (Tempelpfleger) bezeugt. Sunux(s)al gilt als Stammesmutter der Sunuci, die wohl in der Umgebung von Aachen beheimatet waren. Von überregionaler Bedeutung scheint Vagavercustis gewesen zu sein, da ihr sogar ein römische [[praefectus praetorio|Prätorianerpräfekt]] einen Altar stiftete. Bessere Überlieferungen gibt es bei [[Epona]], der Schutzgöttin der Reisenden, Zug-, Last- und Reittiere, ihrer Führer, Stallungen und Unterkünfte. Ebenfalls gut bekannt ist [[Nehalennia]], eine Beschützerin der Kaufleuten und Händler, die entlang des Rheins bis nach Britannien reisten.
  
 +
Seit 63 v.Chr. stand in Rom auf dem Kapitolhügel eine Säule mit dem thronenden [[Iuppiter]]. Sie wurde seit der Zeit [[Nero]]s vor allem in den germanischen und nordgallischen Provinzen nachgeahmt. Besonders auf dem Land waren derartige Iuppitersäulen üblich. Eine Besonderheit des ostgallischen Raumes waren Säulen mit dem Bild des reitenden Himmelsgottes samt eines sich ergebenden (oder niedergerittenen) Giganten. Hier mischte sich die römische Religion mit der einheimischen. Taranus, dessen Symbol auch das Rad war, und der laut Überlieferung in Form einer Eiche verehrt wurde, glich sich dem Iuppiter an. Die Angleichung der Götterwelten erfolgte keineswegs unter Zwang oder einseitig von den Römern aus. Sie vollzog sich in beiderseitigem Einvernehmen und zeigt auch die Ähnlichkeiten in vielen Kulten auf.
  
== Eroberung & Sicherung ==
+
Rein römische Götter wurden mit klassisch-römischen Bauwerken verehrt. Die einheimischen [[Tempel]] hatten hingegen ein anderes Aussehen. Die ''[[cella]]'' bestand aus einem turmartigen Gebäude mit zwei Stockwerken und einem offen Säulengang rundum. Ein solches Heiligtum wird als „gallo-römischer Umgangstempel“ bezeichnet. Diese Bauform wurde in der ganzen Provinz zahlreich ergraben. Tempelanlagen in einheimischem Stil beherbergten oft mütterliche Segens- und Fruchtbarkeitsgöttinnen.
  
 +
Mit den römischen Göttern hielten auch orientalische Mysterienkulte Einzug in den germanischen Provinzen. Der [[Kybele]]-Kult ist durch das ''taurobolium'' (Blutstaufe) in Neuss archäologisch erwiesen. Das Zentrum des [[Isis]]-Kults dürfte Köln gewesen sein, wo sie als Myrionyma (Isis mit den 10.000 Namen) verehrt wurde. Belege gibt es auch für die Verehrung des ägyptischen Himmels- und Sonnengottes Ammon (meist mit Iuppiter gleichgesetzt) und dem Iuppiter Dolichenus, der besonders beim Heer beliebt war. Von letzterem sind Kultstätten in ''Vetera'' Köln und ''Rigomagus'' (heute Remagen) identifiziert worden.
  
Bei seiner Eroberung gehörte Niedergermanien zu [[Gallien]]. [[Caesar]] hatte die große Provinz zwischen 58 und 51 v.Chr. erobert. Im nordöstlichen Gebiet machten ihm die [[Sueben]] zu schaffen, die auf der Suche nach geeigneten Siedlungsgebieten über den Rhein eingedrungen waren. Mehr als einmal musste [[Caesar]] den Fluß überqueren. Berühmt sind seine Brückenschläge der Jahre 55 und 53 v.Chr. im Neuwieder Becken. Beide Feldzüge wurden abgebrochen noch bevor der Gegner endgültig besiegt werden konnte. Die Gründe dafür lagen in Rom, in dessen Politik [[Caesar]] ständig einzugreifen gedachte um nicht [[Pompeius]] oder [[Cato]] die Macht zufallen zu lassen.
+
Der wichtigste Mysterienkult in Untergermanien war der des persischen Lichtgottes [[Mithras]]. Die Zahl der belegten Kultstätten ist jedoch bei weitem nicht so gross wie in der Nachbarprovinz ''[[Germania superior]]''. Die Orte der Verehrung waren klein und einer Höhle nachgebildet, die das Himmelsgewölbe darstellten. Interessant ist, dass bei einer Vergrößerung der Gläubigen nicht die Kultstätte vergrößert, sondern eine neue geschaffen wurde. Für Köln sind alleine drei Mithräen bekannt, weitere in ''Durnomagus'' (heute Dormagen) und der ''Colonia Ulpia Traiana''. Da der Kult der größte Konkurrent des Christentums war, wurden später alle Mithräen systematisch zerstört.
  
Für die Römer bildete der Rhein sowohl sprachlich als auch kulturell die natürliche Grenze zwischen den keltischen [[Gallier]]n und den [[Germanen]]. Caesar war der erste, der die Unterschiede in beiden Kulturen hervorhob. Doch auch er wusste bereits, dass eine vollkommene Trennung nicht möglich war. Starke germanische Kontingente, wie die [[Eburonen]], hatten schon lange linksrheinische Gebiete bewohnt. Sie bildeten immer einen Quell der Unruhe und Caesar befürchtete, sie könnten sich mit den benachbarten [[Gallier]]n gemeinsame Sache machen. Die Ausrottung der germanischen Völkerschaften links des Rheins war deshalb ein Anliegen, das [[Caesar]] mit besonderer Brutalität verfolgte. Sogar im [[Senat]] in Rom war man ob dieses Genozids beunruhigt. [[Cato]] selbst hat einen Antrag auf Auslieferung [[Caesar]]s an die [[Germanen]] eingebracht.
+
Die ersten christlichen Gemeinden soll es in den germanischen Provinzen bereits Ende des 2. Jh. n. Chr. gegeben haben. Die erste ergrabene christliche Kirche ist für Köln unter dem heutigen Dom bezeugt; die meisten aber waren ''cellae memoriae'' (Gedächtniskapellen) auf Friedhöfen. Fast alle untergermanischen Kirchen hatten ihre Existenz solcher Friedhofskapellen zu verdanken. Sie bildeten denn auch oft den Kern der mittelalterlichen Städte, wohingegen die Römersiedlungen aufgegeben wurden und heute in mancher städtischer Randlage zu finden sind.
  
Caesar hatte von Anfang an vor, den römischen Machtbereich am Rhein enden zu lassen. Flüße waren im geistig-religiösen Verständnis der Römer die idealen Grenzen. Auch politisch ließen sich die Kämpfe mit den [[Germanen]] links und rechts des Rheins perfekt ausnutzen in einer Zeit, da Pompeius im Osten des Reiches glorreiche Siege errang. Das Gebiet zwischen dem echten [[Gallia]] und dem Rhein sollte somit eine Pufferzone gegen eventuelle germanische Einfälle bilden. Erst [[Augustus]] richtete seine Augen bis an die Elbe.
+
Grabbauten mit entsprechender Ausstattung je nach dem Besitz des Toten sind für die gallischen und germanischen Provinzen typisch. Besonders reich sind Beigaben im gallisch-germanischen Grenzgebiet; wohingegen sie dem Rhein hinauf wieder abnehmen. Gräber wurden konsequent außerhalb der Stadtmauern angelegt. Viele Gräber in [[Gallia]] und den germanischen [[Provinzen]] wurden reich mit Beigaben versehen; vor allem bei Frauengräbern. Männer erhielten nur dann Beigaben, falls sich in der Gegend keltisches Brauchtum erhalten hatte, Werkzeuge und ähnliches Gerät mit ins Grab zu leben.
  
Die letzten Widerstände wurde mit der Niederringung des Aufstandes von [[Vercingetorix]] 52/51 v.Chr. gebrochen. Die [[Gallier]] fügten sich der überlegenen römischen Militärmacht und assimilierten sich schnell in der neuen Kultur.
+
Besonders reiche Hügelgräber fand man im Gebiet westlich der mittleren und unteren Maas, was auf starken keltischen Einfluss zurückzuführen sein dürfte. Solche Bestattungen sind namenlos und entsprechen nicht dem römischen Sinn nach Erinnerung durch die Nachfahren. So sind die zahlreichen steinernen Grabmonumente das sichtbarste Zeichen der Romanisierung der Provinz Untergermanien. Die ersten Grabsteine wurden noch importiert; später entstanden entlang des Rheins zahlreiche Werkstätten um den Bedarf zu decken. Immerhin machen Grabsteine den größten Fundbestand in Museen aus. Aus dem griechischen Raum wurden schließlich Hypogäen (unterirdische Grabkammern) übernommen, wovon alleine in Köln wenigstens neun nachgewiesen werden konnten. Auch diese waren über die Jahrhunderte in Gebrauch.
  
Das Grenzland hingegen blieb ausserhalb des überaus erfolgreichen Gesamtkonzeptes für [[Gallien]]. Es bildete ein Anhängsel, vergleichbar mit den frühmittelalterlichen Marken. Sieht man von [[Augustus]] und [[Marc Aurel]] ab, so blieb Rom an Rhein und oberer Donau immer in der Defensive. Das fehlende politische Konzept führte zu einer Kluft zwischen den Stämmen und hat schlußendlich zur Niederlage des [[Varus]] geführt.
+
'''Literatur:'''<br>
 
+
[http://imperiumromanum.com/geografie/provinzen/germanien_index.htm Imperiumromanum.com: Die germanischen Provinzen]<br>
Die Differenzen lagen vor allem im zivilisatorischen und psychologischen Bereich. Die [[Germanen]]stämme waren bei weitem nicht so homogen organisiert wie die Kelten. Es gab zwischen ihnen bedeutende kulturelle Entwicklungsunterschiede, vor allem nach Nord und Ost. Die linksrheinischen [[Germanen]] waren seit geraumer Zeit keltisiert worden. Im Mündungsgebiet des Rheins spürte man hingegen kaum etwas davon. Das Kulturgefälle entlang des Rheins machten sich die Römer schließlich selbst. In rasanter Weise entwickelte sich ein Gefälle zwischen den rasch romanisierten Menschen links des Rheins und den traditionsbewussten [[Germanen]] diesseits des Flußes. Die Kluft ging durch zahlreiche Familien und erschwerte die Beziehungen enorm.
+
Tilmann Bechert, ''Die Provinzen des römischen Reiches'', Mainz, 1999
 
 
Die [[Germanen]] bildeten den Bürgerschreck der ersten nachchristlichen Jahrhunderte, denn sie hatten es geschafft (erstmals die [[Kimbern]] & [[Teutonen]]) das römische Selbstwertgefühl anzukratzen. Beutezüge einzelner Stämme blieben beinahe an der Tagesordnung und 17 oder 16 v.Chr. gelang den [[Sugambrern]] die Erbeutung eines [[Legion]]sadlers. Eine Schande für das römische Volk. Aber selbst dies verblasste hinter dem wahr gewordenen Schreckensszenario der [[Varusschlacht]] mit ihren 20.000 Toten und 3 verloren gegangenen Feldzeichen. Auch aus diesem psychologischen Dilemma ist die [[Germanen]]politik, die eigentlich keine war, zu verstehen.
 
