Epikureismus

Aus Theoria Romana
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Der Epikureismus stellte neben der Stoa die einflussreichste philosophische Schule des Hellenismus und der römischen Kaiserzeit dar. Mit ihrem mechanistischen Weltbild und einem ethischen Hedonismus weist sie einige Aspekte auf, die sie dem modernen Leser leicht zugänglich machen.

Entwicklung

Epikur (341-271 v. Chr.)

Epikur wurde der Überlieferung nach am 20. Gamelion (entspricht etwa dem Januar) 341 v. Chr. als Sohn des attischen Kolonisten Neokles auf Samos geboren. Er hatte noch drei Brüder namens Neokles, Chairedemos und Aristobulos.

Bereits in seiner Jugend widmete er sich der Philosophie, vermutlich vor allem Platon und Aristoteles und lernte während seiner Ephebie mit achtzehn Jahren in Athen vermutlich bei dem Platoniker Xenokrates.

Ab 311 v.Chr. wurde er dann selbst als Lehrer der Philosophie tätig - zuerst in Mytilene, wo er seinen späteren Nachfolger Hermarchos kennen lernte, dann in Lampsakos, wo er auf Metrodoros und Kolotes traf. Gemeinsam zog man um 307 v. Chr. schließlich nach Athen, wo Epikur ein Haus mit dem später für seine Schule namensgebenden Garten (kepos) erwarb. Dort scharte er einen Freundeskreis um sich, um gemeinsam zu leben und zu philosphieren.

271 v.Chr. verstarb er schließlich, nachdem er über lange Zeit ein schmerzhaftes Nierenleiden mit einer Gelassenheit ertragen hatte, die auch seine Kritiker lobte.

Werke Epikurs

Epikurs Werke sind nur teilweise überliefert. Zu den wichtigsten zählen drei Briefe: Ein Brief an Herodot über Naturlehre und Erkenntnistheorie, an Pythokles über Himmelserscheinungen (vor allem Metereologie und Astronomie) und einer an Meoikeus über seine Theologie und Ethik.

Als weiteres bereits in der Antike zentrales Werk sind außerdem seine Lehrsätze erhalten, die in 40 Sentenzen seine Lehre zusammenfassen und von seinen Schülern regelmäßig wiederholt und meditiert wurden. Besondere Bedeutung hatten dabei die ersten vier Sätze, die auch als "vierfaches Heilmittel" bezeichnet wurden:

"I. Ein glückliches und unvergängliches Wesen hat weder selbst Schwierigkeiten, noch bereitet es einem anderen Schwierigkeiten. Daher hat es weder mit Zornesausbrüchen noch mit Zuneigung zu tun; denn alle Gefühle dieser Art sind Zeichen von Schwäche.
II. Der Tod hat keine Bedeutung für uns; denn was sich aufgelöst hat, empfindet nichts; was aber nichts empfindet, hat keine Bedeutung für uns.
III. Die Größe der Lust hat ihre Grenze in der Beseitigung allen Schmerzenden. So lange aber Lust empfunden wird, gibt es dort, wo sie empfunden wird, nichts, was weh tut oder traurig macht oder beides zusammen.
IV. Was schmerzt, spürt man nicht ununterbrochen im Fleisch; vielmehr ist der größte Schmerz nur von kurzer Dauer; der Schmerz aber, der die Lust im Fleisch kaum übersteigt, dauert nicht viele Tage lang. Lange andauernde Krankheiten gewähren mehr Lust im Fleisch als Schmerz."

Ähnlich gehalten sind auch die Lehrsätze des Gnomologium Vaticanum, die sich mit den 40 Hauptlehrsätzen teilweise überschneiden.

Darüber hinaus verfasste Epikur zahlreiche weitere Schriften und Briefe, die fragmentarisch oder durch Zitate anderer Autoren überliefert sind. Hier ist etwa das umfangreiche Buch "Über die Natur" (Peri physeos) zu nennen.

