Pontifex: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Kategorie:Religion]]
  
 
== Organisation ==
 
== Organisation ==
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Die Pontifices bildeten das wichtigste römische Priestercollegium in Rom, welches nach traditioneller Ansicht bereits von König [[Numa Pompilius]] begründet worden war. Die genaue Anzahl der Pontifices nach bei der Schaffung des Kollegiums ist unbekannt, vermutlich waren es jedoch sie wurde jedoch durch die ''lex Ogulnia'' (300 v. Chr.) auf 9 Mitglieder erhöht. Das Gesetz legte gleichzeitig fest, dass auch Plebejer Zugang zu den Priesterämtern ehielten und mehr als die Hälfte der Mitglieder dieser Bevölkerungsschicht entstammen musste. Sulla erhöhte die Zahl der Pontifices auf 15 und Caesar nochmals auf 16.
  
 
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Das ''Collegium pontificium'' setzte sich folgendermaßen zusammen:<br>
Die pontifices waren in einem collegium zusammengefasst, das im alten Rom als höchste sakrale Behörde galt. Die Zahl der ursprünglichen Mitglieder ist unbekannt. Durch die lex Ogulina (die den Plebejern den Zugang zu den Priesterämtern sicherte und festlegte, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder Plebejer sein mussten) des Jahres 300 v.Chr. weiss man von damals neun Mitgliedern. Der Diktator Sulla erhöhte ihre Zahl auf 15 und Caesar fügte nochmals einen Priester auf 16 hinzu.
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Reguläre Mitglieder:
 
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Das nunmehr sechzehnköpfige Gremium bestand aus folgenden Einzelpriestern:
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  <li>die eigentlichen Pontifices, geführt durch den [[Pontifex Maximus]]</li>
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  <li>der [[Rex Sacrorum]]</li>
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  <li>die drei [[Flamines]] maiores ([[Flamen Dialis]], Flamen Martialis, Flamen Quirinalis)</li>
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  <li>von der späteren Republik an drei Pontifices minores
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Eng mit den Pontifices verbunen, jedoch nicht ganz reguläre Mitglieder:
 
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   <li>1. [[Rex Sacrorum]] (Vollzieher der Kulte, die früher an die Königswürde gebunden waren)</li>
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   <li>die sechs [[Vestalinnen]]</li>
  <li>2. Flamen Dialis (Priester des [[Iuppiter]])</li>
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   <li>die zwölf [[Flamines]] minores
  <li>3. Flamen Martialis (Priester des [[Mars]])</li>
 
  <li>4. Flamen Quirinales (Priester des [[Quirinus]])</li>
 
  <li>5. [[Pontifex Maximus]] (als Vertreter der [[Vestalinnen]])</li>
 
   <li>6. Flamen Furrinalis (Priester der [[Furrina]])</li>
 
  <li>7. Flamen Carmentalis (Priester der [[Carmenta]])</li>
 
  <li>8. Flamen Volcanalis (Priester des [[Vulcanus]])</li>
 
  <li>9. Flamen Cerealis (Priester der [[Ceres]])</li>
 
  <li>10. Flamen Portunalis (Priester des [[Portunus]])</li>
 
  <li>11. Flamen Volturnalis (Priester des [[Volturnus]])</li>
 
  <li>12. Flamen Palatualis (Priester der [[Palatua]])</li>
 
  <li>13. Flamen Floralis (Priester der [[Flora]])</li>
 
  <li>14. Flamen Falacer (vermutlich im Zusammenhang mit dem sabinischen Ort Falacrinae)</li>
 
  <li>15. Flamen Pomonalis (Priester der [[Pomona]])</li>
 
  <li>16. Flamen einer nicht überlieferten Gottheit; vielleicht Virbialis und möglicherweise sogar ein 17. als flamen Lucularis.</li>
 