 
 
Lediglich [[Augustus]] bemühte sich um eine langfristige Lösung. Wahrscheinlich im Zeichen der Niederlage des Statthalters Lollius 17 oder 16 v.Chr. ließ er wohl von [[Agrippa]], der 39/38 und 20/19 v.Chr. Statthalter [[Gallien]]s war, ein Konzept zur Eingliederung der [[Germanen]] in den römischen Staatsverband ausarbeiten. Ziel war nun die Elbgrenze. Mit dem Tod [[Agrippas]] 12 v.Chr. ging die Leitung der Unternehmung auf [[Augustus]]’ Stiefsohn [[Drusus]] über. Gut dreißig Jahre sollte die Auseinandersetzung dauern und niemals zu einer direkten Herrschaft führen.
 
 
 
Nachdem [[Drusus]] 9 v.Chr. verunfallt war, kam das Kommando auf [[Tiberius]], der in die Fußstapfen seines Bruders trat. Er setzte vor allem auf Verhandlung und Organisation, wusste aber auch mit aller Härte durchzugreifen. Die [[Sugambrer]], ein Stamm der stets bei allen Unruhen an vorderster Front kämpfte, wurde von der politischen Landkarte getilgt; die kümmerlichen Reste links des Rheins angesiedelt.
 
 
 
Von 6 v.Chr. bis 4 n.Chr. herrschte weitgehend Ruhe an der Grenze und nur einmal begab sich [[Tiberius]] bis an die Elbe. Dann begann wieder eine Saison der Feldzüge und zahlreiche Stämme machten Bekanntschaft mit römischem Stahl. Im Jahre 6 n.Chr. galt das Gebiet als „befriedet“. Man machte sich bereits Hoffnung in späteren Jahren kräftig Tribut kassieren zu können.
 
 
 
Das Jahr 9 brachte aber die Wende. [[Tiberius]]’ Nachfolger Publius Qinctilius [[Varus]] handelte bereits als Statthalter und schoss bei der Organisation der neuen Provinz beträchtlich über das Ziel hinaus. Als Verwaltungsfachmann ging er von einer vollständig befriedeten Provinz aus. Der Aufstand des [[Arminius]] überraschte die Römer und nach der Ausradierung dreier [[Legion]]en stand das Imperium unter Schock. Schon sah man die barbarischen Horden - die gerade noch als loyale Untertanen eingestuft worden waren - in [[Gallia]] einfallen. Doch eine Folgekatastrophe blieb aus, was den lokalen Charakter des Aufstandes bezeugt.
 
 
 
In den folgenden Jahren sicherte [[Tiberius]] die Rheingrenze und ließ sich durch [[Germanicus]] die [[Legion]]sadler wiederbeschaffen. Der [[Kaiser]] verfolgte nun wieder eine reine Grenzsicherungspolitik und überließ das Gebiet den Zwistigkeiten der Stämme untereinander. Neu war die Schaffung eines Niemandslandes rechterseits des Rheins um bei drohenden Überfällen ein besseres Aufmarschgebiet zu haben. Aber nicht alles rechtsrheinische Gebiet war verloren gegangen. Das Friesenland blieb bis in die Zeit von [[Kaiser]] [[Claudius]] unter römischer Hoheit.
 
 
 
Unter diesen Eindrücken machte die Germanisierung Niedergermaniens, aber auch des angrenzenden Belgiens nur geringe Fortschritte. Und kaum als die römische Militärpräsenz im Frühjahr 69 einmal nachgelassen hatte, nutzten dies zahlreiche Stämme zum Aufstand. Nach dem Abzug von 60.000 Mann in Richtung [[Italia]] durch Aulus [[Vitellius]] war praktisch kein Grenzschutz mehr gegeben. Nach kurzer Zeit waren alle Lager vom Mittelrhein bis an die Küste überrannt.
 
 
 
Zunächst tarnte sich der Führer des Aufstandes, Iulius Civilis, als Gefolgsmann [[Vespasian]]s, doch nach dem Tod von [[Vitellius]] wurden seine wahren Absichten ruchbar. Er wollte ein eigenständiges Imperium Germaniarum et Galliarum schaffen. Im Jahre 70 trafen sich die Stammesführer in Agrippina (Köln) und berieten über das weitere Vorgehen. Man überschätzte allerdings die eigenen militärischen Kräfte und nachdem [[Vespasian]] sich im Reich Respekt verschafft hatte, brach der Aufstand in sich zusammen.
 
 
 
Der darauf folgende maßvolle Friede entsprach wieder dem Geiste des [[Tiberius]] und [[Vespasian]] kümmerte sich rein um die Sicherung der Grenze. Man ließ die Waffen nur dann sprechen, wenn die Diplomatie versagte. Mit ein Grund dafür war die Sparsamkeit des neuen [[Kaiser]]s; denn Kriegführen kostete eine Menge Geld. [[Vespasian]] tauschte nach und nach die Truppenkontingente aus und sicherte sich so die Loyalität der Soldaten. Diese Ordnung sollte bis ins 3.Jh.n.Chr. maßgeblich bleiben. Niedergermanien erlebte eine 200jährige Friedenszeit, die erst durch den Ansturm der [[Franken]] unter [[Valerian]] beendet wurde.
 
 
 
 
 
== Verwaltung ==
 
 
 
 
 
Germania inferior war als Provinz seit Anbeginn ein Torso. Für [[Caesar]]s [[Gallia]] bildete es einen Puffer und mit der Aufgabe der Expansionspläne war das langgezogene Gebiet endgültig Grenzland geworden. Das Gebiet hieß deshalb anfangs auch nicht Niedergermanien sondern war schlichtweg Teil von [[Gallia]]. Erst zu Beginn der Germanenkriege unter [[Augustus]] (um 13 v.Chr.) entschied man sich für einen eigenen Kommandobereich und damit einen Okkupationszustand. Der Amtssitz der Militärverwaltung lag entweder in Vetera (Xanten-Birten) oder im [[Legion]]slager apud aram uibiorum (beim Altar der [[Ubier]]; so der ursprüngliche Name Kölns).
 
 
 
Auch [[Tiberius]] beließ das Land unter Militärverwaltung, wenn auch die Legaten nunmehr alle 3 bis 5 Jahre ausgetauscht wurden. Es waren konsularische Legati Augusti pro praetore Exercitus Germanici inferioris. Man kannte bis etwa 82 auch nur ein [[Germania]]. Ab dieser Zeit tauchten die ersten Inschriften auf, die von Duae Germania (zwei Germanien) sprachen. So wird angenommen, dass Germania inferior ca. um 83/84 das Provinzialstatut erlangte welches Gerichtsbarkeit, Steuersystem und Verwaltung neu regelte.
 
 
 
Die Amtsbezeichnung des Statthalters lautete nunmehr Legatus Augustus pro praetore Germaniae inferioris. Als oberster Zivilbeamter residierte er in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln; Bezeichnung seit dem Jahre 50 üblich), auf Inschriften kurz CCAA genannt. Der Statthalter befehligte auch die in der Provinz stationierten [[Legion]]en und [http://pages.imperium-romanum.info/wiki/index.php/Auxiliares Hilfstruppenkontingente]. Ob allerdings schon [[Germanicus]] hier sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, ist ungewiss.
 
 
 
Der Legat war die oberste richterliche Instanz der Provinz und beaufsichtigte theoretisch alle Prozesse. In der Praxis beschränkte er sich auf wenige schwerwiegende Kriminal- und Zivilrechtsprozesse. Die niedere Gerichtsbarkeit wurde den Magistraten der Gemeinden übertragen. Da das römische Recht bereits sehr komplex war, stand dem Statthalter in diesen Fragen ein Stab von Comites (Begleitern) zur Verfügung. Diese Männer wurden von ihm persönlich ausgewählt. Überlieferte Bezeichnungen sind Adsessores (Beisitzer) und Consiliarii (Berater).
 
 
 
Jeder Statthalter war angehalten ein Edictum zu erlassen, in dem festgehalten war wie Recht gesprochen werden sollte. Dies entsprach der Funktion des [[Praetor]] Urbanus in Rom. Die gelebte Rechtspraxis sah folgendermaßen aus: ein Nachfolger übernahm in der Regel die Entscheidungsgrundsätze seiner Vorgänger. Damit entstand die noch heute berühmte Kontinuität des römischen Rechtes.
 
 
 
Der Gerichtsbarkeit ähnlich lag die oberste Polizeigewalt in den Händen des Statthalters. Diese Aufgabe umfasste die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die Sicherheit auf den Transitrouten, die Überwachung der Verwaltung sowie die Beaufsichtigung der öffentlichen Bauten. In dieser Funktion wurde er von sechs [[Liktor]]en mitsamt ihren Rutenbündeln begleitet.
 
 
 
Das officium (Kanzlei) des Statthalters umfasste etwa 200 Personen die sich aus Offizieren und Soldaten der [[Legion]]en rekrutierten. An der Spitze stand ein Centurio als Princeps Praetorii (erster Mann des Hauptquartiers). Er wurde von einem Adiutor Principis unterstützt. Die einzelnen Ressorts wurden von Cornicularii (Stabssekretäre) verwaltet. Wie in der Provinz Obergermanien wird es drei reguläre Sekretäre gegeben haben. Zu ihnen gesellten sich drei Commentarienses (eigentl. Protokollführer), die die Justizangelegenheiten regelten. Diesen standen Speculatores (eigentl. Kundschafter) für Ermittlungsaufgaben zur Seite. Auch die Frumentarii hatten polizeiliche Aufgaben (z.B. Kerker) zu erledigen. Mehr als 30 Beneficiarii Consularis fungierten als Marktaufsicht in den Städten und als Strassenpolizei. Der Dispensator (Schatzmeister) war übrigens ein kaiserlicher Sklave.
 
 
 
In den unteren Dienstgraden finden sich dann noch Spezialisten wie Haruspices (Eingeweideschauer), Victimarii (Opferdiener) und Interpretes (Dolmetscher). Die Masse aber waren gewöhnliche Kanzleibeamte wie Librarii, Exacti und Exceptores.
 
 
 
Zu seinem Schutz hatte der Statthalter nicht nur die sechs [[Liktor]]en, sondern auch eine eigene Leibgarde. Es gab die Equites Singulares (beritten) und die Pedites Singulares (zu Fuß). Ihre Stärke betrug jeweils 480 Mann. Sie wurden aus den Alen und Kohorten rekrutiert. Die Kommandanten waren ebenfalls lokale Centurionen, die wohl vom Statthalter persönlich ausgewählt wurden.
 
 
 
Die Finanzverwaltung wurde von einem eigenen Procurator wahrgenommen, der dem Ritterstand angehörte und in Trier residierte. Sein Amtstitel lautete Procurator Augusti provinciarum Belgicae et utriusque Germaniae. Damit ist klar, dass sein riesiger Amtsbezirk nicht nur die beiden Germanien, sondern auch die Gallia Belgica umfasste.
 