Der Garten in Athen

Nach Epikur übernahm sein Schüler Hermarchos die Leitung des Freundeskreises, der sich weiterhin im Kepos traf. Ihm folgten Polystratos (gest. vor 220 v. Chr.), Dionysios von Laptrai (gest. 201/200 v. Chr.), Basileides von Tyrus (gest. ca. 175 v.Chr.), Apollodoros Kepotyrannos (Schulleiter ca. 150-110 v. Chr.), Zenon von Sidon (gest. 75 v. Chr.), Paidros und Patron. Um 50 v. Chr. ging die Schule in Athen offenbar ein, wobei im 2. Jahrhundert n. Chr. wieder eine epikureische Schule dort belegt ist.

Nach dem Tod ihres Lehrmeisters genoss dieser eine geradezu göttliche Verehrung durch seine Schüler, die ihn als vollendeten Weisen betrachteten. So feierte man jährlich seinen Geburtstag (gen. Eikades, ebenso jeweils den 20. jedes Monats), aber auch die Geburts- und Todestage seiner Eltern, Brüder und Nachfolger, und mahnte sich gegenseitig, stets so zu handeln, als sehe Epikur zu. Dies zeigt sich auch in einer großen Produktion von Bildnissen des Meisters in Statuen, Bildern und Büsten.

Eine weitere Folge der Verehrung Epikurs war die Entwicklung einer philologischen Exegese der Schriften des Meisters, über deren rechtmäßige (orthodoxe) Auslegung vor allem der Garten in Athen wachte. Trotz einer gewissen Weiterentwicklung der Lehre sagte man den Epikureern daher einen gewissen Dogmatismus nach, weshalb "Pou keitai?" (Wo steht es?) als typische Frage für sie galt.

Wie er lebte man auch weiter in einem Freundeszirkel, der kaum hierarchisch strukturiert war, die Individualität jedes Einzelnen hochschätzte und Freundschaft als zentralen Wert lebte. Finanziert wurde dieses Philosophenleben vor allem über Schenkungen reicher Gönner.

Schulen außerhalb Athens

Neben Athen existierten weitere Zirkel in griechischen Städten, mit denen schon Epikur in Briefkontakt gestanden war. So sind etwa der Kreis von Philonides von Laodikeia auf Pontos, der des Protarchos von Bargylia und eine Gruppe auf Rhodos zu nennen.

Diese Gruppen entwickelten die Lehre Epikurs teils auch abweichend von der Athener Schule weiter, so etwa Timokrates schon zu Lebzeiten des Meisters, später etwa die sophistai genannten Epikureer auf Kos und Rhodos, Nikasikrates, der beispielsweise postulierte, dass der Weise überhaupt keine Begierden mehr habe, oder Antiphanes, der die Lehre über die Götter modifizierte.

Für Rom sind erstmals im Rahmen der Philosophengesandtschaft an den Senat 155 v. Chr. Epikureer belegt, die aber ebenso wie die ca. 50 v. Chr. polemisch auftretenden Philosophen Caius Amafinius, Caius Catius und Rabirius mit der Einrichtung eines Kreises scheiterten.

Dennoch etablierte sich die von Männern wie Cicero und der Stoa] bekämpfte Lehre in Italia und gelangte im ersten Jahrhundert n. Chr., getragen von griechischsprachigen Zirkeln in Campania und dem einflussreichen Autoren Lukrez, zu einer "Epikureische Renaissance" in Rom.

Weitere Entwicklung

Mit dem Aufkommen des Christentums, das den Epikureismus als gottlos und damit häretisch bekämpfte, verlor die Lehre Epikurs an Bedeutung. Dennoch überlebten einige Schriften und Gedanken bis ins Mittelalter, wo sie jedoch indirekt weiter Einfluss ausübten.

Der Humanismus entdeckte Epikur, den man auch als ethisch gute Persönlichkeit schätzte, schließlich neu und bemühte sich zunehmend, seine Lehre mit der christlichen zu harmonisieren.

Die Lehre Epikurs

Allgemeines

Epikur vertrat eine hedonistische Philosophie, deren höchstes Gut das persönliche Glück (eudaimonia) darstellte. Um dieses zu erreichen, galt es einerseits, Lust zu gewinnen (Hedonismus), andererseits, Schmerz (in einem weiteren Sinne, vor allem durch Angst) zu vermeiden.