 
</ul>
 
</ul>
  
Die Reihenfolge der Priesterämter im Kollegium scheint historisch begründet zu sein. Die Mitglieder des Kollegiums ergänzten sich durch Kooptation (Hinzuwahl neuer Mitglieder durch die alten Mitglieder). Wurde man zum pontifex ernannt, so übte man diese Tätigkeit lebenslang aus. Seit der lex Domitia des Jahres 103 v.Chr. wurden die Mitglieder durch eine Abstimmung der 17 Tribus gewählt. Dem Gremium stand der [[Pontifex Maximus]] als oberster Priester vor.
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Alle Pontifices hatten ihr Amt auf Lebenszeit inne und das Anrecht auf eine offizielle Eskorte, bzw. Assistenten, die sogenannten ''calatores'', welche Räume in der unmittelbaren Nähe der Regia des Forum Romanum bewohnten, wo sich das Kollegium versammelte. Einziges offizielles Amtszeichen der Pontifices war ein Opfermesser mit eiserner Klinge, die ''secespita''.  
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Zu Anfang ergänzte sich das Kollegium selbst duch Kooptation. Dies wurde jedoch 104 v. Chr. durch die ''lex Domitia'' aufgelöst und die Pontifices durch eine Abstimmung der 17 Tribus gewählt. Dennoch war das Recht auf die Kandidatur zu dieser Wahl und damit Mitgliedschaft im Kollegium stets einer kleinen Elite der besten (anfangs patrizischen, später auch plebeiischen) Familien vorbehalten. <br>
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Durch einen Senatsbeschluss wurde das Amt des [[Pontifex Maximus]] 44 v. Chr. für erblich erklärt und war bis 382/383 n. Chr. Bestandteil der kaiserlichen Würden. Ein Sitz im Kollegium wurde regelmäßig auch jüngeren Mitgliedern der kaiserlichen Familie zugesprochen. Die übrigen Pontifices ernannte nun der Kaiser und besezte sie mit jenen, welche er besonders begünstigen wollte, denn ein Pontificat befreite gleichzeitig vom Militärdienst und weiteren staatlichen Pflichten.  
  
Als Amtslokal diente den Kollegium die Regia, ein an der Ostseite des Forum Romanum gelegenes Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Vestatempel. Ursprünglich (aus dem Namen erkennbar) war es im Besitz der Könige, ging später auf den [[Rex Sacrorum]] über um schliesslich dem [[Pontifex Maximus]] zur Verfügung zu stehen. Wie (vermutlich unter starken Protesten diverser Fraktionen) und wann dies geschah ist nicht überliefert.
 
  
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In späterer Zeit hatte jede Colonia und jedes Municipium ein eigenes Collegium, dessen Mitglieder wie in Rom vom Militärdienst und weiteren Pflichten ausgenommen waren. Das Pontificat in einem dieser Kollegien stellte meist den Höhepunkt einer lokalen öffentlichen Karriere dar.
  
 
== Aufgaben ==
 
== Aufgaben ==
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Die Aufgabe der Pontifices von der mittleren Republik an war ganz allgemein das religiöse Leben des römischen Staates zu beaufsichtigen. Sie waren für alle religiösen Angelegenheiten verantwortlich, welche nicht ausdrücklich den übrigen Priesterkollegien ([[Auguren|Augures]], [[Quindecimviri]], [[Fetiales]] und später auch [[Septemviri]]) zugeordnet waren.
  
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Im Detail umfasste dies, den Senat, Beamte und Privatleute über die Richtigkeit und Wirksamkeit kultischer Handlungen, oder im allgemeinen jeder Handlung zu beraten, welche die [[pax deorum]] möglicherweise beeinträchtigen könnte. Dies geschah mithilfe von Beschlüssen (''decreta'') und angefragten Gutachten (''responsa''). Sie besaßen das Monopol des Wissens um die Kultsprache und kultische Handlungen, wie auch der richtigen Reaktion auf [[Prodigium|Prodigien]] und beaufsichtigten alle Aspekte der Leichenversorgung. Zusätzlich waren sie für die Tagesqualifikation der [[Kalender|Fasti]] und allgemein für die Organisation sakraler und profaner Zeit zuständig. Vor der Veröffentlichung des Kalenders 304 v. Chr. verkündigten die Pontifices sogar den Status jeden einzelnen Tages.
  
Den pontifices oblag die Überwachung und Einhaltung aller religiösen Riten sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Bei Problemen, Streitigkeiten oder neu aufgeworfenen Fragen in diesem Bereich dienten sie als Gutachter. Durch die konsequente, konservative und zum Teil pedantische Haltung in Bezug auf die überlieferten Bräuche offenbarte sich damit für die Mitglieder des Kollegiums ein grosses Betätigungsfeld.
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Neben dem Sakralrecht hatten die Pontifices auch Einfluss auf das Profan- und Zivilrecht. So hatten sie die Aufsicht über Veränderungen des rechtlichen Status einzelner, welche den Bestand der [[sacra]] privata betreffen konnen, wie etwa im Fall der Adoption von Personen, deren Vater nicht mehr am leben war, und fungierten in Belangen der sacra privata im Allgemeinen als Ratgeber und Autoritäten.  
  
