Lex Iulia de adulteriis coercendis
18 v Chr, gehört zu den augusteischen Ehegesetzen.
Tatbestand
Die Lex Iulia de adulteriis coercendis (in weiterer Folge schlicht Lex Iulia genannt) erhebt adulterium (Ehebruch) und stuprum (Schändung) zum strafrechtlich zu verfolgenden Delikt, bezogen auf den Täter oder den Anstifter, sofern dolus malus (Arglist) vorhanden ist. Adulterium bedeutet den Einbruch des Mannes in eine fremde Ehe, also den sexuellen Verkehr eines Mannes mit einer nicht mit ihm verheirateten Frau. Der Ehebruch eines verheirateten Mannes blieb straffrei, sofern er nicht den Tatbestand des stuprums erfüllte, nämlich die Verführung von Jungfrauen und Witwen sine vi (ohne Gewalt), jedoch auch mit freien, jungen Männern, die gegen ihren Willen verführt wurden. Zu beachten ist aber, daß die Verführte beim stuprum "ehrenhaft" (honestus) leben mußte, das bedeutet, daß eine Frau nicht infam (minderer Ehre) sein durfte. Eine Vergewaltigung gehört nicht hierher, diese wurde in der Lex Iulia de vi publica et privata geregelt.
Es wurden aber auch weitere Vergehen dem adulterium gleichgestellt und bestraft: das Inzestverbot: die Ehe zwischen Eltern und Kindern bis zu den Urenkeln (anders gesagt: unbeschränkt in gerader Linie), zwischen Geschwistern, mit der Tochter der Vaterschwester, zwischen Stiefeltern und -kindern, Schwiegereltern und -kindern; die Blutsverwandtschaft galt auch für Freigelassene und Sklaven. Sporadische sexuelle Kontakte und der Konkubinat fielen ebenso unter das Inzestverbot. Die Verbote bezogen sich auch auf Adoptivverhältnisse, jedoch konnte man unter Lösung der Adoption die Strafbarkeit durch die Lex Iulia vermeiden. Wurde innerhalb der Verwandtschaft und Schwägerschaft (adfinitas) geheiratet, war die Ehe nichtig und die Kinder unehelich, die Mitgift konnte nicht zurückgefordert werden. In der Forschung ist umstritten, ob die Inzestverbote wirklich Teil der Lex Iulia waren, doch neuere Forschungen tendieren zu dieser Annahme.
Täter konnte jeder sein, unabhängig von Personenstand und Status, also auch Sklaven. Auch Beihilfevergehen werden vom Tatbestand der Lex Iulia erfasst. So kriminalisiert diese jede Art der Beihilfe oder Vorschubleistung zum Ehebruch. Frauen, die ihr Haus hierfür zur Verfügung stellen werden bestraft wie Ehebrecherinnen; Gatten, die ihre im Ehebruch ergriffene Frau nicht fortschicken und sie anzeigen oder die den Ehebrecher entkommen lassen, können des lenocinium (der Zuhälterei) beschuldigt werden, außerdem dann, wenn sie aus dem adulterium der Frau finanzielle Vorteile ziehen (dies gilt auch für die Frau, die dann als Ehebrecherin gilt). lenocinium ist ferner jedes Verdecken von Ehebruch, jede tätliche Beihilfe, jeder Rat dazu und jeder Gewinn daraus. Männer, die wissentlich eine adultera heirateten, konnten wegen lenocinium belangt werden (allerdings wirklich nur bei einer Heirat, ein Konkubinatsverhältnis war davon nicht betroffen).
Sanktion
Die Strafen konnten unterschiedlich ausfallen. Wurde eine Frau beim Ehebruch von ihrem Vater oder ihrem Ehemann erwischt, konnten beide die Ehebrecherin töten (ius occidendi iure patris vel mariti). Es mußten aber mehrere Voraussetzungen gegeben sein: Der (natürliche oder Adoptiv-) Vater mußte im Besitz der patria potestas (es galt also nicht, wenn der Vater der Ehebrecherin selber unter der patria potestas stand) und Gewalthaber seiner Tochter sein bzw. sie durch seine auctoritas in manum verheiratet haben, die Tochter durfte also nicht sui iuris sein. Weiters mußte der Vater den Ehebrecher in seinem Haus oder dem des Ehemannes überrascht und diesen zusammen mit der eigenen Tochter getötet haben, wenn diese Tötung straffrei bleiben sollte. Der Ehemann hatte ein noch eingeschränkteres Tötungsrecht, wenn er den Ehebrecher in seinem Haus ergriff, durfte er, wenn er filius familias (Haussohn) war, einen in seinem Haus ertappten Sklaven, Gladiator oder Tierkämpfer töten, nicht aber seine Ehegattin. War der Ehegatte sui iuris, zusätzlich dazu Schauspieler, Zuhälter, Tänzer und Sänger. Der Grund für diese etwas merkwürdige Regelung war, daß das häusliche Tötungsrecht quasi nicht mehr ausgeübt werden sollte, da ja der Vater oder Ehemann in den seltensten Fällen erkennen konnte, zu welcher Gruppe der Ehebrecher zählte. Auch kann man aus dieser Norm ersehen, welchen Stellenwert diese Bevölkerungsgruppen in der Gesellschaft hatten.
Nach einer Verurteilung wegen Ehebruchs verlor die adultera ein Drittel ihres Vermögens sowie die Hälfte ihrer Mitgift an den Staat und sie wurde auf eine Insel verbannt (relegatio in insulam). Der Ehebrecher wurde auf eine andere Insel verbannt, er verlor die Hälfte seines Vermögens, war er des stuprums an einem Mann verurteilt, der jedoch dies freiwillig erduldete, fehlte die relegatio.