 
 
Ihm zur Seite standen drei Subprocuratores, die jeweils für einen der drei genannten [[Provinzen]] zuständig waren. Die Hauptaufgabe lag in der Erhebung der direkten und indirekten Steuern. Erhoben wurden das Tributum Soli (eine Grundsteuer im Ausmaß eines Zehntels des Bodenertrags) und das Tributum Capitis (eine Kopfsteuer). Die Höhe des Tributes ist leider nicht bekannt.
 
 
 
Auch der Großteil der indirekten Steuern floss durch die Hände des Procurators. Es gab u.a. die Centesima rerum venalium (1%ige Umsatzsteuer), die Vicesima quinta venalium macipiorum (5%ige Sklavenverkaufsabgabe) und die Vicesima Libertatis (5%ige Freilassungssteuer). In Lugdunum (Lyon/F) war eine eigene Behörde mit der Erhebung der 5%igen Erbschaftssteuer beschäftigt. Der langatmige Amtstitel des Chefs lautete: Procurator XX Hereditatium per Gallias Lugdunensem et Belgicam et utramque Germaniam. Bei dieser Steuer kam also auch Gallia Lugdunensis noch zum Steuerbezirk hinzu. Schlußendlich wurden noch Binnenzölle erhoben. Wer die Grenze des gallisch-germanischen Zollbezirks überschritt hatte die Quadragesima Galliarum (2,5%-Zoll) auf die mitgeführten Waren zu entrichten. Die Zölle wurden an Conductores (private Pächter) vergeben. Ein gewisser Marcus Pompeius Potens ist auf diese Weise zu einem reichen Mann geworden.
 
 
 
Grundlage für die meisten dieser Steuern war der Provinzialzensus. Dabei handelte es sich um die Schätzung des Vermögens der Personen. Die zeitlichen Abstände zur Abhaltung des Zensus variierten beträchtlich, doch zeigen die Werte in der Regel einen Abstand von 20 bis 30 Jahren. Für Niedergermanien ist der erste Zensus für das Jahr 27 v.Chr. überliefert. Weitere erfolgten unter [[Drusus]] 12 v.Chr., [[Germanicus]] 14 n.Chr., [[Nero]] 61, [[Domitian]] 83 und [[Trajan]] 110. Die Organisation des Zensus lag bis in die Zeit der Adoptivkaiser in den Händen des Militärs. Erst unter [[Hadrian]] ist für Germania inferior ein eigener Procurator ad Census accipiendos überliefert. Namentlich bekannt ist Quintus Domitius Marsianus, der unter [[Kaiser]] [[Marc Aurel]] einen Zensus in [[Gallia]], [[Belgica]] und Niedergermanien durchführte. Die Erhebungen mussten nicht unbedingt eine ganze Provinz umfassen, es konnten auch nur eine Anzahl von Regionen und Stammesgemeinden geschätzt werden. Provinzübergreifende Zensus gab es offenbar nicht.
 
 
 
Zum Provinzialzensus kam noch der Stadtzensus, der alle fünf Jahre erstellt wurde. Er wurde in allen Städten des Reiches durchgeführt und bildete auch die Basis für den Provinzialzensus. Die Magistrate der Städte hafteten persönlich für die den Städten auferlegten Abgaben. Die Duumviri quinquennales waren dafür verantwortlich und diese beiden Ämter waren hochangesehen.
 
 
 
Ähnlich wie in [[Gallia]] war die Verwaltung der alten Stammesgebiete (Civitates) beibehalten worden. Eine Civitas umfasste in der Regel ein Gebiet in der Grösse eines deutschen Regierungsbezirks und besaß einen Hauptort, der gesellschaftlicher, politischer, religiöser und wirtschaftlicher Mittelpunkt war. Die Bindung an Rom gestaltete sich dreierlei:
 
 
 
<ul>
 
<li>Civitates Liberae waren weitgehend unabhängig und zahlten auch keine Abgaben</li>
 
<li>Civitates Foederatae waren durch ein spezielles Bündnis mit Rom verbunden</li>
 
<li>Civitates sine Foedere bzw. Civitates Stipendiariae waren ohne Bündnis und mussten Abgaben bezahlen. </li>
 
</ul>
 
 
 
Die Grenzen der Stammesgebiete waren manchmal fließend. Die [[Bataver]] etwa hatten eigentlich den Status Peregrini Dediticii (Fremde, die nur der Gnade unterworfen waren) obwohl sie innerhalb der Reichsgrenzen wohnten. Auch zahlten sie keinen Tribut und wurden von einem Magistrat verwaltet.
 
 
 
Diese politische Gliederung der Provinz hat sich erst im 1.Jh.n.Chr. herauskristallisiert und stand im Zusammenhang mit der Umwandlung vom Okkupationsgebiet in eine reguläre Provinz. Die Truppen wurden nun nicht mehr beliebig hin- und hergeschoben, sondern hatten fixe Frontabschnitte zu verteidigen. Sieht man von Agrippina (Köln) und Traiana (Xanten) ab, so verblieb die unmittelbare Reichsgrenze in Militärbesitz. Der Rest konnte in Privat- bzw. Stadteigentum übergehen.
 
 
 
Die Zahl der Civitates ist leider nicht bekannt, jedoch werden die größten angesiedelten Stämme ([[Ubii]], [[Tungri]], [[Cugerni]], [[Bastavi]] und [[Cannanefates]]) ihre eigenen Verwaltungsstrukturen gehabt haben.
 
 
 
 
 
== Militär ==
 
 
 
 
 
[[Augustus]] konzentrierte nach der Niederlage von Varus zwischen Mogontiacum (Mainz) und Batavodurum (Nijmegen/NL) acht Legionen. Damit stand fast ein Drittel der römischen Militärmacht am Rhein. Vier dieser [[Legion]]en waren in Niedergermanien stationiert. Ihre Lager waren Vetera (Xanten-Birten) und „beim Altar der Ubier“ im Gebiet des heutigen Köln. Bis zum Jahre 16, als [[Tiberius]] seinen Neffen [[Germanicus]] von der Rheinfront zurückrief, stand auch in Batavodurum eine Legion. Auch das Lager beim Ubieraltar wurde schließlich aufgegeben und die Einheiten nach Novaesium (Neuss) und Bonna (Bonn) verlegt.
 
 
 
Die Zahl der Truppen blieb auch nach dem Bataveraufstand der Jahre 69/70 konstant. Man löste lediglich das Doppellegionslager in Vetera auf und legte eine [[Legion]] wieder nach Batavodurum. Die Donaukriege [[Domitian]]s waren äußerst verlustreich und so wurde die in Vetera stationierte [[Legion]] im Jahre 92 abgezogen. [[Trajan]] löste um 105 das Lager in Novaesium auf und schickte die [[Legion]] nach Vetera. Novaesium wurde zum reinen Hilfstruppenlager. Der friedliche innere Entwicklung führte schließlich zur endgültigen Auflösung des Lagers von Batavodurum. Damit standen in Niedergermanien nur mehr zwei [[Legion]]en in Bonna (Bonn) und Vetera (Xanten-Birten).
 
 
 
Auch Hilfstruppen waren überaus zahlreich in der Provinz stationiert gewesen. In Summe kennt man 20 Alen und 34 Kohorten mit Namen. Meist trugen sie die Namen jener Völker unter denen sie ausgehoben wurden (z.B. [[Batavi]], [[Cannanefates]], [[Tungri]], [[Ubii]], etc.). Viele Einheiten wurden nicht für den lokalen Dienst, sondern für ausserhalb - vor allem [[Britannia]] - ausgehoben. Zur Zeit des [[Tiberius]] standen etwa 8 Alen und 30 Kohorten in der Provinz. Rechnet man noch die [[Legion]]en hinzu, dann kann man von einer Truppenstärke von ca. 38.000 Mann ausgehen. Die Grenzlinie erstreckte sich über etwa 320 km; folglich kamen auf den Kilometer gut 120 Soldaten.
 
 
 
Bis zum Bataveraufstand rekrutierten sich die Hilfstruppen hauptsächlich aus [[Germanen]] und [[Gallier]]n. Ähnlich den [[Legion]]en wurden die Einheiten von [[Vespasian]] und seinen Nachfolgern fast völlig ausgetauscht. Unter [[Vespasian]] kennt man 6 Alen und 21 oder 22 Kohorten und unter [[Hadrian]] 6 Alen und 13 Kohorten. Zu Beginn des 3.Jh.n.Chr. waren es 7 Alen und etwa 15 Kohorten. Mit den 10.000 [[Legion]]ären dürfte dies in Summe 21.000 Mann ausgemacht haben. Numeri - Hilfstruppen die sich direkt aus der Provinzbevölkerung rekrutierten - spielten in Niedergermanien eine untergeordnete Rolle. Man kenn lediglich vier dieser Einheiten (namentlich bekannt: Numerus Exploratorum Batavorum stationiert bei Leiden & Numerus Ursariensium in Quadriburgium), die erst im 3.Jh.n.Chr. nachweisbar sind.
 
 
 
Wichtig hingegen war die Rheinflottille. Die [http://pages.imperium-romanum.info/wiki/index.php/Classis_Romana Classica Germanica] hatte ihre Flottenbasis südlich von Agrippina. Weitere Basen waren Fectio (Bunnik-Vechten/NL), Matilo (Leien-Roomburg/NL) und Lugdunum (Katwijk-Brittenburg/NL). Die Hauptaufgabe der Flußstreitkräfte bestand in der Gewährleistung der freien Schifffahrt auf dem Rhein und seiner Nebenflüße. Daneben fungierte sie auch aus Logistikunternehmen großen Stils. Der Statthalter konnte die Schiffe jederzeit für sich in Anspruch nehmen. Die Steine der Brüche des Brohltales im Siebengebirge wurden durch die Flotte transportiert. Auch lebensnotwendige Güter wie Getreide und Wein, die auf dem Landweg nur mühsam in ausreichenden Mengen fortbewegt werden konnten, wurden befördert. Da der Flottendienst bei den Römern nicht angesehen war, dienten vor allem Freigelassene bei den Fluß- und Seestreitkräften. Belegt wird dies durch zahlreiche griechische und orientalische Namen der Mannschaften.
 
 
 
Besonders bekannt für ihre internationalen Einsätze war die in Bonna stationierte Legio I Minervia, die nicht nur in den Dakerkriegen [[Trajan]]s zum Einsatz kam, sondern auch in Parthien unter Lucius [[Verus]] und [[Caracalla]]. Auf einem Grabstein wird für die glückliche Heimkehr vom Fluß Alutus (Terek im Kaukasus) gedankt aber auch von schlechtem Kriegsglück und Verlusten durch die Pest berichtet.
 
