Vormundschaft

Aus Theoria Romana
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Unmündige und Frauen (letztere unabhängig von ihrem Alter) wurden auch im Rechtsleben als schutzbedürftig betrachtet. Gewaltunterworfene erhielten diesen Schutz durch ihren Gewalthaber. Trat jedoch der Fall ein, daß ein impubes oder eine Frau sui iuris waren (weil etwa ein pater familias gestorben war), so mußte die Rechtsordnung eine Person als Vormung (tutor) bestimmen, welche die Interessen dieser Personen wahrte, vor allem die Verwaltung ihres Vermögens übernahm.


Die Entwicklung der Tutela Impuberum

Die tutela war im Verlaufe der Entwicklung einem starken Wandel unterworfen. Stabil blieb bei der tutela impuberum allerdings die Verpflichtung des Vormunds, für die Person des Mündels (pupillus) zu sorgen und dabei die sonst dem Pater familias obliegenden Entscheidungen zu treffen. Verändert wurde jedoch die Stellung des Vormunds hinsichtlich des Mündelvermögens.

Anfänglich hatte der Vormund insoweit die Stellung eines Treuhänders: Nach außen war er Träger des Vermögens, bei körperlichen Sachen also Eigentümer nach quiritischem Recht. Im Verhältnis zum Mündel war er durch die Treuhand gebunden, im wahren Interesse des Mündels zu handeln. Eine Treuwidrigkeit bei der Verfügung über Mündelgut hatte demnach nur Folgen im Innenverhältnis (Buße, Ersatzpflicht), machte jedoch die Verfügung nach außen nicht unwirksam.

Die Stellung des Vormundes war jedoch keine Alleinträgerschaft. Sobald das Mündel über das Kindesalter (infantia) hinausgelangt war, konnte es Geschäfte, auch Verfügungen, über "sein" Vermögen abschließen, die allerdings nur mit der Zustimmung (auctoritas) des Vormunds gültig waren. Das Mündel verfügte hier nicht etwa asl Nichtberechtigter mit Zustimmung des Berechtigten, sondern als Mitträger der Verfügungsberechtigung. Diese Mitträgerschaft des Mündels zeigt sich vor allem darin, daß sie automatisch zur Alleinträgerschaft des Mündels wurde, sobald die Vormundschaft endete.

Die klassische Zeit sah den tutor nicht mehr als Träger des Mündelvermögens an, als solcher erschien nur noch das Mündel. Der Tutor hatte zwar im Rahmen seiner Verwaltung ein Verfügungsrecht über fremdes Vermögen, er stand domini loco (in der Position des Eigentümers), sein Verfügungsrecht hatte jedoch bereits Grenzen nach außen, wie sie dem älteren Treuhandeigentümer nicht eigen waren.


Die Arten der Tutela Impuberum

Bei der gesetzlichen Vormundschaft (tutela legitima) der Zwölf Tafeln wurde bei Freigeborenen der gradnächste Agnat (agnatus proximus, dh der Bruder, Onkel usw), ipso iure (dh ohne besondere Berufung oder Bestellung) zum Vormund eines Mündels. Frauen konnten keine Vormundschaft führen, da sie selbst unter Vormundschaft standen. Freigelassene erhielten den Patron oder dessen Abkömmlinge zum Vormund.

Schon die Zwölf Tafeln kannten neben der tutela legitima die tutela testamentaria. Der Pater familias konnte durch Testament einen Tutor für jene Gewaltunterworfenen bestimmen, die durch seinen Tod gewaltfrei würden, aber noch unmündig waren. Der durch Testament bestimmte Tutor ging dem gesetzlichen Tutor vor. Beachte auch die Lex Atilia

Die Führung der Vormundschaft

Der tutela legitima konnte man ursprünglich als Tutor nicht entgehen. Die persönliche Fähigkeit, die gestellten Aufgaben zu erfüllen, spielte dabei keine Rolle. Die tutela testamentaria dagegen konnte man ausschlagen, worauf die tutela legitima eintrat. Die Kaiserzeit schuf demgegenüber eine Rechtspflicht zur Übernahme der tutela testamentaria und anerkannte nur bestimmte Entschuldigungsgründe (excusationes). Der dabei hervortretende Gedanke, daß die Übernahme der Vormundschaft eine Rechtspflicht sei, galt von Anfang an bei der behördlich eingesetzten Vormundschaft. Wer hiebei als Vormund ausgewählt wurde, konnte sich nur entziehen, wenn er einen geeigneteren Vormund beschaffen oder für seine Person hinreichende Entschuldigungsgründe (zB Alter, Krankheit, große Kinderzahl, öffentliche Ämter) anführen konnte.

Kennzeichen der klassischen Vormundschaft ist die Aufsicht des Magistrats über die Vermögensverwaltung des Tutor. Daraus entwickelte sich eine Reihe von Prinzipien der Verwaltung von Mündelgut: Errichtung des Inventars des Anfangsbestandes des Mündelguts; Veräußerung verderblicher und entbehrlicher Gegenstände; Anlegen des Vermögens möglichst in Grundstücken; Verzinsung von nichtangelegtes Geld aus eigenem, so als ob er es selbst verwendet hätte; Eintreibung unsicherer Forderungen; gab er selbst Darlehen aus Mündelvermöen, so traf ihn das Rückzahlungsrisiko. Zusätzlich gab es verschiedene Verfügungsbeschränkungen, die das verbotene Geschäft auch nach außen, also dem Dritten gegenüber, unwirksam machten: so durfte der Vormund nur die gesellschaftlich üblichen Schenkungen (Anstandsschenkungen) machen, und für die Veräußerung und Verpfändung ländlicher Grundstücke brauchte er die Zustimmung des Magistrats. Konstantin verbot schließlich dem Tutor, über wertvollere Gegenstände und Grundstücke - nur auch die städtischen - ohne Erlaubnis des iudex zu verfügen.

