[Officium XIII] Der Archivraum


  • TABULARIUM


    VERZEICHNIS ALLER URKUNDEN, AKTEN UND SONSTIGER SCHRIFTSTVECKE


    Das Tabularium befindet sich im Keller der Curia und beherbergt in langen Regalen das Verwaltungsschriftgut Mogontiacums. In einem kleinen, von Öllampen erhellten Raum geht hier der Archivar Cnaeus Pacarius Narcissus seiner Arbeit nach.

  • Nachdem er sich in der Basilica einen, übrigens ausgezeichneten, Eintopf einverleibt hatte, ging Pacatus eigentlich aus reiner Neugier runter zu dem Archivar. Je tiefer er in den Keller hinabstieg, desto feuchter wurde es. Mit den Händen konnte er die Feuchtigkeit am Mauerwerk fühlen. Ob das für die Archivalien bekömmlich war?


    Und es wurde dunkler. "Zum Hades mit meiner Doofheit", fluchte er leise, "warum hab ich nicht eine von diesen blöden Öllampen mitgenommen?" Er stolperte tastend einen Gang entlang, bis er einen Lichtschimmer sah, der aus einer offenen Tür kam. Hier war es noch feuchter. An der Tür angekommen, sah er drin in dem Raum einen Typ, der an einem Schreibpult werkelte, auf dem er sechs oder sieben Öllampen drapiert hatte. Erst meinte Pacatus, dass dem Kerl auch irgendeine Flüssigkeit von der Nase tropfte. Aber das war eine Täuschung, die ihm die feuchten Wände ins Hirn geblasen hatten. Er klopfte an der offen stehenden Tür und trat ein.


    "Salve, Pacarius Narcissus, ich bin Matinius Pacatus, der neue Scriba des Aedilen. Ich habe den Auftrag, die öffentlichen Gebäude in der Stadt nach Bauschäden zu überprüfen. Weißt Du, ob sowas schon mal gemacht wurde und ob es da vielleicht einen Bericht dazu gibt?"


  • Pacatus arbeitete schon seit Jahren hier unten und wachte über die Amtstagebücher, offiziellen Briefe und Urkunden der Civitas und niemand wusste so genau, seit wann er das tat. Entsprechend war er ein blasses Männlein mit grauen Haaren - auch hier wusste niemand, ob sie aus Altersgründen oder Lichtmangel diese Farbe hatten. Allerdings hatte er ein hervorragendes Gedächtnis und damit ein unverzichtbares Mitglied der Stadtverwaltung.


    Als nun Pacatus eintrat, erkannte er schon am Gang, dass er diesen Mann noch nie gesehen hatte. "Salve. Du bist in der Tat neu." Er drehte sich um und trat an ein Regal im Halbdunkel. "Selbstverständlich gibt es zahllose Berichte, die Frage ist, von wann..." Selbst er hatte das nicht im Kopf.


    "Wo kommst du her? Dein Dialekt verrät mir, dass du nicht von hier bist?" fragte er, während er weiter nach dem entsprechenden Verzeichnis suchte.

  • Der Archivar erhob sich und ging an ein Regal. Jetzt sah Pacatus, dass der Mann ein unscheinbares Kerlchen war, das so aussah als hätte sich sein Äußeres über lange Jahre an die höhlenartige Umgebung seines Arbeitsplatzes angeglichen. Wenn er an einer der Wände dieses Raumes vorbei ging, war er kaum zu erkennen. Die absolut perfekte Tarnung. Das wäre was für die Legio, aber leider kämpfte die ja nicht unterirdisch. Pacatus beschloss, den Mann 'Troglodyt' zu nennen. Natürlich nur für seinen eigenen Gebrauch. Der Troglodyt konnte auch sprechen und hatte gefragt, von wann der gesuchte Bericht sei.


    "Tut mir leid, ich weiss nicht, von wann ein solcher Bericht sein könnte. Aber man wird ja wohl nicht jedes Jahr eine Überprüfung der öffentlichen Gebäude machen. Schau mal in die Liste von vor drei Jahren und dann in die von vor fünf Jahren".


    Während der Troglodyt in den Papyri und Tabulae wühlte, sagte Pacatus: "Nee, ich bin nicht von hier, ich bin aus Roma, Aber dort sprechen sie Latein und keinen Dialekt".


  • Der Archivar lachte kurz auf. "Naja, wie Tullius Cicero sprichst du zumindest nicht." Natürlich gab es auch in Rom einen Dialekt, der sich von der "Hochsprache" der Rhetoren unterschied - selbst wenn das die Römer nicht wahrhaben wollten.