Man muss sich vor Augen halten, dass bei Gebeten, Gelübden, Opfern und Weihen die korrekte Wortwahl ausschlaggebend dafür war, ob die Handlung als gelungen galt. Bei Formfehlern, sei es in Wort, Bewegung oder Geste, konnte eine für religiöse Handlung bedeuten, dass sie bis zu einem Dutzend Mal wiederholt werden musste. Im privaten Bereich waren die Auflagen nicht so streng, doch wachten sie hier über die Einhaltung der Riten bei Begräbnissen oder bei Umbettungen von einem Grab in ein anderes. Auch die anschliessende Trauerzeit wurde von ihnen bemessen sowie die Sicherstellung eines regelmässigen Totenkultes in ihre Verantwortung gelegt.
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Ein wichtiger Aspekt des Kollegiums war die Schriftlichkeit. Täglich wurden wichtige Ereignisse (''annales maximi'') von den Schreibern des Pontifex Maximus protokolliert, niedergeschriebene Spruchformeln und Vorschriften waren für die korrekte Ausführung kultischer Handlungen unentbehrlich. Auch [[Prodigium|Prodigien]] und die darauf abgestimmten rituellen Antworten wurden festgehalten und bildeten so ein Archiv von Präzedenzfällen.
  
Dieser vielfältige Aufgabenkreis führte zu einem ausgedehnten Sakralrecht, das sich zudem auf eine nennenswerte Literatur stützen konnte. Im 2.Jh.v.Chr. schrieb ein gewisser Fabius Pictor (mit Sicherheit nicht ident mit dem berühmten Historiker gleichen Namens) ein Buch mit dem Titel De iure pontificio (Über das Sakralrecht). Da die einzelnen Vorschriften einen derartigen Umfang annahmen, wurden sie in Schriften gesammelt und in den libri pontificii (Akten der pontifices) aufbewahrt. Einiges davon wurde veröffentlicht (wohl um gewisse Entscheidungen zu begründen). Leider sind nur wenige Bruchstücke davon erhalten geblieben.
 
  
Auch das öffentliche Leben wurde von den pontifices massgeblich mitbestimmt. Bis zur Iulianischen Kalenderreform nahmen sie ständig Einfluss auf den Kalender durch die Bestimmung von Schalttagen und -monaten. Damit hatten sie natürlich auch auf die Länge der Amtszeit von Magistraten Einfluss. Über die Kalenderreform hinaus blieb ihnen noch die Festlegung der Feiertage und die Sühnung böser Vorzeichen.
 
  
All dies führte vor allem seit dem 3.Jh.v.Chr. zum Missbrauch der Religion für politische Zwecke. Man begann Magistrate abzuberufen, weil angeblich bei ihrer Vereidigung religiöse Fehler (im nachhinein natürlich) entdeckt worden waren. Gleichermassen behandelte man auch missliebige Versammlungsbeschlüsse etc. Einem pontifex wurde somit eine bedeutende Rolle im politischen Leben zugedacht. Seine Stellungnahme zu Vorzeichen und ob und wie sie zu sühnen seien war von existentieller Bedeutung für das römische Gemeinwesen. Mit dem Ende der Republik traten die religiösen Belange wieder in den Vordergrund.
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''Quelle:'' Richard L. Gordon, ''Pontifex, Pontifices'', Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd.X, Hrsg. Hubert Canick & Helmuth Schneider, Stuttgart/Weimar 2001

Version vom 29. Juni 2006, 16:38 Uhr


Organisation

Die Pontifices bildeten das wichtigste römische Priestercollegium in Rom, welches nach traditioneller Ansicht bereits von König Numa Pompilius begründet worden war. Die genaue Anzahl der Pontifices nach bei der Schaffung des Kollegiums ist unbekannt, vermutlich waren es jedoch sie wurde jedoch durch die lex Ogulnia (300 v. Chr.) auf 9 Mitglieder erhöht. Das Gesetz legte gleichzeitig fest, dass auch Plebejer Zugang zu den Priesterämtern ehielten und mehr als die Hälfte der Mitglieder dieser Bevölkerungsschicht entstammen musste. Sulla erhöhte die Zahl der Pontifices auf 15 und Caesar nochmals auf 16.