Um Ansprüche aus pflichtwidrig geführter Vormundschaft zu sichern, führte man eine cautio rem pupilli salvam fore ein, ein Versprechen des Tutor mit Bürgenstellung, das Mündelvermögen nach Beendigung der Vormundschaft ungeschmälert herauszugeben. Diese Sicherheit verlangte der Magistrat, bevor der Tutor zur Geschäftsführung zugelassen wurde.


Ansprüche aus der Vormundschaft

Schon zur Zeit der Zwölf Tafeln waren die Interessen des Mündels durch ein Kriminalverfahren mit Popularanklage (accusatio suspecti tutoris - Anklage gegen einen verdächtigen Tutor), bei der quivis ex populo (jedermann aus dem Volke) klagslegitimiert war, gegen den Tutor geschützt. Ziel des Verfahrens war, den Tutor, der eine Treuwidrigkeit oder eine grobe Pflichtverletzung begangen hatte, als "suspekt" zu erklären, worauf weitere Maßnahmen folgten, vor allem die Entfernung des Tutor aus seiner Funktion. Die automatische Folge der Verurteilung war die Infamie (siehe Personenrecht). Außerdem gab es eine private Bußklage des Mündels nach beendeter Vormundschaft, die actio rationibus distrahendis (Klage auf Rechnungslegung), die auf das duplum des hinterzogenen Vermögens ging. Die erste Klage ging ursprünglich nur gegen den tutor testamentarius, die zweite nur gegen den tutor legitimus. In der späteren Entwicklung wurden die Klagen gegen beide Arten von tutores anwendbar. In ihnen wurde der harte Vorwurf bewußt treuwidrigen Verhaltens erhoben.

Die daneben in republikanischer Zeit entwickelte actio tutelae - ein bonae fidei iudicium (Urteil nach Treu und Glauben) - war demgegenüber eine Klage auf Abrechnung der abgeschlossenen Geschäftsführung, wie sie ähnlich bei anderen Geschäftsführungen (dem Mandat oder der Geschäftsführung ohne Auftrag) vorkommt. Der weite Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben erlaubte es, den Vormund über die Vermögenshinterziehung hinaus auch für schlechte Geschäftsführung oder das Unterlassen der Geschäftsführung haften zu lassen. Daher entwickelten sich auch aus dieser Klage Prinzipien der Geschäftsführung (officia-tutoris). Der Verurteilung haftete der Makel schärfster sittlicher Mißbilligung an, die infamia. Wie sonst bei der Geschäftsführung, gibt es zur actio tutelae auch ein iudicium contrarium des Vormunds auf Ersatz seiner Aufwendungen auf die Verwaltung des Mündelguts.

In nachklassischer Zeit haftete der Vormund für diligentia quam in suis (der Vormund haftet nur für jene Sorgfalt, die sie in eigenem Angelegenheiten anzuwenden pflegen). Seit Konstantin hatte das Mündel zur Sicherung seiner Forderungen eine Generalhypothek am Vermögen des Tutor.


Tutela Mulierum

Frauen waren bis in die Kaiserzeit nicht voll geschäftsfähig, sie standen auch nach erreichter Mündigkeit (12 Jahre) unter Vormundschaft. Die tutela mulierum wurde stärker als die tutela impuberum im Eigeninteresse des Vormunds geführt (der als gradnächster Agnat häufig bestrebt gewesen sein wird, sein Intestaterbrecht zu schützen). Schon zu Beginn der klassischen Zeit hat jedoch die Frau ihr Vermögen selbst verwaltet, der Tutor mußte lediglich zu bestimmten Geschäften (etwa Veräußerung von res mancipi) seine auctoritas erteilen (und konnte dazu unter Umständen vom Prätor gezwungen werden).

Die Berufungsgründe zur Frauenvormundschaft sind dieselben wie die zur tutela impuberum. Die Ehegesetzgebung des Augustus befreite Frauen mit ius liberorum von der Vormundschaft. Die tutela legitima wurde durch eine Lex Claudia (1. Jh n Chr) aufgehoben, bei der tutela testamentaria konnte der Frau ein Wahlrecht bezüglich der Person ihres Tutors eingeräumt werden. Magistratische Vormundbestellung erfolgte in der Kaiserzeit nur mehr auf Antrag der Frau.


Cura Furiosi, Cura Prodigi

Bereits zur Zeit der Zwölf Tafeln standen Geisteskranke (furiosi) und Verschwender (prodigi) unter der cura (Pflegschaft) ihrer gradnächsten Agnaten. Fehlt es an einer tauglichen Person aus diesem Kreis, so bestellte der Magistrat (Prätor) einen curator. Diesem oblag als Treuhänder die Verwaltung des Vermögens seines Pfleglings. Bezüglich des entmündigten Verschwenders beschränkt sich die cura auf das geerbte Familienvermögen.


Cura Minorum

Unter den puberes unterschied man zwischen puberes minores und maiores XXV annis. Bei den gewaltfreien minores (Minderjährigen über 14 aber unter 25 Jahren) bestand im Geschäftsleben die Befürchtung, daß sie übervorteilt würden, weil sie unerfahren oder leichtsinnig waren. Siehe dazu die Lex Laetoria