Sibyllinische Bücher

Aus Theoria Romana
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Die Sibyllinischen Bücher waren eine Sammlung von Orakelsprüchen in griechischen Hexametern, die während der gesamten Geschichte des Römischen Reichs vor allem (aber nicht ausschließlich) in Krisensituationen zu Rate gezogen wurden.

Einführung in Rom und Mythos

Es handelt sich dabei um eine aus Cumae am Ausgange der Königszeit nach Rom gekommene und dort offiziell rezipierte griechische Orakelsammlung, deren ursprünglicher Bestand auch durch staatliche Anerkennung und Aufnahme anderweit auftauchender Sprüche verwandter Art ergänzt wurde. Die Übernahme der Sibyllinischen Bücher aus Cumae soll eine Reaktion gegen den kulturellen Einfluss Etruriens und den Beginn einer eigenstaatlichen Religionspolitik in Rom dargestellt haben. Diverse Kulte erhielten erst in Folge der Sibyllinischen Bücher in Rom Einzug, wie die des Apollon, der Kybele oder der Ceres. Somit war einer der wesentlichen Wirkungen der Sibyllinischen Bücher ihr Einfluss auf die Einführung griechischer Kulte und der griechischen Götterwelt in die ursprüngliche römische Religion, insoweit dies nicht bereits durch die etruskische Religion geschehen war.

Der Legende nach bot eine Sibylle, dem Mythos nach eine Prophetin, die im Gegensatz zu anderen göttlich inspirierten Sehern ursprünglich unaufgefordert die Zukunft weissagt, dem letzten Römischen König, Tarquinius Superbus, neun Bücher zum Verkauf an. Als dieser den Preis für unangemessen hielt, verbrannte sie drei der Bücher. Superbus weigerte sich erneut die Bücher zu kaufen uns sie verbrannte erneut drei der Bücher. Nun lenkte der König ein und erstand die verbliebenen Bücher zum vollen Preis.

Inhalt und Geschichte

Den Inhalt der Bücher kann man sich in Analogie der bekannten griechischen Orakel vorstellen. Es waren Anweisungen für Opfer an einen bestimmten Gott, für den Vollzug gewisser Riten, die die Angst beschwichtigen und die Gewissheit göttlicher Gnade geben sollten. Die Sibyllinischen Bücher wurden lange Zeit in den Kellerräumlichkeiten des Iuppiter-Tempels auf dem Capitol aufbewahrt. Nach Tacitus wurden die Bücher als der Tempel im Jahr 83 v. Chr. niederbrannte ebenfalls vernichtete. Der Senat soll daraufhin eine neue Sammlung ähnlicher Sprüche zusammengetragen haben, die aus Ilium, Erythrae, Samos, Sizilien und Africa stammten. Es handelte sich dabei immer um Orte, die für die Wirksamkeit von Sibyllen bekannt waren. Diese neue sibyllinische Sammlung wurde im wieder aufgebauten Tempel deponiert. Vom Kapitol wurden sie von Augustus in seiner Eigenschaft als Pontifex Maximus 12 v. Chr. in den Tempel des Apollo Patrous auf dem Palatin transferiert, wo sie bis zum Jahr 405 blieben und in vergoldeten Fächern aufbewahrt wurden. Da sich in die jüngere Sammlung so manche mit bestimmter politsicher Absicht zurechtgemachte Fälschung eingeschlichen hatte, veranlassten sowohl Augustus als auch Tiberius umfassende Sichtungen und Säuberungen der vorhandenen Bestände und ließen alles, was nicht ausreichend verbürgt war, verbrennen.

Die Befragung der Bücher hat durch die ganze Kaiserzeit fortgedauert, bis sie im ersten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts durch Stilicho verbrannt wurden.

Zugang und Anwendung der Bücher

Die Interpretation der Bücher oblag ursprünglich zwei Patriziern (Duumviri), später wurde ihre Zahl auf zehn erhöht und seit Sulla sind es 15 Personen. Dieses Priesterkollegium, genannt Quindecimviri hatte als einziges Zugang zu den Büchern und galten gleichsam als Diener des Apollo, der durch den Mund der Sibylle spricht. Sie wurden allerdings auch nur nach ausdrücklicher Aufforderung des Senats befragt und ihre Weisungen wurden nur diesem Gremium unter Ausschluss der Öffentlichkeit mitgeteilt. Auf diese Weise war die Führungsschicht jederzeit in der Lage die gesellschaftliche Situation zu restabilisieren. Durch die Knüpfung an einen Senatsbeschluss war eine straffe Kontrolle gesichert.