Diesem Zweck diente auch die Philosophie als "Therapie" bzw. Hilfe zur Selbsthilfe: Die Naturwissenschaft (Physiologie) zur Beruhigung vor der Angst vor den Göttern und dem Tod, die Ethik zur Steuerung der eigenen Begierden. Insofern diente die Theorie lediglich einer Verbesserung der Praxis und wurde gern lehrbuchhaft als Anleitung zur ars vitae vermittelt.

Erkenntnistheorie (Kanonik)

Grundlage der Lehre Epikurs bildete eine Erkenntistheorie, die er in dem Buch "Über das Kriterium" (bzw. Kanon, griech. "Maßstab") entwickelte.

Demnach bildeten die Sinneswahrnehmungen (aisthesis) die Grundlage aller Wahrheit: Im Rahmen der atomistischen Theorie stellten sie die mechanische Aufnahme von Atomen dar, die in Form kleiner Bilder (eidola) von allen Objekten ausgeschickt und von den Sinnesorganen aufgenommen wurden. Insofern galten sie als unabhängig von der menschlichen Vernunft und damit irrtumsfrei (erst die Verarbeitung durch den Verstand konnte somit zu Fehlschlüssen führen).

Aus diesen wiederholt wahrgenommenen Sinneseindrücken bildeten sich schließlich Vorbegriffe (prolepseis), d.h. Allgemeinbegriffe, die wiederum zum Maßstab zur Beurteilung weiterer Wahrnehmungen würden. Darunter fielen etwa Bezeichnungen wie "Turm", aber auch allgemeinere Begriffe wie "Gerechtigkeit", an denen das Wahrgenommene gemessen werden konnte. Neben Sinneseindrücken könnten diese Vorbegriffe jedoch auch sprachlich durch die Verknüpfung einzelner Wortbedeutungen produziert werden.

Die dritte Grundlage der Erkenntnis von Wahrheit stellten schließlich die Empfindungen (pathe) dar. Sie beurteilten die Wahrnehmungen am Kriterium "Lust oder Unlust hervorrufend" und damit als positiv oder negativ.

Somit leiteten sich auch das zweite und dritte Kriterium aus den Sinneswahrnehmungen ab. Dennoch hielt Epikur auch eine Erkenntnis ohne unmittelbare Beobachtung für möglich: Hypothesen seien durch Gegenbestätigung (antimartyresis) oder Nicht-Gegenbestätigung aus dem sinnlich Wahrnehmbaren heraus zu verifiziert. In diesem Fall bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass mehrere Erklärungsansätze für das dasselbe Phänomen gefunden wurden - die dann gleichberechtigt nebeneinander stehen blieben.

Mit dieser Erkenntnistheorie grenzte Epikur sich scharf gegen den Skeptizismus ab, gegen den er verschiedene Argumente ins Feld führte: Wer glaube, nichts zu wissen, könne keine Entscheidungen für oder gegen ein Handeln treffen und müsse somit zum Sterben verdammt. Ebenso stelle es einen logischen Widerspruch dar zu behaupten, man wisse sicher, nichts zu wissen. Schließlich seien selbst die Begriffe "Wissen" bzw. "Wahrheit" ohne eine sinnliche Herleitung überhaupt nicht zu bilden und damit eine sinnvolle Rede darüber unmöglich.

Naturlehre (Physik)

Bei der Naturlehre schloss Epikur sich dem Atomismus Demokrits an: Die Welt bzw. der Kosmos bestünden aus unteilbaren, unwandelbaren und unvergänglichen Atomen (atomoi physeis), die sich im leeren Raum (kenon) bewegten. Dieses mechanistische Weltbild hatte die Funktion, dem Menschen durch Einsicht die Angst vor unbekannten Naturphänomenen oder vor den Göttern zu nehmen. Dennoch lässt sich in Epikurs Hauptwerk "De natura" auch eine Beschäftigung mit Physik über diese Funktion hinaus erkennen.

Bei der Ausarbeitung dieser Form des Atomismus ging Epikur von zwei Prinzipien aus, die in der zeitgenössischen Philosophie als Allgemeinplätze galten: Körper bewegten sich, wie die Wahrnehmung lehre, und nichts könne aus nichts entstehen. Insofern müsse es Körper geben, die in einer Leere existierten (da sie sich sonst nicht bewegen könnten). Diese Leere, das All, sei wiederum unveränderlich (und damit ohne Anfang und Ende), da sie keine Außenwelt besitze, die eine Veränderung hervorrufen könne.

