• Rhetor Eumenius


    In einem der Ladenlokale der Basilica hat der Rhetoriklehrer Eumenius aus dem fernen Augustodunum seine Schule errichtet. Bereits dort hatte er als Rhetor gewirkt, ehe er auf Bitten der Decuriones vor vielen Jahren nach Mogontiacum gekommen ist, um hier den Söhnen von Offizieren und Beamten die Grundlagen der Redekunst einzutrichtern.


    Als Provinzstadt gibt es für den Besuch einer Rednerschule keine besonders große Nachfrage, sodass die Klasse stets klein ist und Eumenius sich regelmäßig über seine geringen Einnahmen beklagt, die er als bezahlter Festredner oder - eher selten - als Gerichtsredner aufbessern muss. Zumindest freuen sich die Schüler in diesen Fällen aber, denn sie müssen ihren Magister zwar zu Gerichtsterminen begleiten, werden aber dabei nicht sehr streng beaufsichtigt.


    Zu den aktuellen Schülern zählen Praetonius Rufus, der Sohn eines Offiziers, Caius Vinicius, der Sohn eines einflussreichen städtischen Decurionen, Antonius, Flavius, Iulius, der Sohn eines Anwalts in der Stadt und Publius.


    Sim-Off:

    Natürlich orientiert an Eumenius, während die Schüler aus der Xanthosschule übernommen sind.

  • | Lucius Petronius Crispus


    Lucius hatte die Villa Rustica am Ende der Welt immer verflucht, vor allem, weil sein Vater geglaubt hatte, dass ein junger Mann das Bauernleben lernen musste - von einem alten Veteranen, der noch nie einen Bauernhof gehabt hatte! Die Sache war natürlich gründlich schief gegangen, aber die Schuld hatte nie beim Alten gelegen, sondern stets bei den Sklaven - oder bei Lucius. Immerhin hatten sie es am Ende doch geschafft, einen bescheidenen Gewinn zu erwirtschaften, sodass sie nicht nur auf die Erfolge von Privatus in Mogontiacum angewiesen gewesen waren - man konnte sagen, dass auf den jungen Petronier früher oder später eine ordentliche Erbsumme zukommen würde.


    Trotzdem fragte Lucius sich an Tagen wie diesen, ob es all das wert war. Dieser eingebildete Eumenius - ein Großstadtsnob, der jeden Menschen aus Mogontiacum für einen Proleten hielt und ihn dies spüren ließ - zog seine Show ab, während die Schüler interessiert oder gelangweilt zu seinen Füßen saßen. Fast vermisste Lucius die harte Arbeit und selbst seinen alten Lehrer Xanthippus - der hatte zumindest manchmal etwas über die Naturphilosophen erzählt, die so nützliche Dinge wie den Kreis von Thales entwickelt hatten. Eumenius dagegen verachtete alles, was nichts mit Sprache zu tun hatte und war damit das komplette Gegenteil von Lucius. Wenn es nicht Prügel vom Alten gegeben hätte, wäre der Knabe wahrscheinlich gar nicht hingegangen, sondern hätte vom Schulgeld ein paar Becher Wein gekauft - die er allerdings allein hätte trinken müssen, denn der alte Petronier hielt es nicht für nötig, dass Armin auch etwas von der Redekunst mitbekam.


    "Die Erarbeitung einer Rede erfolgt in fünf Akten: Inventio, Dispositio, Elocutio, Memoria und? Rusticus?"


    Nachdem Eumenius spitzgekriegt hatte, dass Lucius von einer Villa Rustica kam, bei der sein Vater oder gelegentliche Besuche eines Grammaticus die grammatische Bildung des jungen Petroniers nicht übermäßig gefördert hatten, hatte er ihm den Spitznamen 'Rusticus' - Bauer - gegeben. Auch wenn der Alte immer wieder davon schwärmte, dass früher alle großen Römer Bauern gewesen waren, machte doch die herablassende Art und Weise, in der der Rhetor das Wort aussprach, unmissverständlich klar, wie es gemeint war. Und wie immer setzte Caius ein Grinsen auf - der hatte wahrscheinlich noch nie den Pars Rustica der väterlichen Villa von innen gesehen!


    "Hmmm..."


    Noch immer war Lucius sehr schlecht im Auswendiglernen von Sätzen, Reden oder sonstigen grammatikalischen Dingen.


    "Naaa?"


    bohrte Eumenius sofort nach und funkelte den jungen Petronier unheilvoll an. Lucius versenkte seine rechte in der Toga, die in dieser Schule irrsinnigerweise vorgeschrieben war.


    "Das Spectaculum vielleicht?"