 
 
Da Untergermanien eine Grenzprovinz war hatte sie an ihren äußeren Rändern betont militärischen Charakter. Am Augenscheinlichsten wurde dies durch die Anlage von Lagern für [[Legion]]en und Hilfstruppen, Stützpunkten, Wachtürmen und Wallanlagen. Der niedergermanische Limes wurde als Straßenweg wohl bereits von [[Agrippa]] im Jahre 20/19 v.Chr. geplant und war ursprünglich mit äußerst wenig Truppen besetzt. Die Lager entlang der Lippe wurden nach der Niederlage von [[Varus]] aufgegeben.
 
 
 
Der [[Limes]] an sich ist nicht in einem Stück geplant worden, sondern entstand schrittweise. Den Startschuß gab man um 16/17 n.Chr. ab, als klar wurde, dass der Rhein eine sichtbare Grenze werden würde. Die Grenzbefestigungen wurden allerdings nur sehr zögerlich ausgebaut. Unter [[Augustus]] existierten sieben, unter [[Tiberius]] zehn Anlagen. Einen Schub an Neubauten gab es unter [[Kaiser]] [[Claudius]] während der Vorbereitungen für seinen Britannienfeldzug. Nach dem [[Bataver]]aufstand mussten zahlreiche Kastelle ersetzt werden. Fertiggestellt war die Grenzsicherung unter [[Trajan]], die sich auf etwa 30 Lager stützten konnte.
 
 
 
Angelegt wurden Stützpunkte gerne an Altarmen des Rheins, da so eine Versorgung per Schiff garantiert werden konnte. Gegenüber Flußmündungen liegende Punkte sollten die Einfallstore des freien Germanien kontrollieren. Die Lager etwas im Inneren der Provinz wurden wohl im Angesicht der Aufstände der Bataver und anderer Stämme errichtet. Auch der Schutz des Drusus- und Corbulokanals war wichtig.
 
 
 
Ergänzt wurden die fixen Truppenlager durch Wachtürme sowie Marsch- und Übungslager. Von letzteren sind wenigstens 60 bekannt. Der Niedergermanische Limes war eine reine Defensivanlage. Im Gegensatz zur Donau verzichtete man sogar auf vorgeschobene Militärposten. All dies genügte fast 250 Jahre den Anforderungen. Erst der [[Franken]]sturm von 256/257 zeigte die Schwächen der Verteidigung. Bis zu diesem Zeitpunkt war aber auf germanischer Seite auch kein ernsthafter Gegner gestanden.
 
 
 
Der Exercitus des spätantiken Untergermaniens ist leider nicht überliefert. Die beiden verbliebenen [[Legion]]en I Minervia und XXX Ulpia Victrix befanden sich aber noch in ihren angestammten Lagern. Da die militärischen Kommanden von den zivilen Aufgabenträgern getrennt worden waren, übte um 400 ein Dux Germaniae Primae den Oberbefehl über die Truppen der Provinz aus.
 
 
 
 
 
== Wirtschaft & Gesellschaft ==
 
 
 
 
 
Gepflasterte Straßen waren in Untergermanien auf Städte wie Agrippina (Köln) beschränkt. Die Überlandstraßen entsprachen dem allgemeinen Standard römischer Straßenbaukunst. Sie waren geschottert, in der Mitte aufgewölbt und teilweise auf einem bis zu 1 m hohen Fahrdamm angelegt. Am Rand waren dann noch Treppelwege angebracht, auf denen etwa Herden getrieben wurden.
 
 
 
Die Straßen wurden von zahlreichen Begleitbauten gesäumt, von denen jedoch nur sehr wenige ausgegraben werden konnten. Eine Statio samt Horreum (Getreidespeicher; hier für die Ablieferung für Naturalabgaben) ist bei Advatuca Tungrorum gefunden worden. Brücken sind sowohl inschriftlich als auch archäologisch bekannt. Das größte derartige Bauwerk war die Rheinbrücke zwischen Agrippina (Köln) und Divitia (Köln-Deutz) mit über 400 m Länge und ca. 10 m Breite. Im Gegensatz zu allen anderen Brücken in Untergermanien, die aus Holz erbaut worden waren, bestand diese aus 19 Steinpfeilern mit hölzernem Oberbau. Erbaut wurde sie unter [[Kaiser]] [[Konstantin I.]] 336. Die Bauzeit zuvor betrug mehrere Jahrzehnte.
 
 
 
Die Wasserwege der Provinz hatten überragende Bedeutung, da die Frachtkosten zulande mehr als die Hälfte des Warenwertes ausmachen konnten. Uferbefestigungen und Kaianlagen wurden zahlreich ergraben und Treppelwege ausgemacht. Untergermanien hatte den Vorteil nicht nur über ein dichtes Flußverkehrsnetz, sondern auch Anschluss ans Meer zu besitzen. Die eindrucksvollste Kaianlage wurde bei Xanten freigelegt, wo sich einstmals ein schiffbarer Rheinarm befand. Der Hafen versorgte seit etwa dem Jahre 80 n.Chr. die Cugerni-Siedlungen.
 
 
 
Wasserleitungen sind bislang nur für Traiana (Xanten) und Agrippina (Köln) nachgewiesen. Am bekanntesten ist die Eifelwasserleitung von den Bergen der Voreifel nach Agrippina (Köln) durch ihre Länge von mehr als 100 km. Sie konnte bis zu 20.000 m³ Quellwasser pro Tag transportieren.
 
 
 
Aus wirtschaftlicher Sicht galt Untergermanien als entwicklungsfähiges Land an der Grenze. Gegenüber dem freien [[Germania]] (wo nur der Handel als gewinnbringend galt) hatte es den Vorteil, dass sowohl Bodenschätze (wie Trachyt u.a. Steine) als auch Landwirtschaft und Viehzucht vorhanden waren. Plinius lobte etwa die Ubier für ihre Ackerbaukunst sowie die zahlreichen germanischen Gänse (Daunenproduktion).
 
 
 
Zu Beginn musste noch vieles importiert werden, da die Siedlungen und Militärlager schneller wuchsen als die lokale Wirtschaft. Die Abhängigkeit von [[Gallia]] und [[Italia]] dürfte dann aber der Ansporn gewesen sein, den Bedarf aus eigener Produktion zu decken. Dies ging mit dem Ausbau der Verkehrswege einher. Nicht einmal ein Jahrhundert wurde benötigt, um die Importe maßgeblich zurückzudrängen. In bescheidenem Umfang konnte sogar exportiert werden. Qualitätsprodukte wurden zwar nach wie vor importiert, doch konnten die lokalen Handwerker billiger produzieren und Waren aus Italien und entfernten gallischen Städten waren schon alleine der Frachtraten wegen teurer.
 
 
 
Ein wichtiger Bodenschatz war Blei, das im Auftrag des Statthalters durch die legio XVI und legio XIX gewonnen wurde. Zentren des Abbaus lagen zwischen Kommern, Mechernich und Keldenich in der Nordeifel. Auch beiderseits der Rur wurde fleißig geschürft. In der Nordeifel wurden zudem Rot- und Brauneisenstein im Tagebauverfahren gewonnen. Kupfer gab es in der Provinz keines, jedoch lagen Vorkommen rechts des Rheins bei Rheinbreitbach, wo Spuren römischen Abbaus gefunden wurden. Steinkohle gewann man zwischen Aachen und Eschweiler. Die Kohle wurde einerseits in den Häusern verheizt, andererseits zum Aufkohlen des Eisens verwendet. Der Goldbergbau spielte nur eine geringe Rolle, etwa in der Hohen Venn westlich von Monschau/Eifel. Wichtiger war wohl das Rheingold, der schon damals als aurifer (goldtragend) galt.
 
 
 
Die Bauwirtschaft entwickelte für Untergermanien völlig neue Berufe, wie Architectus (Baumeister) und Lapidarius (Steinmetz). Da anfangs noch keine Fachkräfte vor Ort zur Verfügung standen, zogen in den ersten Jahrzehnten zahlreiche [[Gallier]] zu, die bereits das hohe Niveau römischer Bau- und Mosaikkunst beherrschten.
 
 
 
Die wichtigsten Baumaterialien (Grauwacke, Basalt, Trachyt und Tuff) wurden allesamt im Süden der Provinz gebrochen. Eine Ausnahme bildete der für Bauzwecke kaum verwendbare Kalksandstein am Liedberg bei Mönchengladbach. Das grobe Sedimentgestein Grauwacke fand man in der Nähe der Provinzhauptstadt gleich am Flußufer und wurde in grossen Mengen verschifft. Leicht gewinnbarer Säulenbasalt wurde in der Mittelrheinregion sowohl linkerseits als auch rechterseits des Rheins abgebaut. Das Vulkangestein Trachyt brach man am Drachenfels und am Rüdenet bei Königswinter. Das meistverwendete Baumaterial war Tuffgestein, welches im Brohltal und in der Pellenz nördlich und südlich des Laacher Sees in rauen Mengen gewonnen wurde. Importware bildete Jurakalkstein (beliebt wegen seines hellen und warmen Farbtons) aus der Gegend südlich von Metz und natürlich Marmor, der aus allen Winkeln des Reiches bezogen wurde.
 
 
 
Auch an anderen Baumaterialien wie Holz, Kies und Sand bestand kein Mangel. In der Nordeifel gab und gibt es grosse Dolomitbänke, die eine industrielle Kalkgewinnung rentabel machten. 1966-69 wurde eine ganze Calcaria (Kalkfabrik) ergraben und einer der Öfen konnte erfolgreich in Betrieb genommen werden. In der Antike werkten zahlreiche Calcarii (Kalkbrenner), angehende Baumeister und Soldaten unter der Leitung eines Magister calcariorum (Brennmeister).
 
 
 
Bekanntlich mauerten die Römer gerne mit Ziegeln und wie überall anders auch standen die größten Tegularia (Ziegeleien) unter militärischer Führung. Neben den [[Legion]]sstandorten lag ein wichtiges Produktionszentrum auf dem Holdeurn südöstlich von Nijmegen/NL. Überwacht wurden die Arbeiten meist von einem Magister Figulorum (Töpfermeister). Neben den Ziegeleien für die Großbauten hatten auch viele Villen auf dem Lande ihr eigenen Hausziegeleien. Über die ganze Provinz verstreut fand man auch ganze Töpfereibezirke. In Coriovallum (Heerlen/NL) fand man ein ganzes Töpferdorf, das Gebrauchsgeschirr für die Umgebung herstellte.
 
 
 
Das Wirtschaftszentrum der Provinz war Agrippina (Köln). Die dort ansässige keramische Industrie produzierte nicht nur für den lokalen Markt sondern auch für den Export. Bereits vor der Stadterhebung im 1.Jh.n.Chr. gab es dort ein großes und vielfältiges Angebot an Geschirr und Lampen. Mehr als 20 Öfen waren damals in Betrieb. Die anfangs noch dominierenden einheimischen Motive wurden mit der Zeit durch rein römisches Formengut verdrängt. Neben Gebrauchsgütern produzierte der Keramiksektor auch den Nachschub für einen ausgedehnten Devotionalienhandel mit kleinen Götterstatuetten. Auch die Herstellung von Theatermasken aus weissem Pfeifenton ist gesichert. Die agrippensischen Tonwaren erfreuten sich in der ganzen Provinz großer Beliebtheit und im Export gelangten sie hauptsächlich nach [[Britannia]].
 
