Ma

Aus Theoria Romana
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Der Name Ma gehörte wohl zu einigen verschiedenen kleinasiatischen Gottheiten. Möglich, dass diese nur verschiedene Formen der mütterlichen Gottheit der Natur, Kybele, waren.

Ma war höchstwahrscheinlich der Name einer in zwei Städten namens Komana verehrten Gottheit. Eine dieser Städte lag in Kataonien, einem Bezirk von Großkappadokien, welches am oberen Saros, einen Fluss in Kilikien, der heute Seyhan genannt wird, lag. Die Einwohner der Stadt Komana waren in der Mehrzahl Begeisterte und Tempeldiener der Göttin. Über diese Männer und Frauen gebot der Priester der Göttin, der Würde nach der zweite nach dem König und gewöhnlich mit diesem aus gleichem Geschlecht. Der Tempel hatte reichen Landbesitz, dessen Einkünfte der Priester genoß.

Nachgebildet dem Kultus im kappadokischen Komana war der im pontischen Komana am Iris. Als es noch Könige von Pontus gab, war auch hier der Priester der Ma der zweite an Würde nach dem Könige. Zweimal im Jahre bei den sogennantne Auszügen der Göttin, trug er die Herrscherbinde. Als Gnaeus Pompeius Magnus die asiatischen Angelegenheiten ordnete, setzte er den zu den Römern übergegangenen Archelaos, den Sohn des Mithradates, als Prieser ein und gab ihm außer dem Tempelgebiet 60 Stadien Land, über welches er ebenso wie über die 6000 in der Stadt wohnenden Tempeldiener unumschränkt herrschte. Sein Nachfolger Lykomedes erhielt noch 120 Stadien Land dazu. Augustus verlieh später Dyteutos, den Sohn des Adiatorix, die Prieserwürde. Die Stadt war ein bedeutender Handelsort und bei den Auszügen der Göttin von Wallfahrern von ringsumher, aber auch sonst von Einzelnen, die einem Gelübde gemäß Opfer darbingen wollten, besucht. Strabon bezeichnete die Stadt als eine Art Kleinkorinth. Sowohl in der Stadt als auch im Bezirk des Heiligtums war der Genuß von Schweinefleisch verpönt. Als der ehemalige Räuberhauptmann Kleon, der von Augustus für seinen Abfall von Antonius mit der Priesterwürde des pontischen Heiligtums betraut wurde, starb, sah man darin eine Strafe der Göttin für die Nicht-Beachtung des Verbots, Schweinefleisch zu genießen. Dieses Verbot fand sich auch in anderen kleinasiatischen Religionen, so z.B. im Kybelekult zu Pessinus.

Das Wesen der Göttin selbst ist, wie bei allen großen weiblichen Gottheiten Kleinasiens, bei iher allumfassenden Macht schwer zu bestimmen. Es war wohl eine Göttin der Naturkraft, wie die mit ihr wahrscheinlich identische kleinasiatische Göttermutter. Als Göttin der Produktion wird sie mit rauschenden Freudenfesten gefeiert, und die Prostitution ist ein gottesdienstlicher Akt. Als Göttin der sterbenden Natur wird sie andererseits mit ebenso großen Trauerfesten gefeiert und gebietet Selbstverstümmelung und blutige Opfer. Im Komana in Kappadokien wird ihr vor allem eine große Rolle als Kriegs- und Siegesgöttin zugeschrieben.

Es unterliegt einem großen Zweifel mit welchen Gottheiten die Ma vergleichbar ist. Teilweise wird sie als Selene, Athene oder Enyo bezeichnet. Nicht selten wird erwähnt, dass ihr die römische Minerva Berecynthia (Paracentia) entspreche, in der man gewöhnlich die Kybele erkannte.

Offenbar in hellenistischer Zeit entstand die Sage, Ma sei die taurische Artemis. Orestes, an den die Orestiaden im pontischen Komana erinnern, habe ihren Dienst im kappadokischen Komana eingeführt zusammen mit seiner Schwester Iphigeneia, und der Ort habe den Namen Komana empfangen, weil er hier sein während der Trauer lange gewachsenes Haar abgelegt habe. Cassius Dio berichtet, dass beide Komana den Anspruch erhoben, das Schwert der Iphigeneia zu besitzen. Weiterhin wird behauptet, dass Orestes, der in Krankheit verfiel, ein Orakel um Heilung befragte und zur Antwort erhalten habe, erst dann werde er genesen, wenn er der Artemis einen Tempel errichte; darauf habe er zuerst im pontischen Komana einen Tempel erbaut, dann aber, als ihn die Krankheit nicht verließ, im kappadokischen. Die Bedeutung der Städte wird so allerdings umgekehrt, denn nach Strabon sei das pontische Komana nur eine Filiale des kappadokischen gewesen. Alle diese Fabeln scheinen jedoch wenig Bedeutung zu haben. Die Griechen führten wohl, wo sie eine dem Wesen nach ihrer Artemis ähnlichen Gottheit mit wildem orgiastischen Kultus verehrt sahen, denselben auf die taurische Artemis zurück, wie sie dies selbst in ihrer Heimat mit den rohen Verehrungsformen der Artemis Orthia in Sparta und Artemis Brausonia taten.

Die Göttin wurde wohl auf verschiedenen Reliefs auf einem Löwen (auf anderen auf einem Leoparden) stehend und mit einem der Mauerkrone ähnlichen Hauptaufsatz dargestellt. Auf Münzen des pontischen Komana erscheint die Göttin bekleidet, stehend von vorn, mit Strahlenkranz um das Haupt, die rechte Hand gestützt auf einen auf die Erde gestellten Schild und in der linken Hand eine erhobene Keule.

Zur Zeit der mithradatischen Kriege gelangte der Kultus der Ma nach Rom, wo die Göttin außerhalb des Pomeriums am Vatikan einen Tempel erhielt und bald mit der Bellona verschmoltz.


Literatur

Georg Wissowa: Ma. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,2, Leipzig 1894, Sp. 2215–2226.