Die Erde und alle Objekte auf ihr seien damit Verbindungen aus kleinen, unteilbaren, unvergänglichen und unwandelbaren Teilchen (Atome). Diese hätten jeweils spezifische wesentliche Eigenschaften (symbebēkóta), nämlich Gestalt, Gewicht und Größe, sowie beiläufige Eigenschaften (symptomata) wie Freiheit, Armut, o.ä. In Abgrenzung zu Demokrit schrieb er allen Atomen ein ständiges Streben nach unten zu (in gleicher Geschwindigkeit, da in der Leere), was den ersten Antrieb für Bewegung darstelle. Durch spontane Abweichungen (parenklisis) nun stießen die Atome in ihrer Bewegung zusammen und bildeten Verbindungen, die wiederum Objekte bildeten. Ebenso wandte er sich gegen die Skepsis Demokrits gegen die Sinne - Atomverbindungen hätten klar erkennbare Eigenschaften, die nicht nur subjektiv, sondern objektiv wahrnehmbar seien.

Der Kosmos stellte somit einen zufällig entstandenen, geschlossenen Raum dar, in dem sämtliche Phänomene mechanisch erklärbar seien (wenn auch häufig auf der unsichtbaren, atomaren Ebene) und der neben einer Vielzahl weiterer, zufällig entstandener Welten existiere. Damit sei Angst vor Naturphänomenen wie Himmelserscheinungen oder eine Furcht vor Göttern, die in die Welt eingriffen, überflüssig.

Götterfurcht (Theologie)

Trotz der Vorwürfe des Atheismus durch Zeitgenossen und spätere Autoren leugnete Epikur jedoch nicht grundsätzlich die Existenz von Göttern. Vielmehr betrachtete er sie als materielle Wesen, die undsterblich und in höchster Glückseligkeit zwischen den Welten existierten. Aus dieser Glückseligkeit war jedoch auch zu folgern, dass sie kein Interesse an der Welt der Sterblichen haben konnten und somit auch nicht in sie eingriffen (zumal die Existenz des Leids auf der Welt die Möglichkeit ausschloss, dass gute Götter dies wirklich täten).

Dass sie dennoch existierten, betrachtete Epikur als evident. Ebenso hielt er ihre Verehrung für sinnvoll - sofern sie in einem Nacheifern nach der göttlichen, vollkommenen Glückseligkeit bestünde und nicht in sinnloser, kultischer Verehrung, die die Götter ebensowenig interessiere wie die übrigen Läufe der Welt. Damit wiederum war auch eine Furcht vor göttlichen Eingriffen oder Strafen sinnlos.

Ob sich darin nicht doch ein versteckter Atheismus verberge, war bereits bei den Zeitgenossen umstritten, zumal diese Theologie in gewisser Weise im Widerspruch zu Epikurs Atomtheorie stand. Diese schloss Unsterblichkeit aus materiellen Gründen nämlich eigentlich aus. Ob sie daher womöglich nur als menschliche Projektionen höchster Glückseligkeit galten, bleibt unklar.

Todesfurcht (Psychologie)

Das streng materialistische Weltbild bezog Epikur auch auf die Seele als Sitz der menschlichen Vernunft. Auch bei ihr handele es sich lediglich um ein atomar aufgebautes Organ, das in der menschlichen Brust sitze und von dort mit den anderen Organen des Leibes interagiere. Sie bestehe aus den Elementen Feuer, Luft, Wind und einem besonders feinen, namelosen Element und sei für das vernünftige Denken und Wahrnehmen zuständig.

Hinzu trat der ebenfalls aus Atomen aufgebaute Geist, der im ganzen Körper bestehe und mit diesem vor Ort interagiere - vergleichbar mit dem heute entdeckten periphären neben dem zentralen Nervensystem.

Aus dem Aufbau des Geistes aus Materie war jedoch zu folgern, dass er - wie der Körper auch - nach dem menschlichen Tod zerfalle und somit verschwünde. Er sei damit weder zu Empfindungen fähig, noch verblieben mit der Auflösung der Atomverbindungen Erinnerungen oder andere Aspekte der Persönlichkeit in irgendeiner Form bestehen.

