Sexualität

Aus Theoria Romana
Version vom 2. Dezember 2012, 14:04 Uhr von Marcus Iulius Dives (Diskussion | Beiträge) (Caesar-Link angepasst & Kategorien)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Sexualität wurde in Rom wie in der gesamten antiken Welt völlig anders als heute bewertet und empfunden.

Sexualmoral

In der frühen Republik wurde Sexualität als reine Privatsache behandelt und nach Möglichkeit aus dem öffentlichen Leben verbannt, ohne jedoch in irgendeiner Weise als sündig betrachtet zu werden, wie es später im Mittelalter üblich war. So war es üblich, sich nicht vor anderen zu entkleiden und während des Liebesaktes das Licht zu löschen. Auch warf der Censor Cato Censorius zwar einen Senator aus dem Senat, weil dieser vor den Augen seiner Tochter seine Frau geküsst hatte, lobte jedoch gleichzeitig einen jungen Mann, der aus einem Bordell kam für seine harmlose Art der Triebbefriedigung.

So galt es, Sexualität als natürlichen Trieb auszuleben und nicht zu unterdrücken, wenn man vom Keuschheitsgebot der vestalischen Jungfrauen während ihrer Dienstzeit absah. Gefördert wurde diese Sicht durch den Kontakt mit der Griechischen Welt.

Prostitution, sowie "Seitensprünge" mit den eigenen Sklavinnen und Sklaven waren weitestgehend gesellschaftlich anerkannt, während der Betrug mit einer Freien als impudicitia betrachtet wurde - wohl auch, um die moralischen Schutzzonen rund um die jungen Sprösslinge ehrbarer Römer aufrechtzuerhalten. Um dem starken pubertären Interesse an Sexualität - besonders bei Jungen - zu begegnen, war auch die Masturbation gesellschaftlich voll anerkannt und nicht mit Schuldgefühlen behaftet, auch wenn sie der Öffentlichkeit fern gehalten und nicht thematisiert wurde.

Auch im Alltag hatte die Sexualität einen hohen Stellenwert: Viele Alltagsgegenstände waren mit Phallus- oder anderen eindeutigen Symbolen verziert und wurden selbstverständlich verwendet oder zur Raumdekoration genutzt. Auch erotische Szenen als Wandmalereien waren durchaus üblich. Auch Theater-Vorstellungen endeten nicht selten mit einem Striptease der beteiligten Schauspielerinnen.

Während die Sexualität von Männern relativ freizügig behandelt wurde, mussten sich Frauen hier wesentlich härteren gesellschaftlichen Zwängen beugen. So war auch in der Kaiserzeit die univira (einmalig verheiratete Frau) das moralische Ideal einer Römerin.

Ehe und Sexualität

Die eheliche Sexualität wurde vornehmlich als zur Zeugung legitimer Nachkommen geschaffen betrachtet. Aus diesem Grund wurden für die persönliche sexuelle Erfüllung gern die äußerst preiswerten Lupanare aufgesucht. Auch die Barfrauen Roms verdingten sich häufig als Prostituierte, sodass diese Form des Seitensprungs sogar juristisch nicht als Ehebruch betrachtet wurde.

Auch die scharfe Ehegesetzgebung des Augustus, die Ehebruch und Verkehr mit unverheirateten freigeborenen Frauen mit harten Strafen bis hin zur Verbannung belegten, diente weniger zur Erhöhung der Moral als zur Steigerung der Geburtenraten der Oberschicht, die während der Bürgerkriege stark zur Ader gelassen worden war. Auswirkungen zeigte diese Gesetzgebung jedoch kaum.

Homosexualität

Gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte sind in zahlreichen antiken Quellen bezeugt. Sie waren im Altertum nicht verpönt, allerdings nur wenn sie sich innerhalb eines gesellschaftlich akzeptierten Rahmens bewegten. Dabei spielte der soziale Stand der Sexualpartner eine wichtige Rolle. Es wurde sehr genau zwischen aktivem und passivem Sexualverhalten unterschieden. Die Rolle des passiven Partners durfte nur eine Frau oder ein Knabe übernehmen, nicht jedoch ein erwachsener Mann. Denn mit dieser Rollenverteilung verband die antike Gesellschaft die Vorstellung einer strikten Trennung zwischen Dominanz und Unterwerfung, wobei dem Mann immer die Rolle des Dominierenden zukam.