Ein Senatsbeschluss erfolgte meist, wenn besonders schwere Prodigien eine verhängnisvolle Trübung des Verhältnisses zu der Gottheit erkennen ließen und man für die Wiedererlangung der pax deum mit den durch den patrius ritus gebotenen sakralen Maßnahmen nicht auskommen zu können. Die Quindecimvirn suchten hierauf aus dem Orakelvorrat den auf das gegebene Prodigium und die sonstige Sachlage passenden Spruch aus, legten ihn mit der nötigen Erläuterung in Form eines schriftlichen Gutachtens dem Senat vor und dieser traf dann nach Prüfung des Sachverhalts die nötigen Anordnungen zu denen unter anderem auch die Veröffentlichung des Orakelspruches selbst gehören konnten.

Die Sprüche der Sibyllenbücher waren keine Deutungen von Vorgängen oder Voraussagen für die Zukunft, sondern Aufklärung über das, was geschehen müsse, um den drohenden Unsegen abzuwenden und die Huld der Götter wiederzugewinnen. Da aber die Sprüche gern, um ihre Glaubwürdigkeit zu dokumentieren, auf früher eingetretene Dinge Bezug nahmen und am Ende auf später bevorstehende Verwicklungen und Lösungen hinwiesen, so war bei der Interpretation dieser Sprüche dem Scharfsinn und der Willkür der Quindecimvirn reiche Gelegenheit zur Betätigung gegeben, zumal die Sprüche in höchstem Maße zweideutig waren. So kam es, dass man, selbst wo keine Unterschiebung gefälschter Verse vorkam, aus den sakralen Anweisungen allerlei Warnungen, Aufforderungen und Voraussagen herauslesen konnte, was die verschiedenen politischen Akteure sich in ihren Kämpfen zunutze machen konnten. Dies gehörte allerdings nicht zum Wesen der Sibyllinischen Bücher, die vielmehr nur die Aufgabe hatten, die im bestimmten Falle geeigneten Versöhnungsmittel für den aus den Prodigien ermittelten Groll der Götter in Erfahrung zu bringen.

Beispiele für die Befragung

Die Sibyllinischen Bücher wurden z.B. im Jahre 217 v. Chr. im Zuge der großen Gefahr durch Hannibal während des Zweiten Punischen Krieges befragt. Dem Senat wurde daraufhin ein umfangreicher Maßnahmenkatalog für die Bewältigung der Krise vorgelegt. Dieser wies darauf hin, dass das, was man dem Kriegsgott Mars ursprünglich für einen glücklichen Verlauf des Konflikts versprochen hatte, nicht vollständig eingehalten worden wäre. Dies musste umso reichhaltiger nachgeholt werden. Dem Iuppiter seien Spiele zu geloben und den Göttinnen Venus Erycina und Mens seien Tempel zu errichten. Wenn der Krieg glücklich ausgehe und die res publica erhalten bleibe, solle man ein ver sacrum durchführen, bei dem sämtliche im Frühling geborenen Tiere der Viehherden den Göttern geweiht werden mussten. Direkt zu vollziehende Riten waren eine supplicatio, einer besonders intensiven Form der Betprozession, und ein lectisternium, einem gemeinsamen Festmahl.


Literatur

Latte, Kurt: Römische Religionsgeschichte, München 1960, S. 160. Linke, Bernhard: Religio und res publica. Religiöser Glaube und gesellschaftliches Handeln im republikanischen Rom, in: Link, Bernhard; Stemmler, Michael (Hrsg.): Mos Maiorum - Untersuchungen zu den Formen der Identitätsstiftung und Stabilisierung in der römischen Republik, S. 269-298. Wissowa, Georg: Religion und Kultus der Römer, München 1971, S. 536ff. Wikipedia