Zwölftafelgesetz

Aus Theoria Romana
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Das Zwölftafelgesetz (lat. Leges duodecim tabularum) ist eine um 450 v. Chr in Rom entstandene Gesetzessammlung, die in zwölf bronzenen Tafeln auf dem Forum Romanum ausgestellt war.

Die Schaffung des Zwölftafelgesetzes markiert den Höhepunkt der frühen Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Plebejern in der Römischen Republik.

In der nachfolgenden Zeit wurden sie vielfach ergänzt und ausgebessert.

Im Inhalt waren die Tafeln auf die Bedürfnisse des damaligen Agrarstaats zugeschnitten. Sie beinhalteten unter anderem Regelungen bezüglich Prozessordnung, Vollstreckung, Erb-, Nachbarschafts-, Verkehrs- und Deliktsrecht. Dabei nehmen die zivilprozessualen Regelungen den breitesten Raum ein. Nicht geregelt wurde jedoch die politische Ordnung des Gemeinwesens, samt Gerichtsverfassung, also nur das ius civile. Lückenhaft war auch, dass wichtige Definitionen vorausgesetzt, anstatt explizit erwähnt wurden. Statt zu verallgemeinern oder eine Vielzahl von Möglichkeiten durch Definitionen aufzufangen, wurde eher ein konkreter Fall erläutert. So war zum Beispiel auf Tafel 6 penibel aufgeführt, dass ein gestohlener Balken, der bereits wieder verbaut ist, nicht eigenmächtig entfernt werden darf. Besonders detailliert und wortreich waren Regelungen, die einem Schutzzweck dienten, wie z. B. das Verfahren mit einem Schuldner, den das Gesetz, wie noch näher erläutert, vor inhumaner Behandlung schützen wollte.

Das Zwölftafelgesetz ist nicht zur Gänze erhalten geblieben. Überliefert sind etwa 40 wortwörtliche Zitate und etwa 120 inhaltliche Hinweise.


Auszug aus der Tafel 1:

1. Wenn er (der Kläger jemanden) vor Gericht ruft, soll er (der Beklagte gehen. Wenn der Beklagte nicht geht, soll der Kläger Zeugen auffordern. Dann soll der Kläger den Beklagten ergreifen.

2. Wenn der Beklagte widerstrebt oder fliehen möchte, soll der Kläger Hand an ihn legen.

3. Wenn Krankheit oder hohes Alter den Beklagten hindert, soll ihm der Kläger ein Lasttier geben. Wenn er nicht will, muß er ihm keinen gedeckten Wagen zur Verfügung stellen.

4. Für einen Begüterten muß ein Begüterter Bürge sein. Für einen Bürger, der Proletarier ist (dh. der nur proles, Kinder hat), kann Bürge sein, wer will.

6. Wenn sie (die Parteien) die Sache gütlich beilegen, soll er (der Prätor den Vergleich für rechtskräftig) erklären.

7.Wenn sie (den Streit) nicht beilegen, sollen sie auf dem Komitium oder auf dem Forum (an einem Gerichtstag) vormittags ihre Anträge stellen. Sie sollen miteinander verhandeln und beide persönlich anwesend sein.

8. Am Nachmittag soll (der Prätor) den Streitggegenstand einer anwesenden Partei zusprechen.

9. Sind beide Parteien anwesend, ist die letzte Frist für die Urteilsverkündung der Sonnenuntergang.


Auszug aus der Tafel 2:

2. Wenn eine ernsthafte Krankheit ... oder ein unaufschiebbarer Termin mit einem Ausländer (einen Prozeßbeteiligten von der Teilnahme am Prozeß abhält), ... (so soll,) was immer von diesen Gründen der Teilnehme eines Richters, Schiedrichters oder Beklagten entgegensteht, dazu führen, daß die Pflicht zur Einhaltung des Termins aufgehoben wird.

3. Wenn ein geladener Zeuge ausgeblieben ist, so soll (die dadurch beschwerte Prozeßpartei) alle drei Tage vor dem Haus (des Zeugen) erscheinen und ihn vor aller Öffentlichkeit zum Erscheinen auffordern.