 
 
Der berühmteste Wirtschaftszweig war aber die Glasherstellung. Reiner Quarzsand wurde westlich von Agrippina (Köln) in großen Mengen gewonnen. Aufschwung nahm die Industrie mit der Erfindung des geblasenen Glases, das einige Jahrzehnte v.Chr. wahrscheinlich in Sidon (im Libanon) erstmals das Licht der Welt erblickte. Sand- und Tonkerntechnik sowie Formenpressung bei der Glaswarenproduktion traten ob dieser neuen Technik völlig in den Hintergrund. Zahlreiche Vitriarii (Glasbläser) brachten besonders seit dem 2.Jh.n.Chr. eigene künstlerische Kreationen hervor. Nicht nur allerlei Formen und Schnörkel verzierten die Gläser, sondern auch der Glasschliff fand bereits Anwendung. Besonders augenscheinlich sind die sog. Diatretgläser, deren Netzmuster in aufwendigen Verfahren mittels kleiner Schleifrädchen herausgeschliffen wurden. Dass derartig Filigranes die Zeiten überdauert hat, grenzt schon an ein Wunder. Exportiert wurden sie in alle Regionen der Nord- aber auch Ostsee (freies Germanien).
 
 
 
In Handwerk und Gewerbe war in Untergermanien der Familien- oder Kleinbetrieb vorherrschend. Bei erhöhter Nachfrage wurden die bestehenden Betriebe nicht erweitert, sondern es entstanden neue; dafür nahm die Spezialisierung und Arbeitsteilung zu. Die meisten Arbeiter waren Freie und keine [[Sklaven]]. Letztere waren teuer und deshalb in der vorherrschenden Produktion nicht wirtschaftlich verwendbar. Auf dem Land, fernab der Städte herrschte indes Selbstversorgung so gut es ging.
 
 
 
Collegia (Berufsvereine) gab es zahlreich; nicht nur für produzierende Berufe wie Tignarii (Zimmerleute) oder Tectores (Verputzer) und Händler sondern auch für weniger augenscheinliche Professionen wie die der Focarii (Küchenjungen). Als Sitz einer Schiffergilde ist Fectio (Bunnik-Vechten/NL) bekannt. Zu den angeseheneren Berufen gehörten Ärzte, unter denen besonders viele griechische Namen anzutreffen sind, und Scolastici, die sowohl Rhetoriklehrer als auch Rechtsanwälte sein konnten.
 
 
 
Betrachtet man die Weihealtäre, so dominieren eindeutig die Negotiatores (Händler & Kaufleute). Ein Zeichen dafür, dass es genug zu handeln gab, was Gewinn versprach. Ob es sich dabei um lokale oder Fernhändler handelte lässt sich heute bis auf wenige Ausnahmen kaum mehr erschließen. Salben wurden etwa importiert, Wein dürfte lokal bzw. im angrenzenden [[Gallia]] gehandelt worden sein. Tonwaren wurden nicht nur lokal erzeugt und exportiert, sondern auch eingeführt. Manche Händler machten beides. Sie exportierten niedergermanische Tonwaren und importierten Terra sigillata aus der Region um Vichy in [[Gallia]].
 
 
 
Die wichtigsten Märkte ausserhalb der Provinz waren [[Britannien]] und das freie Germanien. So gab es eigene Negotiatores Britanniciani (Britannienkaufleute). Der Salzhandel war offenbar in Agrippina (Köln) monopolisiert. Transferhandel dürfte es mit Wein, Salz und Fischsaucen gegeben haben. Besonders in spätrömischer Zeit erlangte der Getreidehandel eine überragende Bedeutung.
 
 
 
 
 
== Religion ==
 
 
 
 
 
Mit der Eroberung durch die Römer kamen auch deren religiösen Vorstellungen in die germanischen [[Provinzen]]. Die Methode, einheimische Gottheiten und Kulte dem griechisch-römischen Pantheon anzugleichen führte zu einem komplexen religiösen Gesamtbild.
 
 
 
Großer Beliebtheit erfreute sich [[Merkur]], da er zahlreiche Funktionen in sich vereinigte. So wurde er von den antiken Schriftstellern mit den unterschiedlichsten einheimischen Gottheiten (Wotan, Teutates, Esus, etc.) verschmolzen. Im Zweifelsfall kombinierte man einfach die Namen beider [[Götter]], wie bei Mercurius Gabrinius, einer Mischung aus [[Merkur]] und dem in der Bonner Gegend verehrten Gebrinius.
 
 
 
Seit 63 v.Chr. stand in Rom auf dem Kapitolhügel eine Säule mit dem thronenden [[Iuppiter]]. Sie wurde seit der Zeit [[Nero]]s vor allem in den germanischen und nordgallischen [[Provinzen]] nachgeahmt. Besonders am Land waren derartige Iuppitersäulen üblich. Eine Besonderheit des ostgallischen Raumes waren Säulen mit dem Bild des reitenden Himmelsgottes samt eines sich ergebenden (oder niedergerittenen) Giganten. Hier mischte sich die römische Religion mit der einheimischen. Taranus, dessen Symbol auch das Rad war, und der laut Überlieferung in Form einer Eiche verehrt wurde, glich sich dem [[Iuppiter]] an. Die Angleichung der Götterwelten erfolgte keineswegs unter Zwang oder einseitig von den Römern aus. Sie vollzog sich in beiderseitigem Einvernehmen und zeigt auch die Ähnlichkeiten in vielen Kulten auf.
 
 
 
Neben der kapitolinischen Trias ([[Iuppiter]], [[Iuno]] und [[Minerva]]) und [[Merkur]] spielten die anderen [[Götter]] des römischen Pantheons eine eher untergeordnete Rolle. Bekannte Kultstätten galten [[Aesculapius]], [[Vesta]], [[Pluto]], [[Proserpina]], [[Neptunus]] und [[Ceres]]. Sie alle wurden nicht mit einheimischen Göttern verschmolzen.
 
 
 
[[Mars]] hingegen erfuhr wiederum eine Angleichung; etwa als Mars Halamardus oder Mars Camulus. Mit [[Victoria]] und [[Hercules]] wurde ähnlich verfahren. Letzterer galt bei den Germanen als römische Version des Donar. Hercules Saxanus (=der felsenharte) war der Schutzpatron der Arbeiter in den Steinbrüchen.
 
 
 
[[Apollo]] wurde vor allem als Heil- und Gesundheitsgott verehrt und verschmolz in dieser Funktion mit dem einheimischen Grannus, der schon Heilquellen seinen Namen verliehen hatte (Aquae Granni). Ihm zur Seite gestellt waren manchmal [[Sanus]] (Gesundheitsgöttin), [[Diana]] (als waldbetonte Jagdgöttin) und [[Silvanus]] (als Gott der Wälder und Fluren). Der Bärenfänger Cessorinius stiftete letzterem in Vetera (Xanten) eine Statue. Dem [[Volcanus]] entsprach ein lokaler Gott, der namentlich nicht überliefert wurde, den Attributen nach aber als Schlägel- und Hammergottheit bezeichnet wird. [[Fortuna]] wurde in zahlreiche Statuetten geformt und galt als Heilgöttin im Gefolge des [[Apollo]]. Sie beschützte in Untergermanien öffentliche Bäder. Der Schwerpunkt der [[Venus]]verehrung lag nicht in ihrer Funktion als Liebesgöttin, sondern in ihrem breiten einheimischen Bogen als Muttergottheit.
 
 
 
Der einer Gottheit geweihte Orte hieß Fanum (manchmal auch Cella). Rein römische Götter wurden mit klassisch-römischen Bauwerken verehrt. Die einheimischen Tempel hatten hingegen ein anderes Aussehen. Die Cella bestand aus einem turmartigen Gebäude mit zwei Stockwerken und einem offen Säulengang rundum. Ein solches Heiligtum wird als „gallo-römischer Übergangstempel“ bezeichnet. Diese Bauform wurde in der ganzen Provinz zahlreich ergraben. Tempelanlagen in einheimischem Stil beherbergten oft mütterliche Segens- und Fruchtbarkeitsgöttinnen. Die Matronen von Oberitalien bis [[Britannien]] weihten dort ihre Gaben meist drei Muttergottheiten. Ihre Namensvielfalt ist sehr groß (über 100) mit eingeschränkter regionaler Kultbedeutung.
 
 
 
Die Zahl der einheimischen Gottheiten, die nicht mit dem römischen Pantheon in Verbindung gebracht wurde, blieb indes ebenfalls nicht unerheblich. Dies bedeutet aber zugleich, dass über ihre Namen und Funktionen kaum etwas überliefert wurde. Bekannt sind etwa Requaliuahanus, Varneno, Hludana, Hurstrga, Iseneucaega, viradegdis, Apadeua oder Sandravdiga. Für sie alle sind Cultores Templi (Tempelpfleger) bezeugt. Sunux(s)al gilt als Stammesmutter der Sunuci, die wohl in der Umgebung von Aachen beheimatet waren. Von überregionaler Bedeutung scheint Vagavercustis gewesen zu sein, da ihr sogar ein römische Prätorianerpräfekt einen Altar stiftete.
 
 
 
Bessere Überlieferungen gibt es bei Epona, der Schutzgöttin der Reisenden, Zug-, Last- und Reittiere, ihrer Führer, Stallungen und Unterkünfte. Epona wurde ursprünglich in Tiergestalt als Stute verehrt, bevor sie unter römischem Einfluss zur Reitergöttin mutierte; dargestellt zwischen zwei Pferden oder Maultieren sitzend, die ihr aus der Hand fraßen oder reitend im Damensattel und mit der Mähne in der Hand. Als keltische Göttin besaß sie provinzübergreifende Bedeutung von Germanien über [[Gallien]], die Donauprovinzen bis hin zu Oberitalien und sogar Rom selbst.
 
 
 
Ebenfalls gut bekannt ist Nehalennia, eine Beschützerin der Kaufleuten und Händler die entlang des Rheins bis nach [[Britannien]] schipperten. Die Britannienkaufleute schworen bei Nehalennia vor der Abfahrt einen Altar für den Fall zu setzen, falls die Überfahrt gelänge und die Waren sicher in Londinium (London/GB) ankämen. Sie hatte nur regionale Bedeutung. Ihre Darstellung ist in der Regel matronenhaft (=sitzend) mit der linken Hand einen Früchtekorb umfassend und mit der rechten eine große Frucht haltend. Ein Fuchshund zu ihren Füßen ist ihr ständiger Begleiter. Dazu kamen noch andere überquellende Fruchtkörbe. In spezieller Funktion konnte sie auch stehend dargestellt werden, mit dem linken Fuß auf einem Schiffsbug. Manche Altarseiten zeigen ein Steuerruder.
 