    "Spectaculum? Das wird es vielleicht, wenn du etwas vorträgst, weil du deine Rede vergisst und etwas zusammenstotterst!"


    Wieder einmal lag er falsch - aus ihm würde tatsächlich nie ein großer Redner werden. Aber wenn es nach dem Alten ging, würde Lucius ohnehin in dessen Soldatenstiefel steigen und da konnte er ja die großen Schlachtreden anderen überlassen und sich darauf konzentrieren, Barbaren abzustechen. Er hatte festgestellt, dass ihm keine Probleme bereitete, einem anderen Menschen Schmerz zuzufügen - wenn er mit Armin trainiert hatte, hatte er manchmal sogar absichtlich besonders fest zugeschlagen. Man konnte beinahe sagen, dass es ihm sogar Spaß machte!




  • | Lucius Petronius Crispus


    Cicero - de Oratore. Lucius saß wie fast jeden Tag auf seinem Schemel vor dem kleinen Podest, von dem aus Eumenius seinen Unterricht hielt, den Kopf auf sein Faust aufgestützt, den Arm auf dem Knie ruhend. Dadurch knitterte zwar seine Toga, die Eumenius sie während der Lehrstunden tragen ließ - aber das war dem jungen Petronier egal. Er mochte weder das 'Staatskleid des Römers', noch das geschwollene Geschwätz, das Eumenius immer von sich gab:


    "Das erste Buch wendet sich also insbesondere dem Lob der Beredsamkeit zu, wie wir es gestern bereits besprochen haben. Kann das noch einmal jemand zusammenfassen? Ja, Antonius?"


    Der junge Mann, der seit diesem Jahr nicht mehr die Toga Praetexta eines Knaben, sondern eine reine, weiße Toga virilis trug (was Lucius immer etwas neidisch dreinblicken ließ), begann das alberne Gerede dieses fiktiven Crassus zu wiederholen, bei dem Lucius schon gestern rascher abgeschweift war, als wenn sein Vater zum hundertsten Mal seine Piratengeschichte erzählte. In Gedanken begann er stattdessen, sich die Frage zu stellen, wie sich wohl am leichtesten die Rechtwinkligkeit zwischen dem Deckenbalken der Basilica und dem Mauerwerk beweisen ließ. Natürlich konnte man einen Rechten Winkel konstruieren, indem man ein Lot errichtete, eine Holzkonstruktion baute und das Dreieck dann anlegte. Aber gab es vielleicht auch einen rechnerischen Weg?


    "Rusticus, welche Voraussetzungen muss ein Rhetor wohl mitbringen, um einen Stoff gut vortragen zu können?"


    wurde er plötzlich aus den mathematischen Gedanken gerissen. Verwirrt sah sich Lucius um sich - alle Augen waren auf ihn gerichtet, teilweise höhnisch wie Caius, teilweise überrascht, wie Iulius und teilweise sogar etwas mitleidig wie Antonius.


    "Naja, also..."


    Fieberhaft überlegte der junge Petronier - solche Dinge kamen quasi in allen Lehrbüchern zur Rhetorik vor und im Unterricht hatten sie schon mehr als genügend davon gelesen. Sein Vater hatte ihm letztes Jahr zu den Saturnalia sogar das Buch von Quintilianus geschenkt. Iulius war ein bisschen neidisch gewesen, aber leider hatte der jünger Crispus keinen einzigen Blick hineingeworfen. Rhetorik, Grammatik, Dialektik - diese Sprachwissenschaften interessierten ihn einfach nicht. Schon bei Xanthippus hatte er immer nur dann aufgepasst, wenn der griechische Meister voller Inbrunst über Dreiecke, Kreise und Zahlen gesprochen hatte! Logik war Lucius' Welt, die war klar, schön und berechenbar! Die Wortergüsse von Autoren und Lehrern dagegen erschienen ihm bis heute undurchsichtig und langweilig.


    "Auswendiglernen! Ein gutes Gedächtnis vielleicht!"


    kam es ihm plötzlich in den Sinn - eine Sache, die aus ihm niemals einen guten Redner werden lassen würde. Was offensichtlich auch Eumenius so sah, denn er kommentierte sofort höhnisch


    "Da hast du wohl ausnahmsweise einmal etwas Wahres gesprochen! Was aber natürlich kein Wunder ist, denn daran fehlt es dir wohl am meisten von uns allen!"


    Caius lachte auf, obwohl er selbst auch nicht gerade zu den großen Denkkapazitäten der Klasse gehörte. Da sein Vater aber einflussreich war, schonte der Magister ihn weitaus mehr als Crispus, den Sohn eines Veteranen, der heute ja kaum besser war als ein Krämer, selbst wenn er zu den Decuriones gehörte...




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