Das Collegium pontificium setzte sich folgendermaßen zusammen:
Reguläre Mitglieder:

Eng mit den Pontifices verbunen, jedoch nicht ganz reguläre Mitglieder:

Alle Pontifices hatten ihr Amt auf Lebenszeit inne und das Anrecht auf eine offizielle Eskorte, bzw. Assistenten, die sogenannten calatores, welche Räume in der unmittelbaren Nähe der Regia des Forum Romanum bewohnten, wo sich das Kollegium versammelte. Einziges offizielles Amtszeichen der Pontifices war ein Opfermesser mit eiserner Klinge, die secespita.

Zu Anfang ergänzte sich das Kollegium selbst duch Kooptation. Dies wurde jedoch 104 v. Chr. durch die lex Domitia aufgelöst und die Pontifices durch eine Abstimmung der 17 Tribus gewählt. Dennoch war das Recht auf die Kandidatur zu dieser Wahl und damit Mitgliedschaft im Kollegium stets einer kleinen Elite der besten (anfangs patrizischen, später auch plebeiischen) Familien vorbehalten.
Durch einen Senatsbeschluss wurde das Amt des Pontifex Maximus 44 v. Chr. für erblich erklärt und war bis 382/383 n. Chr. Bestandteil der kaiserlichen Würden. Ein Sitz im Kollegium wurde regelmäßig auch jüngeren Mitgliedern der kaiserlichen Familie zugesprochen. Die übrigen Pontifices ernannte nun der Kaiser und besezte sie mit jenen, welche er besonders begünstigen wollte, denn ein Pontificat befreite gleichzeitig vom Militärdienst und weiteren staatlichen Pflichten.


In späterer Zeit hatte jede Colonia und jedes Municipium ein eigenes Collegium, dessen Mitglieder wie in Rom vom Militärdienst und weiteren Pflichten ausgenommen waren. Das Pontificat in einem dieser Kollegien stellte meist den Höhepunkt einer lokalen öffentlichen Karriere dar.

Aufgaben

Die Aufgabe der Pontifices von der mittleren Republik an war ganz allgemein das religiöse Leben des römischen Staates zu beaufsichtigen. Sie waren für alle religiösen Angelegenheiten verantwortlich, welche nicht ausdrücklich den übrigen Priesterkollegien (Augures, Quindecimviri, Fetiales und später auch Septemviri) zugeordnet waren.

Im Detail umfasste dies, den Senat, Beamte und Privatleute über die Richtigkeit und Wirksamkeit kultischer Handlungen, oder im allgemeinen jeder Handlung zu beraten, welche die pax deorum möglicherweise beeinträchtigen könnte. Dies geschah mithilfe von Beschlüssen (decreta) und angefragten Gutachten (responsa). Sie besaßen das Monopol des Wissens um die Kultsprache und kultische Handlungen, wie auch der richtigen Reaktion auf Prodigien und beaufsichtigten alle Aspekte der Leichenversorgung. Zusätzlich waren sie für die Tagesqualifikation der Fasti und allgemein für die Organisation sakraler und profaner Zeit zuständig. Vor der Veröffentlichung des Kalenders 304 v. Chr. verkündigten die Pontifices sogar den Status jeden einzelnen Tages.

Neben dem Sakralrecht hatten die Pontifices auch Einfluss auf das Profan- und Zivilrecht. So hatten sie die Aufsicht über Veränderungen des rechtlichen Status einzelner, welche den Bestand der sacra privata betreffen konnen, wie etwa im Fall der Adoption von Personen, deren Vater nicht mehr am leben war, und fungierten in Belangen der sacra privata im Allgemeinen als Ratgeber und Autoritäten.

Ein wichtiger Aspekt des Kollegiums war die Schriftlichkeit. Täglich wurden wichtige Ereignisse (annales maximi) von den Schreibern des Pontifex Maximus protokolliert, niedergeschriebene Spruchformeln und Vorschriften waren für die korrekte Ausführung kultischer Handlungen unentbehrlich. Auch Prodigien und die darauf abgestimmten rituellen Antworten wurden festgehalten und bildeten so ein Archiv von Präzedenzfällen.


Quelle: Richard L. Gordon, Pontifex, Pontifices, Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd.X, Hrsg. Hubert Canick & Helmuth Schneider, Stuttgart/Weimar 2001