Castra
Obwohl von der Wortherkunft her ein Begriff im Plural, bezeichnet castra allgemein jede Art von geschlossenem Lager einer militärischen Einheit und kann durch weitere Begriffe genauer definiert werden:
- castra stativa: Standlager, das für längere Zeit bezogen wird.
- castra aestiva: Sommerlager, als temporäres Hauptquartier einer militärischen Kampagne.
- castra hiberna: Winterlager, für Truppen, die bei der winterlichen Unterbrechung einer Kampagne nicht in ihre Standlager zurückkehren.
- castra navalia / castra nautica: Befestigter Landungsplatz.
Als alternativer Begriff für ein dauerhaftes, befestigtes Standlager kann auch castellum verwendet werden. Als spezielle Namensbezeichnung ist castra praetoria für die Unterkunft der cohortes praetoriae in Rom zu nennen. Der Begriff castrum im Singular kommt höchst selten vor und wird dann als Bestandteil von Ortsnamen geführt, z.B. Castrum Album in der Provinz Hispania Tarraconensis. Auch castra kann als Ortsbezeichnung vorkommen, wie beispielsweise bei Castra Regina, dem heutigen Regensburg.
Inhaltsverzeichnis
Aufgaben und Anforderungen
In der republikanischen Zeit kannte die römische Armee Militärlager zunächst nur als Marschlager, da es kein stehendes Heer gab und Kriege nur im Sommer geführt wurden. Lediglich bei der Sammlung der Truppen oder bei einer Belagerung wurden Lager benötigt, die längere Zeit an einem Ort existierten. Daraus abgeleitet dient ein Lager primär als Heimstatt für die Soldaten der dort einquartierten Einheit und ist in Marschlagern auf den Aspekt einer geschützten nächtlichen Unterkunft beschränkt. Seit der Einrichtung der Berufsarmee in der späten Republik dienen Standlager den Soldaten auch als permanenter Wohnort und gewinnen damit weitere Funktionen hinzu. Durch die Wahl ihres Standortes erfüllen insbesondere diese Lager auch eine strategische Funktionen als ständige Sicherung gefährdeter Positionen. Gleichzeitig sind Lager auch immer logistische Knotenpunkte im Versorgungsnetz der Armee, die zur zentralen Sammlung und kontrollierten Ausgabe von Material und Vorräten sowie Reparatur von Ausrüstung und ärztlicher Versorgung von Soldaten genutzt werden können. Je länger ein Lager existiert und je größer es ist, umso mehr treten diese logistischen Aufgaben in den Vordergrund.
Je nachdem, welche der Funktionen für ein Lager im Vordergrund steht, sind auch verschiedene Anforderungen wichtig. In republikanischer Zeit bestimmten vor allem taktische Überlegungen die Wahl des Lagerplatzes an einer sicheren Stelle, während der Lagergrundriss (s.u.) unregelmäßig erscheint und ein systemtischer Aufbau des Lagers nicht nachzuweisen ist. Nur bei länger genutzten Lagern konnte auch auf das bequeme Zusammenleben der einquartierten Truppe unter hygienischen Umständen Rücksicht genommen werden. Je größer die Truppe ist und je länger der Aufenthalt dauert, umso mehr Grundfläche wird verbraucht und umso mehr sanitäre Einrichtungen sind vorhanden. Mit der Einrichtung von dauerhaften Standlagern treten diese Überlegungen dagegen in den Vordergrund und wurden dann auch für Marschlager der Kaiserzeit beibehalten. Nach Möglichkeit wurde dann immer eine identischer Aufbau nach einem einheitlichen Schema gewählt. Ebenfalls von der Größe der Truppe ist der Platzbedarf im Umland abhängig, der für die zur Einheit gehörigen Tiere und für die Durchführung des täglichen Drills benötigt wird. Für das Standlager einer Legion kann angenommen werden, dass neben ihrem Lager ein ebenso großer Exerzierplatz lag. Eine einfache Zuwegung zum Lager ist insbesondere für jene Lager wichtig, die vor allem logistische Funktionen übernehmen. In diesen Lagern sind auch Lagerschuppen vorhanden, die große Mengen an Vorräten aufnehmen können. Das Standlager einer Einheit sollte antiken Quellen zufolge stets genug Vorräte haben, um einer Belagerung von einem Jahr Dauer standhalten zu können.