 
 
Mit den römischen [[Götter]]n hielten auch orientalische Mysterienkulte Einzug in den germanischen [[Provinzen]]. Der Kybele-Kult ist durch das Taurobolium (Blutstaufe) in Neuss archäologisch erwiesen. Das Zentrum des Isis-Kults dürfte Agrippina (Köln) gewesen sein, wo sie als Myrionyma (Isis mit den 10.000 Namen) verehrt wurde. Belege gibt es auch für die Verehrung des ägyptischen Himmels- und Sonnengottes Ammon (meist mit [[Iuppiter]] gleichgesetzt) und dem Iuppiter Dolichenus, der besonders beim Heer beliebt war. Von letzterem sind Kultstätten in Vetera (Xanten-Birten), Agrippina (Köln) und Rigomagus (Remagen) identifiziert worden. Dargestellt wurde er mit phrygischer Mütze, Doppelaxt und Blitzbündel in den Händen und auf einem Stier stehend.
 
 
 
Der wichtigste Mysterienkult in Untergermanien war der des persischen Lichtgottes [[Mithras]]. Die Zahl der belegten Kultstätten ist jedoch bei weitem nicht so gross wie in der Nachbarprovinz [[Germania superior]]. Die Orte der Verehrung waren klein und einer Höhle nachgebildet, die das Himmelsgewölbe darstellten. Interessant ist, dass bei einer Vergrößerung der Gläubigen nicht die Kultstätte vergrößert, sondern eine neue geschaffen wurde. Für Köln sind alleine drei Mithräen bekannt, weitere in [[Belgica]] (zw. Euskirchen-Billig und -Rheder), Durnomagus (Dormagen) und Traiana (Xanten). Da der Kult der größte Konkurrent des Christentums war, wurden später alle Mithräen systematisch zerstört.
 
 
 
Die ersten christlichen Gemeinden soll es in den germanischen [[Provinzen]] bereits Ende des 2.Jh.n.Chr. gegeben haben. Die erste ergrabene christliche Kirche ist für Köln unter dem heutigen Dom bezeugt; die meisten aber waren Cellae Memoriae (Gedächtniskapellen) auf Friedhöfen. Fast alle untergermanischen Kirchen hatten ihre Existenz solcher Friedhofskapellen zu verdanken. Sie bildeten denn auch oft den Kern der mittelalterlichen Städte, wohingegen die Römersiedlungen aufgegeben wurden und heute in mancher städtischer Randlage zu finden sind.
 
 
 
Grabbauten mit entsprechender Ausstattung je nach dem Besitz des Toten sind für die gallischen und germanischen [[Provinzen]] typisch. Besonders reich sind Beigaben im gallisch-germanischen Grenzgebiet; wohingegen sie dem Rhein hinauf wieder abnehmen. Gräber wurden konsequent außerhalb der Stadtmauern angelegt. Die Ausnahme Traiana (Xanten) rührt von sehr alten Gräbern aus der Zeit vor der Stadtgründung her, wo es bloß einige Gehöfte in der Gegend gab. In Köln konzentrierten sich die Friedhöfe (mit einer Ausnahme von Gräbern vor der Siedlungsgründung) um die Stadt an den Ausfallsstraßen. Ähnlich verfuhr man auch an den anderen Orten.
 
 
 
An Bestattungsarten kamen in Untergermanien sowohl Sepelire (zu Grabe tragen) und Urere (verbrennen) vor, wobei letztere in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten überwog. In der 2. Hälfte des 3.Jh.n.Chr. hatte sich die Körperbestattung endgültig durchgesetzt. Die Kontinuität der Gräber auf den Friedhöfen reicht von der frühen La-Tene-Zeit (ca. 300 v.Chr.) bis in die christliche Epoche. Dies kann nur dadurch erklärt werden, dass sich die Bestattungsriten der Germanen und Römer nicht wesentlich unterschieden haben dürften.
 
 
 
Viele Gräber in [[Gallia]] und den germanischen [[Provinzen]] wurden reich mit Beigaben versehen; vor allem bei Frauengräbern. Männer erhielten nur dann Beigaben, falls sich in der Gegend keltisches Brauchtum erhalten hatte, Werkzeuge und ähnliches Gerät mit ins Grab zu leben. Soldaten gab man keine Waffen ins Grab, da diese nicht Privat- sondern Staatseigentum waren. Echt römisch hingegen war die Beigabe von Lampen, die dem Toten als Lichtquelle im Dunkel des Jenseits dienen sollte.
 
 
 
Besonders reiche Hügelgräber fand man im Gebiet westlich der mittleren und unteren Maas, was auf starken keltischen Einfluss zurückzuführen sein dürfte. Solche Bestattungen sind namenlos und entsprechen nicht dem römischen Sinn nach Erinnerung durch die Nachfahren. So sind die zahlreichen steinernen Grabmonumente das sichtbarste Zeichen der Romanisierung der Provinz Untergermanien. Die ersten Grabsteine wurden noch importiert; später entstanden entlang des Rheins zahlreiche Werkstätten um den Bedarf zu decken. Immerhin machen Grabsteine den größten Fundbestand in Museen aus. Aus dem griechischen Raum wurden schließlich Hypogäen (unterirdische Grabkammern) übernommen, wovon alleine in Agrippina (Köln) wenigstens neun nachgewiesen werden konnten. Auch diese waren über die Jahrhunderte in Gebrauch.
 

Aktuelle Version vom 2. Dezember 2012, 13:08 Uhr

Lage und Geografie

Die Provinz Germania inferior (dt. "Niedergermanien") war die nordöstlichste römische Provinz auf dem europäischen Festland. Sie bestand im Wesentlichen aus einem schmalen Landstreifen zwischen Mosa (heute Maas) und Rhenus (heute Rhein), der vom Mare Germanicum (heute Nordsee) bis zum Vinxtbach reichte. Südlich davon grenzte Germania superior an, westlich Gallia Belgica.

Grenzen

Die detaillierte Grenzziehung folgte landschaftlichen und politischen Gegebenheiten. Im Norden bildete der Rhenus beim Kastell Lugudunum (heute Katwijk-Bittenburg) eine Barrieren gegen Chauken und Friesen. Wie heute hatte der Rhein drei Mündungsarme, deren Verlauf jedoch von den heutigen Gegebenheiten abweicht. Als nördlichster Arm mündete der Flevum wahrscheinlich nördlich von Velsen und ist entweder mit der Vlie oder der Ij identisch. Der zweite Mündungsarm behielt mit Rhenus den Flußnamen und war damals viel breiter als heute. Er liegt unmittelbar nördlich des Kastells Lugudunum. Der größte Mündungsarm Helinium ist jedoch der südlichste der drei Arme und verband in seinem Delta Waal, Maas und Striene.

Weiter nach Süden bildete grundsätzlich der Rhein die Grenze nach Osten, wobei auch das östliche Ufer unter römischer Kontrolle stand. So standen nicht nur die Friesen, sondern auch die Ampsivarier unter römischem Einfluss. Weiter südlich wurde der Drachenfels auf dem östlichen Rheinufer bei Bonna (heute Bonn) genutzt sowie nicht näher zu lokalisierende tegularia transrhenana (Ziegeleien jenseits des Rhein).

Ähnlich stellt sich das Bild an der Westgrenze der Provinz dar, wo die Maas auch nicht die direkte Grenzlinie bildete, sondern Teile des Südufers ebenfalls noch zur Provinz gehörten. Die Grenze begann im Mündungsgebiet der Scaldis (heute Schelde) und verlief nach Osten durch das heutige Noord-Brabant Weiter östlich schloss die Grenze noch das Sumpfland des heutigen "Groote Peel" ein und bog dann nach Süden am, um dem linken Flussufer der Maas zu folgen. Nicht eindeutig geklärt ist, ob die civitas Tungrorum mit ihrem Hauptort Aducatuca (heute Tongeren) noch zur Provinz gehörte oder die Grenze schon vorher nach Südwesten abbog und die Maas überquerte. In jedem Fall schloss die Grenze in ihrem weiteren Verlauf da Hohe Venn aus und führte in einem sanften Bogen durch die Eifel nach Süden. Der südlichste Grenzpunkt dürfte südlich von Icorigium (heute Jünkerath) beim vicus Ausava (heute Oos) gelegen haben, während als sicherer Grenzpunkt Obrincas (bei Brohl-Lützing) an der Mündung des Vinxtbaches in den Rhein angenommen wird.

Landschaftsbild

Alle Mündungsgebiete des Rheins standen unter dem Einfluss von Ebbe und Flut mit in Richtung Osten abnehmendem Gezeitendruck. Tacitus nennt hier die insula Batavorum (Insel der Bataver), die heute identisch ist mit der Landschaft Betuwe. Hier war die Landschaft zwar immer noch moorig, dennoch siedlungsfreundlicher da man hochwasserfreie Flächen einrichten konnte. In römischer Zeit waren hier vor allem Laubwälder mit Buchen und Eichen anzutreffen, die erst mit planmäßigen Rodungen zur Gewinnung von Siedlungsland vernichtet wurden.

Weiter nach Südosten folgt das Niederrheinische Flachland, das ebenfalls mit Laubwäldern bedeckt war, bevor mit der Niederrheinische Bucht mit seinen Lössböden zwischen Neuss, Bonn und Aachen der Kern der Provinz erreicht war. Dieses Gebiet war schon seit der Jungsteinzeit besiedelt und daher weitgehdn waldfrei. Der fruchtbare Lössboden und die günstigen klimatischen Verhältnisse brachten eine reiche Getreideernte hervor.

Noch weiter nach Süden folgte die Eifel, die gemeinsam mit den Ardennen und dem Hohen Venn bildeten sie wiederum ein großes zusammenhängendes Waldgebiet, das silva Arduinna (Ardennenwald) genannt wurde und dessen größter Teil zur Provinz Gallia Belgica gehörte. Es hatte raues Klima, viele Niederschläge und eignete sich vor allem für Wald- und Weidewirtschaft, während Landwirtschaft kaum Erträge brachte. Wichtig waren aber die Bodenschätze wie Eisen, Blei, Zink, Tuff- und Kalkstein, sowie die großen Wasserreserven, die durch den Bau von Wasserleitungen zur Versorgung der Provinzhauptstadt erschlossen wurden.

Zu Germania inferior gehörte schließlich auch ein kleiner Teil des Mittelrheingebietes im Bereich des Durchbruchs durch das Schiefergebirge.

Vorrömische Geschichte

Die Besiedlung des späteren Provinzgebietes reicht bis in die Jungsteinzeit zurück und breiteten sich zunächst vor allem an den Wasserwegen aus. Der Rhein wurde vermutlich spätestens in der Bronzezeit als Handelsweg erschlossen. Insbesondere kam es entlang seines Verlaufes zu einer Vermischung von keltischen Einflüssen aus dem Westen und germanischen Einflüssen aus dem Osten. Beide Kulturen waren im Wesentlichen Bauernkulturen, die sowohl Gehöfte als auch kleine Dörfer mit Befestigungen und Friedhöfen anlegten. Spätestens im letzten Abschnitt der vorrömischen Eisenzeit ist eine deutliche Trennung kaum möglich, auch wenn das Provinzgebiet allgemein wohl dem keltischen Kulturkreis in Gallia deutlich näher stand.