    Dann fuhr er fort und stellte dabei fest: "Dann weißt du also schon, dass es in letzter Zeit keine gab?" Sofort ging sein Finger ein wenig weiter und er zog schließlich eine Tabula heraus, die die Amtstagebücher des Aedils vor drei Jahren enthielt. Er nahm eine Lampe zur Hilfe und überflog die Zeilen, ehe er es wieder zurückstellte. Dann die nächsten und schließlich kam er zu einem Ergebnis: "Tatsächlich, vor fünf Jahren gab es die letzte. Was möchtest du dazu wissen?"
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  • Cicero? Der Typ hatte ja ziemlich viel geschrieben. Dass man sein Latein Jahrhunderte später sehr schätzen würde, konnte von den jetzt Lebenden ja keiner ahnen. Cicero vermutlich auch nicht. Und jetzt meinte der Troglodyt, dass Pacatus nicht so sprechen würde wie Cicero. Darauf war Pacatus bisher noch nicht gekommen. Sieh da, man musste ausgerechnet bis nach Germanien reisen, um solches zu erfahren. Pacatus grinste belustigt.


    "Hat denn Cicero schon mal mit Dir gesprochen? Mit mir jedenfalls nicht. Wir kennen doch bloß das, was er geschrieben hat. Weiss der Geier, was für einen lausigen Dialekt aus dem hintersten Latium der vielleicht gesprochen hat".


    Inzwischen war der Troglodyt fündig geworden. Er hielt eine Tabula in der Hand, die einen riesigen Schatten auf die Höhlenwand warf. "Ah, Du hast was gefunden? Ja, ich möchte wissen, ob da ein Architekt mitgemacht hat und welche Art von Bauschäden die damals aufgenommen haben".


  • Natürlich kannte der Scriba Cicero - in der Schule hatte er sich immer für Geschichte interessiert und dabei auch erfahren, dass er das Vorbild aller Redner war. Deshalb hatte er sogar einmal etwas von ihm gelesen. Deshalb bemerkte er achselzuckend "Geschrieben hat er ihn jedenfalls nicht." Außerdem bekam man schon durch Reden der senatorischen Besucher und Amtsträger in Mogontiacum schon mit, dass die Aristokratie in Rom sich auch heute noch um die geschliffene Redensart des alten Tulliers bemühte.


    Dann wandte er sich wieder seiner Tabula zu und stellte die Lampe ab. "Ich glaub' schon. Ein Duccius Verus hat sich zuletzt die Tempel angesehen. Mit Hilfe eines Architekten, genau. Er hieß Lysander." Er drehte die Tabula um und runzelte die Stirn. "Da gab's ne ganze Menge Schäden, aber das wurde alles repariert..."
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  • Schön, da war nun doch etwas Schriftliches aufgetaucht. Pacatus wusste, dass die meisten Leute zwar Schreiben und Lesen gelernt hatten, aber wenn's mal zur Sache ging und man den Griffel in die Hand nehmen musste, dann liess man's doch lieber sein. Und hier in der Provinz war das vielleicht noch krasser. Umso besser, dass der Troglodyt doch fündig geworden war.


    "Hast Du hier noch nen Platz zum Sitzen? Ich würd mir das gerne mal durchlesen". Als er die Tabula sah, war seine Begeisterung dann doch etwas gedämpfter. Wenig. Gekritzel. Er ging näher an eine Lampe, fing an zu dechiffrieren und sich das Wichtigste zu merken. Er brauchte mehr Information.


    "Was ist mit dem Architekten? Den würd ich dann doch ganz gerne mal sprechen. Wo find ich den?"


  • Narcissus sah zu, wie Pacatus sich mit dem Gekritzel abmühte und setzte sich auf seinen Arbeitsstuhl. Als er nach einem Sitzplatz Ausschau hielt, deutete der Scriba auf einen kleinen Schemel, auf den er sich stellte, wenn er an die oberen Regalreihen wollte. "Bittesehr."


    Weniger konnte er bei seiner anderen Frage helfen. "Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht. Aber ich glaube, er arbeitet für Freya Mercurioque, wenn ich mich nicht täusche. Die haben ihren Stand in der Basilica. Vielleicht können die dir helfen..." So viele Architekten gab es in Mogontiacum auch wieder nicht, sodass man sich besser an jeden Strohhalm klammerte...
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  • Pacatus legte die Tabula zurück auf den Tisch. "Dann werd ich dort mal fragen. Wer nicht fragt, bleibt dumm. Ist doch so? Eigentlich hast Du es hier unten ganz gemütlich, wenn man sich mal an das Licht hier gewöhnt hat. Ich glaub, ich schau mal öfters bei Dir rein. Gut, dann geh ich mal fragen. Vale Narcissus".

  • Von einem Scriba aus der oberen Etage hergeschickt stand Curio nun vor der Tür mit der Aufschrift "Tabularium". Hier unten überwiegte der Geruch alter Papyrii und brennenden Öllampen (Irgendwie keine gute Mischung, dachte Curio). Ein weiteres Mal müsste er hier sein Anliegen erklären und wieder bestand die Chance, dass er mit einem "Geht dich nichts an" abgespeist werden könnte. So durchdachte Curio kurz sein Vorgehen, bevor er dann schließlich klopfte.