War eine Frau wegen Ehebruchs verurteilt bzw öffentlich "gebrandmarkt", durfte sie keine weitere Ehe mehr eingehen (mit einem Freigeborenen), sie durfte vor Gericht nicht als Zeugin erscheinen und nicht testieren. Das Heiratsverbot war an sich keine Sanktion der Lex Iulia an sich, sondern eine rechtliche Konsequenz, die der Ergreifung und Verurteilung folgte. Als Ehebrecherin galt eine Frau bereits dann, wenn sie im Ehebruch ergriffen wurde (quasi publico iudicio damnata), gleich ob sie nachher bei einem Prozeß verurteilt oder freigesprochen wurde, genauso wie wenn sie zwar nicht in flagranti erwischt, aber dennoch verurteilt wurde. Der Grund hierfür lag in der Funktion und der sozialen Struktur des mos maiorum. Soldaten, die wegen der Lex Iulia adulteriis verurteilt wurden, wurden unehrenhaft aus der Armee entlassen.
Hier zeigte sich aber die Lex Iulia als eine lex imperfecta. Es war durchaus möglich, gegen dieses Gesetz eine Ehe zu schließen, die auch zivilrechtlich gültig war. Aber: wenn aus dieser Ehe rechtliche Folgen erwuchsen – etwa wenn es um die Erbfähigkeit der gemeinsamen Kinder ging – erwies sich eine solche Ehe als nicht existent im Sinne der Lex Iulia.
Eine zusätzliche Sanktion betraf die Mitgift: Bei Ehebruch hatte die Scheidung zu erfolgen. Der Mann bekam in dem Fall ein Sechstel der Mitgift und für jedes Kind zusätzlich ein Sechstel von der Mitgift. Dies konnte zu einem Problem werden, wenn es mehr als zwei Kinder gab, weil eine Hälfte der Mitgift als Strafe an den Fiskus ging. Hier ist sich die Forschung nicht sicher, aber möglich wäre Klagerecht des Ehemannes gegenüber dem Fiskus.
Prozeßvorgang
Nach Entdecken des Ehebruchs und einer ev. Tötung des Ehebrechers mußte der Ehemann sich von seiner Frau sofort trennen (wenn sie nicht bereits durch die Hand ihres Vaters starb). Die Scheidung und die Tötung mußte beim Magistrat gemeldet werden, sonst drohte eine Anklage wegen Mordes. Erfolgte keine Tötung, durfte der Ehebrecher im Hause des Vaters oder der Eheleute – je nachdem, wo der Ehebruch stattfand - längstens 20 Stunden hintereinander festgehalten werden, um Zeugen holen zu können.
Vom Recht der Klage wegen stuprums oder adulteriums ausgeschlossen waren Personen unter 25 Jahre; ein römischer Bürger in eigener Sache, der mit einer peregrina oder einer Bürgerin ohne conubium zusammenlebte; ein libertus in eigener Sache, wenn er nicht 3 Millionen HS oder einen Sohn besaß. Es konnte niemand angeklagt werden, der rei publicae causa (aus Staatsgründen, etwa als Soldat im Krieg oder als Beamter in seiner Funktion auf Reisen) abwesend war. Der Vater der Ehebrecherin und der Ehemann besaßen ein gleichrangiges Recht der Anklage, wenn der Vater und der Ehemann gleichzeitig beim Beamten waren, wurde der Ehemann als Kläger vorgezogen. Sechzig Tage lang (bei der Ehefrau vom Scheidungstag an gerechnet, bei der vidua (Witwe) vom Tag des Delikts) hatten Vater und Ehemann exklusives Klagerecht, danach Dritte für eine Zeit von vier Monaten. Sechs Monate nach der Scheidung und fünf Jahre nach dem Tag des Vergehens durfte nicht mehr angeklagt werden (diese auf dem ersten Blick offensichtliche Diskrepanz erklärt sich daraus, daß oft nicht sofort die Verstoßung der ehebrecherischen Frau erfolgte).
Wurde ein Sklave des Ehebruchs angeklagt oder als Zeuge geladen, kann der Kläger eine sogenannte quaestio verlangen. Ehebrecher und Ehebrecherin wurden nicht in einem Gerichtsverfahren zugleich abgeurteilt. War die Frau noch verheiratet, wurde zuerst der Ehebrecher angeklagt, war sie Witwe, konnte die Reihenfolge vom Ankläger gewählt werden. Wer wegen Ehebruchs von seiner Frau geschieden war, konnte durch denuntiatio (förmliche Ankündigung, Androhung) verhindern, daß sie vor Beginn des Verfahrens einen anderen heiratet, dann konnte der vorige Ehemann Klage gegen sie einreichen. Hat sie bereits wieder geheiratet, mußte wieder zuerst der Ehebrecher angeklagt und verurteilt werden, bevor gegen sie Klage erhoben werden konnte.
Eine Klage konnte zurückgenommen werden, wenn der Ankläger starb, wenn gute Gründe angeführt wurden oder durch öffentlichen Beschluß (wobei bei letzterem der Ehemann die Klage dann ex iure mariti wiederholen durfte). Zudem ist festzuhalten, daß der einem iudicium publicum vorstehende Magistrat seine Jurisdiktion nicht übertragen durfte.
Literatur:
Mette-Dittmann, Angelika: Die Ehegesetze des Augustus. Eine Untersuchung im Rahmen der Gesellschaftspolitik des Princeps, Stuttgart 1991