Ersten Kontakt mit den Römer hatte das Gebiet durch die Eroberungen Gaius Iulius Caesars, der zwischen 58 und 51 v. Chr. ganz Gallien unter römische Kontrolle brachte und bis an den Rhein vorrückte. Mindestens zweimal (55 und 53 v. Chr.) überquerte er dabei auch mit Brückenschlägen im heutigen Neuwieder Becken den Rhein, um das östliche Ufer unter Kontrolle zu bringen oder zumindest die römische Macht zu demonstrieren. Aus römischer Sicht bildete der Rhein die natürliche Grenze zwischen Gallien und Germanien und Caesar versuchte zeitweise, alle linksrheinisch siedelnden Germanen zu vernichten, da sie in seinen Augen offenbar ein großes Gefahrenpotenzial darstellten. Ambitionen, die Grenze des römischen Reiches über den Rhein hinaus zu schieben, hatte er jedoch nicht.

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Eroberung Galliens wurde Germania inferior zunächst Teil der Provinz Gallia Belgica und bildete lediglich einen schmalen Militärbezirk, in dem ein konsularischer legati Augusti pro praetore exercitus Germanici inferioris das Kommando über die römischen Truppen führte.

Römische Geschichte

Unter Augustus wurden massive Bestrebungen unternommen, das rechtsrheinische Gebiet unter römische Kontrolle zu bringen und die Provinz im Idealfall bis zur Elbe zu erweitern. Nach Feldzügen von Drusus 12-9 v. Chr. und Tiberius 4-6 n. Chr., in deren Zuge unter anderem die Sugambrer nahezu vernichted und ihre Reste links des Rheins angesiedelt wurden, galt das freie Germanien östlich des Rheins auch tatsächlich als weitgehend befriedet. Mit der verheerenden Niederlage des Statthalters Publius Quintilius Varus in der sogenannten Varusschlacht 9 n. Chr. stellte sich diese Einschätzung jedoch als Irrtum heraus. Der germanische Aufstand unter Führung des Arminius überraschte die Römer und der Verlust dreier Legionen stellte für das Reich einen schweren Schock dar. Schreckensszenarien eines großen germanischen Einfalls nach Gallien oder sogar Italien bewahrheiteten sich jedoch nicht, so dass trotz der hohen Verluste von einem lokalen Aufstand ausgegangen werden muss, der jedoch einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Provinz Germania inferior hatte.

Rom verlegte sich von nun an weitgehend auf die Defensive, sicherte die Rheingrenze und ließ lediglich durch Germanicus die Legionsadler wiederbeschaffen, die in der Varusschlacht verloren gegangen waren. Das östliche Rheinufer wurde lediglich soweit kontrolliert, dass es frei von germanischen Siedlungen blieb und bei Bedarf als Aufmarschgebiet oder als Weideland genutzt werden konnte. Lediglich die Friesen im Norden der Provinz blieben bis etwa 47 n. Chr. unter direkter römischen Kontrolle.

Abgesehen von den Chauci, die mit schnellen Schiffen gelegentlich das Küstengebiet unsicher machten, blieb Germania inferior eine vergleichsweise ruhige Region. Als jedoch ein Teil der Besetzungsmacht im Zuge des Vierkaiserjahres 69 n. Chr. nach Italien abzog, erhoben sich die Bataver unter Iulius Civilis, riefen ein eigenständiges Imperium Germaniarum et Galliarum aus und überrannten innerhalb kurzer Zeit alle Legionslager der Provinz. 70 n. Chr. konnte der Aufstand jedoch durch Hinzuziehung weiterer Truppen (legio VI Victrix aus Hispania) unter Kaiser Vespasian niedergeschlagen werden. Als Folge tauschte Vespasian zahlreiche der als unzuverlässig eingestuften aufständischen Hilfstruppen aus. Danach setzte eine weitere Friedenszeit ein, die etwa 200 Jahre andauerte.

Unter Kaiser Domitian erhielt Germania inferior um 83 n. Chr. schließlich ein einges Provinzgesetz und damit den Status als eigenständige Provinz. Sitz des legatus augusti pro praetore wurde Colonia Claudia Ara Agrippinensium (heute Köln). Die Finanzverwaltung wurde jedoch weiterhin von einem procurator Augusti provinciarum Belgicae et utriusque Germaniae geführt, der seinen Sitz in Augusta Treverorum (heute Trier) hatte und dem jeweils ein subprocurator für jede der drei von ihm zu betreuenden Provinzen untergeordnet war.

Die lange Friedenszeit erlaubte auch eine Reduzierung der Streitkräfte in der Provinz. Von ursprünglich vier Legionen in den Doppellegionslagers Vetera (bei Xanten) und Köln blieben nach mehrfachen Verschiebungen unter Trajan schließlich nur zwei Legionen in Vetera und Bonna übrig.

Erst für das Jahr 256 n. Chr. sind Einfälle der Franken nachweisbar, wobei davon auszugehen ist, dass der Druck auf die Grenzte schon vorher zunahm und nur durch militärische oder diplomatische Einsätze gelindert werden konnte. Unter dem Eindruck der feindlichen Einfälle wurde 259 n. Chr. in Köln durch Marcus Cassianus Latinius Postumnus das imperium Galliarum ausgerufen, dass als abtrünniger Reichsteil etwa 15 Jahre Bestand hatte, in dieser Zeit aber tatsächlich für eine Entlastung an der Rheingrenze sorgen konnte.

Unter Diokletian wurde die Provinz in Germania II umbenannt, in ihren Ausmaßen jedoch nicht verändert. Unter den Kaisers Konstantin I. und Valentinianus I. wurde eine Verstärkung der Rheingrenze durch den Bau kleiner Befestigungen (sogenannter burgi) vorgenommen, die sowohl direkt an der Grenze als auch im Binnenland errichtet wurden. Ein konkretes Jahr für das Ende der Provinz kann nicht angegeben werden, da sich offenbar eher eine schleichende Vermischung der römischen mit der fränkischen Kultur ergab. Am ehesten kann noch die Eroberung Kölns durch die Franken 465 n. Chr. als Schlusspunkt angesehen werden.

Militär

Augustus konzentrierte nach der Niederlage des Varus insgesamt vier Legionen waren in Germania inferior. Ihre Lager waren zunächst die Doppellegionslager in Vetera und Köln. Ob in Batavodurum (später Colonia Ulpia Noviomagus, heute Nijmegen) eine weitere Legion stand oder es nur zeitweise als Lager einer Legion aus Vetera genutzt wurde, ist nicht klar. Mit der Abberufung des Germanicus von der Rheinfront wurde das Lager in Köln aufgelöst und die Legionen nach Novaesium (heute Neuss) und Bonna verlegt. Das Doppellegionslager in Vetera wurde nach dem Bataveraufstand aufgelöst und nun sicher eine Legion nach Batavodurum verlegt. Die zweite Legion verließ Vetera im Jahr 92 n. Chr. und wurde durch die aus Novaesium nachrückende legio VI Victrix ersetzt. Deren ehemaliges Lager wurde zum reinen Hilfstruppenlager. Schließlich wurde um 120 n. Chr. auch das Lager von Batavodurum aufgelöst.

Zusätzlich zu den Legionen waren in Summe mindestens 20 namentlich bekannte alae und 34 cohortes der Hilfstruppen in Germania inferior stationiert. Davon entfallen etwa 8 alae und 30 cohortes auf die Zeit des Tiberius. Zusammen mit den Legionen kann man von einer Truppenstärke von ca. 38.000 Mann ausgehen. Bei einer Grenzlinie von etwa 320 km bedeutet dies etwa 120 Soldaten pro Kilometer. Unter Vespasian sind 6 alae und 21 oder 22 cohortes bekannt, unter Hadrian 6 alae und 13 cohortes. Zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. waren es immerhin noch 7 alae und etwa 15 cohortes. Geht man davon aus, dass die Legionen zu dieser Zeit bereits nicht mehr mit der klassischen Sollstärke von 5.000 Mann operierten, ergibt sich damit einen nur noch halb so starke Besatzung wie zu tiberischer Zeit. Zusätzlich zu den Truppen ist noch die römischen Rheinflotte zu rechnen. Die classis Germanica hatte ihren Stützpunkt südlich von Köln. Weitere Basen waren Fectio (heute Bunnik-Vechten), Matilo (heute Leien-Roomburg) und Lugudunum. Die Hauptaufgabe der Flußstreitkräfte bestand in der Gewährleistung der freien Schifffahrt auf dem Rhein und seiner Nebenflüße. Daneben führte sie zahlreiche Transportaufgaben aus, beispielsweise den Transport der Steine aus den Brüchen des Brohltales im Siebengebirge. Auch lebensnotwendige Güter, insbesondere Getreide, zur Versorgung der Truppen in den Legionslagern, wurden auf dem Wasserweg transportiert.

Wirtschaftliche, strategische und kulturelle Bedeutung

Die starke römische Truppenpräsenz macht die strategische Bedeutung des Militärbezirks und der Provinz Germania inferior deutlich. Mit der Aufgabe der Eroberungspläne für das freie Germanien wurde die Rolle als militärische Operationsbasis jedoch fortschreitend zurückgedrängt und durch wirtschaftliche Entwicklungen ersetzt. Gegenüber dem freien Germanien, in dem nur der Handel als gewinnbringend galt, hatte Germania inferior den Vorteil, dass sowohl Bodenschätze (wie Trachyt u.a. Steine) als auch Landwirtschaft und Viehzucht vorhanden waren. Plinius lobte etwa die Ubier für ihre Ackerbaukunst sowie die zahlreichen germanischen Gänse (Daunenproduktion).

Zu Beginn musste noch vieles importiert werden, da die Siedlungen und Militärlager schneller wuchsen als die lokale Wirtschaft. Die Abhängigkeit von Gallien und Italien dürfte dann aber der Ansporn gewesen sein, den Bedarf aus eigener Produktion zu decken. Dies ging mit dem Ausbau der Verkehrswege einher. Nicht einmal ein Jahrhundert wurde benötigt, um die Importe maßgeblich zurückzudrängen und in einzelnen Bereichen sogar zu exportieren.

Ein wichtiger Bodenschatz war Blei, das zwischen Kommern, Mechernich und Keldenich in der Nordeifel gewonnen wurde. In der Nordeifel wurden zudem Rot- und Brauneisenstein im Tagebauverfahren gewonnen. Kupfer gab es in der Provinz keines, jedoch lagen Vorkommen rechts des Rheins bei Rheinbreitbach, wo Spuren römischen Abbaus gefunden wurden. Steinkohle gewann man zwischen Aachen und Eschweiler. Der Goldbergbau spielte nur eine geringe Rolle, etwa in der Hohen Venn westlich von Monschau/Eifel. Wichtiger war wohl das Rheingold, der schon damals als aurifer (goldtragend) galt.