Auszug aus der Tafel 3:

1. Nach dem Recht der (gerichtlich) anerkannten Geldschuld und bei rechtskräftig entschiedenen Sachen sollen 30 Tage (Erfüllungsfrist) zu Recht bestehen.

2. Darnach soll die Ergreifung (des Schuldners) statthaft sein. Er (der Gläubiger) soll ihn vor Gericht führen.

3. Erfüllt er seine Urteilsverpflichtung nicht oder übernimmt niemand für ihn vor Gericht Bürgschaft, soll ihn der Gläubiger mit sich führen, fesseln, entweder mit einem Strick oder mit Fußfesseln im Gewicht von 15 Pfund, nicht mit stärkeren, wenn er aber will mit leichteren.

4. Wenn (der Schuldner) will, soll er sich selbst verpflegen. Geschieht das nicht, soll ihn (der Gläubiger), der ihn gefesselt hält, täglich mit einem Pfund Speltbrei versorgen. Wenn er will, soll er mehr geben.

5. Es bestand jedoch das Recht, in der Zwischenzeit die Sache gütlich beizulegen. Kam es aber nicht dazu, wurden (die Schuldner) 60 Tage in Haft gehalten. Innerhalb dieser Tage wurden sie an drei aufeinanderfolgenden Markttagen zum Prätor ins Comitium gebracht und es wurde ausgerufen, zu welcher Geldschuldhöhe sie verurteilt waren. Am dritten Markttag wurden die Schuldner entweder getötet oder nach jenseits des Tiber ins Ausland verkauft.

6. Am dritten Markttag sollen (die Gläubiger) sich die Teile schneiden. Wenn einer zu viel oder zu wenig abgeschnitten hat, soll dies ohne Nachteil sein.


Auszug aus der Tafel 4:

2. Wenn ein Vater seinen Sohn dreimal verkauft, so soll der Sohn vom Vater frei sein.


Auszug aus der Tafel 5:

3. Wie jemand letztwillig über sein Vermögen verfügt und die Nachlaßverwaltung geregelt hat, so soll es rechtsgültig sein.

4. Wenn jemand ohne Testament stirbt, der keinen unmittelbaren Erben hat, dann soll der nächste Agnat den Nachlaß erhalten.

5. Wenn kein Agnat vorhanden ist, dann sollen die Gentilgenossen den Nachlaß erhalten.

...

7. Wenn einer geisteskrank ist, so sollen die Agnaten und Gentilgenossen über seine Person und sein Vermögen die vormundschaftliche Gewalt haben.


Auszug aus der Tafel 6:

1. Wenn jemand eine Verbindlichkeit eingeht oder ein Personen- und Sachherschaftsrechtübeträgt, so soll das, was er mündlich feierlich versprochen hat, rechtsgültig sein.

...

4. (Grundstücke können nach zwei Jahren durch Ersitzung in fremdes Eigentum übergehen, andere Sachen nach einem Jahre) Gegeüber einem Ausländer soll der Eigentümer (jedoch) einen unbefristeten Herausgabeanspruch (wegen einer von diesem unrechtmäßig erworbenen Sache) haben.

...

8. Einen in gemeinsamem Besitz (verschiedener Eigentümer) stehenden Balken (etwa) in Gebäuden oder in einem Weingarten, der tragende Funktion hat, darf (einer der Mitberechtigten) nicht (einseitig) entnehmen.


Auszug aus der Tafel 7:

7. (Grundstückseigentümer, an deren Grund ein Wegerecht anderer besteht), sollen (dafür) einen befestigten Weg anlegen. Wenn sie ihn nicht mit Steinen befestigt haben, soll (der Wegberechtigte) sein Zugvieh (dort über das Grundstück) führen, wo er will.


Auszug aus der Tafel 8:

1. Wenn jemand in übler Nachrede einen anderen irgenwelcher Verbrechen oder Ehrlosigkeiten bezichtigt, ... (so erhält er dafür eine Kapitalstrafe).

2. Wenn jemand einem anderen ein Glied verstümmelt, und er sich nicht mit dem Verletzten einigt, so soll ihm das gleiche geschehen.

3. (Wenn einer mit bloßer Körperkraft oder mit einem Knüppel einem Freien einen Knochen gebrochen hat, so soll er eine Strafe von 300 Sesterzien zahlen, wenn einem Sklaven, eine von 150 Sesterzien).