Bei Standlagern kommen besondere Anforderungen an die Gebäude hinzu. An archäologischen Fundplätzen lässt sich sehr gut die Weiterentwicklung der Lagerbebauung beobachten, die bei einem lange genutzten Standlager stattfand. In einer ersten Phase wurden in der Regel alle Gebäude in einfacher Holzbauweise errichtet und nur einige wichtige Gebäude (s.u.) wurden möglicherweise mit einem Steinsockel versehen. In späteren Phasen wurden dann alle Neubauten mit soliden Steinfundamenten ausgeführt. Wichtige Gebäude wurden dann komplett aus Stein oder zumindest gebrannten Lehmziegeln errichtet. Umfangreiche Werkstätten und Verwaltungsgebäude können auch nur in großen Standlagern nachgewiesen werden. Je länger ein Lager genutzt wurde, umso eher kamen auch Gebäude hinzu, die nicht nur den Grundbedürfnissen der Soldaten dienten, z.B. Thermen, Ladenzeilen oder Gemeinschaftsbacköfen.
Befestigung von Lagern
Unabhängig von der Art des Lagers als Marschlager oder Standlager bestehen Verteidigungsanlagen grundsätzlich aus den drei Komponenten Graben (fossa), Wall und Pallisade (vallum) bzw. Mauer (murus). Das Ausmaß dieser Anlagen hängt wiederum von der strategischen Situation und der Art des Lagers ab. Bei Standlagern konnten ausgefeilte Verteidigungsanlagen mit doppelten Gräben nachgewiesen werden, während schriftliche Quellen Marschlager beschreiben, bei denen aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse auf Schanzarbeiten gänzlich verzichtet werden musste.
Gräben werden in der Regel als Spitzgräben angelegt und werden in der antiken Literatur mit einer Tiefe von 5 pedes (= 1,5 m) als Minimum angegeben. Bei Standlagern sind auch Tiefen von über 2 m anzunehmen. Der Aushub aus den Gräben wird zur Errichtung des Walls genutzt. Die einfachste Möglichkeit, die vor allem bei Marschlagern Anwendung fand, stellt die Aufschüttung eines Walles dar, auf dem eine Holzpallisade errichtet wird. Im Marschlager geschieht dies durch Einsatz der mitgeführten pila muralia, im Standlager durch eine durchgängige Pallisade. Als Alternative wurde bei Standlagern eine hölzerne Pallisade oder auch eine Mauer errichtet, an der nur an der Innenseite Erde aufgeschüttet wurde, die den Wehrgang trug. Die Konstruktion konnte dadurch stabilisiert werden, dass die Flanken der aufgeschütteten Erde durch aufgeschichtete Rasensoden "gemauert" wurden. In Marschlagern wurde ansonsten auf der Außenseite des Walles Rasensoden locker aufgelegt, damit ein Angreifer sich nicht halten konnte und in den Graben abrutschte.
Eine besondere Konstruktionsform der Befestigung stellt die sogenannten "Holz-Erde-Mauer" dar, die häufig in mehrjährig genutzten augusteischen Standlagern in Germania nachgewiesen werden konnte: aus einer hohen hölzernen Außenpallisade und einer in einigem Abstand dahinter liegenden niedrigeren Innenpallisade wird eine Kastenform gebildet, die komplett mit Erde gefüllt und nach oben mit Brettern als Wehrgang abgedeckt wird. Gerade bei schlechten klimatischen Bedingungen verhindert diese Bauweise ein Abtragen der aufgeschütteten Erde bei Regen. Zudem ist der breite Wehrgang ohne zusätzliche Aufbauten zum Aufstellen von Geschützen geeignet.
In regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch an den Ecken, wurden bei größeren Standlagern die Umwehrung mit Türmen versehen. Sie dienten den Wachen als erhöhter Ausguck und als Plattform für stationäre Pfeilgeschütze. An kleineren Lagern kamen Türme erst in der späten Kaiserzeit auf, als sich die Lager immer mehr gegen feindliche Überfälle schützen mussten. Ebenfalls mit Türmen oder Plattformen gesichert wurden bei Standlagern die Tore. Marschlager verfügten vermutlich selten über aufwändige seperate Torbauten, sondern lediglich über Unterbrechungen im Wall. Durch eingezogene Wallenden oder vorgelagerte kleine Wälle sollte Angreifern die Annäherung an diese Schwachstellen erschwert werden. Aus Standlagern sind dagegen eine Vielzahl unterschiedlicher Torbauten mit mehreren Durchgängen bekannt. Diese konnten mit hölzernen Fallgittern und Torflügeln verschlossen werden, erlaubten andererseits aber auch großen Truppenkontingenten den reibungslosen Durchmarsch.
Lagergrundriss
...
Lagerbebauung
...