Wichtige Baumaterialien wurden allesamt im Süden der Provinz gebrochen. Eine Ausnahme bildete der für Bauzwecke kaum verwendbare Kalksandstein am Liedberg bei Mönchengladbach. Das grobe Sedimentgestein Grauwacke fand man in der Nähe der Provinzhauptstadt gleich am Flußufer und wurde in grossen Mengen verschifft. Leicht gewinnbarer Säulenbasalt wurde in der Mittelrheinregion sowohl linkerseits als auch rechterseits des Rheins abgebaut. Das Vulkangestein Trachyt brach man am Drachenfels und am Rüdenet bei Königswinter. Das meistverwendete Baumaterial war Tuffgestein, welches im Brohltal und in der Pellenz nördlich und südlich des Laacher Sees in rauen Mengen gewonnen wurde. In der Nordeifel gab es zudem grosse Dolomitbänke, die eine industrielle Kalkgewinnung rentabel machten. Ergänzt wurde die Baumaterialgewinnung schließlich durch zahlreiche Ziegeleien.

Das Wirtschaftszentrum der Provinz war Köln. Die dort ansässige keramische Industrie produzierte nicht nur für den lokalen Markt sondern auch für den Export. Bereits vor der Erhebung zur colonia im 1. Jh. n. Chr. gab es dort ein großes und vielfältiges Angebot an Geschirr und Lampen. Neben Gebrauchsgütern produzierte der Keramiksektor auch den Nachschub für einen ausgedehnten Devotionalienhandel mit kleinen Götterstatuetten. Auch die Herstellung von Theatermasken aus weissem Pfeifenton ist gesichert. Die agrippensischen Tonwaren erfreuten sich in der ganzen Provinz großer Beliebtheit und im Export gelangten sie hauptsächlich nach Britannia. Der wichtigste Wirtschaftszweig der Provinzhauptstadt war jedoch die Glasherstellung, deren Erzeugnisse auch ins freie Germanien exportiert wurden. Der zur Herstellung nötige reiner Quarzsand wurde westlich von Köln in großen Mengen gewonnen.

Gemessen an Provinzen vergleichbarer Größe ist die Zahl der Städte in Niedergermanien sehr gering geblieben. Es gab nur vier coloniae bzw. municipia: die Provinzhauptstadt Colonia Claudia Ara Agrppinensium, die vermutlich 98 n. Chr. gegründete Colonia Ulpia Traiana (heute Xanten), die Colonia Ulpia Noviomagus und das municipium Aelium Cannanefatium (zuvor Forum Hadriani genannt, heute Voorburg-Arentsburg).

Religion

Mit der Eroberung durch die Römer kamen auch deren religiösen Vorstellungen in die germanischen Provinzen. Die Methode, einheimische Gottheiten und Kulte dem griechisch-römischen Pantheon anzugleichen führte zu einem komplexen religiösen Gesamtbild.

Großer Beliebtheit erfreute sich Merkur, da er zahlreiche Funktionen in sich vereinigte. So wurde er von den antiken Schriftstellern mit den unterschiedlichsten einheimischen Gottheiten (Wotan, Teutates, Esus, etc.) verschmolzen. Im Zweifelsfall kombinierte man einfach die Namen beider Götter, wie bei Mercurius Gabrinius, einer Mischung aus Merkur und dem in der Bonner Gegend verehrten Gebrinius. Mit Mars, Victoria und Hercules wurde ähnlich verfahren, etwa als Mars Halamardus oder Mars Camulus, während Hercules bei den Germanen als römische Version des Donar galt. Hercules Saxanus (= der Felsenharte) war der Schutzpatron der Arbeiter in den Steinbrüchen. Apollo wurde vor allem als Heil- und Gesundheitsgott verehrt und verschmolz in dieser Funktion mit dem einheimischen Grannus, der schon Heilquellen seinen Namen verliehen hatte (Aquae Granni). Ihm zur Seite gestellt waren manchmal Sanus (Gesundheitsgöttin), Diana (als waldbetonte Jagdgöttin) und Silvanus (als Gott der Wälder und Fluren). Der Bärenfänger Cessorinius stiftete letzterem in Vetera (Xanten) eine Statue. Dem Volcanus entsprach ein lokaler Gott, der namentlich nicht überliefert wurde, den Attributen nach aber als Schlägel- und Hammergottheit bezeichnet wird. Fortuna wurde in zahlreiche Statuetten geformt und galt als Heilgöttin im Gefolge des Apollo. Sie beschützte in Untergermanien öffentliche Bäder. Der Schwerpunkt der Venusverehrung lag nicht in ihrer Funktion als Liebesgöttin, sondern in ihrem breiten einheimischen Bogen als Muttergottheit.

Die Zahl der einheimischen Gottheiten, die nicht mit dem römischen Pantheon in Verbindung gebracht wurde, blieb indes ebenfalls nicht unerheblich. Dies bedeutet aber zugleich, dass über ihre Namen und Funktionen kaum etwas überliefert wurde. Bekannt sind etwa Requaliuahanus, Varneno, Hludana, Hurstrga, Iseneucaega, viradegdis, Apadeua oder Sandravdiga. Für sie alle sind cultores templi (Tempelpfleger) bezeugt. Sunux(s)al gilt als Stammesmutter der Sunuci, die wohl in der Umgebung von Aachen beheimatet waren. Von überregionaler Bedeutung scheint Vagavercustis gewesen zu sein, da ihr sogar ein römische Prätorianerpräfekt einen Altar stiftete. Bessere Überlieferungen gibt es bei Epona, der Schutzgöttin der Reisenden, Zug-, Last- und Reittiere, ihrer Führer, Stallungen und Unterkünfte. Ebenfalls gut bekannt ist Nehalennia, eine Beschützerin der Kaufleuten und Händler, die entlang des Rheins bis nach Britannien reisten.

Seit 63 v.Chr. stand in Rom auf dem Kapitolhügel eine Säule mit dem thronenden Iuppiter. Sie wurde seit der Zeit Neros vor allem in den germanischen und nordgallischen Provinzen nachgeahmt. Besonders auf dem Land waren derartige Iuppitersäulen üblich. Eine Besonderheit des ostgallischen Raumes waren Säulen mit dem Bild des reitenden Himmelsgottes samt eines sich ergebenden (oder niedergerittenen) Giganten. Hier mischte sich die römische Religion mit der einheimischen. Taranus, dessen Symbol auch das Rad war, und der laut Überlieferung in Form einer Eiche verehrt wurde, glich sich dem Iuppiter an. Die Angleichung der Götterwelten erfolgte keineswegs unter Zwang oder einseitig von den Römern aus. Sie vollzog sich in beiderseitigem Einvernehmen und zeigt auch die Ähnlichkeiten in vielen Kulten auf.

Rein römische Götter wurden mit klassisch-römischen Bauwerken verehrt. Die einheimischen Tempel hatten hingegen ein anderes Aussehen. Die cella bestand aus einem turmartigen Gebäude mit zwei Stockwerken und einem offen Säulengang rundum. Ein solches Heiligtum wird als „gallo-römischer Umgangstempel“ bezeichnet. Diese Bauform wurde in der ganzen Provinz zahlreich ergraben. Tempelanlagen in einheimischem Stil beherbergten oft mütterliche Segens- und Fruchtbarkeitsgöttinnen.

Mit den römischen Göttern hielten auch orientalische Mysterienkulte Einzug in den germanischen Provinzen. Der Kybele-Kult ist durch das taurobolium (Blutstaufe) in Neuss archäologisch erwiesen. Das Zentrum des Isis-Kults dürfte Köln gewesen sein, wo sie als Myrionyma (Isis mit den 10.000 Namen) verehrt wurde. Belege gibt es auch für die Verehrung des ägyptischen Himmels- und Sonnengottes Ammon (meist mit Iuppiter gleichgesetzt) und dem Iuppiter Dolichenus, der besonders beim Heer beliebt war. Von letzterem sind Kultstätten in Vetera Köln und Rigomagus (heute Remagen) identifiziert worden.

Der wichtigste Mysterienkult in Untergermanien war der des persischen Lichtgottes Mithras. Die Zahl der belegten Kultstätten ist jedoch bei weitem nicht so gross wie in der Nachbarprovinz Germania superior. Die Orte der Verehrung waren klein und einer Höhle nachgebildet, die das Himmelsgewölbe darstellten. Interessant ist, dass bei einer Vergrößerung der Gläubigen nicht die Kultstätte vergrößert, sondern eine neue geschaffen wurde. Für Köln sind alleine drei Mithräen bekannt, weitere in Durnomagus (heute Dormagen) und der Colonia Ulpia Traiana. Da der Kult der größte Konkurrent des Christentums war, wurden später alle Mithräen systematisch zerstört.

Die ersten christlichen Gemeinden soll es in den germanischen Provinzen bereits Ende des 2. Jh. n. Chr. gegeben haben. Die erste ergrabene christliche Kirche ist für Köln unter dem heutigen Dom bezeugt; die meisten aber waren cellae memoriae (Gedächtniskapellen) auf Friedhöfen. Fast alle untergermanischen Kirchen hatten ihre Existenz solcher Friedhofskapellen zu verdanken. Sie bildeten denn auch oft den Kern der mittelalterlichen Städte, wohingegen die Römersiedlungen aufgegeben wurden und heute in mancher städtischer Randlage zu finden sind.

Grabbauten mit entsprechender Ausstattung je nach dem Besitz des Toten sind für die gallischen und germanischen Provinzen typisch. Besonders reich sind Beigaben im gallisch-germanischen Grenzgebiet; wohingegen sie dem Rhein hinauf wieder abnehmen. Gräber wurden konsequent außerhalb der Stadtmauern angelegt. Viele Gräber in Gallia und den germanischen Provinzen wurden reich mit Beigaben versehen; vor allem bei Frauengräbern. Männer erhielten nur dann Beigaben, falls sich in der Gegend keltisches Brauchtum erhalten hatte, Werkzeuge und ähnliches Gerät mit ins Grab zu leben.

Besonders reiche Hügelgräber fand man im Gebiet westlich der mittleren und unteren Maas, was auf starken keltischen Einfluss zurückzuführen sein dürfte. Solche Bestattungen sind namenlos und entsprechen nicht dem römischen Sinn nach Erinnerung durch die Nachfahren. So sind die zahlreichen steinernen Grabmonumente das sichtbarste Zeichen der Romanisierung der Provinz Untergermanien. Die ersten Grabsteine wurden noch importiert; später entstanden entlang des Rheins zahlreiche Werkstätten um den Bedarf zu decken. Immerhin machen Grabsteine den größten Fundbestand in Museen aus. Aus dem griechischen Raum wurden schließlich Hypogäen (unterirdische Grabkammern) übernommen, wovon alleine in Köln wenigstens neun nachgewiesen werden konnten. Auch diese waren über die Jahrhunderte in Gebrauch.

Literatur:
Imperiumromanum.com: Die germanischen Provinzen
Tilmann Bechert, Die Provinzen des römischen Reiches, Mainz, 1999