    POCH POCH


  • Wie immer beschäftigte Narcissus sich mit der Ordnung der Akten, die hier hinterlegt waren. Es waren inzwischen eine ganze Menge und bald schon würde die Curia abgerissen werden, wie er wusste - also musste man die Gelegenheit nutzen, das Archiv im neuen Gebäude grundlegend neu aufzustellen!


    Als es klopfte, fühlte er sich deshalb natürlich gestört, rief aber trotzdem "Herein!"

  • Irgendwie klang die Stimme nur wenig einladend. Nichtsdestotrotz hatte Curio ja ein klares Ziel und daher trat er ein, musste sich kurz einen Überblick im spärlich beleuchteten Raum verschaffen, bevor er dann einen älteren Beamten erkannte, der damit beschäftigt war, die im Archiv hinterlegten Akten zu sortieren. Curio schürzte die Lippen, als ihm der Geruch des Lampenöls in die Nase stieg, ergriff dann aber das Wort.


    Salve, Pacarius. Mein Name ist Iullus Helvetius Curio und ich bin auf der Suche nach einem Einwohner der Stadt. Der Scriba Palfurius Bolanus hat mich daher zu dir verwiesen, da hier das Einwohnerverzeichnis zu finden sei.


    führte Curio sein Vorhaben aus und hoffte, dass ihm mit seinem Verweis auf den Scriba im Officium Scribarum weitere Nachfragen erspart bleiben würden. Schließlich gab der Verweis seinen Anliegen bereits den Anschein, dass es durch einen städtlichen Scriba abgesegnt worden sei, so der Gedankengang Curios, der nun den Archivar erwartungsvoll anblickte.

  • Ach, verdammt... Es hatte also nicht geklappt. und curio musste wieder seine Geschichte erzählen. Er schluckte, biss sich kurz auf die Lippen und schaute dann zu dem alten Archivar.


    Ich suche Publius Lacerius Simplex. Es geht um eine Hütte aus seinem Besitz, die sich am Rhenusufer befindet. Sie ist nicht mehr im besten Zustand, weswegen ich Kontakt mit ihm aufnehmen möchte.


    versuchte Curio es erstmal, wobei er sein persönliches Interesse erstmal zurückhielt. Schon dieser Palfurier hatte zwar verständnisvoll, aber doch generell ablehnend reagiert und zu bedenken gegeben, dass es Curio ja eigentlich nichts anging. Nun schaute er aber erstmal erwartungsvoll zum Pacarier, gespannt, ob er ebenso über Details informiert werden wollte, wie der Palfurier aus dem Officium Scribarum.


  • Der Archivar runzelte die Stirn - er sollte wegene einer kaputten Hütte in den Bürgerlisten herumsuchen?
    "Aber du kennst ihn nicht und die Nachbarn konnten dir auch nicht sagen, wo du ihn findest?" fragte er deshalb weiter nach.

  • Da war sie wieder, diese Abwehrhaltung. Die Befürchtungen Curio wurden größer, dass er hier vielleicht doch noch kurz vor dem Ziel ausgebremst werden würde. Dabei war ihm natürlich klar, dass die Beamten viel zu tun hatten, doch ein kleines bisschen Zeit könnten sie ja abknipsen.


    Leider nicht. In der Umgebung war niemand, den ich hätte fragen können und meine sonstigen Recherchen waren leider vollkommen unergiebig bislang.


    antwortete Curio daher mit anfänglichem Kopfschütteln. Irgendwie würde er hier schon am Ziel ankommen und ansonsten... Ja, da hatte er sich tatsächlich noch keine Gedanken drüber gemacht.

  • Die einzige Spur, die Curio gefunden hatte, war dieser Tisch mit der Widmung. War er sich sicher, dass die Hütte dem Lacerius gehört? Kein bisschen. Doch war das sein einziger Ansatzpunkt, und vielleicht der Tischler, wobei der wahrscheinlich noch schwieriger zu finden wäre...


    Ja. Es gibt in der Hütte einen massiven Holztisch mit einer Widmung. Diese benennt Lacerius Simplex als Besitzer.


    musste er daher jetzt auch noch seinen einzigen Hinweis kundtun. Dünn, sehr dünn. Das wusste Curio natürlich auch. Aber besser, als gar nichts.


  • "Naja, das ist aber ein sehr dünner Hinweis..." bemerkte Narcissus spitzfindig. "Womöglich hat der Besitzer der Hütte den Tisch von diesem Simplex gekauft - oder eben von einem Dritten. Oder dieser Lacerius hat die leerstehende Hütte gesehen und seine Altmöbel dort deponiert! Ist der Tisch denn alt?" Vielleicht hatte der Archivar ja sogar selbst Interesse an einem guten Holztisch!

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