Daraus war zu schließen, dass der Tod als weitere große Angst des Menschen ebenfalls grundlos war: Wenn mit dem Tod die Existenz des Menschen inklusive seines Bewusstseins endete, könne der Tod für niemanden einen Schaden darstellen (denn die Lebenden beträfe er ja nicht) - "Wenn wir sind, ist der Tod nicht da; wenn der Tod da ist, sind wir nicht" (epist. Men. 125), womit eine Angst vor ihm unbegründet war.

Als weiteres Argument gegen eine Angst vor dem Tod führte Epikur außerdem ins Feld, dass auch das Bewusstsein um die eigene Nichtexistenz vor der Geburt kein Anlass zur Angst sei, was er als "Spiegel" der Natur betrachtete, aus dem zu erkennen sei, dass auch die eigene Nichtexistenz nach dem Tod keinen Anlass zur Sorge darstelle.

Umgang mit den Begierden (Ethik)

Diese Grundannahmen mündeten in eine epikureische "ars vitae" (Lebenskunst), die sich ausschließlich am individuellen Glück und damit hedonistisch orientierte. Dies implizierte einen Umgang mit den menschlichen Begierden vor dem Maßstab des persönlichen Lustgewinns bzw. der Schmerzvermeidung - wobei Epikur damit nicht auf einen vordergründigen Hedonismus im Sinne eines "Iss, trink und sei fröhlich", wie die Kyrenäer ihn vertraten, sondern Glückseligkeit eher im psychischen Bereich anstrebte.

Lust wurde hier als Abwesenheit sowohl von körperlichem Schmerz (aponia), die aus sich zu einer freudigen Empfindung führte, als auch von geistiger Verwirrung (ataraxia) definiert. Dass diese als höchste Richtschnur des Handelns zu betrachten sei, betrachtete er mit dem Verweis auf das Verhalten von Kleinkindern, aber auch die unmittelbare Einsichtigkeit eines derartigen Vorgehens als evident.

Zu unterteilen war die Lust dabei in zwei Formen: die kinetische Lust (= in Bewegung), die während der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung und mit den Sinnen verbunden zu spüren war (also etwa beim Essen), sowie die "katastematische", statische Lust, die als Zustand nach der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung (also etwa dem Gefühl der Sattheit nach dem Essen) definiert war. Da letztere die dauerhaftere Quelle der Lust darstellte, zog Epikur sie der ersteren vor.

Den Schmerz als Gegenpol (ein Zustand zwischen Lust und Schmerz existierte laut Epikur nicht) war ebenfalls abgestuft in einen physischen, rein gegenwartsbezogenen Schmerz (etwa eine Wunde) und einen geistigen Schmerz mit Bezug auf Vergangenheit (etwa Reue) oder Zukunft (Furcht). Insbesondere die Furcht vor der Zukunft, den Göttern und dem Tod wertete Epikur dabei als größten Schmerz, der zur Gewinnung der Seelenruhe (ataraxia) auszuschalten war.

Die Entstehung von Lust und Schmerz ergab sich wiederum aus dem Umgang mit den individuellen Begierden, die entweder befriedigt oder eliminiert werden mussten, um Lust zu gewinnen. Tendenziell empfahl Epikur dabei die zweite Variante, wobei er auch hier Unterscheidungen nach der Art der Begierden traf: So gäbe es natürliche, notwendige Begierden wie die Bedürfnisse nach Nahrung, Sicherheit etc. Da diese einerseits begrenzt und damit leicht zu befriedigen seien, zugleich ein hohes Maß an Lust generierten und ohnehin kaum zu eliminieren seien, war hier eine Befriedigung zu empfehlen. Vergebliche und leere Begierden wie die nach Macht, Reichtum, Ansehen etc. waren dagegen zu eliminieren, da sie potentiell unbegrenzt und damit kaum zu befriedigen waren, darüber hinaus aber ohnehin nur gesellschaftlich vermittelt und nicht natürlich seien. Dazwischen lagen natürliche, nicht notwendige Begierden wie das Bedürfnis nach speziellen Nahrungsmitteln o.ä., die also auch anderweitig zu befriedigen waren. Hier riet Epikur, leicht erreichbare Begierden einfach zu befriedigen, sich im übrigen jedoch nicht davon abhängig zu machen und sie im Zweifelsfall zu eliminieren. Insofern lag hier eine eher asketische Lebensform nahe, die sich auf die notwendigen Begierden begrenzte.