In den griechischen Stadtstaaten waren homosexuelle Beziehungen dieser Art zwischen freien Männern an der Tagesordnung. Der eine Sexualpartner war dabei gewöhnlich ein 20 bis 30 Jahre alter Mann, der andere ein Knabe von etwa 12 bis 18 Jahren. Diese Form der Homosexualität wurde paiderastia (griech. "Knabenliebe") genannt und war Teil eines Initiationsritus, bei dem die männlichen Jugendlichen in die Welt der erwachsenen Männer eingeführt wurden. Zumindest im antiken Sparta war die paiderastia ein fester Bestandteil der staatlich geregelten Erziehung.

Das griechische Vorbild beeinflusste die Haltung der vorchristlichen römischen Gesellschaft zur männlichen Homosexualität. Sexuelle Handlungen zwischen Männern unterschiedlichen Alters wurden akzeptiert, genossen aber nicht mehr das Ansehen einer Initiation des jüngeren Sexualpartners. Dieser sich unterordnende Knabe war – zumindest nach den Normvorstellungen der römischen Gesellschaft – deshalb auch kein Freier, sondern ein junger Sklave, mit dem der Ältere seine Homosexualität auslebte. Homosexualität zwischen ranggleichen, freien und gleichaltrigen Römern galt ebenso als anstößig wie Transvestitismus (vom lat.: trans: hinüber und vestire: kleiden). Auch der Umgang mit männlichen Prostituierten (lat. pueri meritorii: Strichjunge) entsprach vermutlich nicht den gängigen Moralvorstellungen.

In der späten Republik wurden Personen des öffentlichen Lebens wegen ihres angeblichen oder wirklichen Sexuallebens häufig von ihren Gegnern verunglimpft. Von Marcus Tullius Cicero ist die Aussage überliefert, dass bösartiger Klatsch über päderastische Beziehungen bei allen Politikern im Umlauf seien, die in ihrer Jugend einigermaßen attraktiv waren. Gaius Iulius Caesar wurde angeblich verspottet, weil man ihm unterstellte sich dem bithynischen König Nikomedes IV. "sexuell unterworfen" zu haben, als er 81 v. Chr. mit 19 Jahren in diplomatischer Mission an dessen Hof weilte.

Im Gegensatz zur männlichen Homosexualität gibt es über die weibliche nur sehr wenige Zeugnisse aus antiker Zeit. Homoerotische Beziehungen zwischen Frauen sind zwar Gegenstand der Lyrik der Dichterin Sappho von Lesbos (um 600 v. Chr.), aber sie stellt eine Ausnahme dar. Männliche Autoren beschäftigten sich kaum mit diesem Aspekt der Sexualität, oder sie lehnten sie als widernatürlich ab.

Mit der zunehmenden Verbreitung des Christentums verlor dann jegliche Form der Homosexualität ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Die spätantike Gesetzgebung stellte homosexuelle Handlungen unter Strafe.

Verhütung

Obwohl die römische Kultur Aussetzung und Abtreibung als Mittel zur Familienplanung akzeptierte, genossen auch Verhütungsmittel große Beliebtheit. So verwendete man Zedernharz, Essig, Salzwasser oder Olivenöl als "Aufstrich" auf die Geschlechtsorgane, sowie manuelle Entfernung des Spermas nach dem Geschlechtsakt. Ebenso verwendete man wollene "Kondome", die mit Olivenöl, Honig, Harz oder Wein getränkt wurden und tatsächlich die Mobilität der Spermien herabsetzen konnten. Selbstverständlich griffen abergläubische Menschen auch auf Amulette und "Zaubertränke" zurück. Beliebter als Empfängnisverhütung war jedoch die Abtreibung.

Bei dieser griffen die Frauen, die jedoch häufig von den Männern kritisiert wurden (nicht jedoch wegen des Kindes, sondern wegen der Gefahren für den Bestand der Nachkommen, sowie der Gefahr für die Frau selbst), nicht nur auf Eingriffe mit Metallsonden, sondern auch auf Tränke, sowie starke Abführmittel oder aber Einläufe zurück. Auch Ärzte halfen trotz des hippokratischen Eides ("auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben") oft bei derartigen Eingriffen, berieten und diskutierten die Abtreibung auch in der Fachliteratur.


Literatur: Karl-Wilhelm Weeber, Alltag im alten Rom – Das Leben in der Stadt, 3. verbesserte Auflage 2006