4. Wenn jemand eine Injurie zugefügt hat, sollen 25 As Buße sein.

...

8. Wer Früchte auf fremdem Feld beschworen ... oder durch (Zauberei) ... fremde Saat zu sich herübergezogen hat, ... (wird mit schwerster Strafe bestraft).

...

12. Wenn jemand nachts einen Diebstahl begangen und der in seinen Rechten Angegriffene ihn dabei erschlagen hat, so soll das mit Recht geschehen sein.

13 (Wenn jemand) am hellen Tage ... (in seinem Haus von einem Dieb heimgesucht wird, so kann er), wenn er sich bewaffnet verteidigt, ... (den Eindringling töten) und soll die Leute in der Nachbarschaft (zu Hilfe oder als Zeugen) zu sich hereinrufen.

...

16. Wenn jemand (mit Recht) gegen einen Dieb Klage erhebt, der nicht auf frischer Tat überwältigt worden ist, so soll dieser Schadensersatz in Höhe des doppelten Werts des Gestohlenen leisten.

...

21. Wenn ein (patrizischer) Patron seinen Schutzbefohlenen betrügt, soll er der Gottheit verfallen (dh vogelfrei sein).

22. Wer sich bereit erklärt hat, als Zeuge oder als Gehilfe bei einem förmlichen Übereignungsgeschäft tätig zu sein, der soll, wenn er sich weigert, Zeugnis abzulegen, künftig als ehrlos und nicht mehr zeugnisfähig behandelt werden.

...

24. Wenn (jemand einen anderen ursächlich tötet oder verletzt, aber dabei) das Geschoß ihm mehr aus der Hand geglitten als absichtlich von ihm geschleudert worden ist, (dann wird ein Sühnebock gestellt.)


Auszug aus der Tafel 9:

1. Die Patrizier sollen sich auf keine Sonderregelung zu ihren Gunsten berufen können.


Auszug aus der Tafel 10:

1. Einen Toten soll man innerhalb der Stadt weder begraben noch verbrennen.

2.(Derjenige, der eine Leichenfeier ausrichtet, darf das Sinnvolle und Pietätsangemssene tun. Aber) ... mehr als das darf er nicht tun. Das Scheiterhaufen-Holz darf er mit der Axt nicht glätten.

3. Die Frauen sollen ihre Wangen nicht zerkratzen, und sie sollen kein Klagegeschrei beim Leichenbegängnis anstimmen.

...

5. Von einem (bereits feierlich verbrannten oder beerdigten) Toten soll man nicht die Gebeine sammeln, um dann nochmals ein Leichenbegängnis zu veranstalten.

...

7. Wer einen Ehrenkranz aufgrund persönlicher Leistungen oder wegen Einsatzes seines Vermögens (für öffentliche Belange) erworben hat, dem wird dieser im Hinblick auf Ansehen und Verdienst (des Trägers) ins Grab mitgegeben. ...

8. (Irgendwelche wertvollen Gegenstände) ... oder Gold soll niemand (einem Toten) ins Grab mitgeben. Aber wenn jemandem die Zähne mit Gold befestigt sind, so soll es nicht unzulässig sein, wenn man ihn mit diesem Gold begräbt oder verbrennt.


Auszug aus der Tafel 12:

2. Wenn ein Sklave einen Diebstahl begangen oder einen Schaden angerichtet hat, ... (ist es dem Herrn getsattet, statt einer Schadensersatzleistung den Sklaven selbst dem Geschädigten zu übereignen).

3. Wenn jemand zu Unrecht eine im Streit befindliche Sache zeitweilig (als Besitz und zur Nutzung) zugewiesen erhalten hat, so soll der Prätor, wenn der Gegner es beantragt, drei Schiedsleute ernennen, und nach deren Urteil soll (der ungerechtfertigt Begünstigte dem Berechtigten) Schadenbsersatz in Höhe des Doppelten (des geschätzten Sachertrages) leisten.


Anmerkung von Hungi: Die Worte in Klammern erklären entweder den Tatbestand näher oder sind keine Originalzitate von den Zwölf Tafeln. In letzterem Falle stammen die Zitate dann von römischen Juristen.