Die Entscheidung über den Umgang mit Begierden bedurfte eines Kalküls über die kurzfristigen und langfristigen Konsequenzen ihrer Befriedigung hinsichtlich der daraus erfolgenden Lust und des Schmerzes. Diese erfolgte aus dem freien Willen des Menschen, der trotz des materialistischen Vernunftverständnisses als gegeben betrachtet wurde, was durch die Möglichkeit spontaner Abweichungen der Atome in ihrem Streben physisch erklärbar erschien.

Diese Maximen relativierten gängige Werte der Antike wie Tugendhaftigkeit (aretai) oder Bildung als reine Instrumente zur Gewinnung individueller Glückseligkeit. Damit zogen die Epikureer scharfe Kritik vor allem der Stoa auf sich, obwohl Epikur durchaus den Nutzen typischer Tugenden wie Mäßigung oder Mut, aber auch der Erwerb von Wissen gegen die Furcht vor dem Unbekannten als der eigenen Glückseligkeit zuträglich und somit als erstrebenswert akzeptierte.

Erkennbar ist dies etwa anhand seines Umgangs mit der Gerechtigkeit: Sie galt für ihn als Übereinkunft innerhalb einer Gruppe, weder zu verletzen, noch verletzt zu werden (und damit das Bedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen). Galt diese Übereinkunft, sei es sinnvoll, den Schmerz durch die Bestrafung einer Übertretung dieser Übereinkunft zu meiden. Genüge das als Motivation für die Einfältigen, sei dies für den Weisen nicht erforderlich, da er einerseits Einsicht in den Nutzen von Gesetzen habe, sich andererseits von den Begierden frei gemacht habe, die man durch ungerechtes Handeln zu befriedigen versuche. Dies bedeutete andererseits nicht, dass damit automatisch alle Gesetze, die ja derartige Übereinkünfte darstellten, als gerecht einzustufen waren - auch hier war abzuwägen, ob sie für die Individuen innerhalb einer Gesellschaft Nutzen besaßen oder nicht, was wiederum von den individuellen Umständen abhängen konnte, unter denen eine Gesellschaft lebte.

Trotz des individuellen Hedonismus empfahl Epikur jedoch Freundschaft als zentralen Wert, der besonders intensiv von seinen Schülerkreisen gepflegt wurde. Gerechtfertigt wurde dies durch das Höchstmaß an Lust, das freundschaftliche Beziehungen bereiteten (insbesondere, da sie Sicherheit gewährleisteten, während Einsamkeit Unsicherheit nach sich zöge). Zu ihrem Gelingen sei gegenseitiges Vertrauen notwendig, aber auch der gleiche Umgang mit dem Freund wie mit sich selbst.

Der epikureische Weise

Folge dieser Überlegungen war das Idealbild eines Weisen, der erstaunliche Ähnlichkeit zum dem des stoischen Weisen aufwies: Auch er sollte sich in erster Linie durch Seelenruhe (ataraxia) auszeichnen, die ihn unabhängig von allen äußeren Umständen machte (etwa von Göttern oder der Angst vor dem Zufall).

Dafür bot die epikureische Literatur zahlreiche konkrete Empfehlungen für das praktische Leben, von der Heirat über das Verhalten auf dem Symposion bis hin zum Umgang mit den eigenen Sklaven. Hinsichtlich politischen Engagements etwa galt die Notwendigkeit dieser Tätigkeit abzuwägen: Allgemein wurde von ihr als mit Schmerz verbundener Tätigkeit abgeraten. Zeitweise konnte sie jedoch gerechtfertigt sein, um etwa langfristig die Begierde nach Sicherheit zu befriedigen und damit eine statische Lust hervorzubringen.


Literatur:
Tiziano Dorandi: Schule des Epikur, in: DNP.
Michael Erler: Epikur, in: DNP.
Tim O’Keefe: Epicurus (341—271 B.C.E.), in: Internet Encyclopedia of Philosophy.